Der Aufstieg der Thüringer NPD
Jüngere Entwicklungen und Chancen der NPD im Superwahljahr 2009

,,Die NPD wird die vierte Fraktion im Thüringer Landtag" verkünden die Thüringer Faschisten aus der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) vollmundig seit Januar diesen Jahres. Es war ein langer Weg dahin, dies offen äußern zu können und dürfen. Die Partei hat in Thüringen einen beispiellosen Aufstieg erlebt. Innerhalb weniger Jahre wurde aus einem kaum aktiven Verband einer der aktivsten und best-organisierten Landesverbände in Deutschland.
Die Chancen für die NPD in Thüringen stehen gar nicht schlecht. Derzeit liegt sie bei Meinungsumfragen nur knapp unter der 5%-Hürde. Diese Hürde ist für die jüngsten Kommunalwahlen vom 7. Juni 2009 abgeschafft worden. Das heißt, dort wo die NPD antratt, hat sie den Sprung in das Kommunalparlament auch geschafft. Die Partei erreichte in den Kreisen, wo sie antrat Ergebnisse zwischen drei und gut fünf Prozent und setzte trotz leichter Enttäuschung erste Achtungszeichen.
Dabei sieht es derzeit gar nicht so rosig aus in der NPD. Die Partei ist zerstritten und musste mehrere Austrittswellen aushalten. Auch den angekündigten flächendeckenden Antritt zu den Kommunalwahlen musste die Partei zurück nehmen. Aus ,,flächendeckend" wurden nur etwa die Hälfte der Landkreise und kreisfreien Städte. Nichtsdestotrotz, dort wo die NPD antrat, hat sie es geschafft zumindest ein oder zwei Politiker in die Kreistage zu entsenden. Der Einzug in den Thüringer Landtag dagegen steht auf der Kippe. Mit einer Menge Kraft und Glück können die Thüringer Antifaschist_innen den Einzug noch verhindern und so eine politische Katastrophe für die alternative und migrantische Community im Freistaat verhindern.

Umgruppierungen im faschistischen Lager

Der Aufstieg der Thüringer NPD kommt nicht von ungefähr. Er ist Ausdruck einer Verschiebung innerhalb des faschistischen Lagers in Thüringen vor einigen Jahren. In den Jahren 2004/05 erlebte die NPD im Freistaat einen ersten Mitgliederboom im Rahmen der Volksfrontbestrebungen. In diesen Jahren traten zahlreiche parteiungebunde Neonazis aus Thüringer Kameradschaften der NPD bei. Zu diesem Zeitpunkt gab es ein aktives Netz faschistischer Kameradschaften, die sich im sogenannten ,,Nationalen und Sozialen Aktionsbündnis Westthüringen" (NSAW) und im Osten des Landes im ,,Thüringer Heimatschutz" (THS) organisierten. Die in diesen Netzwerken organisierten Neonazis traten nach und nach der NPD bei. Heute sind nur noch wenige freie Kameradschaften in Thüringen verblieben, die sich nicht der NPD angeschlossen haben. Jene, die das betrifft arbeiten eng mit der Partei zusammen, um auch für sich Posten und Pöstchen in den politischen Vertretungen des Landes und der Kommunen zu ergattern bzw. um Parteigelder abzuzwacken.
Mit der Integration in die NPD deutete sich auch eine politische Veränderung an. Die aggressiven und offen faschistischen Kameradschaftsführer mussten Kreide fressen lernen. Die Partei wollte ein breiteres politisches Spektrum konservativer bis faschistischer Wähler gewinnen und mit deren Stimmen die Parlamente in Thüringen ,,erobern".
Und der Plan schien aufzugehen. Schon zur Bundestagswahl 2005 erreichte die NPD mehr als ein Achtungsergebnis mit 3,7 Prozent der Zweitstimmen in Thüringen. 2002 erhielt sie nur knapp ein Prozent. Damit lag die Thüringer NPD bundesweit auf Platz zwei. Nur in Sachsen erhielt sie mehr und dort sitzen die NPD-Nazis bekanntlich schon im Landtag.
Die Thüringer NPD gab sich fortan betont bieder, hielt brav Distanz zu den aggressiven autonomen Nationalisten, die in Thüringen eh nur vereinzelt auftreten und dort wo sie auftreten, zum Beispiel in Meiningen, geben diese sich so dümmlich, dass sie für ein Bündnis mit der sich professionalisierenden NPD gar nicht in Frage kommen.
Vor allem kommunalpolitisch versucht sich die NPD in einigen Landkreisen verstärkt zu engagieren. In Erfurt, dem Landkreis Gotha und dem Wartburgkreis erstellte sie sogar eine alle zwei Monate erscheinende Zeitung, in welcher sie um heruntergekommene Bahnhöfe, verkommene Stadtviertel und verschlissene Straßen weinte. Jene Zeitungen hatten Auflagen, um die 20.000 Exemplare und wurden nach einem ausgeklügelten System verteilt, um alle Haushalte abwechselnd zu erreichen. Lange Zeit gab die NPD diese Zeitungen nicht als NPD heraus, sondern als bürgerschaftlich engagiertes Redaktionskollektiv. Ziel war es die Leser_innen nicht gleich zu verschrecken. Die Neonazis versuchten über populistische kommunalpolitische Forderungen den Nerv eines großen ostdeutschen Klientels zu treffen. Nämliche jene Menschen, die von den Zumutungen des Kapitalismus überfordert sind und sich nach einfachen Antworten für ihre komplexen Probleme sehnen. Diese Rechnung scheint aufgegangen zu sein. Im Landkreis Gotha und dem Wartburgkreis gibt es die mitunter stärksten Thüringer NPD-Kreisverbände.

Die NPD erhöht die Schlagzahl - Mitgliederkampagne

Im Jahr 2007 erlebte die NPD einen zweiten Mitgliederboom. Dies zu einem Zeitpunkt, an dem die Partei sehr geschlossen auftrat und sich der kommenden Wahlerfolge sicher glaubte. Die Mitgliederkampagne sollte ein Paukenschlag werden, aber auch der bisherige Höhepunkt in Geschichte des Landesverbandes bleiben.
Bereits Ende des Jahres 2006 kündigte die NPD eine gezielte ,,Mitgliederwerbeaktion" an. In einem internen Strategiepapier waren Kosten in Höhe von 10.000 EUR aufgeführt. Die NPD ließ eine Kampagnenzeitung drucken mit einer Auflage von 300.000 Exemplaren, genug für jeden dritten Haushalt. Außerdem erstellte die Partei verschiedene Programmflugblätter, Jugendflyer und eine Broschüre. Von den geplanten mehr als 100 Infoveranstaltungen und dutzenden Mahnwachen und Kundgebungen blieben beeindruckende etwa 100 Veranstaltungen in ganz Thüringen innerhalb weniger Wochen. Nach Angaben der NPD hatte die Partei schon innerhalb eines Monats mehr als 50 neue Mitglieder zu verzeichnen. Im Sommer 2007 hatte die Partei, eigenen Angaben zufolge, bereits mehr als 500 Mitglieder in Thüringen und somit die Grünen überholt.
Dass das beachtliche Ergebnis der Mitgliederoffensive der Thüringer NPD ,,nur" einige dutzend Neumitglieder waren, ist nicht zuletzt jenen Antifaschist_innen zu verdanken, die nicht müde wurden, sich jedem öffentlichen Auftritt der Neonazis couragiert in den Weg zu stellen. Nicht wenige NPD-Aktionen wurden blockiert, verhindert und massiv gestört.
Während der Mitgliederoffensive im Sommer 2007 schien sich die zunehmende Professionalisierung der Partei bezahlt zu machen. Doch das Blatt sollte sich wenden.

Hitziger Machtkampf und ...

Im Sommer 2007, nach der Mitgliederoffensive, in der die NPD ihre Kampagnenfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis stellte, schienen die Wahlerfolge im Wahljahr 2009 schon sicher zu sein. Es schien als könne sich die Partei nur noch selbst aufhalten. Und wie es so oft in faschistischen Kreisen ist, wenn ein geliebter Führer nicht in Sicht ist und es um die Teilung der Macht geht, so war es auch in der Thüringer NPD eine Melange aus Neid, Sendungsbewusstsein und gegenseitigem Misstrauen, das zu Konflikten führte.
Es ging unter anderem um die Aufteilung der Posten und Pöstchen nach dem sicher geglaubten Wahlsieg 2009, die eine Opposition in der Thüringer NPD wachsen ließ. Der Landesvorstand bestand bis 2008 weitgehend aus alten Kadern und war den aktuellen Entwicklungen und Zuwächsen vor allem im Erfurter und Weimarer Kreisverband noch nicht gerecht geworden. Die alte Führung, um Patrick Wieschke aus Eisenach, Frank Schwerdt aus Berlin, Sebastian Reiche aus Gotha und Ralf Wohlleben aus Jena war auf die Sicherung der eigenen Macht und die Fortführung des eingeschlagenen Kurses aus. Hinter ihnen standen auch Teile der in Thüringen kaum noch existenten ,,Freien Kräfte". Die Herausforderer der alten Führung des Landesverbandes waren Kai-Uwe Trinkaus, Kreisverbandsvorsitzender aus Erfurt, Thorsten Heise, Kreisvorsitzender aus dem Eichsfeld und Jan Morgenroth, Kreisverbandsvorsitzender aus Weimar.
Auf dem Landesparteitag am 12. April 2008 in Ronneburg stellten die Herausforderer, in den aufgehitzten Szene-Debatten auch ,,Putschisten" genannt, die Machtfrage.

... Schlammschlacht

Schon im Vorfeld des Wahlparteitags für den Thüringer NPD-Vorstand lief eine in dem Ausmaß kaum erwartbare Schlammschlacht in der Thüringer NPD an. Die alte Landesführung um Patrick Wieschke und Frank Schwerdt wollte wohl ganz sicher gehen, das Ruder nicht aus den Händen geben zu müssen. Aus allen Rohren wurden die ,,Putschisten" Trinkaus und Heise verbal mit Dreck beworfen. Als williger Handlanger der etablierten Landesführung erwies sich Thomas Gerlach, ,,freier Nationalist" aus dem Altenburger Land. Auf seiner vielfrequentieren Homepage sowie auf Altermedia, dem bekanntesten deutschen Internetportal der Faschist_innen, zog er gegen Trinkaus und Heise ins Felde. Kai-Uwe Trinkaus, der von der ehemaligen PDS in die NPD wechselte, wurde als ,,Stasi-Spitzel" und ehemaliges SED-Mitglied denunziert. Thorsten Heise wurde als Taugenichts und böser Kapitalist ,,entlarvt", da er einen Internetversandhandel betreibt. Die Hetze gegen die ,,Putschisten", die mittlerweile u.a. die Kreisverbände Erfurt, Weimar, Eichsfeld, Hildburghausen und Saalfeld-Rudolstadt hinter sich hatten, schien aufzugehen.
Auf dem Landesparteitag am 12. April 2008 in Ronneburg unterlagen die Herausforderer knapp und die alte Landesführung setzte sich durch. Frank Schwerdt blieb Vorsitzender der Thüringer NPD, Patrick Wieschke wurde sein Stellvertreter. Mehr noch: Die Fraktion, um die ,,Putschisten" wurde förmlich abgestraft und gedemütigt. Jan Morgenroth und Thorsten Heise verloren ihre Plätze im Landesvorstand. An ihre Stelle traten treue Gefolgsleute des etablierten Vorstandes. Der Riss in der NPD wurde immer offensichtlicher.
Im Mai 2008 wurde eine der Schlüsselfiguren des Landesvorstandes an den Pranger gestellt, Patrick Wieschke. Im Internet wurde Wieschke als machtgeil und gewalttätig gegenüber den eigenen Kameraden bezeichnet. Außerdem tauchten Bilder auf, die Wieschke auf einem Sextrip in Osteuropa zeigen sollten. Der von den homophoben Neonazis als ,,Homo-Exzess" bezeichnete Ausflug, zeigt Wieschke tatsächlich mit einigen Kameraden aus dem engsten Umfeld. Die Bilder zeigen Wieschke u.a. beim Küssen mit Marco Schwarz, beim angetäuschten Oralsex mit Tobias Kammler und möglicherweise danach mit einer weißen Substanz am Mundwinkel.
Auf zahlreichen Internetplattformen und Foren der Neonaziszene wurden die Bilder kontrovers diskutiert. Während Wieschke versuchte die Eskalationsstufe so gering wie möglich zu halten, schien die Denunziation für einige nicht schnell genug gehen zu können. Es sollte zunächst der Höhepunkt der Schlammschlacht bleiben. In den nächsten Monaten machten Wieschke und co. kurzen Prozess mit den ,,Putschisten".

Ende des Machtkampfes

Für die Thüringer NPD endete der Machtkampf in Thüringen vorerst glimpflich. Thorsten Heise, der 2008 im Bundesvorstand der NPD bestätigt wurde, blieb der Partei zunächst treu. Ebenso Jan Morgenroth aus Weimar, der mit einem Sitz im Thüringer Landtag für seinen Verrat an der Fraktion der ,,Putschisten" belohnt werden sollte. Nur für einen führenden Dissidenten, nämlich Kai-Uwe Trinkaus, endete die Karriere in der NPD. Trinkaus gründete mit ,,PRO Thüringen" eine Konkurrenzorganisation zur NPD und wurde folglich aus der Partei ausgeschlossen. Mit ihm verließen auch zahlreiche seiner Anhänger die NPD.
Mittlerweile soll es neben der von Trinkaus geführten Ortsgruppe ,,PRO Erfurt", auch Kreisverbände in Weimar und im Ilmkreis geben sowie einen Ableger in Hildburghausen.
Der Machtkampf in der Thüringer NPD war damit vorerst beendet. Was nicht heißt, dass die ehemaligen ,,Putschisten" still geworden sind. Kai-Uwe Trinkaus funktionalisierte sogar die ehemalige Website der Erfurter NPD zu einer Lästerhomepage gegen die derzeitige NPD-Führung um.
Zunächst möchten wir nun eure Aufmerksamkeit auf den zwischen NPD und DVU bestehenden Deutschlandpakt lenken, denn ohne ein Umdenken der DVU wäre ein Antritt der NPD zur Landtagswahl in Thüringen so gar nicht denkbar gewesen.

Aufweichung des Deutschlandpaktes

Am 15. Januar 2005 schlossen die beiden größten neofaschistischen Parteien Deutschlands, die NPD und die Deutsche Volksunion (DVU), ein Bündnis, in welchem sie fortan vermeiden wollten bei Wahlen auf Europa-, Bundes- und Landesebene konkurrierend gegeneinander anzutreten und sich so gegenseitig Stimmen zu kosten. Später trat dem Bündnis noch die kleinere Deutsche Partei (DP) bei. Dagegen lehnten andere völkisch-konservative Parteien, wie die Republikaner, das Bündnis ab. Laut diesem sogenannten ,,Deutschlandpakt" war Thüringen zur Landtagswahl 2009 eigentlich als DVU-Land deklariert. Doch eben jene DVU verfügt in Thüringen weder über funktionierende Strukturen, noch über genügend Mitglieder, um einen Landtagswahlkampf führen zu können. Die Thüringer NPD dagegen erlebte bis 2007 einen enormen Mitgliederzuwachs und etliche neue Landesverbände gründeten sich. Die NPD schien sich nur noch selbst aufhalten zu können. Dem Antritt zur Landtagswahl und dem zu dieser Zeit sicher geglaubten Einzug in den Thüringer Landtag stand nur noch der Deutschlandpakt und die störrische DVU im Weg. Intern mobilisierte die Thüringer NPD längst gegen den Deutschlandpakt, während man sich mit öffentlichen Äußerungen weitgehend zurückhielt. Schon im Herbst 2006 stellte Wieschke zwei Anträge an den Landesvorstand. Wieschke wollte, dass die Thüringer NPD darauf hinwirkte, dass die NPD statt der DVU zur Landtagswahl 2009 antrete, notfalls sogar gegen die DVU. Das bedeutet, Wieschke nahm notfalls den Bruch des Deutschlandpaktes in Kauf. Mehr noch: Wieschke sprach gar von ,,weltanschaulichen Unterschieden", wegen derer die NPD nicht auf der Liste der DVU antreten könne, d.h. im Klartext nichts anderes als einen Boykott der DVU. Dass es dazu nicht kommen musste, dafür sorgte das späte Einlenken der DVU. Anfang des Jahres gab der DVU-Vorstand offiziell bekannt, dass man in Thüringen der NPD den Vortritt lasse. Einzige Gegenleistung war ein sicherer Listenplatz für den DVU-Lokalpolitiker aus Lauscha, Uwe Bäz-Dölle.
Die Aufweichung des Deutschlandpaktes ist ein Zeichen für die laufenden Verschiebungen im faschistischen Lager in Deutschland. Die aktive NPD macht gegenüber der alternden DVU immer weiter an Boden gut und hat sie im Osten Deutschlands nun fast ganz als faschistische Kraft abgelöst.

Zur Landtagswahlliste

Am 7. Februar 2009 wählte die Thüringer NPD in Kirchheim (Ilmkreis) ihre Landesliste für Landtagswahl. Angeführt wird die Liste vom NPD-Landesvorsitzenden und frisch gewählten stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD, Frank Schwerdt. Listenplatz zwei bekommt, wie schon weiter oben angesprochen Uwe Bäz-Dölle von der DVU. Als zweiter Kandidat der DVU steht Walter Beck auf der Landesliste, auf einem allerdings aussichtslosen 12. Platz. Auf Platz drei der Landesliste steht Sebastian Reiche, NPD-Kreisvorsitzender aus Gotha. Interessant ist auch Listenplatz vier: Jan Morgenroth aus Weimar. Er war einer jener oben bereits angesprochenen ,,Putschisten" um Kai-Uwe Trinkaus. Es scheint als habe man sich Morgenroth in die Reihen der Etablierten zurückgekauft. Auf einschlägigen Internetseiten der faschistischen NPD-Kritiker um Trinkaus, wird Morgenroth u.a. als Verräter bezeichnet und das ist noch einer der schmeichelhaftesten Ausdrücke. Da wir euch hier nicht weiter mit Namen langweilen wollen, zu denen ihr wahrscheinlich keinen Bezug habt, nennen wir hier nur noch den letzten sicheren Kandidaten, sollte die NPD die 5%-Hürde zur Landtagswahl knacken: Peter Nürnberger, Kreisvorsitzender des Landesverband Altenburg.
Es gibt in der Landesliste weitere Auffälligkeiten, die noch für Zündstoff sorgen dürften. So sind zum Beispiel, die sogenannten ,,Freien Kräfte", die ihre Hilfe für die NPD so großspurig angekündigt hatten, kaum auf der Liste vertreten. Lediglich auf den völlig aussichtslosen Plätzen 14 und 15 finden sich parteilose Kandidaten. Auffällig ist weiterhin, dass bestimmte Kreisverbände, wie Hildburghausen oder Jena gar nicht mit Kandidaten auf der Liste auftauchen, andere dagegen überrepräsentiert scheinen, wie der Wartburgkreis. Es zeigt sich, dass der etablierte Landesvorstand versucht hat, den Kompromiss mit ehemaligen Abweichlern und der DVU zu finden. Es scheint ihm aber misslungen zu sein, eine ausgewogene Liste zusammenzustellen. Ein weiterer Grundstein für Zerwürfnisse war also gelegt.

Es bröckelt...

Wer den oben beschriebenen Prozess verfolgt hat, den wird es nicht wundern, dass die NPD nun im Wahljahr die ersten Zerfallserscheinungen zu beklagen hat. Glaubt man den Meldungen der NPD-Gegner_innen um Kai-Uwe Trinkaus, so leidet die NPD akut unter Mitgliederschwund und der Landesvorstand an Rückhalt innerhalb des Landesverbandes. Bei der Sammlung der notwendigen Unterstützer_innenunterschriften, die für den Wahlantritt nötig sind, scheint es ebenfalls einige Probleme zu geben.
Am 20. Februar 2009 traf sich der Hildburghäuser NPD-Chef Tommy Frenck mit den NPD-Dissidenten Kai-Uwe Trinkaus und dem ehemaligen Bundesvorsitzenden und Holocaustleugner Günther Deckert. Grund für das bizarre Zusammentreffen war das Verbot vom Landesvorstandes der NPD an den Kreisverband Hildburghausen, zur Kommunalwahl anzutreten. Die vorgeschobene Begründung für dieses Antrittsverbot war das Fehlen des Kreisvorstandes um Tommy Frenck zu kommunalpolitischen Schulungsveranstaltungen seiner Partei. Wahrscheinlicher ist aber, dass sich der Landesvorstand nicht die Blöße geben wollte mit den Irrlichtern aus Hildburghausen einen Wahlkampf zu bestreiten, geschweige denn Kommunalpolitik. Frenck gilt im Thüringer Landesverband als Außenseiter. Er bescherte seiner Partei schon den einen oder anderen Skandal. Zum Beispiel als er im Frühjahr 2005 in einem Interview mit dem Freien Wort beteuerte, Roberto Blanco abschieben zu wollen. Zudem gelten die Hildburghäuser Neonazis als stark gewaltbereit. Sie verkörpern damit nicht das biedere Bild, um welches sich die NPD bemüht.
Die Reaktion von Frenck auf dieses Verbot ließ nicht lange auf sich warten. Der gesamte Kreisvorstand, und mit ihm vermutlich fast der gesamte Kreisverband, traten geschlossen aus der NPD aus und gründeten zusammen mit Kai-Uwe Trinkaus eine an den ,,PRO"-Vereinen orientierte Initiative namens ,,Bündnis-Zukunft-Hildburghausen" (BZH), mit der sie auch an der Kommunalwahl teilnahmen und einen Sitz im Kreistag bekamen. Tommy Frenck sitzt als nun als Abgeordneter im Kommunalparlament.
Die Mitgliederzahl der NPD Thüringen dürfte derweil wieder bei etwa 350 liegen.

Realistische Chancen?

Zur den Kommunalwahlen am 7. Juni trat die Thüringer NPD in nur sieben Kreisverbänden (Eichsfeld, Nordhausen, Kyffhäuser-Kreis, Wartburgkreis, Gotha, Sonneberg, Greiz) und vier kreisfreien Städten (Eisenach, Gera, Erfurt, Weimar) an. Die großspurigen Ankündigungen aus den Vorjahren, man werde flächendeckend in Thüringen antreten, hielten der Realität nicht stand. Nichtsdestotrotz ist der Einzug der NPD überall dort geglückt, wo sie antrat, was zumeist auf die fehlende 5-Prozent-Hürde zurückzuführen ist. Für 25 Mandate reichte es thüringenweit, das sind 24 mehr als in der vorherigen Legis-latur. Und trotzdem, die NPD scheiterte fast überall an ihren gestecktem Ziel. Lediglich in Eisenach kam sie über 5 Prozent (5,1%).
Das muss sich bis zur Landtagswahl am 28. September ändern. Hier muss die NPD die 5-Prozent-Hürde knacken, um in den Landtag einzuziehen. Derzeit scheint das möglich, auch wenn die NPD durch die inneren Streitereien geschwächt ist. Es scheint ihr derzeit nicht zu gelingen, sich ausreichend ins Bewusstsein bzw. ins Gespräch der Thüringerinnen und Thüringer zu bringen. Das könnte sich nun nach den ersten kleinen Kommunalwahlerfolgen aber schlagartig ändern. Die NPD wird versuchen, sich auch auf Landesebene wieder als die einzige politische Alternative zur derzeitigen Misere darzustellen. Ob sie dabei bei ihrem hauptsächlichen Wahlklientel, den in prekären sozioökonomischen Verhältnissen lebenden Unzufriedenen, auf offene Ohren stößt, müssen wir abwarten.
Potenzielle NPD-Wähler_innen zumindest gibt es in Thüringen weit mehr als 5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2006 gelten in Thüringen ca. 22 Prozent der Bevölkerung als ausländerfeindlich, ein in Ostdeutschland noch vergleichsweise niedriger Wert. Fast 11 Prozent der Bevölkerung ist in antisemitischen Denkstrukturen verfangen, der deutschlandweit zweithöchste Wert (Bayern: 16,4 Prozent). 5,4 Prozent der Thüringer befürworten demnach eine Diktatur und 6,5 Prozent verharmlosen den Nationalsozialismus. Es ist also keine Frage der Ideologie mehr, wann die NPD in Thüringen auch parlamentarisch Fuß fassen kann. Faschistisches Gedankengut ist in Thüringen und bundesweit in beängstigendem Maße verbreitet. Die NPD könnte zum Katalysator dieses irrationalen Hasses auf alles Fremde und Abstrakte werden.

Literaturtipps:

Max Bauer: ,,Nichts eint so sehr wie Erfolg", erschienen im Antifaschistischen Infoblatt (AIB) # 82, Frühjahr 2009, S. 12f

Jan Schwab: ,,Steht Thüringen auf der Kippe?", erschienen auf Netz-gegen-Nazis.de, 11. März 2009: http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/steht-thueringen-auf-der-kippe

Martina Renner: ,,Mit Gewalt in die Parlamente - Die Thüringer NPD vor dem Superwahljahr 2009", erschienen in Der Rechte Rand # 113, Juli/August 2008: http://www.martinarenner.de/uploads/media/DRR_Nr._113.doc

Martina Renner: ,,Aus der Mitte des Dorfes", erschienen in der Tageszeitung ,,Junge Welt", 14. Juni 2007: http://mobit.org/Artikel/2007/JW140607.htm


Illustrationen findet ihr lediglich in der Print- und PDF-Version der Broschüre.

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