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Ausgabe #8 - Frühling 2017

Ausgabe 8

Editorial

Drei Monate Haft Mindeststrafe fürs Bullenschubsen plant das Bundesjustizministerium in einem neuen Gesetzesentwurf, für den die mächtige Law-and-order-Fraktion der deutschen Politik zum Schutz von Staatsdienern schon lange trommelt. Am 31. März quälten einige dieser schützenswerten uniformierten Rindviecher im Schutze des Rudels ein paar unbewaffnete, keine Gewalt anwendende Jugendliche mit Reizgas in Sonneberg (Titelbild). Ihr Vergehen: Sie saßen auf einer abgesperrten Straße und blockierten damit einen Naziaufmarsch. Inzwischen wird gegen die Betroffenen ermittelt. Die angreifenden Bullen, die wegen schwerer Körperverletzung im Amt diesem enthoben und laut §340 StGB Minimum drei Monate in den Knast gehören, sollte die Rede vom Rechtsstaat irgendeine Bedeutung haben, werden, so unsere praktische Erfahrung aus Jahrzehnten politischer Auseinandersetzungen, straffrei davon kommen. Die härteste Maßnahme gegen marodierende Beamte ist bekanntlich der Hinweis durch Vorgesetzte beim nächsten Mal auch den anwesenden Journalisten zusammenzuschlagen und seine Ausrüstung zu zerstören. Ohne Beweise keine öffentliche Empörung. Demokratie made in Germany!

Gründe genug also um Gewalt zum Gegenstand dieser Ausgabe zu machen. Unser Leitartikel geht der Frage der Legitimität politischer Gewalt sowie dem von der Zivilgesellschaft gern bemühten Dogma des Gewaltverzichts nach und entlarvt den Ruf nach Verzicht auf Gewalt in der politischen Auseinandersetzung als Affirmation der herrschenden, mörderisch-gewalttätigen Verhältnisse. Im Artikel zur Repression gegen junge Antifaschisten aus Saalfeld und einem dokumentierten Redebeitrag zum Tod des Punks Lars Rehbeil in einer Ilmenauer Polizeigewahrsamszelle geht es um verschiedene Fälle und Dimensionen staatlicher, d.h. von der Mehrheitsgesellschaft als legitim anerkannter Gewalt gegen linke Aktivisten und Menschen, die sich gesellschaftlichen Normierungen und Erwartungen nicht schadlos beugen. Staatliche Gewalt gegen Flüchtlinge und dass das Abschieberegime auch mit einer linken Landesregierung reibungslos weitergeht, kritisiert ein von uns dokumentierter Podiumsbeitrag des linksradikalen „Grenzen abschaffen“-Bündnisses aus Erfurt, gehalten auf der Podiumsdiskussion des 26. Antifaschistischen & Antirassistischen Ratschlags am 5. November 2016 in Ilmenau. Apropos Ilmenau und Gewalt: Als sich in der Universitätsstadt mal wieder rassistische Gewalt gegen Nicht- deutsche entlud, war man im konservativen Politbusiness empört. Aber nicht über die Gewalt, sondern über den drohenden Imageschaden. Auch dieses Problem thematisieren wir in dieser Ausgabe.

Neben all der Gewalt und dem Elend, das zu thematisieren und zu kritisieren Aufgabe dieser Zeitschrift ist, setzen wir auch zwei in der letzten Ausgabe begonnene Textreihen fort. Euch liegt hier Teil zwei unseres Abrisses „Was heißt Antifa?“ und Teil zwei der Personendossiers zu Menschen im historischen antifaschistischen Widerstand vor. Konkret geht es diesmal um den antifaschistischen Widerstandskämpfer Karl Zink aus Ilmenau, der 1940 von den Faschisten ermordet wurde. Um die Ehrung der Mörder von Menschen wie Karl Zink geht es der Stadt Suhl. Sie hat zum Volkstrauertag 2016 einen Gedenkstein für NS-Aktivisten eingeweiht. Dieses unsägliche Denkmal thematisieren wir hier ebenso wie den Rechtsschwenk eines ehemals alternativen Suhler Jugendzentrums. Letzteres ist in Ausgabe #6 der Alerta Südthüringen noch hoffnungsvoll beworben worden. Die aktuelle Berichterstattung darf also als Richtigstellung in dieser Sache verstanden werden.

Die nächste Ausgabe soll im Spätsommer/Herbst dieses Jahres erscheinen. Wer Beiträge aller Art einreichen oder vorschlagen möchte, erreicht uns am besten per Mail.


Anmerkung der Redaktion: Nach Redaktionsschluss erreichte uns die Meldung, dass der hier an verschiedenen Stellen angesprochene Gesetzesentwurf zur Verschärfung des Strafrechts inzwischen vom Bundestag beschlossen wurde.


Inhaltsverzeichnis


Die Alerta Südthüringen #8 als pdf gibt's hier.