Seit Anfang Juli 2014 befindet sich in den Gebäuden der ehemaligen Offiziershochschule der Grenztruppen der DDR „Rosa Luxemburg“ eine Flüchtlingsunterkunft auf dem Suhler Friedberg am Rande der Stadt. Anfangs als Übergangslösung und Außenstelle für die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenberg (Saale-Holzland-Kreis) geplant und für 100 eritreische Flüchtlinge errichtet, wird das Flüchtlingsheim nun selbst Erstaufnahmestelle mit einer zusätzlich geplanten Zweigstelle für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Die Flüchtlingsunterkunft besteht derzeit aus zwei sechsstöckigen Gebäuden, einem Block für alleinlebende Flüchtlinge und einem weiteren für Familien und Flüchtlinge mit Kindern. Derzeit wird noch ein weiterer Block saniert und hergerichtet. Eine neue Großküche wurde nach mehrwöchigen Bauarbeiten fertiggestellt. Derzeit leben rund 1000 Menschen in der Unterkunft. Es befinden sich dort Flüchtlinge aus elf Nationen, darunter Menschen aus Serbien, Eritrea, Albanien, Syrien, Somalia und dem Kosovo. Die Zahl der Bewohner_innen schwankt von 900 bis derzeit maximal 1200. Grund für die schwankenden Zahlen sind die sogenannten „Transfers“, die Erstverteilung innerhalb des Landes auf die Kommunen, geregelt im Asylverfahrensgesetz (AsylVfG § 50 IV), und die wöchentlichen Neuankünfte.
Gegen die neue Flüchtlingsunterkunft machten lokale Neonazis von Anfang an mobil. Tommy Frenck aus Schleusingen machte mit seiner Partei „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ (BZH) gleich zu Beginn Stimmung gegen die Unterkunft der Flüchtlinge. Begonnen hatte es mit einer angemeldeten Mahnwache am 16. Juli 2014 mit dem Slogan „Asylflut stoppen“ und weiteren Flyeraktionen in der Suhler Innenstadt sowie später mit den SÜGIDA-Aufmärschen, auf denen die rassistische Hetze ihren Höhepunkt fand. Auf Demonstrationen von SÜGIDA wurden Parolen, wie „Wir wollen keine Asylantenheime“ skandiert und in Reden „Ängste“ vor Überfremdung geschürt. Neben solchen Veranstaltungen gab es in der Nacht zum Sonntag, dem 10. August 2014, einen Anschlag auf das Heim. Unbekannte hatten eine Fensterscheibe einer Gemeinschaftsküche eingeschlagen und die Verkabelung eines Lichtmasts in Brand gesetzt. Die Täter wurden bis heute nicht ermittelt.1
Auch bei den Landtagswahlen in Thüringen am 14. September 2014 zeigten die Aktionen im Wohngebiet „Neuer Friedberg“ Wirkung. Bei den Wahlen gingen 19,9 % der Wahlkreisstimmen an die NPD, bei den Landesstimmen verzeichnete die NPD 16,3 % und die AfD 14,2 %, und das in einem Wahlkreis, der traditionell geprägt ist durch einen hohen Anteil an Die Linke-Wählern. Allerdings lag die Wahlbeteiligung im Wohngebiet nur bei 37,7 % und die Partei Die Linke holte trotzdessen auch hier die Mehrheit. Am 24. Januar 2015 fand ein von Neonazis organisiertes Konzert unter dem Motto „say it loud, say it clear – refugees not welcome here“ in einer Lagerhalle in Suhl statt. Laut Polizei nahmen an dieser Veranstaltung 142 Personen teil.
Geschäftsmann Frenck nutzte die Gunst der Stunde. In seinem Onlineshop mit dem Namen „Druck18“ – wofür die Zahl 18 steht kann sich jeder denken – wird rassistischer Merchandise in Form von Aufklebern und T-Shirts mit den Aufschriften „Bitte flüchten Sie weiter! Es gibt hier nichts zu wohnen! Refugees not welcome!“ vertrieben.
Sei es über angebliche hochansteckende Erkrankungen, Rangeleien unter Flüchtlingen, bei einem Polizeieinsatz ausgelöst durch einen Streit zwischen einem Flüchtling und dem Wachschutzpersonal2 oder einem Überfall auf eine Mutter – immer wieder wird auf der Facebookseite des BZH mit dramatischen Bildern und reißerischen Schlagzeilen gegen das Heim und seine Bewohner_innen gehetzt.
Am 17. Februar 2015 fand eine Bürgerversammlung zum Flüchtlingsheim in den Suhler Werkstätten auf dem Friedberg mit ca. 120 Menschen statt. Auch hier hatte das BZH im Vorfeld seine Anhänger auf Facebook aufgerufen, doch bitte zahlreich an der Versammlung teilzunehmen. Erschienen ist allerdings niemand. Die Einwohnerversammlung in Suhl ist, verglichen mit einer Informationsveranstaltung am 12. Februar 2015 in Arnstadt zu einer Flüchtlingsunterkunft im Wohngebiet Rabenhold, ziemlich entspannt und ruhig verlaufen.3 Bei der Veranstaltung in Arnstadt waren offenkundige Rassisten und Neonazis vor Ort, die durch rassistische Zwischenrufe und Verhöhnung von Flüchtlingen auffielen.4 Zu Beginn der Veranstaltung in Suhl stellte Thüringens Migrationsminister Dieter Lauinger klar, dass das Suhler Flüchtlingsheim keine Übergangslösung ist, sondern auf längere Zeit Erstaufnahmeeinrichtung bleiben wird und somit für mindestens fünf Jahre erhalten bleibt. In Suhl waren die geäußerten rassistischen Ressentiments der Bürger_innen gegenüber den Flüchtlingen auf den anfallenden Müll, die Lautstärke in der Nacht und die vollen Busse beschränkt und fielen somit eher verhalten aus. Die Städtische Nahverkehrsgesellschaft mbH Suhl/Zella-Mehlis (SNG) hatte sich dem Problem mit den vollen Bussen bereits gestellt und zusätzliche Fahrten eingerichtet, zudem werde ein Fahrkartenautomat mit Piktogrammen aufgestellt, damit es zu keinen Verzögerungen mehr kommt.5
Wie bereits erwähnt, wird die Einrichtung in Suhl für mindestens fünf Jahre bestehen. Die Solidarität ist in Form von Kleider-, Spielzeug- und Sachspenden weiterhin ungebrochen. Die Lager platzen aus allen Nähten. Organisiert werden die Spenden u.a. durch die auf Facebook aktive Gruppe „Solidarität mit den Flüchtlingen in Suhl“.6 In Zukunft soll es durch das Bündnis NoSügida bzw. dem „Bündnis für Toleranz und Demokratie“ weitere Begegnungsveranstaltungen mit Flüchtlingen in Suhl geben, sei es auf Wohngebietsfesten oder sportlichen Veranstaltungen. Bereits am 21. März fand ein Fussballturnier, organisiert durch den Suhler Sportbund, in der Wolfsgrube in Suhl statt.
Online nachzulesen unter: http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=653
Online nachzulesen unter: http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=696
Online nachzulesen unter: http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=700
Siehe hierzu den Artikel Arnstadt: Anwohner machen Stimmung gegen Geflüchtete" in dieser Ausgabe der Alerta.
Einen ausführlichen Bericht zur Einwohnerversammlung in Suhl findet ihr auf der Portalseite der Antifaschistischen Gruppen Südthüringen: http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=703
Online zu finden unter: https://www.fb.com/refugeewelcomeinsuhl