HOME | SELBSTVERSTÄNDNIS | AUSGABEN | BEZUG | KONTAKT | LINKS

Menschen im antifaschistischen Widerstand – Teil I: Nikolaus Pfaff

In den vergangenen Ausgaben der Alerta Südthüringen haben wir euch in einer dreiteiligen Reihe einen Überblick über den antifaschistischen Widerstand in Südthüringen in der Zeit des Nationalsozialismus gegeben. Im Folgenden wollen wir dieses Bemühen um das Wachhalten der Erinnerung an die Verbrechen des deutschen Faschismus und den antifaschistischen Widerstand dagegen mit einer Reihe von Dossiers über Männer und Frauen fortsetzen, die gegen die nationalsozialistische Herrschaft auf unterschiedlichste Weise opponierten. Beginnen wollen wir diese Reihe mit einem Mann, dessen Werdegang sinnbildlich für die Zerrissenheit der Arbeiterbewegung zum Zeitpunkt ihrer endgültigen Niederlage steht und der die nationalsozialistische Bedrohung schon lange vor deren Machtübernahme bekämpfte: Nikolaus Pfaff.

Pfaff wurde am 8. Mai 1892 in Michelau (Oberfranken) geboren, zog später nach Zella-Mehlis und arbeitete in seinem Leben in vielen Berufen. Als Leutnant im Ersten Weltkrieg wurde er zum Kriegsgegner, Pazifist und schließlich zum Kommunist. Er war lange Zeit als Lehrer tätig – eine Profession, die damals wie heute nicht unbedingt von Kommunisten dominiert war. Zusammen mit Theodor Neubauer arbeitete er an Schulreformen und galt als „roter Schulmeister“. Im Jahr 1923 musste Pfaff untertauchen und floh später sogar zeitweise aus Deutschland. Er sah sich damals antikommunistischer Verfolgung ausgesetzt, weil er sich im Nachgang des Hitlerputsches an der Bewaffnung von Thüringer Arbeiterkampfverbänden beteiligte und als „Anführer“ jener proletarischen Hundertschaften galt, die im thüringisch-bayrischen Grenzgebiet gegen die Truppen des Hitlerputsches einen Sperrriegel errichteten, der das Übergreifen faschistischer Milizen auf Thüringen verhindern sollte. Pfaff arbeitete im Anschluss für die KPD als Funktionär, für die Kommunistische Internationale in Moskau, in Redaktionen kommunistischer Zeitungen, war ein begnadeter Redner und gefragter Politiker. Er saß für die KPD zeitweise im Reichstag, was ihm Immunität vor der Verfolgung verschaffte und wurde nach Auslaufen des Reichstagsmandates 1931 zu einem Jahr Festungshaft wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt. Auch in seiner Haftzeit blieb er sich treu und organisierte im Knast den politischen Widerstand.

Nikolaus Pfaff

Nach seiner Haftentlassung im Sommer 1932 wurde Nikolaus Pfaff aus der KPD isoliert. Grund war seine kritische Haltung gegenüber der dogmatischen und Moskau-hörigen Politik der Partei. Vor allem die Sozialfaschismusthese, nach der die deutschen Sozialdemokraten auch Faschisten bzw. deren Steigbügelhalter seien, lehnte Pfaff ab. Er plädierte für einen gemeinsamen Kampf gegen die faschistische Gefahr. 1933, im Jahr der faschistischen Machtübernahme, kam das Verbot der KPD dem Ausschluss Nikolaus Pfaffs aus dieser zuvor.

Im April 1933 fand die erste Hausdurchsuchung bei Pfaff statt, bei der man kommunistisches Material beschlagnahmte. Durch seine Isolation in der KPD entkam Pfaff aber den ersten faschistischen Verhaftungswellen. Zusammen mit seinen Genossen organisierte er Widerstand, gehörte aber nicht zum engeren Kreis der Widerstandsorganisationen. Nach dem Ausbruch des Krieges mit dem Überfall Deutschlands auf Polen kamen die ersten Zwangsarbeiter nach Zella-Mehlis. Nikolaus Pfaff, seiner Familie und anderen Zella-Mehliser Antifaschisten ist es zu verdanken, dass viele von ihnen nicht unter den erbärmlichen Bedingungen verhungerten. Am 8. Juni 1944 wurde Nikolaus Pfaff im Zuge der Vorbereitung der „Suhler Hochverratsprozesse“ verhaftet. Er wird ins Gestapo-Gefängnis nach Ichtershausen gesperrt. Was Pfaff dort durchmachen musste, ließ sein mit Narben übersäter Körper noch nach dem Krieg erahnen. Am 5. April 1945 standen die amerikanischen Alliierten kurz vor Ichtershausen. Pfaff und die anderen dort inhaftierten Antifaschisten wurden auf den Todesmarsch in Richtung KZ Flossenbürg geschickt. In einer Schule in Rudolstadt angekommen, weigerten sich Pfaff und sechs weitere Gefangene weiterzulaufen. Sie waren zu schwach und wurden zurückgelassen. Am 13. April wurden sie – völlig entkräftet und ausgehungert – von den Amerikanern aufgefunden und wieder an die Nahrungsaufnahme herangeführt. Drei Tage später traf Pfaff wieder in Zella-Mehlis ein. Er wog noch 48 Kilogramm. Nikolaus Pfaff, so schreibt seine Enkelin Heike Gundlach, hatte nur „durch eine Kette von Zufällen den faschistischen Terror überlebt“. Schon einen Tag nach seinem Eintreffen in Zella-Mehlis, am 17. April 1945, meldete er sich im Rathaus, wo sich die amerikanische Kommandantur befand. Pfaff wollte den Wiederaufbau vorantreiben und die faschistischen Strukturen in Zella-Mehlis ausmerzen. Er genoss das Vertrauen der Amerikaner, kümmerte sich um Ernährungsfragen und war Mitglied bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Ende März 1946 erlebte Pfaff, möglicherweise als Spätfolge der faschistischen Misshandlungen, einen schweren, lebensgefährlichen Herzinfarkt. Auch sein gespaltenes Verhältnis zu den Überresten der organisierten Arbeiterbewegung, die in der DDR unter sowjetischer Ägide einen postfaschistischen Staatskapitalismus installierte, holte ihn ein. Wegen kritischer Äußerungen gegenüber der Staatspartei SED wurde Pfaff aus dieser ausgeschlossen und zur Unperson erklärt. Am 23. Mai 1951 brach Pfaff bei der Gedenkrede für einen verstorbenen Freund an dessen Grab tot zusammen.

Die Vita von Nikolaus Pfaff steht symbolisch für die Niederlage der Arbeiterbewegung gegen den Faschismus. Die tiefe Spaltung, die sie durchzog, war ein Grund unter weiteren, warum sie niemals in der Lage war, die faschistische Herrschaft in Bedrängnis zu bringen. Pfaff steht dabei für unzählige Kommunisten, die ohnmächtig die falsche Politik der internationalen kommunistischen Führung ertrugen, auch wenn sie die Fehler erkannten. Heute, mit einigem Abstand betrachtet, lässt sich Nikolaus Pfaff einordnen in eine Bewegung, die später als Reformkommunismus oder auch Eurokommunismus bekannt wurde. In jenen kommunistischen Parteien, die im sowjetischen Machtbereich nach dem Zweiten Weltkrieg lagen, konnten sich die Reformkommunisten nie durchsetzen. In den westeuropäischen KP‘s, vor allem in Italien, Spanien und Frankreich, vertraten die Kommunisten zunehmend die Auffassung eine von den Weisungen aus Moskau unabhängige Politik zu verfolgen und sich an den Bedingungen des jeweiligen Landes zu orientieren. Nebenbei gemerkt: Ohne wirklichen Erfolg. Der Eurokommunismus etwa Italiens ging in der Sozialdemokratie auf, der Sowjetkommunismus war nicht erst seit den Großen Säuberungen Mitte der 30er Jahre in der Sowjetunion eine einzige Tragödie. Aber die Irrwege der kommunistischen Bewegung wären ein eigenes Thema und sind mithin ein Problem an dem eben auch Nikolaus Pfaff in seinem Bemühen für eine Gesellschaft jenseits kapitalistischer Ausbeutung und faschistischer Zerstörung tragisch scheiterte.

Nikolaus Pfaff

Literatur: