Dass der Landkreis Hildburghausen mit seinen Dörfern und Kleinstädten an der bayerischen Grenze seit Jahren einen Nährboden für Neonazis bildet, kann nicht bestritten werden. Bereits vor einigen Jahren zogen Nazischlägerbanden um Frenck von Dorffest zu Kirmes und versuchten mit einer lokalen Wählervereinigung in der Kommunalpolitik Fuß zu fassen. Seit einiger Zeit kommt neben den bereits bestehenden Strukturen ein weiterer Schritt der Verankerung hinzu. Eine Erlebniswelt für Neonazis aller Couleur entwickelt sich im Landkreis. Angefangen von Festivals bis hin zu einer Immobilie, die Tommy Frenck in Kloster Veßra erwerben konnte und für seine Veranstaltungen regelmäßig nutzen kann.
Es gibt keinen Grund, warum man dieses Nest mit 300 Einwohnern kennenlernen sollte. Seit einigen Monaten ist das bedeutungslose Dorf jedoch für die lokale Naziszene von Bedeutung geworden. Wie wohl in Südthüringen jedem bekannt sein sollte, der nicht die Augen vor der Ausbreitung von Nazigruppen verschließt, kaufte der Neonazi Frenck ein Gasthaus in dem Örtchen. Zumindest versucht der langjährige Nazikader das Haus zu kaufen, stößt dabei aber auf einige Probleme mit der Gemeinde, die ihr Vorkaufsrecht geltend machen will. Jedoch bahnt sich in dieser Situation ein längerer Rechtsstreit an und so lange dieser andauern wird, wird Frenck die Immobilie auch weiterhin unter dem freudigen Einverständnis des (Vor-)Besitzers Norbert Kalensee betreiben, welcher Frenck auch ein lebenslanges Nutzungsrecht in Aussicht stellte und den Verkauf zurückziehen werde, sollte die Gemeinde die Immobilie kaufen können. Wenn es sich dabei nicht um einen Bluff seitens Frenck handelt, wird die Immobilie ein Nazitreffpunkt von großer Bedeutung für die lokale Naziszene bleiben.
Dem Großteil der Leute im Dorf ist es wohl ohnehin egal, wer die Gaststätte betreibt und welche Veranstaltungen dort stattfinden. Neben der Polizei und den Nazis aus der Region interessierte sich eine zeitlang auch die Presse für das Dorf in der Nähe von Hildburghausen. In einem Bericht von Deutschland Radio Kultur vom April 2015 werden auch Dorfbewohner befragt, wie sie die Vorgänge um den „Goldenen Löwen“ betrachten. Dort heißt es vom Nachbarn des Gasthauses, dass doch in Kloster Veßra alles in Ordnung sei. Eine „Ballermann Party“ mit RAC (Rock Against Communism) sei doch genau dasselbe wie eine Kirmes in den Dörfern.1 Wer schon einmal das Vergnügen hatte in Südthüringen eine Kirmes zu besuchen weiß, dass man ihm in diesen Punkt auch nicht widersprechen kann. Auch dass in Kloster Veßra alles in Ordnung sei mit Frenck, ist nicht von der Hand zu weisen. Niemand, der noch bei Verstand ist, würde nach einem Besuch in der Dorftristesse von Kloster Veßra und beim Anblick der eingeschworenen deutschen Dorfgemeinschaft behaupten, dass es hier „bunt“ zuginge oder das Örtchen irgendwie „weltoffen“ sei. Dass Frenck nur etwas Geduld und Glück brauchte um einen richtigen Ort zu finden, wo er sich einnisten kann, war nur eine Frage der Zeit.
Über mehrere Jahre hatte Frenck immer wieder versucht Immobilien zu erwerben und sie für seine Veranstaltungen zu nutzen. Fast wöchentlich veröffentlichte Frenck aus unterschiedlichen Städten und Gemeinden im Landkreis Immobilieninserate auf seinen Facebook-Seiten, die er potenziell kaufen wolle. Zum einen handelte es sich dabei wohl um ein wirkliches Interesse an einigen Objekten, bei anderen wiederum um gezielte Desinformationen. Die Gemeinden reagierten jeweils aufgeschreckt und versuchten durch den eigenen Kauf der Immobilie einen Treffpunkt der Neonaziszene zu verhindern. Die lokalpolitischen Akteure wurden darüber hinaus immer nur aktiv, wenn gerade ihr eigenes Örtchen betroffen gewesen ist. Dass die einzelnen Städte und Gemeinden nicht erst seit Frencks Immobilieninteresse ein gewaltiges und gewalttätiges Naziproblem haben, spielte dabei nie eine Rolle. Wenn auf der Kirmes und in der Stadt Naziparolen gegrölt werden oder sich in Hildburghausen Raum in Kneipen für RAC-Abende finden lässt, ist das nicht so schlimm, solange es nicht an die Öffentlichkeit gerät. Der Lokalpolitik wird es, abgesehen von den Menschen aus Kloster Veßra, die es nun mal getroffen hat, wohl auch recht sein, dass sich Frenck und sein Anhang erstmal in Kloster Veßra treffen. Die mediale Aufmerksamkeit nach einer rassistischen Bürgerwehr, welche Ende 2014 Jagd auf rumänische Arbeiter machte und auf der Suche nach vermeintlichen Einbrecherbanden durch die Stadt patroulierte, und diversen Aufmärschen in Schleusingen und Eisfeld dürfte es Städten wie Hildburghausen oder auch Schleusingen nur recht sein, wenn nicht ihr Image, sondern das eines Nachbardorfes in der Öffentlichkeit schlecht dasteht. Besonders nachdem Frenck die einzelnen Gemeinden wie z.B. Schleusingen immer wieder dazu nötigte Immobilien aufzukaufen, wird es wohl auch eine finanzielle Entlastung sein und das Problem zumindest zum Großteil um einige Kilometer weiter ins Hinterland verschoben sein.
Während sich bereits über einen längeren Zeitraum hinweg Nazis im Landkreis weitestgehend ungestört als solche betätigen konnten und wir einige Bemühungen des Bürgerbündnisses gegen Rechts aus Schleusingen mal außen vor lassen, wird in Hildburghausen derzeit sogar eine aktive Förderung von Nazievents betrieben. Zu Pfingsten versammelten sich rund 1500 Neonazis aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Tschechien in Hildburghausen um beim „Live Hate“ Konzert, organisiert von Patrick Schröder und Tommy Frenck, den Klängen von diversen Neonazibands zu lauschen, sich zu besaufen und Rednern aus der gesamten Bundesrepublik zuzuhören. Das Veranstaltungsgelände auf einer Industriebrache am Rand von Hildburghausen bekamen die Nazis ohne weitere Probleme, sogar mit einem angenehmen Vertrag von der Stadt Hildburghausen, Bierausschank und Umgehung der Nachtruhe inklusive. Dass sich das Neonazi-Saufgelage in unmittelbarer Nähe zu der Flüchtlingsunterkunft in der Stadt befand, war dabei weder bei Polizei noch bei der Stadt von Interesse. Nach Ende des Konzertes zogen zum Teil größere Gruppen von Neonazis betrunken durch Hildburghausen oder wurden von den lokalen Taxi-Unternehmen brav nach Hause gefahren. Friedlich blieb es an diesem Abend zumindest in Hildburghausen und selbst wenn es nicht verhältnismäßig ruhig verlaufen wäre, hätte sich die Stadt ja versicherungstechnisch mit dem Mietvertrag an Tommy Frenck gut abgesichert. Die Busse und Autokolonnen mit jeder Menge Neonazis, welche sich ebenfalls zur Freude der lokalen Gasthäuser auf den umliegenden Dörfern oder der Stadt selbst einnisteten, reisten zum Großteil ohne Polizeibegleitung ab. Ganz so friedlich blieb es am Ende doch nicht, wie es die Nazis gerne gehabt hätten. So gibt es einige Berichte, dass Neonazis, die sehr wahrscheinlich vom Konzert in das nahegelegende Eisfeld zum „Kuhschwanzfest“ reisten, noch gegenüber einigen Jugendlichen aus dem Dorf aggressiv auftraten und es auch zu Übergriffen gekommen sein soll.
Aber nicht überall werden die Nazis von den Behörden so dauerhaft hofiert wie in Hildburghausen. In Kloster Veßra bekamen die Zuständigen des Landkreises doch kalte Füße oder ein schlechtes Gewissen und wurden aktiv. Schließlich fand man einige Mängel an der Sickergrube des Gebäudes, weshalb der Landkreis in Bezug auf das Wasserrecht eine weitergehende Nutzung für Frencks Gaststätte zwischenzeitlich untersagte. Frenck vermutet hinter der Nutzungseinschränkung eine geplante Verschwörung aus Gemeinde, Gutmenschen-Allianz und der Lügenpresse des MDR. Doch die Opfernummer half Frenck in diesem Fall auch nicht weiter. Die Gaststätte musste Ende Juni bereits für einige Tage schließen. Seitdem klagt Frenck gegen den Beschluss, was zu Folge hat, dass es immer wieder dazu kommt, dass er die Gaststätte, wie es Ende Juli der Fall war, zeitweise wieder öffnen kann. Anfang August kam es sogar vorerst zu einem Vergleich vor Gericht, der Frenck die Nutzung der Gaststätte unter Auflagen zwar erlaubte, die Nutzung des Saales bis zur Lösung des Sickergrubengates aber untersagte. Dazu startete Frenck eine Soli-Kampagne mit eigenen T-Shirts, da die Kosten für den Ausbau der Sickergrube wohl im fünfstelligen Bereich liegen dürften. Eine weitere Nutzung des Gebäudes bleibt nach dem vor Gericht erstrittenen Vergleich also nicht aus. Der Laden von Frencks Naziversand „Druck 18“ (18 = AH = Adolf Hitler) sowie diverse Wohnungen und die Gaststätte bleiben bestehen. Ein Vorteil, den es aktuell gibt, ist eine für Frenck entstandene Planungsunsicherheit und er vorerst ohne Saal nicht, wie in der Vergangenheit, Vorträge des „Thüringer Heldengedenken“ mit NS-Verherrlichung oder einen Landesparteitag von Die Rechte durchführen kann. Wie ein kleines bockiges Kind gab Frenck im Internet bekannt, dass es für jeden geschlossenen Tag eine extra Veranstaltung im kommenden Jahr geben wird. Es bleibt also spannend, wie sich der Rechtsstreit um das Abwasser und Tommy Frenck weiter entwickeln wird. Langfristig gesehen wird man das Nazizentrum, zu was es mittlerweile schon geworden ist, so nicht stoppen. Dennoch dürften Rechtsstreit, mangelnde Planungssicherheit und die finanzielle Belastung Frenck zusetzen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Nutzung des Gebäudes in Kloster Veßra fortsetzen wird. Nach einigen Monaten voll mit Liederabenden von Lunikoff, Ballermann Partys und Vorträgen von Antisemiten wie Axel Schlimper von der Europäischen Aktion Thüringen oder dem Landesparteitag der Partei Die Rechte Thüringen kann jedoch festgehalten werden, dass die Lokalität in dem Dorf für die Naziszene regional, als auch überregional von großer Bedeutung ist. Das zeigte sich u.a. am 30. Mai bei einer „Zeitzeugenveranstaltung“ vom Thüringer Heldengedenken, welche gleichzeitig als Mobilisierung für den Naziaufmarsch zum Volkstrauertag 2015 in Friedrichroda gesehen werden kann, als Nazis aus ganz Thüringen anreisten. Auf kurze Sicht wird sich zeigen, ob Frenck die Gaststätte weiter nutzen kann und inwiefern ihn die finanzielle Belastung zurückwerfen wird. Im Hinterkopf sollte jedoch bleiben, dass sich Nazizentren nicht so leicht durch Behörden aus dem Weg schaffen lassen. Für den Landkreis wird es mit oder ohne der Nutzung der Gaststätte weiter so bleiben, dass der braune Sumpf präsent bleiben wird. Sei es bei dem verschobenen Thüringentag der nationalen Jugend, der in Kloster Veßra geplant war, bei einem weiteren Fackelmarsch zum „Heldengedenken“ oder beim nächsten Nazigroßevent. Der Landkreis Hildburghausen wird auch zukünftig Schwerpunkt der Südthüringer Naziszene bleiben. Für weitere Ankündigungen zu geplanten Gegenprotesten z.B. gegen einen möglichen Thüringentag der Nazis gibt es Infos unter www.trockenlegen.tk
Vgl. online unter: http://bit.ly/1HP1sLW