Wochenlang demonstrierte ab Herbst 2015 mittwochs die Alternative für Deutschland (AfD) in Erfurt mit tausenden „besorgten Bürgern“ und Neonazis unter dem Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Im Juni 2015 eröffnete in Suhl eine Kreisgeschäftsstelle der AfD. Im Thüringer Landtag bilden gegenwärtig acht Abgeordnete die Fraktion der AfD, darunter auch eine Abgeordnete, die sich einem Südthüringer Landkreis verpflichtet hat: Corinna Herold. Anfang des Jahres 2015 machte Herold auf sich aufmerksam, als sie ihren Wahlkreismitarbeiter und damaligen Vorsitzenden der Südthüringer AfD Heiko Bernardy wegen Hassreden auf einer SÜGIDA-Demonstration in Suhl feuerte. Auch eine Anfrage zu Homosexuellen in Thüringen sowie Beiträge und Kommentare auf Facebook brachten Herold ins Gespräch.
Corinna Herold wurde am 26. November 1961 in Eisfeld im Landkreis Hildburghausen geboren. Sie ist geschieden, hat einen erwachsenen Sohn, lebt derzeit in Erfurt und betreibt dort eine Zahnarztpraxis am Benediktsplatz. Von 1982 bis 1988 studierte sie Zahnmedizin an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Im April 2013 trat sie der Alternative für Deutschland bei, seit September 2014 ist sie Mitglied im Thüringer Landtag für die AfD-Fraktion. Ihr Wahlkreisbüro für den Wahlkreis Hildburghausen I – Schmalkalden-Meinigen III befindet sich in Hildburghausen direkt am Markt in einem Hinterhof.
Anfang 2015 kam es zu einem Eklat in der Südthüringer AfD. Am 26. Januar 2015 fand die bereits dritte Demonstration des PEGIDA-Ablegers SÜGIDA (Südthüringen gegen die Islamisierung des Abendlandes) mit rund 1.000 Teilnehmern in Suhl statt. Unter den Rednern war auch der ehemalige Landtagskandidat und Kreisvorsitzende der AfD Südthüringen Heiko Bernardy. Bernardy war zu diesem Zeitpunkt als Wahlkreismitarbeiter für Corinna Herold in Hildburghausen angestellt. Bereits im Vorfeld distanzierte sich die Südthüringer AfD sowie der Thüringer Landesverband von den offensichtlich von Neonazis organisierten SÜGIDA-Veranstaltungen. So heißt es auf der Internetseite der AfD Südthüringen: „Der Kreisvorstand hatte bereits in seiner Sitzung am 7.1.2015 beschlossen, dass es keine Zusammenarbeit mit den Organisatoren von SüGIDA geben wird.“ So passte es wahrlich nicht, dass ein AfD-Mitglied, noch dazu der damalige Kreisvorsitzende, nach dieser Stellungnahme, um den eigenen Ruf des „besorgten Bürgers“ aufrechtzuerhalten, ungefragt bei einer Demonstration von Neonazis auf der Bühne steht. In dem Redebeitrag, den Bernardy als Privatperson hielt, wie er betonte, redete er von einem „antideutschen Rassismus“ und einem „staatlich geförderten Linksextremismus.“ Weiter heißt es in seiner Rede: „Wenn PEGIDA eines erreicht hat, dann ist es die Tatsache, dass sich die Feinde unseres Volkes offen geoutet haben“. Corinna Herold, gleichwohl sie ähnliche Standpunkte wie Bernardy vertritt, geriet so unter Zugzwang und reagierte mit der Entlassung von Heiko Bernardy als Wahlkreismitarbeiter und Büroleiter in Hildburghausen.
In einer offiziellen Stellungnahme Herolds heißt es hierzu: „Sowohl die Teilnahme an der Veranstaltung als auch der Redebeitrag Herrn Bernardys waren weder von mir intendiert noch autorisiert. Vom Inhalt seiner Rede distanziere ich mich hiermit ausdrücklich, die darin getätigten Aussagen widersprechen in Geist und Buchstaben meinen politischen Zielen und Wünschen. Daher sehe ich auch keine gemeinsame Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und löse das Arbeitsverhältnis mit Herrn Bernardy mit sofortiger Wirkung auf.“ Sicher hätte Herold lieber anders reagiert und ihren Büromitarbeiter weiter beschäftigt. Dieser hat aber ohne zu fragen einfach bei seinen Kameraden auf der Bühne gestanden, drauf losgeschwafelt und Herold und ihrer AfD die Show gestohlen. Die Thüringer AfD ist nämlich kein Stück weniger rassistisch als Frenck, Köckert und Konsorten, möchte aber gerne ohne das Schmuddelimage der NPD auf Wählerfang gehen und insistiert nicht zuletzt wie jede Rechtspartei auf einen Alleinvertretungsanspruch als politische Repräsentanz der besorgten Bürgerschaft. Bernardy selbst trat als Reaktion auf seine Kündigung als Kreisvorsitzender der AfD Südthüringen zurück und aus der AfD aus. Inwieweit sich die Ansichten Bernardys mit denen Herolds allerdings decken, zeigt sich immer wieder in den jüngeren Äußerungen Herolds, u.a. auf Facebook. Doch dazu später mehr.
Am 2. Februar 2015, also eine Woche nach dem Redebeitrag von Bernardy, lud die örtliche CDU, angekündigt als Alternative zu der SÜGIDA-Veranstaltung auf dem Platz der Deutschen Einheit in Suhl, zu einem Bürgerforum mit dem Thema „Für Antworten und gegen jede Form des Extremismus“ im nahegelegenen Congress Centrum Suhl (CCS) ein und ging in den Dialog mit den Rassisten. Die Ängste und Sorgen der Suhler Bevölkerung müsse man ernst nehmen, so Marcus Kalkhake, Polizeibeamter und Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes in Suhl1. Auch Herold ließ sich diese Gelegenheit nicht nehmen und war bei dem Bürgerforum der CDU vor Ort, um der potentiellen Wählerschaft Rede und Antwort zu stehen. In einem Bericht der Antifa Suhl/Zella-Mehlis zum Bürgerforum heißt es: „Die „besorgten Bürger“ nutzten die Gelegenheit ihren Volksvertretern, bzw. heute heißt das in diesem Milieu „Volksverrätern“, ein Gemisch aus Antisemitismus („Juden und Amerikaner tragen die Schuld an allen Kriegen in der Welt“), Homophobie („Kinder werden in der Schule gehänselt, weil Mama und Papa Hans und Peter heißen“) und dem obligatorischen Rassismus an den Kopf zu werfen. Diese reagierten kühl und signalisierten durch ihren eigenen Nützlichkeitsrassismus Entgegenkommen. Dieser „Dialog“, an dem sich u.a. der Gründungsbeisteher der Kameradschaft Zella-Mehlis, Hans-Peter Conrad, ausufernd beteiligte, war kein Beitrag zur Aufklärung. Seine einzige Funktion bestand darin, Menschenfeinden ein sozial verträglicheres Ventil zu bieten, als der durch Suhl ziehende Mob es darstellt.“
Der Fall Bernardy war nicht der einzige Aufsehen erregende Vorfall im Hause Herold. Mit einer Kleinen Anfrage vom 1. September 2015 an die Landesregierung in Thüringen machte Corinna Herold wieder auf sich aufmerksam. In einem zweiseitigen absurden Fragenkatalog wollte Herold u.a. wissen, wie viele lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle (LSBTI) Menschen im Freistaat leben. Da im Koalitionsvertrag die Förderung von „Akzeptanz und Gleichstellung aller Lebensweisen“ verankert und als Landesprogramm vorgesehen ist, wollte Herold durch die Anfrage in Erfahrung bringen, welche Mittel und Zuwendungen für diese Personengruppen vorgesehen sind und in welcher Höhe diese den Haushalt von Thüringen belasten werden. Offensichtlich ging Herold davon aus, dass die sexuellen Einstellungen von Menschen in Thüringen erfasst werden, was viel über das eigene Staats- und Demokratieverständnis verrät und erahnen lässt wie Herold und Konsorten die Sichtbarmachung von alternativen Lebensweisen regeln würden. Vielleicht mit Kennzeichnung durch rosa Winkel, dann wäre so eine Datenerhebung auch überflüssig und einer effektiven Regierungsarbeit stünde nichts im Wege.
Auf Facebook teilt und kommentiert Herold gerne und viel, auch ihre Freundesliste und „Gefällt mir“-Angaben verraten mehr über die AfD-Abgeordnete. Herolds Chronik ist voll mit Beiträgen und Artikeln, die irgendwo zwischen protofaschistisch, verschwörungstheoretisch und fremdenfeindlich eingeordnet werden können. Unter diesen Beiträgen tummeln sich Artikel der „Wissensmanufaktur“ des Verschwörungstheoretikers Andreas Popp oder Artikel der Berliner Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Aber auch Gewaltphantasien gehören zum Repertoire Herolds. Durch einen Beitrag im August 2015 von thueringen-rechtsaussen.net2 wurde bekannt, dass Herold zu der „Bürgerwehr Untersuhl, Gerstungen und Umgebung“ ein enges Verhältnis pflegt und dessen Arbeit sehr schätzt. In einem Facebook-Kommentar nach einem Angriff auf die Firma der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry schreibt Herold in die Facebook-Gruppe „Frauke Petry hätte eine Truppe wie Eure gut gebrauchen können!“. Dass es sich bei dem Anführer der Bürgerwehr um Andreas Niebling, einen einschlägig bekannten Neonazi aus Gerstungen handelt, scheint Herold egal zu sein. Auf Facebook lud sie auch zu einer Buchlesung mit Thilo Sarrazin am 20. November 2015 im Hotel Radisson in Erfurt ein und war unter den Zuhörern. Zu ihren Freunden auf Facebook gehört u.a. der Protofaschist Thomas Buchtzik3, Bruder von Stefan Buchtzik, dem Herausgeber des „Arnstädter Stadtecho“ und Mitglied der Wählergemeinschaft „Pro Arnstadt“. Neben Facebook-Seiten wie PEGIDA, Thilo Sarrazin und Xavier Naidoo gefällt Herold auch die Seite „Ein Prozent für unser Land“, einer protofaschistischen Crowdfunding-Kampagne zur Finanzierung rassistischer und antisemitischer Medienoffensiven.
Corinna Herold ist kein unbeschriebenes Blatt in der Thüringer AfD, immer wieder taucht sie mit hetzerischen Postings auf Facebook auf, war Teilnehmerin und Rednerin bei den größten faschistischen Demonstrationen in Erfurt und Thüringen seit 19454, bei denen AfD’ler, „besorgte Bürger“ und Neonazis, wie Tommy Frenck aus Hildburghausen (BZH), Enrico Biczysko aus Erfurt (NPD) oder Michel Fischer aus Tannroda (Die Rechte) zusammen gegen Flüchtlinge demonstrierten und hetzten.
CDU im Dialog mit Rassisten: http://fucksuegida.blogsport.de/2015/01/30/suhl-cdu-im-dialog-mit-rassisten/
Gewaltphantasien Herolds: https://thueringenrechtsaussen.wordpress.com/2015/08/07/afd-landtagsabgeordnete-herold-mit-lob-fur-neonazis-und-gewaltphantasien/
Thomas Buchtzik: http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=810
AfD und Neonazis demonstrieren gemeinsam: https://thueringenrechtsaussen.wordpress.com/2015/09/21/thuringer-afd-demonstriert-gemeinsam-mit-neonazis-eine-auswahl/