HOME | SELBSTVERSTÄNDNIS | AUSGABEN | BEZUG | KONTAKT | LINKS

Briefe von den Lesern

Wir freuen uns, an dieser Stelle eine Einsendung abdrucken zu dürfen, die uns von unserem Leser Tommy aus der Jauchegrube erreichte, der im Juli zwei Wochen mit seinem Schatz in Ägypten verbrachte und über seine Urlaubserlebnisse berichten möchte. Der Reisebericht thematisiert, wie bereits unser in der letzten Ausgabe abgedruckter Brief an die Leser, eine Projektionsleistung.1 Aus Angst des Einsenders vor den homophoben Reaktionen seiner Kameraden und trotzdem das Bedürfnis hegend, uns alle an den schönen Erlebnissen teilhaben zu lassen, wird auf vollständige namentliche Nennung der Beteiligten verzichtet und deren Gesichter unkenntlich gemacht. Die Namen sind der Redaktion bekannt.

 

Uns bleibt immer noch Gizeh...

Anfang Juli war es endlich soweit. Die lang ersehnten Flitterwochen mit meinem Pätti standen bevor. Tropenhelm, Feldstecher, Knicklichter, Dosenbrot und der ganze Outdoorkram waren gepackt; das Gammelfleisch, das ich an die Trottel in meinem Gasthaus verkloppe, wieder eingefroren und Mutti eingewiesen, den hässlichen Fleischberg, den ich Hund nenne, mit frischen Katzenbabys zu füttern. Damit auch meine Kundschaft, die glücklicherweise noch etwas dümmer zu sein scheint als ich selbst, nicht auf richtige Gedanken kommt, habe ich vor Reiseantritt noch schnell ein schwulenfeindliches Kommentar in meine Facebook-Chronik gepostet (irgendwas mit Naturburschentum und Ekel) und ab ging es. Das Flugzeug brachte uns über ein großes Wasser (nein, nicht den Ratscher, noch größer) in eine Stadt, die man Kairo nennt. Ich war überrascht. Richtige Straßen und Häuser, fließendes Wasser und Eiscreme; und keine Neger weit und breit, obwohl wir doch in Afrika waren. Meine These, dass alle Neger möglicherweise schon auf dem Friedberg in Suhl sind, konterte Pätti mit einem Lächeln, das er öfter auflegte, wenn er meine intellektuellen Fähigkeiten würdigte. Von Kairo aus unternahm mein Pätti jeden Nachmittag Ausflüge mit mir. Wie echte Touristen brachen wir bei 40 °C im Schatten auf zu großen Steinhaufen, Bootsfahrten, Apotheken, öffentlichen Toiletten und zu Orten, an denen ein entfernter Verwandter mal fast die Briten geschlagen haben soll.

Es war ein Traum: Heiße Strände, warme Nächte, feuchte Körper, verruchte Zärtlichkeit und jeden Morgen frische Handtücher und diese Minztäfelchen, die die Untermenschenangestellten auf die Kopfkissen legten und die ich frühs von Pättis Bäckchen knabbern konnte – wir hatten Spaß, Spaß, Spaß. Bis schließlich das Telefon klingelte. Mutti Meißner war dran. Sie berichtete, dass ruchlose Rebellen meinen heimatlichen Gasthof besprüht hatten. Pätti und ich waren außer uns. Vor Wut setzten wir gleich einen Facebook-Post an die Kameraden ab und vergaßen dabei uns einzucremen, was einen ordentlichen Sonnenbrand zur Folge hatte. Immerhin hatten sich einige stramme Kameraden aus meiner Yoga-Gruppe bereit erklärt, mein Gasthaus von nun an zu bewachen. An dieser Front gab es also keine Überraschungen mehr.

Der restliche Urlaub war Romantik pur: Strandspaziergänge, gegrilltes Fleisch, Sonnenuntergänge, Youtube-Abende, Kniffel, Mückenstiche, Hitzestiche, Bienenstich. Für das Kroppzeug, das mich auf Facebook verfolgt, fotografierte ich Steine, Wände, Sand, echte Tiere, tote Tiere, gegrillte Tiere, Tiere aus Stein und natürlich meinen Schnuffel und mich. Nach 14 Tagen Zweisamkeit brachte uns die Lufthansa rot gebräunt heim ins Reich.

Alles in allem war‘s schon geil. Nächstes Jahr dann wieder Malle! Sieg Heil!

Tommy und Pätti

 


  1. Zur Projektion als Grundlage von Homophobie vgl. u.a. Sigmund Freud.