Im Dezember 2015 starteten Aktivistinnen und Aktivisten im südthüringischen Ilmenau einen Aufruf, um Winterkleidung und Schuhe für die Flüchtenden im slowenischen Grenzort Dobova zu sammeln. Zum Jahresbeginn brachen fünf junge Menschen mit zwei Autos auf und halfen vor Ort in drei Nachtschichten den Menschen, die einen sicheren Ort zum Leben suchen. Wir dokumentieren hier den Bericht von Martin über den alltäglichen Wahnsinn an nur einem Punkt auf der sogenannten Balkanroute.
Es ist dunkel und kalt und sehr still. Mit vier Freunden zwischen 20 und 30 stehe ich etwas hilflos auf einer Nebenstraße vor einem Gebäude. Es ist ein ungewöhnliches Haus mit drei Stockwerken, einfach gehalten und mit einer LKW-Zufahrt. Hinter dem Gebäude entdecken wir eine riesige langgezogene Halle. Ansonsten gibt es klassische Einfamilienhäuser, die aber im Schutze der Nacht kaum genauer auszumachen sind. Neben dem Haus verläuft eine doppelte Eisenbahnschiene.
Das Schnaufen einer alten E-Lok mit langen Passagierabteilen zerreißt die Stille der Nacht. Irgendwo, vielleicht fünfhundert Meter weiter, muss sie wohl zum Stehen gekommen sein. Sie hält in Dobova, einem kleinen 800-Seelen-Dorf, gleich hinter der kroatischen Grenze in Slowenien. Auch wir werden in unserem Warten unterbrochen, denn auf einem einfachen Fahrrad kommt Ivan angeradelt. Er ist, mit seiner türkisen Hose, türkisen Jacke und den hohen schwarzen Lederstiefeln als Mitglied der slowenischen „Zivilverteidigung“ erkennbar, einer karitativen Organisation des Verteidigungsministeriums. Ivan tritt uns lässig entgegen. Unter seiner dicken Wollmütze zeichnet sich ein warmes und herzliches Lächeln ab. Wir erklären nochmal kurz, was wir dabei haben und dass wir Spenden in einer thüringischen Kleinstadt gesammelt haben. „Keine Sommerkleidung, bitte!“, sagt Ivan, aber das war uns schon bekannt. Ob er alles haben möchte, frage ich. „Ja, stellt’s da hin“ und zeigt in den Vorraum. Müllsack um Müllsack beginnen wir die Sachen auszuladen. Ich zeig’ ihm die Beschriftung der Säcke und frag’ ihn zur Situation in Dobova. Viele würden in Slowenien spenden und helfen, aber nicht so viel wie die Menschen in Deutschland. Immer wieder holen wir einen neuen Sack mit Winterkleidung oder Schuhe und sind erstaunt wie wir ca. 30 Säcke im alten 2er Golf verstaut hatten. Ivan erzählt von einem weiteren Camp für Flüchtende bei Dobova, neben dem bekannten Camp an der Landstraße nach Rigonce, der letzten Ortschaft vor Kroatien.
Wir bekommen noch eine kleine Führung durch das Lager und sehen große Vorräte an Heizmaterial, Babynahrung, Klamotten, Decken und vieles mehr. Im Prinzip ist alles da und es wäre noch Platz für weitere LKW-Ladungen, nur leider spenden die Leute nur Sommerkleidung und kaum Wintersachen. Das Hauptcamp kann 2.500 Flüchtende aufnehmen und zur Zeit sind wohl ca. 1.000 da. Kurzzeitig zum Jahreswechsel war das Camp geschlossen, aber nun ist es wieder in Betrieb. Österreich würde, so erzählt Ivan, Menschen zurückschicken, denen sie nicht glauben, dass sie aus Syrien kommen. Nun kümmert sich wieder Slowenien um sie.
Ivan erklärt, dass alle Flüchtlinge die aus Kroatien mit dem Zug kommen in Dobova aussteigen müssen. Es ist nicht verwunderlich, dass viele Flüchtende hier ankommen, weil Dobova liegt auch unweit von Zagreb, der kroatischen Hauptstadt. Danach werden sie mit Bussen zu dem Camp gefahren und müssen dort registriert und versorgt werden, bevor es weiter nach Österreich geht. Später fahren wir aus lauter Neugier an dem Camp vorbei und sehen eine kleine Zeltstadt aus großen langen Zelten mit zig Bussen davor. Das Camp liegt an einer verlassenen Landstraße. „Ist es nicht einfacher, die Leute durchreisen zu lassen?“, frag ich Ivan. „Ja klar“, meint er, „aber so ist halt Bürokratie.“
Wir treten raus in die eiskalte Nacht und beginnen uns zu verabschieden. Doch da hören wir das Heulen eines alten Ikarus-Busses und schon rast ein solcher an uns vorbei. Stehend und sitzend ist der Bus voll mit Flüchtenden auf dem Weg zum Camp. Es ist nur ein kurzer Moment bevor das gelbe Ungetüm in der Stille der Nacht verschwindet, doch es ist ein bewegender Moment. Es ist etwas anderes, die Flucht so vieler live zu erleben, als die kurzen und distanzierten Bilder aus den Nachrichten.
Große weiße kalte Flocken jagen in Massen um die hohen Laternen. Der Boden ist matschig. Auf den großen Zelten bilden sich kleine Gletscher, die nach und nach sich über den Rand schieben und dann abbrechen. Große Strahler erleuchten das Camp. Vor dem riesigen „Zelt 3“ fährt ein Reisebus vor. Der Busfahrer steigt aus, öffnet den Stauraum und stellt sich abseits. Im Zelt stehen vielleicht 500 Menschen mit mehreren Rucksäcken. Viele tragen noch dünne Plastiktüten mit Essen, halten Babys in den Armen oder Kinder an den Händen. Die Decken haben sich einige übergeworfen. Im Zelt ist es etwas wärmer, als die -5 oder -10°C außerhalb. An vielen Stellen stehen Polizistinnen und Polizisten in Vollmontur, schauen grimmig drein oder schreien Flüchtende an. Meist geht es ihnen zu langsam. Im Zelt ist alles durch Gitter abgesperrt und jeder Weg, wie im ganzen Camp, ist für Flüchtende durch Gitter vorgegeben. Die meisten Beamten können, wenn überhaupt, Englisch, geschweige denn Arabisch. Mal abgesehen von „Yalla, yalla!“ oder „Go, go, go!“, was beides soviel meint wie „Beeil dich!“. Sie treten zudem in ihrer Kampfmontur auf und tragen nicht selten sogar Sturmhauben. Familie für Familie dürfen die Flüchtenden in den Bus steigen, dürfen aber überhaupt kein Gepäck mit hineinnehmen. Zur Sicherheit wurden alle penibel durchsucht und sogar Nagelscheren abgenommen. Der Polizist am Einstieg schreit in regelmäßigen Abständen die Flüchtenden an. Oft sind sie davon eingeschüchtert oder verwirrt, weil sie zumindest etwas zu Essen mitnehmen möchten oder schlicht kein Slowenisch verstehen.
Mit drei freundlichen Worten nehme ich einer Familie die Rucksäcke ab und verstaue sie im Laderaum. Meist versuche ich vor der Polizei die Sache zu lösen; nicht immer klappt das. Wenn der Polizist vor dem Eingang zu brüllen beginnt, wird’s chaotisch. Irgendwie sorgen zig quirlige Helferinnen und Helfer überall auf dem Camp für den Ablauf und die menschliche Seite. Sie bringen warme Schuhe, verteilen Essen, helfen tragen, reinigen die Zelte, schippen Schnee und vieles mehr. Dabei darf der Polizeiapparat nicht ins Stocken gebracht werden. Anders als bei der Frage, wer alles Geflüchtete aufnehmen kann, schaffen es die europäischen Länder ihre Polizeikräfte auszutauschen. Ungarisch, deutsche, estnische und tschechische Polizeikräfte arbeiten hier mit der slowenischen Polizei zusammen. Vielleicht sind es noch mehr, aber sicher kann ich das nicht herausfinden. Viele von denen „wachen“ nur über den Ablauf. Insbesondere die slowenischen Soldaten mit den Gewehren vor der Brust.
Immer wieder kommen Busse an. Alle müssen aussteigen und treten gleich in ein Zelt vom UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Dort erhalten die Ankommenden im Vorbeigehen die Möglichkeit Fischkonserven, Milch, Babywindeln, Brot, Binden, Wasser, Marmelade und andere Sachen mitzunehmen. Die Freiwilligen der slowenische Zivilverteidigung und des Slowenischen Roten Kreuzes packen alles in Plastiktüten. Wir arbeiten für „Slovenska Filantropija“ und nehmen den Ankommenden Taschen oder Babys ab, damit sie die Hände frei haben für die Tüten. Zudem stellen die Malteser noch ein rotes Zelt mit medizinischen Personal und „WAHA“ kümmert sich besonders um Kinder und deren Mütter und Väter. Für das UNHCR sind zudem eine ganze Reihe von Dolmetscherinnen und Dolmetschern unterwegs, die erstaunlich viele Sprachen beherrschen. Sie können auch direkt von Slowenisch auf Arabisch, Kurdisch oder Persisch übersetzen, was eine große Hilfe ist.
Es sind überwiegend ganze Familien, die hier aus den Bussen steigen. Sie sind geflohen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan. Zumindest die, mit denen ich sprechen konnte. Ein irakischer Kurde erzählte mir, dass er als Soldat für die Peschmerga gekämpft hat, zusammen mit Deutschen, bis er vor dem Daesch, dem Islamischen Staat, fliehen musste. Ein anderer erzählte, dass er Boote in Bagdad baute und ein weiterer Student aus Kirkuk möchte später sein Englisch-Studium fortsetzen. Viele sind sehr dankbar. Dabei wissen sie meist gar nicht, was hier passiert. Es wird ihnen nicht erzählt, was nach und nach mit ihnen geschehen wird. Trotz der menschlichen Kälte, aus der viele flohen, dem Winter im Lager und der Unfreundlichkeit in Uniform, gibt es viel menschliche Wärme zwischen Helfenden und Flüchtenden.
In dem riesigen Zelt 2 liegen hunderte Menschen auf Decken und Isomatten. Andere laufen herum. Wieder andere schlafen. Viele unterhalten sich oder essen aus den Lunch-Paketen, die sie hier oder in einem früheren Camp bekommen haben. Besteck gab’s heute nicht. Es riecht nach dem Fisch aus den Essenspaketen. Die Isomatten, die auf den Boden liegen, wurden seit Wochen nicht ausgetauscht und sehen ekelerregend aus. Es gibt keine neuen. Auch die Decken werden nur selten weggeschmissen, weil es nur wenige neue gibt. Waschen sei zu teuer. Wenn das Zelt voll ist, werden trotzdem weiter Leute reingebracht. Die hygienischen Umstände sind teils miserabel.
Ich stehe neben Kardo. Er trägt helle Jeans, Pullover und eine Winterjacke. Unter den schwarzen Haaren schaue ich in das herzliche Gesicht des 25 Jährigen. Kardo ist zusammen mit seiner Familie unterwegs, sowie ein paar Cousins und einer anderen befreundeten Familie. Kardo lebte schon acht Jahre in Deutschland bis er zurück in den kurdischen Teil des Iraks ging. Seiner Mutter wegen. Damals lebte er in Bonn, ging dort zur Schule, aber nur bis zur siebten Klasse. Das war 2005. Zehn Jahre später flieht er nun und möchte zurück zu seinen Freundinnen und Freunden in Bonn. Laut Kardo, fliehen die meisten irakischen Kurdinnen und Kurden vor dem Daesh, er aber hält es im Land wegen der Korruption nicht mehr aus. Es gibt keine Arbeit und deswegen auch kein Geld für ihn. Dazu kommt noch die ständige Angst, dass jeder Zeit auch in seiner Stadt der Krieg ausbrechen kann. Seine Mutter wollte trotzdem nicht gehen.
„Die Kurden werden automatisch verkauft“, empört sich Kardo. Es sei wie Menschenhandel mit Flüchtenden. Die Überfahrt über den Bosporus soll umgerechnet circa 2.000 € gekostet haben. Dabei bleibt ungewiss, ob das Boot überhaupt am Ziel ankommt. Das andere Schlauchboot bei der Überfahrt, wurde vom Fahrer gegen eine Wand gefahren. Der Fahrer selbst ist rechtzeitig abgehauen. Die Boote sind für 15 Personen ausgelegt. Mitgenommen werden 60. Andere Flüchtende werden entführt, erzählt Kardo, und getötet, um im Organhandel ihre Nieren zu verkaufen.
Ich frage ihn, wie er das alles hier empfindet. Das ständige Anschreien, die Kälte, die miese Hygiene, die übervollen Züge aus Kroatien. „Ja stimmt, aber das ist okay“, sagt Kardo zu meiner Verwunderung. „Die Griechen sind perfekt“, meint er anknüpfend, „die haben sich am besten um uns gekümmert.“ Kroatien soll auch sehr hilfsbereit sein.
Dann wird unser Gespräch unterbrochen. Andere Flüchtlinge brauchen warme Kleidung und Schuhe. Ich hole einen Pullover und ein paar Socken, muss aber auch erklären, dass wir keine Frauenschuhe in der Größe 40 mehr haben. Die Schuhe der Wartenden sind durchtränkt von dem Schneewasser, aber ich kann nix machen. Dann ruft die Polizei wieder. Familie für Familie darf nun zum Bus gehen, der sie nach Österreich bringt. „Das ist gut“, sagt Kardo in Richtung der schreienden Polizisten deutend, „viele könnten sich die Reise nicht leisten, wenn die das nicht organisieren würden.“
Nach einem kurzen Stadtrundgang in Zagreb brechen wir mit unserem spontan mithelfenden Couchsurfing-Gastgeber zum Camp nach Dobova auf. Es ist tiefster Winter hier. Wieder müssen wir durch die Grenzkontrollen und sind sofort danach am hellerleuchteten Camp. Diesmal begrüßt uns ein neuer Koordinator von „Slovenska Filantropija“. Wir nehmen unsere Warnwesten und Freiwilligen-Ausweise und machen erstmal Zelt 1 sauber.
Heute arbeiten wir mit weiteren 4 Freiwilligen aus Zagreb zusammen, die einer Basis-Bewegung namens „Are you Syrious?“ angehören. Ihre Überzeugung, helfen zu wollen, ist gut zu spüren und steckt an. Nochmal suche ich einen Pullover, ein Paar Socken und Stiefel für Kinder. Immer wieder helfen auch Flüchtende selbst mit. Ein anderer Helfer schippt mit zwei Flüchtenden Schnee. Gestern hat ein Flüchtling Müll gesammelt. Als wir im hinterem Teil von Zelt 3 anfingen die Decken zu falten, fingen auch einige Flüchtende im vorderen Teil an die übrigen Decken zu falten. Sie wollen niemanden zur Last fallen.
Viele sind schon zwei Wochen unterwegs. Für den einen ist es der 25. Tag seit dem Aufbruch in Masar-e Scharif, für die andere der 10. aus dem Iran und den übernächsten der 12. aus dem Irak. Manche von denen sind krank und müssen zur Ärztin. Oft ist es ein grippaler Infekt, der vom schlechten Schuhwerk herrührt. Die Helferinnen von den Maltesern sind für manchen die letzte Möglichkeit gutes Schuhwerk zu bekommen, aber dafür muss man erst krank werden. Im Prinzip sind die Lager übervoll mit Spenden, aber vieles wird nur sehr selten gebraucht. So bringen viele Flüchtende UNHCR-Schlafsäcke, vermutlich aus anderen Camps, mit, sodass hier keine gebraucht werden. Dagegen sind trockene und warme Erwachsenen-Schuhe selten. Schwere Fälle werden im Krankenhaus von Brežice, dem nächst größeren Ort in Slowenien, behandelt. Ein Junge soll sich in der Türkei den ganzen Rücken aufgeschürft haben, als er einen Hang herabrutschte. Die Verletzung schleppte er bis nach Dobova. Ich entsinne mich an einer Freundin, die von Rot-Kreuz-Sanitäterinnen und -Sanitätern in Berlin erzählte, die schon Schusswunden aus Syrien versorgten. Wir haben ein knappes Dutzend Rollstühle, die auch ständig gebraucht werden, weil auch viele Alte und körperlich Beeinträchtigte flüchten. Welcher Wahnsinn muss in den Ländern toben, dass selbst Alte und Kranke diese Tour auf sich nehmen?
Auf dem engen Raum können wichtige Sachen, die knapp sind, auch zu Auseinandersetzungen führen. Manchmal fehlen Decken oder jemand tritt auf eine Decke, unter der noch jemand lag, oder man streitet sich, wer zu erst in der Schlange ansteht. Die Situation ist ständige höchst angespannt und die Polizei sehr aggressiv, sodass es zwangsläufig zu Auseinandersetzungen kommt, selten sogar zu Handgreiflichkeiten. Es ist der Alltag. Viele alltägliche Bedürfnisse entstehen, und müssen versorgt werden, dabei ist mein Englisch nicht in allen Fällen das Beste. Geschlagene zehn Minuten habe ich mit einem Vater diskutiert, bis ich begriff, dass seine Tochter dringend was gegen die Regelblutung braucht. Eine Helferin von der slowenischen Zivilverteidigung konnte ihr umgehend helfen.
Viele Flüchtende wissen auch nicht, was gerade passiert, wo sie sind und wann es weiter geht. Oft werde ich gefragt, wann es nach „Namsa“ geht. Erst später erfahre ich, dass „alnnamsa“ arabisch für Österreich ist. Mittlerweile ist es halb Fünf Uhr morgens durch und ich schau nochmal nach dem Jungen mit der Kreislaufschwäche. Bei der Ärztin ist er nicht mehr, aber bei seiner Mutter finde ich ihn wohlbehalten. Im Pausenzelt gönne ich mir kurz einen Tee und Erdnüsse. Dort treffe ich andere Freiwillige und erfahre viel über deren Motivation. Besonders die Helferinnen und Helfer der Zivilverteidigung sind aus der hiesigen Region. Sie bringen viel Erfahrung mit, und sind meist noch nicht abgestumpft, was bei manchen Helfenden deutlich zu spüren ist. Die Not zu lindern ist der gemeinsame Nenner. Wieder rauscht der Koordinator ins Pausenzelt und motiviert uns, noch Zelt 3 zu reinigen.
Wir falten nochmal Decken, kehren leere Fischdosen und Plastikflaschen zusammen und bringen die Mülltonnen weg. Mittlerweile wird es heller über dem Camp. Wir bringen die Besen und Schaufeln weg, verabschieden uns von den anderen und holen noch unsere Sachen. Ein letztes Mal drehen wir uns um und schauen nochmal über das Camp. Wieder bringen Polizisten Flüchtende in einen Reisebus. Alles wie immer also. Es gibt eine Art Alltags-Rad hier, dass sich ständig weiterdreht. Ständig kommen Flüchtende vom Zug, der in Dobova anhält. Dann werden sie hier durchgeschleust, um sie dann wieder in den Zug zu setzen, der sie nach Österreich bringt. Es ist ein sich ständig drehendes Rad, was scheinbar nicht enden kann. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Ein ständiges Flüchten. Es ist ein unsichtbares und rastloses Rad, dass sich immer weiter dreht. Wir können hier die Not zwar lindern, aber nicht deren Ursache bekämpfen. Wir konnten das Radlager schmieren, aber ich möchte den Antrieb zerstören.
Martin cc-by-nc-sa