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Katastrophale Zustände im Flüchtlingsheim in Suhl

Seit Sommer 2014 existiert auf dem Suhler Friedberg eine Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge, die als vorübergehende Außenstelle der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Eisenberg für die nächsten fünf Jahre gedacht ist und zu deren Entlastung dienen sollte. Mittlerweile leben dort etwa 1800 Menschen (Stand: August 2015) in zwei Blöcken – der dritte Block wurde eröffnet und die oberen Etagen bezogen, ohne das dieser komplett fertig gestellt wurde –, die nach Angaben der Stadt für höchstens 1200 Menschen ausgelegt sind. Die Zustände dort sind katastrophal.

Für Flüchtlinge ist die Erstaufnahmeeinrichtung dabei die erste Anlaufstelle in den Bundesländern, auf die sie verteilt werden. Von hier aus können sie ihren Asylantrag stellen und sollen binnen weniger Wochen in andere Städte weiter geleitet werden. Bis letztes Jahr gab es eine zentrale Erstaufnahmeeinrichtung in Thüringen, von der aus dies geleistet werden sollte, nämlich in Eisenberg. Angesichts der steigenden Zahlen von Geflüchteten erreichte diese aber 2014 ihre Kapazitätengrenze und zum Zwecke der Entlastung wurde eben jene Erstaufnahmestelle auf dem Friedberg in Suhl eingerichtet. Hier bezogen Anfang Juli 2014 etwa 100 Asylsuchende den ersten Block der ehemaligen Offiziersschule der DDR.

Die ersten Reaktionen folgten prompt. Neonazis hetzten von Anfang an gegen die auf dem Friedberg untergebrachten Flüchtlinge, veranstalteten bereits am 16. Juli, keine zwei Wochen nach Inbetriebnahme, eine Kundgebung in unmittelbarer Nähe1 und verteilten Flyer mit rassistischem Inhalt in der Suhler Innenstadt. Auch der erste Angriff auf das Flüchtlingsheim ließ nicht lange auf sich warten. Anfang August des Jahres 2014 schmissen Unbekannte die Scheiben der Gemeinschaftsküche ein und versuchten einen Lichtmast vor dem Flüchtlingsheim auf den Friedberg in Brand zu stecken.2

Neben der Hetze der Neonazis gibt es freilich auch die obligatorischen besorgten Bürger in Suhl, die sich Sorgen machen um einen Anstieg der Kriminalitätsrate und was der rassistische Bürger eben sonst noch in der Person des Ausländers abzuspalten weiß.


Umzäunung geplant

Der Sorge der Bürger und Ladenbesitzer in Suhl wusste man von Seiten der Stadt zu begegnen mit dem Vorschlag die Flüchtlingsunterkunft zum Zwecke der Prävention von Ladendiebstählen zu umzäunen. Man müsse die Ängste der Bürger ernst nehmen; „Wir dürfen die Mitte der Gesellschaft nicht verlieren“, hieß es etwa vom Präsidenten des Landesverwaltungsamtes Frank Roßner in diesem Zusammenhang.3 Die Unterkunft sei durch die Umzäunung dabei nur noch über Schleusen zu begehen, in denen die Flüchtlinge nach möglichem Diebesgut durchsucht werden können. Perfiderweise wird hier auch mit der Sicherheit der Flüchtlinge argumentiert, schließlich würde ein Zaun auch vor Angriffen von Außen schützen und auch Kinder liefen so nicht mehr Gefahr in einen Verkehrsunfall auf der benachbarten Hauptstraße verwickelt zu werden. Dass es hier weniger um die tatsächliche Erfassung von Dieben geht und auch der Schutz der Flüchtlinge freilich nur vorgeschoben wird, scheint auch den Verantwortlichen klar und offenbart sich im Gerede vom Abschreckungseffekt, mit dem eben jene mögliche „Reduzierung von Eigentumsdelikten“ geleistet werden soll.4 Es gab auch Gegenstimmen aus dem Stadtrat, die betonten, dass ein solcher Zaun lediglich dazu beitrage, den Flüchtlingen das Gefühl zu geben, in einem Lager untergebracht zu sein. Dies allerdings markiert nur Einzelmeinungen, in der Mehrheit ist man sich wohl einig, dass das Wohlbefinden der Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben hierher gekommen sind, keine Grundlage von Entscheidungen sein kann. Der CDU-Kreisvorsitzende Suhls, Marcus Kalkhake, begrüßte gar „die Äußerung der baden-württembergischen Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) zur Überarbeitung der Standards, welche zu attraktiv für Asylbewerber ohne Bleibeperspektive sind“.5 Welche attraktiven Standards dies seien sollen, bleibt angesichts der katastrophalen Bedingungen, unter denen die Flüchtlinge in Suhl leben müssen, mehr als fraglich.


Not welcome in Suhl

In der Unterkunft in der für 1200 Menschen Platz sein soll, leben derzeit etwa 1800 Menschen, damit ist sie restlos überfüllt. Auch die Einrichtung eines weiteren Blockes wird daran nichts ändern können. In den aktuell zwei Blöcken des Plattenbaus auf dem Friedberg schlafen mittlerweile Menschen auf Feldbetten in den Fluren, bürgerliche Initiativen zur Flüchtlingshilfe rufen zur Spende von Kissen, Decken, Matratzen etc. auf. Selbst an so elementaren Dingen scheint es zu mangeln. Der nötige Brandschutz kann nicht mehr gewährleistet werden und auch die hygienischen Bedingungen sind desolat – einer Etage stehen zwei Waschräume zur Verfügung, welche zum Teil mit Schimmel übersät sind, wie jüngst der MDR berichtete. Türen vor allen Zimmern gibt es schon lange nicht mehr. Privatsphäre ist hier nicht gegeben und auch keine akustische Abschirmung, was angesichts dessen, dass viele Menschen traumatisiert sind, die die Flucht nach Deutschland antraten, ein Problem darstellt, wie ein Bewohner dem MDR gegenüber berichtete. Dieser könne nachts nicht schlafen, weil er von Schreien anderer Bewohner wachgehalten werde. Dem Bericht ist außerdem zu entnehmen, dass die Menschen dort bis zu zwei Stunden an der Essensausgabe anstehen müssen und das was sie dann bekommen, sei oft zu wenig. Auch die Bearbeitung der Asylanträge dauere nicht wenige Wochen, sondern aktuell im Schnitt sechs Monate und belässt die Betroffenen für diese Zeit in der psychisch belastenden Situation der Unsicherheit und des Verbleibs in Übergangssituationen wie in Lagern in Suhl und anderswo. Wenn in diesem Zusammenhang dann von attraktiven Bedingungen für Geflüchtete die Rede ist, ist das nicht nur zynisch, sondern schlichtweg realitätsfremd.


Ausblick

Die Stadt Suhl sieht sich mit der Situation überfordert und drohte zwischenzeitlich mit der Schließung der Flüchtlingsunterkunft. Damit baute sie Druck auf die Landesregierung auf, der die Lage in Suhl durchaus bekannt ist. Anfang August besuchte der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) die Erstaufnahmestelle, um sich ein Bild von vor Ort machen zu können und konnte zu keinem anderen Urteil gelangen, als dass erhebliche Defizite bestünden, die dringenden Handlungsbedarf offenbaren. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die geplante Errichtung von weiteren Erstaufnahmeeinrichtungen in Thüringen, etwa in Gera und Mühlhausen und auch die Errichtung von Containerdörfern ist mittlerweile im Gespräch. Außerdem verweist er auf die Zuständigkeit des Bundes. Dieser reagierte jüngst erst auf die gestiegenen Flüchtlingszahlen mit einer erneuten Verschärfung des Asylrechts und will sich nun um die schnellere Abwicklung von Asylverfahren bemühen. Das aber ist freilich nicht misszuverstehen als ein Akt der Menschlichkeit. Wenn die Bundesregierung plant, die Asylanträge ohne erfolgreiche Aussicht auf Bewilligung priorisiert zu behandeln, dann eben mit dem Hintergrund möglichst schnell möglichst viele Menschen abschieben zu können.

Was die meisten Akteure also eint, ist ein Problemverständnis, das Flüchtlinge als Manövriermasse betrachtet, derer man wie auch immer Herr werden muss. Einen Gegenpol dazu stellen derzeit nur Initiativen dar, die versuchen in Form von Sachspenden, Begleitung von Behördengängen, etc. Hilfe zu leisten. Dies vermag zwar strukturell an dem Problem nichts ändern, kann aber zumindest die Situation von einzelnen Geflüchteten punktuell verbessern bzw. erleichtern und stellt angesichts der Ohnmacht, mit der auch die radikale Linke konfrontiert ist, eine der wenigen Handlungsmöglichkeiten dar, mit dieser Situation umzugehen.


  1. Vgl. online unter: http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=649

  2. Vgl. online unter: http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=653

  3. Zitiert nach einem Artikel des Freien Wortes vom 10. Juni 2015.

  4. Vgl. ebd.

  5. Vgl. online unter: http://bit.ly/1DPGQnm