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Ausgabe #7 - Herbst 2016

Ausgabe 7

Editorial

Die letzte Ausgabe der Alerta Südthüringen erschien im Winter 2015/2016, also vor fast einem Jahr. Damals planten wir eine neue Ausgabe für Spätsommer 2016. Dass wir diesen Zeitplan nicht einhalten konnten – was für ein prekäres Projekt wie dieses nun nicht ungewöhnlich ist – hängt eng mit dem Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe zusammen. „Deutsche Zustände“ mag dem einen oder der anderen etwas weit gefasst erscheinen. Das mag sein. Die in den nachfolgenden Texten beschriebenen Zustände (Naziterror, Arbeitswahn, Geschichtsklitterung, Angriffe des Staates auf linke Strukturen, etc.) haben aber eines gemeinsam: Sie rauben Menschen, die zu Besserem entschlossen sind, die Zeit für ein Zeitschriftenprojekt wie dieses. Und trotzdem haltet ihr hier die siebte Ausgabe unserer Zeitschrift für antifaschistische Kritik und Aktion aus Südthüringen in den Händen oder lest sie im Internet.

Die Tage werden nun wieder kürzer und kälter, dem Sommer der Migration wird ein langer Winter der Abschiebungen folgen, denn in Thüringen gibt es voraussichtlich auch in diesem Jahr keinen Winterabschiebestopp. Die rot-rot-grüne Landesregierung weiß wie die Bundesregierung dies sicherlich mit Sachzwängen zu begründen und übt sich damit in einem klassisch deutschen Reflex der Verteidigung von Unmenschlichkeit durch den Verweis auf die Notwendigkeit der Garantie eines reibungslosen Ablaufes. Da man sich da aber ganz auf der Seite geltenden Rechts bewegt – das man mittels einer Reihe von Asylrechtsverschärfungen zu diesem Zwecke angepasst hat –, kann man sich zumindest nicht vorwerfen lassen, nicht stets anständig gewesen zu sein. Und auch ansonsten ist so ziemlich alles beim Alten, weswegen wir noch immer gegen die selben Zustände wie vor dem Sommer im „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“ (U. Sonnemann) anschreiben. In diesem Sinne steht die aktuelle Ausgabe der Alerta auch unter dem Themenschwerpunkt „Deutsche Zustände“.

Ganz im Thema geht es im ersten Artikel dieser Ausgabe „Hildburghausen: Ein Drama in drei Akten“ deswegen um ein Nazifestival mit mehreren Tausend Teilnehmern in Hildburghausen, das im Sommer dieses Jahres zum zweiten Mal unter der Schirmherrschaft von Tommy Frenck und Patrick Schröder stattfand. Eine handvoll Zivilgesellschafter und einige autoritäre Linke der MLPD fanden sich zu einer Demonstration zusammen, um unter Gefährdung der eigenen körperlichen Unversehrtheit in Konfrontation mit Tausenden teils betrunkenen Nazis darüber hinwegzutäuschen, dass den regelmäßig in Hildburghausen stattfindenden Naziveranstaltungen derzeit nicht viel entgegenzusetzen ist. Dass von Nazis auch aktuell Gefahr für Leib und Leben ausgeht, zeigt traurigerweise der Mord an Klaus-Peter Kühn aus Suhl am 16. Juni 2012, an dem in diesem Jahr mittels eines Flugblattes erinnert wurde, welches wir in dieser Ausgabe dokumentieren.

Dass die Deutschen Täter sich dabei auch in der Rolle als Opfer gemeinhin wohl fühlen, verdeutlicht die deutsche Gedenkpolitik im Allgemeinen und das im Heft unter dem Titel „Wie in Suhl das Erinnern dem Vergessen Vorschub leistet“ im Besonderen. Die Liste der Deutschen Zustände wäre nicht komplett, würde nicht auch die Arbeitswut dieser Gesellschaft beleuchtet werden, wie im Artikel „Ilm-Kreis: Kapitalismus abschaffen statt Schaffen gehen“ der Fall. An diesem Beispiel zeigt sich auch, wie gut sich die Deutschen darauf verstehen, eine Sache um ihrer Selbst willen zu tun, wie es Adorno als Antwort auf die Frage „Was ist deutsch“ herausgestellt hat.

Dass wir der ganzen Reihe von Zumutungen eben doch etwas entgegenzusetzen haben, zeigen wir im Heft mit dem Wachhalten der Erinnerung an den historischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus sowie mit einer in diesem Heft gestartet Reihe zur Frage: „Was heißt Antifa?“, wo wir Theorie und Praxis einer radikalen antifaschistischen Linken in der gegenwärtigen Gesellschaft umreißen wollen. Nun viel Spaß beim Lesen!


Inhaltsverzeichnis


Die Alerta Südthüringen #7 als pdf gibt's hier.