NPD - Zielsetzung und Inhalte
Die NPD ist nicht nur die älteste neo-nazistische Partei der BRD, sondern zugleich auch die modernste. Sie tritt durch völkisch-populistische und scheinbar unverfängliche Parolen in die Öffentlichkeit. Eine genauere Analyse ihrer Forderungen zeigt jedoch, dass es sich bei der NPD um mehr als nur eine weitere bürgerlich-konservative Gruppierung handelt. Die NPD vereint nationalistische, rassistische, antisemitische, sexistische und xenophobe [1] Ressentiments mit einer Verherrlichung des Nationalsozialismus. Indem sie ihre Inhalte über Musik, Kleidung und andere Elemente jugendlicher (Sub-)Kulturen verbreitet, erzielt sie mit dieser modernen Strategie gerade bei Jugendlichen Wirkung, wodurch es der NPD vor allem in ländlichen Regionen gelingt, eine kulturelle Hegemonie aufzubauen.
,,Mit aller Konsequenz gegen Aufklärungsutopien"
Die NPD lehnt das Grundgesetz ab, da es aus ihrer Ansicht von den alliierten Siegermächten nach der Befreiung vom Nationalsozialismus aufgezwungen wurde. Sie steht ,,mit aller Konsequenz [...] gegen Aufklärungsutopien" [2] [3]. Ihre antiliberale Grundhaltung wird nicht nur daran deutlich, dass sie die Wiedereinführung der Todesstrafe für Sexualstraftäter_innen bis hin zu Drogenhändler_innen fordert.
Bereits zu Beginn ihres Parteiprogramms macht die NPD klar, dass sie die Menschenrechte ablehnt. Im NPD-Jargon klingt das so: ,,Volkstum und Kultur sind die Grundlagen für die Würde des Menschen." Diese scheinbar unverfängliche Aussage impliziert einen klaren Widerspruch zum Artikel 1 des Grundgesetzes: ,,Die Würde des Menschen ist unantastbar." Der Unterschied liegt darin, dass der Artikel 1 GG jedem Menschen seine Würde garantiert; es ist damit ein unveräußerliches Recht für jeden Menschen und an keine weiteren Bedingungen geknüpft. Hautfarbe, Herkunft und Behinderungen spielen dabei
ebenso wenig eine Rolle, wie die sexuelle Orientierung. Die NPD hingegen macht die Würde des Menschen von ,,Volkstum und Kultur" abhängig, erst aus dieser könne sich der Anspruch auf Würde konstituieren. Weiter heißt es: ,,Deswegen trägt der Staat [..] Verantwortung für das Volk." Der Staat soll also nicht weiterhin die Rechte des Individuums schützen, sondern nur dem abstrakten Gebilde des Volkes verpflichtet sein.
,,Du bist nichts, dein Volk ist alles."
Unter Volk versteht die NPD ,,eine geschichtlich gewachsene Sprach- und Kultur-, Schicksals- und Abstammungsgemeinschaft." Diesen biologistischen [4] Volks-Begriff kennzeichnet, dass der NPD jeglicher Prozess recht ist, die angebliche Volksgemeinschaft des deutschen Volkes herauszustellen, die Menschen in dieser Volksgemeinschaft anzugleichen und nach außen abzugrenzen. Dies zeigt sich beispielsweise im Kommunalprogramm der NPD, wenn sie fordert ,,ein weiteres Auseinanderdriften in Klassen und Stände [zu] verhindern". Nicht nur, dass sie damit die gesellschaftlichen Konsequenzen der bürgerlichen Produktionsweise leugnet, für die NPD sind soziale und gesellschaftliche Auseinandersetzungen per se unerwünscht. Getreu dem Motto ,,Du bist nichts, dein Volk ist alles", verschwimmt der Einzelne im Volk und wird auch nur dann beachtet, wenn seine Interessenlage der des Volkes entspricht. Individuen oder Gruppen können so beliebig zu ,,Volksschädlingen" erklärt werden, da ein Staat nach der Vorstellung der NPD keine Verantwortung für sie zu tragen hat, sondern nur für das Volk. Es ist auch nicht verwunderlich, dass die NPD ,,fehlende Eliten" beklagt, denn wie sollte das Volk sonst wissen, was es will? Diese Elitenherrschaft ist unmittelbar notwendig, um die Manövriermasse Volk zu beherrschen. Während die entpersönlichten Bedürfnisse der Individuen auf den Nationalstaat projiziert werden, genießt die Führungselite (oder auch der Führer) totalitären Herrschaftsanspruch auf Grundlage der Volksgemeinschaft und politischen Entscheidungen wird lediglich durch Akklamation ein vermeintlich legitimer Rahmen verliehen.
Mythos vom ,,alliierten Bombenholocaust"
Zur Konstruktionen des Volkes ist es außerdem unentbehrlich einen Nationalismus zu entwickeln mit dem jeder_jedem Einzelnen der Volksgemeinschaft eine unbeschränkte Identifikation möglich ist. Um dies zu bewerkstelligen, betreibt die NPD - auch wegen offensichtlicher Sympathie - eine Revision der Verbrechen des Nationalsozialismus. Dieser Geschichtsrevisionismus zeichnet sich durch eine Relativierung bis hin zur Leugnung der Shoa aus, die Aufrechterhaltung des Mythos der sauberen Wehrmacht, sowie die vermeintliche Unschuld des deutschen Volkes am Holocaust und seine Stilisierung zum Opfer des ,,alliierten Bombenholocausts". Die Neonazis fordern daher ein ,,Eingeständnis unserer früheren Gegner, daß die zielgerichtete Bombardierung der Zivilbevölkerung [..] Verbrechen sind, die auch heute noch geahndet werden müssen." Nicht nur, dass sich die NPD mit der Formulierung ,,unserer früheren Gegner" ganz klar in der Tradition der NSDAP begreift, verschweigt sie zudem die Verbrechen von Wehrmacht, SA und SS ,,zum Schutz der Ehre des deutschen Volkes". Sie missbilligt die Friedensverträge nach dem Zweiten Weltkrieg und proklamiert vielsagend: ,,Deutschland ist größer als die Bundesrepublik!". Mit welchen Mitteln diese Restauration des Deutschen Reiches stattfinden soll, lässt die NPD gezielt offen.
Familie statt ,,gefährdende Selbstverwirklichung"
Die Keimzelle des Volkes stellt für die Neonazis die Familie dar und zwar nicht nur wegen des vermeintlichen Geborgenheitsgefühls und ,,weil es ohne gesunde Familien kein gesundes Volk gibt", sondern auch weil die Familie aufgrund des materiellen Zwangsverhältnisses am besten geeignet ist gesellschaftliche Zwänge und gängige Normen zu reproduzieren und anzuerziehen. Jegliche ,,gefährdende 'Selbstverwirklichung' und den mit ihr einhergehenden schrankenlosen Egoismus" lehnt die NPD strikt ab. In der Familie soll der Nachwuchs auf seine zukünftigen Rollen im staatlichen Gefüge vorbereitet werden; eigene Charakteristika können nur ausgebildet werden, sofern sie für den Staat nützlich sind. Für die NPD wird die Frau wieder zur Gebärmaschine, jeglicher Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper beraubt. Die Neonazis versuchen alles, damit Frauen ihre Hauptaufgabe wieder in der Familie finden und darin möglichst viele Kinder zu bekommen; denn ein kämpferischer Staat braucht möglichst viele Kämpfer_innen. So ist es nicht verwunderlich, dass Frauen nach Vorstellung der NPD nicht länger selber über einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden dürfen und die NPD fordert, Frauen sollten ,,nicht aus finanziellen Gründen außerhäuslich arbeiten müssen, da der Beruf in der Familie sie voll auslastet." Frauen werden damit wieder auf ihre vermeintlich natürliche Rolle als Hausfrau und Mutter reduziert, denn Emanzipation, ,,eine unbedingte Folge des Wirkens der 68ger Neomarxisten, gehörte mit uns der Vergangenheit an!" und macht den ,,tatsächlich existierenden Gebärstreik der Frauen" für die demografische Entwicklung verantwortlich. Nicht zu unterschätzen ist jedoch auch die biologistische Dimension der Familie im Sinne der NPD, denn schließlich ist sie die Produzentin des deutschen Volkes und der arischen Rasse. Deswegen sollte Kindergeld auch ,,nur an deutsche Familien ausgezahlt werden."
,,Gute Heimreise"
Mit gerade einmal 2% Anteil ausländischer Mitmenschen an der Gesamtbevölkerung gehört Thüringen zu den deutschesten Bundesländern der BRD. Um so kruder muten die Überfremdungsängste der Neonazis an, die nur ein Deckmantel für ihre menschenverachtende Xenophobie sind. So ist die NPD der Meinung: ,,Deutsche und Angehörige fremder Völker stehen sich [...] immer feindseliger gegenüber. Durch diese Entwicklung wird der innere Friede zunehmend gefährdet." Doch die angebliche Feindschaft und ,,Ghettoisierung" gegen die sie hetzt, will die NPD fördern, wenn sie Integrationsmaßnahmen ablehnt. ,,Anders als das etablierte Blockparteienkartell setzt die NPD nicht auf Integration [...] Wir wollen, daß die hierher kommenden Ausländer ihre Sprache und Kultur behalten." Dadurch soll ausländischen Mitmenschen zusätzlich ein Leben in Deutschland erschwert und ,,die Rückkehr in ihre Heimatländer" angeregt werden. Dies führt sogar zu der Forderung ,,endlich nach Ausländern und Deutschen getrennte Klassen einzuführen - Im Sinne von Lernklima und Entwicklung unserer Schüler." Mit ,,unseren" Schüler_innen sind logischerweise nur die deutschen Schüler_innen gemeint. Diese Fremdenfeindlichkeit führt bei den Neonazis schließlich so weit, dass sie ,,die massenhafte Genehmigung von ausländischen Restaurants und Imbissen " ablehnen. Ausländer genießen bei der NPD allgemein nur einen Gaststatus, das bedeutet auch, sich nicht anzumaßen Kritik üben zu dürfen. Wenn Asylbewerber_innen gegen ihre miesen Lebensbedingungen in den deutschen Flüchtlingslagern, die erwiesenermaßen zu psychischen Erkrankungen bei den Flüchtlingen führen, protestieren, verachtet dies die NPD als ,,Anmaßung" oder auch als ,,Asylantendemos und andere Überflüssigkeiten". Flüchtlinge haben gefälligst dankbar zu sein für ihre ,,Privilegierung in der Bundesrepublik Deutschland [...] und jedwede Form von überheblichem Protest schlicht und einfach zu unterlassen." Das Ziel ist ein Rede-, Meinungs- und Versammlungsverbot für nicht-deutsche Menschen in Deutschland. Die NPD droht Flüchtlingen direkt: ,,Die durch solche Aktionen strapazierte Gastfreundschaft könnte sonst ein jähes Ende finden." Ihre menschenverachtende Grundhaltung machen die Neonazis auch deutlich, wenn sie die mit unter lebensgefährliche Vorgeschichte der Flüchtlinge leugnen: ,,Für menschenwürdige Lebensverhältnisse sollten die hierhin 'Geflüchteten' in ihrer Heimat kämpfen. Wer dies mangels Idealismus nicht tun will und sich hier über die steuergeldfinanzierten Behausungen beschweren möchte, sollte am besten woanders 'hinflüchten'." Ihren Standpunkt fasst die NPD Thüringen sehr treffend auf ihrer Homepage zusammen: ,,Gäste müssen Gäste bleiben und Gäste verabschieden sich eben nach einer Zeit auch wieder."
,,Europa der Vaterländer"
Die NPD teilt die Menschheit in unterschiedliche ,,Rassen" ein, doch im Gegensatz zur NSDAP bezeichnet sie andere als die ,,arische" Rasse nicht offiziell als minderwertig. Stattdessen vertritt sie nach außen einen Ethnopluralismus, den sie der Neuen Rechten entlehnt hat. Demnach sei es erstrebenswert, dass nebeneinander verschiedene Staaten und Gesellschaften existieren, die jeweils ,,reinrassig" sein sollten. Deshalb propagieren die Neonazis ein Europa der Vaterländer, ,,welches gesund, kräftig, sozial gerecht geordnet und in seiner nationalen Identität geschützt ist". Dieses Konzept hat den Vorteil, dass es der NPD - zumindest theoretisch - auch die Zusammenarbeit mit ausländischen Faschist_innen ermöglicht. In der Praxis dagegen verachten die meisten einfachen NPD-Mitglieder alle Migrant_innen und nichtdeutsche Menschen. Denn genau diese Vorstellung, allein aufgrund der eigenen Herkunft mehr wert zu sein als andere Menschen, macht die NPD und ihre Weltanschauung für einen Teil der Bevölkerung attraktiv - besonders in Zeiten wachsender sozia-ler und wirtschaftlicher Unsicherheit.
Die Neonazis bekennen sich ,,zur Anerkennung und Achtung der natürlichen Ungleichheit der Menschen" und schließen dabei von der biologischen Verschiedenheit aller Individuen auf ihre vermeintliche gesellschaftliche, politische, soziale und juristische Ungleichheit. Dieses Konzept nennen sie ,,lebensrichtiges Menschenbild". Die NPD versucht, ihre Gesellschaftsvorstellungen mit pseudo-wissenschaftlichen Erkenntnissen zu begründen, überträgt dazu Erkenntnisse beispielsweise aus der Verhaltensforschung bei Tieren auf den Menschen und ignoriert, dass den Menschen gerade auszeichnet, dass er nicht nur Natur-, sondern auch Kulturwesen ist.
Märchen vom ,,raffendem und schaffendem Kapital"
,,Deutsch sein, heißt eine Sache um ihrer selbst willen tun." Dieses Zitat des Antisemiten Richard Wagner macht den deutschen Arbeitsethos deutlich, den nicht nur die NPD, sondern auch weite Teile der deutschen Bevölkerung rezipieren [5] und der in seinem bedingungslosen Gehorsam in der Singularität [6] der Vernichtungslager des Nationalsozialismus kulminierte [7]. Dieser Arbeitsethos wurde vornehmlich durch Luther geprägt, gemäß dem Spruch: ,,Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen." In ihrem Parteiprogramm versucht die NPD pseudo-sozialistische, etatistische [8] und privat-kapitalistische Wirtschaftsauffassungen zu verbinden, indem einerseits ein freies Unternehmertum eingefordert wird, auf der andere Seite jedoch der staatliche Eingriff in die Wirtschaft bis zur Zentralverwaltungswirtschaft gebilligt wird. Der Grund für diese widersprüchlichen Positionen dürfte wohl darin liegen, dass die NPD bestrebt ist sowohl für Arbeiter_innen und Kleinbürger attraktiv zu bleiben, sich historisch jedoch auch gezeigt hat, dass der Faschismus dem Kapital nützlich sein kann. Der ehrlichen, wertschaffenden, deutschen Arbeit wird eine spekulative, abstrakte, raffende Finanzsphäre gegenübergestellt. Mit dieser verkürzten Kapitalismuskritik wird der Kapitalismus allein auf die Finanz- und Zirkulationssphäre reduziert. Diese Attacke auf das nichtverstandene Abstrakte versucht jedoch gleichzeitig das Abstrakte zu vergegenständlichen, was antisemitische Stereotypen bedient. Es ist offensichtlich, dass der Angriff der NPD auf das ,,Großkapital" zwangsläufig mit dem politischen Antisemitismus verknüpft ist. Wenn Udo Voigt etwa von ,,raffendem und schaffendem Kapital" spricht, greift er damit wörtlich die Formulierung der NSDAP auf. Gerade die vermehrte Propaganda um soziale Fragen bringt antisemitische Sterotype zum Vorschein, so z.B. in der Argumentationsbroschüre des NPD-Vorstandes: ,,Es handelt sich bei der Globalisierung um das planetarische Ausgreifen der kapitalistischen Wirtschaftsweise unter der Führung des Großen Geldes. Dieses hat, obwohl seinem Wesen nach jüdisch-nomadisch und ortlos, seinen politisch-militärischen beschirmten Standort an der Ostküste der USA." (Dem Mythos nach befindet sich an der Ostküste der USA der Knotenpunkt der jüdischen Lobby.) Verkannt wird dabei, dass die Investitionen in der Produktionssphäre nicht weniger spekulativ sind, da der einzelne Kapitalist seinen Profit vorher nicht berechnen kann.
Ein weiterer beliebter Angriffspunkt der Neonazis ist der Zins. Doch der Zins ist kein sagenumwobenes Ding zur Knechtung der Menschheit, sondern der Tatsache geschuldet, dass in unserer Warengesellschaft auch das Geld zur Ware wird und unter kapitalistischen Bedingungen angenommen werden kann,
dass Geld - als Kapital eingesetzt - einen Mehrwert hervorbringt. Der Zins ist somit lediglich Teil des Mehrwerts und notwendig für das Funktionieren des Kapitalismus, der auch nicht durch die Abschaffung der Zinsen zu überwinden ist.
Fußnoten:
[1] xenophob: fremdenfeindlich
[2] Aufklärung: eine Epoche in der geistigen Entwicklung der westlichen Gesellschaft im 17. bis 18. Jahrhundert, die besonders durch das Bestreben geprägt war, das Denken mit den Mitteln der Vernunft von althergebrachten, starren und überholten Vorstellungen, Vorurteilen und Ideologien zu befreien, die Akzeptanz für neu erlangtes Wissen zu schaffen und das Individuum in den Mittelpunkt des Denkens zu stellen.
[3] Soweit nicht anderweitig gekennzeichnet, stammen alle nachfolgenden Zitate aus dem Parteiprogramm der NPD, dem Rahmenkommunalwahlprogramm Thüringen 2009 und der Homepage der NPD Thüringen.
[4] Biologismus: Weltanschauung, die menschliche Verhaltensweisen und gesellschaftliche Zusammenhänge über biologische Gesetzmäßigkeiten zu erklären versucht
[5] rezipieren: fremdes Gedankengut aufnehmen
[6] Singularität: Einzigartigkeit
[7] kulminieren: seinen Höhepunkt erreichen
[8] Etatismus: politische Position, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme durch staatliche Regelungen lösen will
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