Walter Benjamins Feststellung, dass uns doch zumindest um der Hoffnungslosen willen Hoffnung gegeben ist, ist ein schwacher Trost angesichts der trostlosen gesellschaftlichen Wirklichkeit im Jahr 2016. Während immer größere Teile der europäischen Peripherie im Chaos und der Barbarei versinken, drängen sich die Kriegs- und Elendsflüchtlinge an den Grenzen Europas. Was sie auf ihrem Weg nach Deutschland durchleiden, kann kein Mensch ermessen. Was die meisten in Europa erwartet, ist oft nur die Fortsetzung der Hölle, der sie entflohen und nicht selten schickt man sie wieder zurück. In dieser Ausgabe dokumentieren wir einen Bericht von Martin, der sich mit Genossinnen und Genossen die Lager an der slowenischen Grenze anschaute und half, wo das Abendland wegschaut.
Der Schwerpunkt unserer Ausgabe thematisiert die Probleme jener Stützpunkte, an denen es eigentlich ist, den Widerstand gegen diese Verhältnisse und die Solidarität mit den Betroffenen ihrer Gewalt zu organisieren. Antifaschistische Projekte, zumal in Südthüringen, gerieten in der Vergangenheit immer wieder in die Auseinandersetzung mit Nazis und anderen Arschlöchern – allerdings nicht als „bloß“ äußere Bedrohung, sondern als in die „Szene“ gewissermaßen eingewandertes Problem. Es geht um die „Grauzone“ und die Verheerungen, die Rassisten, Antisemiten, Sexisten und anderes Ungemach in der alternativen Subkultur anrichten. Ein Gastbeitrag von unseren Freunden von Thüringenpunk schaut sich den Begriff und Gegenstand jener „Grauzone“ genauer an. Im Anschluss berichten wir über ein konkret bedrohtes, südlich des Rennsteiges einzigartiges Projekt, dem unsere Solidarität gilt.
Im Weiteren dokumentieren wir zwei Debattenbeiträge der Antifa Suhl/Zella-Mehlis zum Thema Islamismus, gehalten als Redebeitrag am 20. August 2015 in Suhl und zum Thema Bestandsaufnahme und Perspektiven antifaschistischer Praxis, gehalten als Podiumsbeitrag auf dem 25. antifaschistischen und antirassistischen Ratschlag am 7. November 2015 in Weimar. Unsere Reihe zum antifaschistischen Widerstand in Südthüringen von 1933 bis 45 geht in die dritte und letzte Runde. Insgesamt bietet die vorliegende Ausgabe der Alerta mehr Umfang und Inhalt als die vergangene und in Zeiten kollektiver Verdummung und ihrer öffentlichen Zurschaustellung bei den unzähligen Naziaufmärschen dieser Tage, ist das bitter nötig. Diese Zeiten sind keine guten und sie werden auch nicht besser, das wusste Max Horkheimer, durch eine der Geschichte immanente Logik, sondern durch die an der Theorie geschulten, zum Besseren entschlossenen Menschen oder eben gar nicht. Es liegt auch an uns. Im Jahr 1931 schrieb jener Horkheimer angesichts des sich im vollen Gang befindlichen Zusammenbruchs der kapitalistischen Weltordnung hoffnungsvoll, dass die Dämmerung des Kapitalismus nicht notwendigerweise die Nacht der Menschheit einzuleiten braucht, die ihr droht. Wenige Jahre später zerstörte die deutsche Volksgemeinschaft jede Hoffnung auf Befreiung als sie die „Produktionsweise des Todes“ (ISF) ins Werk setzte und zur Vernichtung um der Vernichtung willen überging. Und auch heute überwiegt, die gesellschaftlichen Tendenzen und den Stand ihrer Ideologie nüchtern betrachtend, eher das heraufziehende Dunkel als die Möglichkeit des Tagesanbruches.
Die nächste Ausgabe der Alerta Südthüringen erscheint aller Voraussicht nach im Sommer. Wie immer freuen wir uns über Mitarbeit, Kritik, Hinweise und Themenvorschläge.
Mit antifaschistischen Grüßen,
eure Alerta Redaktion