Mirror 1: http://www1.autistici.org/jena06/ Mirror 2: http://jena.antifa.net/fdv06/
Tagesspiegel, 13.06.2006 fan

RECHTE GEWALT

Traurige Bilanz

In Sachsen-Anhalt ist die Gefahr am größten, von rechten Schlägern angegriffen zu werden. Bei diesen Gewalttaten, hochgerechnet auf die Einwohnerzahl, steht das Land bundesweit an der Spitze. Im Jahr 2005 zählte die Polizei in Sachsen-Anhalt 4,29 rechtsextreme Gewalttaten pro 100 000 Einwohner. Das sind zehnmal mehr als in Hessen, das am unteren Ende der Skala steht (0,41 rechte Gewaltdelikte je 100 000 Einwohner). Auf Sachsen-Anhalt folgen Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Die Statistik findet sich im Jahresbericht 2005 des Bundesamtes für Verfassungsschutz, den Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Mai vorgestellt hat. Auch in absoluten Zahlen steht Sachsen-Anhalt weit oben. 2005 registrierte die Polizei 116 rechte Gewalttaten, mehr waren es nur in den dichter besiedelten Ländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Gegenüber 2004 stieg die Zahl der rechten Gewaltdelikte in Sachsen-Anhalt um mehr als 50 Prozent.

taz, 12.6.2006, S. 6

Demo gegen rechts

JENA/THÜRINGEN

Rund 250 junge Menschen haben am Samstag in Jena spontan gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit protestiert. Den Anstoß dazu hatte die Junge Gemeinde der Thüringer Unistadt gegeben. Die Stadt Jena hatte zuvor das von Neonazis geplante "Fest der Völker", aber auch alle Gegendemos verboten. (epd)

TLZ, Lokalteil, 12.06.2006

Die Nagelprobe für Jena

Jena. (tlz) Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Fakt ist: Die Nagelprobe für Jena kommt noch. Das so genannte Fest der Völker der NPD wird am 9. September nachgeholt. Jenas künftiger Oberbürgermeister Dr. Albrecht Schröter sieht die Stadt erneut vor einer großen Herausforderung: Für September brauche es mehr als ideenreiche Einzelveranstaltungen, um die NPD vom Platz zu verweisen.

"Wir rechnen zur Zeit nicht damit, dass es Gründe gibt, die angemeldete NPD-Versammlung zu verbieten", sagt Rechtsamtsleiter Martin Pfeiffer der TLZ. "Wir müssen allerdings gucken, wie die Sicherheitslage aussieht. Das müssen wir sorgfältig mit der Polizei prüfen." Prinzipiell sei es wünschenswert, wenn die NPD merke, dass sie in Jena nicht willkommen sei.

Das Ziel: langfristige Konzepte gegen Rechtsextremismus Im September bekommt die NPD Unterstützung von der Jenaer Burschenschaft Normannia, die im Internet ihre Freude darüber zum Ausdruck bringt, dass die Veranstaltung verschoben wurde: Mussten sie am vergangenen Wochenende zum Burschenschaftstreffen nach Eisenach, so stehen sie am 9. September den neuen Nazis zur Seite.

Die Protestmöglichkeiten der Bürgerschaft sind vielfältig und sollten genutzt werden. So wollen sich die Mitglieder des Runden Tisches für Demokratie bereits in den nächsten Wochen wieder treffen, um Gegendemonstrationen zu planen und zu koordinieren. Bis zum 9. September sind es nur noch drei Monate. Dabei gelte es neue Formen des Protestes zu finden. Die Bürgerschaft dürfe nicht überstrapaziert werden, meint Kokont-Mitarbeiterin Uta Lemke.

"Noch wichtiger wäre, wenn wir nicht immer nur auf die NPD-Aktionen reagieren würden sondern ein längerfristiges Konzept erarbeiten könnten, wie wir derartige Veranstaltungen in Zukunft verhindern."

Das unterstützt auch Albrecht Schröter: "Wir brauchen zwischen den NPD-Aktionen Anstrengungen in der Bevölkerung, um dem Rassismus im Alltag präventiv zu begegnen." In Gelsenkirchen hatten sich am Samstag 250 NPD-Anhänger zu einer Kundgebung versammelt. Mehr als 3000 Demonstranten zogen dagegen auf die Straße. In der ersten Reihe mit dabei: Vize-Kanzler Franz Müntefering (SPD) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).

12.06.2006 11:20 Antifaschistische Gruppe Südthüringen [AGST]

Rechte Saalveranstaltungen in Südthüringen

Ein Artikel veröffentlicht auf Indymedia. http://de.indymedia.org/2006/06/149734.shtml

Freies Wort, 12.06.2006

OBERHOF: Wie 200 NPD-Anhänger fast ungestört in einem Hotel feierten

Überraschender Besuch aus der rechten Szene hat Oberhof am Samstag aus der frühsommerlichen Idylle gerissen. Rund 200 NPD-Anhängern bot ein Hotelier das Ausweichquartier für eine verbotene Veranstaltung.

OBERHOF - Der Gastwirt gab sich ahnungslos: Nein, dass sich da Rechtsextreme in seinem "Jägerstein" mitten in Oberhof getroffen haben sollen, davon habe er nichts gemerkt, sagte Bruno Kraft gestern. Es seien normale Leute bei einer normalen Feier gewesen, die vorbestellt worden sei von einem Zella-Mehliser. "Alles ordentlich gekleidete Bürger", beteuerte der Hotelchef, "und es waren maximal 50".

Der Mann irrt. Das als "Wellnessabend" angekündigte Beisammensein von nach Polizeiangaben fast 200 NPD-Anhängern war die spontane Ersatzveranstaltung für ein verbotenes Nazi-Festival in Jena.

Das dort von der NPD bereits zum zweiten Mal geplante "Fest der Völker" war letztinstanzlich untersagt worden. Begründung des Oberverwaltungsgerichts: Wegen der WM herrsche in Thüringen "polizeillicher Notstand". Von dem allerdings war am Samstagnachmittag wenig zu spüren, als die Polizei von der Nazi-Aktion Wind bekam, mit 120 Beamten in Oberhof anrückte und damit begann, Autos zu kontrollieren. Die Polizisten suchten vergeblich einen "Wellnessabend", erspähten stattdessen zahlreiche alte Bekannte aus NPD-Kreisen, mit und ohne Glatze und Springerstiefel, die im "Jägerstein" ein- und ausgingen. Spätestens als laute Lieder aus dem Fenster schallten, war klar: Hier waren weniger Wellness-Freunde, sondern singende Rechtsextreme am Werk, "mit Musik eindeutig rassistischen Inhalts", wie der Suhler Polizeichef Torsten Wünsche erklärte.

Die Teilnehmer hatten sich ganz offensichtlich Oberhof als Ersatzstandort für das ausgefallene "Fest der Völker"-Treffen ausgewählt, bestätigte Eberhard Wagner von der Polizeidirektion. Immerhin ließ die Polizei die Rechtsextremen bis 23.15 Uhr weiterfeiern. Die zuletzt noch 90 Anwesenden mussten ihre Personalien angeben und wurden des Platzes verwiesen, ein Verweigerer wurde angezeigt. "Tonträger mit indizierten Inhalten", sprich Nazi-Musik-CDs wurden beschlagnahmt.

Rechtlich möglich wurde der Polizeieinsatz, weil die NPD-Leute Eintrittsgelder kassierten und das Event somit zur "öffentlichen Vergnügung" machten, die, nach einem Anruf der Polizei, von Oberhofs Bürgermeister Hartmut Göbel verboten wurde.

Warum die Ordnungshüter die Ersatzveranstaltung erst als solche erkannten, als die NPD schon angereist war, blieb gestern offen - ebenso, warum die rechte Liedertafel nicht schon am frühen Abend polizeilich aufgehoben wurde. "Nachfragen dazu am Montag", beschied die Polizeidirektion gestern.

In Jena, wo das "Fest der Völker" hatte stattfinden sollen, zeigten rund 250 junge Leute bei einer Spontan-Demonstration am Samstag Flagge gegen rechts. Weniger offenherzig gab sich der "Jägerstein"-Geschäftsführer. Nein, er wolle nicht sagen, wie er heiße, sagte er gestern. Dabei ist der Namen des Inhabers im Internet-Auftritt des Hotels für jeden mitzulesen. (er/ski)

http://www.freies-wort.de/nachrichten/thueringen/resyart.phtm?id=976451

Freies Wort, 12.06.2006 Heike Jenzewski

Spektakulärer Einsatz von 120 Polizisten Nahezu Ausnahmezustand in Oberhof: NPD-Konzert aufgelöst

Innerhalb weniger Tage ist Oberhof zum zweiten Mal negativ in die Schlagzeilen geraten. Nach dem Verdacht auf Betrug im Zusammenhang mit Sportstättenbau wird die friedliche Rennsteigstadt seit Sonnabend auch mit einer NPD-Veranstaltung in Verbindung gebracht.

OBERHOF - Dabei gehen die Aussagen von Polizei und dem Geschäftsführer des Hotels "Jägerstein", wo die Veranstaltung stattfand, weit auseinander. Torsten Wünsche, Leiter der Polizeiinspektion Suhl, äußerte gegenüber Freies Wort , dass sich im Laufe des Nachmittages und Abends bis zu 200 Personen im "Jägerstein" aufgehalten hätten. Als die Party gegen 23.15 Uhr aufgelöst wurde, waren noch 90 anwesend. Bis zu diesem Zeitpunkt sei aus der zunächst parteipolitischen Veranstaltung eine "öffentliche Vergnügung" geworden, bei der Liedermacher auftraten und Eintrittsgeld sowie Entgelt für Getränke verlangt wurden.

Der Stadt Oberhof lagen nach Auskunft von Bürgermeister Hartmut Göbel aber weder Informationen über rechtsradikale Aktivitäten vor, noch sei ein Konzert angemeldet worden. "Nach Rücksprache mit meinem Ordnungsamtsleiter haben wir das Konzert verboten und die Polizei informiert", so Göbel gestern Abend.

Hotelchef: Kein Konzert

Der Geschäftsführer des Hotels "Jägerstein" schildert den Sonnabend ganz anders. Schon vor über eine Woche habe ein Zella-Mehliser Bürger bei ihm eine private Feier angemeldet, etwa für 30 Personen. Mehr als 50 seien nie im Saal gewesen, der maximal 80 Personen fasst. Gäste mit Glatze oder gar Springerstiefeln "waren nicht darunter, sonderen normale Bürger, auch Jugendliche, die ordentlich gekleidet waren", so der Geschäftsführer, der seinen Namen nicht in der Zeitung wiederfinden wollte.

Zwar sei er selbst nicht den ganzen Nachmittag und Abend im Haus gewesen, aber von Ruhestörung oder gar einem Konzert könnte nicht die Rede sein. "Das hätte ich gemerkt", so der Hotelchef, der glaubt, dass ein Anwohner wegen ruhestörenden Lärms die Polizei gerufen hat. Da sollten sich die Oberhofer lieber aufregen, wenn "nach einer Zelt-Veranstaltung von Müller-Tours die ganzen Besoffenen grölend durch den Ort laufen oder die Hälfte schon volltrunken in Oberhof aus dem Zug stürzt", versteht der Hotelier die Welt nicht mehr.

Auch seine Gäste, darunter polnische Arbeiter, seien von dem Polizeiaufmarsch und der Unruhe mitten in der Nacht unangenehm berührt gewesen. "Meiner Meinung nach hat zu keiner Zeit die Notwendigkeit bestanden, dass Polizei eingreift", betonte er auf Nachfrage. Allerdings hätten sich die Polizeikräfte, die gegen 23 Uhr ins Haus kamen, "diszipliniert und ordentlich verhalten. Die Personenfeststellung verlief sehr geordnet. Es kam zu keinerlei Störungen oder Schädigungen. Vorher allerdings auch nicht", beharrt der Geschäftsführer. Er habe von einer NPD-Veranstaltung nichts bemerkt, könne aber auch als Gastronom niemandem einfach so das Haus verbieten. "So lange sich ein Gast gut benimmt", könne dieser "eine dunkle oder gelbe Hautfarbe" haben und sei ihm auch die politische Gesinnung egal.

Für die Oberhofer war der Sonnabend offenbar viel aufregender. Hautnah verfolgten Anwohner der Gräfenrodaer Straße, aber auch andere Schaulustige bis weit nach Mitternacht aus mehr oder weniger großer Entfernung das Treiben.

Schwarzarbeiter?

Schon am Nachmittag seien vereinzelt Polizeifahrzeuge im Ort und am Hotel gesichtet worden. "Wir dachten wegen der vielen Fahrzeuge mit polnischen Kennzeichen auf dem Hotelparkplatz, es handele sich um eine Kontrolle von Schwarzarbeitern", gibt eine Frau etwas verschämt zu. Schon um 17 Uhr hätte wohl ein Dutzend Polizeiautos in der gesamten Straße gestanden und hätten auch Fahrzeugkontrollen stattgefunden. Erst nach 19 Uhr sahen Anwohner auch Männer ins Hotel gehen, die mit Glatzen und Springerstiefeln landläufig dem Bild eines Neonazis entsprechen. Später habe die gesamte Gräfenrodaer Straße rechts und links voller Polizeiautos gestanden. "Erschrocken war ich erst, als sich die Polizisten schusssichere Westen angezogen haben und Helme aufsetzten. Da hab ich zu meinem Mann gesagt, er soll das Fenster zumachen, damit kein Querschläger reinfliegt!"

Auch nachdem bis Mitternacht offenbar alle Besucher der NPD-Veranstaltung das Hotel verlassen hatten, standen die Menschen noch in Gruppen herum und diskutierten das Geschehen heftig und lautstark. Es soll sogar erneut die Polizei, die schon abgerückt war, gerufen worden sein, um nunmehr unter den Umstehenden für Ruhe zu sorgen. "Für viele war das richtige Action im Ort, die haben zugeguckt bis in die Nacht", sagt ein Mann, der gegenüber dem Hotel wohnt. Und seine Frau: "Aber für Oberhof war es nicht gut!"

http://www.freies-wort.de/nachrichten/regional/resyart.phtm?id=976238

TLZ, Lokalteil, 12.06.2006

Polizei: ruhiger Großeinsatz

Jena. (tlz) Der von der Polizeidirektion Jena geführte Großeinsatz zur Durchsetzung des Versammlungsverbotes für das "Fest der Völker" lief ohne größere Zwischenfälle ab. Die Polizei sprach nur von "kleineren Störungen". Alle Anmelder der vom Oberverwaltungsgericht nicht genehmigten Veranstaltungen hielten sich an das Verbot. Gegen 17 Uhr wurde am Sonnabend die Zahl der im Stadtgebiet präsenten Polizisten reduziert. Insgesamt standen 900 Polizeibeamte am Wochenende bereit.

Die Informationen an die Bürger und Gäste der Stadt Jena kamen gut an. So wurde vom eigens eingerichteten Bürgertelefon reger Gebrauch gemacht. Weit über hundert Anrufern konnte durch Ratschläge und Informationen geholfen werden.

Die Junge Gemeinde "Stadtmitte" organisierte am Sonnabend gegen 11 Uhr eine antifaschistische "Spontanversammlung". Vertreter der Stadt Jena als Versammlungsbehörde belegten diesen Aufzug mit Auflagen. Etwa 250 Personen liefen im Anschluss durch die Stadt und versammelten sich vor der Stadtkirche. Die Demonstration verlief störungsfrei.

OTZ, Lokalteil, 12.06.2006

Demo-Verbot am Samstag nahezu eingehalten

Nur Junge Gemeinde mit spontaner Aktion

Jena (OTZ). Ruhig war es am Samstag in Jena. Das Verbot der NPD-Veranstaltung "Fest der Völker" wurde eingehalten.

Darüber wachte ein Riesenaufgebot an Polizeikräften, über dessen Größe von Seiten der Polizei keine näheren Angaben gemacht wurde. Beobachter schätzen, dass mehrere hundert Polizisten im Einsatz gewesen sein könnten. Allein auf dem Seidelplatz, wo die NPD ihr "Fest der Völker" veranstaltetn wollte, zeigte ständig ein gutes Dutzend Einsatzfahrzeuge Präsenz. Ebenso an den Zufahrten in die Stadt. So sollen auch teilweise Fahrzeuge, die über die B 88 in die Stadt hereinkamen, kontrolliert worden sein. Auch in der Johannisstraße waren die Ordnungshüter ständig vor Ort, um im Hinblick auf die hier ansässige Junge Gemeinde mögliche Gegenaktionen unter Kontrolle zu behalten.

Wie es in einer Mitteilung der Polizei hieß, sei der "durch die Polizeidirektion Jena geführte Großeinsatz der Lage entsprechend kontinuierlich angepasst und dann auch mit reduziertem Personalbestand fortgesetzt" worden. Insgesamt habe es bis auf kleinere Störungen keine Probleme gegeben. Alle Anmelder der vom Oberverwaltungsgericht nicht genehmigten Veranstaltungen - also sowohl NPD als auch Gegendemos - hätten sich an das ausgesprochene Verbot gehalten.

Lediglich durch die Junge Gemeinde Jena fand eine Spontanversammlung mit einer Demo statt, Vertreter der Versammlungsbehörde Jena versahen diesen Aufzug von rund 250 Teilnehmern mit einschränkenden Auflagen. So zogen die Demonstranten gegen 11 Uhr durch die Stadt und versammelten sich vor der Stadtkirche, wo sie noch einmal ihren festen Willen bekundeten, die Stadt Jena nicht den rechtsextremen Kräften zu überlassen. Die Demonstration verlief störungsfrei.

Die Informationen an die Bürger und Gäste der Stadt Jena seien laut Polizei positiv aufgenommen worden. Auch von dem eigens eingerichteten Bürgertelefon sei rege Gebrauch gemacht worden. Weit über hundert Anrufern habe man auf diese Weise durch Ratschläge und Informationen helfen können.

11. Juni 2006 | 13:38 Quelle: MDR 1 RADIO THÜRINGEN

Polizei löst rechtes Treffen in Oberhof auf

Die Polizei hat in der Nacht in Oberhof ein Skinhead-Konzert aufgelöst. Nach Angaben der Beamten hatten sich rund 200 Neo-Nazis in einer Gaststätte versammelt. Als diese begannen, Lieder mit verfassungsfeindlichem Inhalt abzuspielen, griff die Polizei kurz nach 23:00 Uhr ein und löste die Veranstaltung auf.

08. Juni 2006 14:40 www.mdr.de | THÜRINGEN EXKLUSIV

Süßes Braunes Gift - Rechtsruck in Thüringen?

Sie zeigen sich salonfähig; sie sind unter uns! Nicht mit Springerstiefeln und Glatze, die Neuen Rechten tarnen sich. Die "braven Braunen" greifen regionale und soziale Themen auf: Hartz-IV, Globalisierung und Studiengebühren. Sie marschieren nicht mehr unter dem Hakenkreuz - ihre Symbole sind verschlüsselt und oft nur noch von Insidern zu erkennen.

Doch hinter der Maske der Biedermänner schlummert die Gewalt - gegen Fremde und Andersdenkende. Seit Himmelfahrt - als 15 Neonazis in Weimar über drei Ausländer herfallen - wird auch in Thüringen über No-Go-Areas diskutiert. Und es scheint sie zu geben - "Nationale Sozialisten" dominieren Stadtviertel, verbreiten Angst und Schrecken.

Polizei und Justiz sind unsicher. 620 rechtsgerichtete Straftaten zählten sie im letzen Jahr, bereits 61 im ersten Quartal 2006. Doch es wird immer schwieriger Gewalttäter als Gesinnungstäter zu überführen.

Die Politik sorgt sich derweil vor allem ums Image, diskutiert zäh über gemeinsame Anti-Rechts-Programme und tut sich schwer bei einer Unterstützung für Projekte gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.

http://www.mdr.de/thueringen-exklusiv/3001518.html

OTZ, 8. Juni 2006, Lokalteil

Noch keine Entwarnung für Samstag

Aber: Rechtsamt rechnet mit Bestand des Verbots rechtsextremer Veranstaltung Jena (OTZ/Groß). Gewarnt hat gestern Jenas Superintendent Diethard Kamm vor einer "vollständigen Entwarnung" in Bezug auf das "Fest der Völker" der NPD am kommenden Samstag.

Auch wenn das Verwaltungsgericht Gera das Verbot dieser Veranstaltung durch die Stadt bestätigt hat, sei die Gefahr weiterhin vorhanden, dass es am Samstag doch noch auf dem Seidelplatz zu dem angekündigten rechtsextremen Aufmarsch komme, meinen auch der designierte OB der Stadt, Dr. Albrecht Schröter, Lutz Rösener und weitere Vertreter des Jenaer Runden Tisches für Demokratie. Man rechne mit weiteren Rechtsmitteln, die von der NPD eingelegt werden. Endgültige Klarheit werde man wohl erst am Freitag haben.

Zwar erwarten Schröter und Martin Pfeiffer, Leiter des Rechtsamts, dass das Verbot Bestand haben wird. Doch rufen Kirchen, Vereine und engagierte Bürger alle Jenaer auf, dranzubleiben mit dem Protest gegen Rechts. Heute um 17 Uhr ist wieder Friedensgebet in der Stadtkirche, anschließend Kundgebung und Demo. Das soll auch morgen so sein, wobei die Demo auf dem Seidelplatz enden soll. Um 19 Uhr hat dann die Junge Gemeinde noch auf der Johannisstraße eine Aktion angekündigt.
[...]

TLZ, 8. Juni 2006, Lokalteil

Die Widerstandsenergie

Demo gegen Rechts: Nazis dulden - das ist Feigheit

Jena. (tlz/die/sl) Nicht nachlassen im Engagement gegen den braunen Spuk, so lautet die Botschaft des Runden Tisches für Demokratie. Superintendent Diethard Kamm sagte, er habe den Eindruck, nach dem Verbot der NPD-Veranstaltung mache sich die Stimmung breit: "Ok, lasst uns um Alltag übergehen." Dabei gebe es noch weitere Instanzen, die über den Widerspruch der Rechten zu entscheiden haben. Kamm kündigte an, bei den Friedensgebeten über den aktuellen Stand informieren zu wollen. Roman Rösener vom Theaterhaus hat ähnliche Sorgen: "Mir scheint, in diesem Jahr fehlt etwas die Widerstandsenergie." Doch müsse bedacht werden, dass die Rechten den längeren Atem haben, wenn das bürgerschaftliche Engagement nachlässt.

Ordnungsdezernent Frank Jauch (SPD) gab sich gestern „sehr optimistisch“, dass das Urteil des Landesverwaltungsgerichts gegen das Nazi-"Fest der Völker" in den nächsten Instanzen hält. Zum Beispiel habe die Umlenkung von Einsatzkräften aus Mecklenburg-Vorpommern an WM-Orte statt nach Jena die Argumentation der Stadt verstärkt. Allerdings verhehlte Jauch nicht seine Sorge, dass am Freitag schon aus anderen Orten gewaltbereite Gegendemonstranten angereist sein und mit den Zuschauern an der WM-Großbildleinwand im "Faulloch" aneinandergeraten könnten.

Das "Aktionsbündnis gegen Rechts" lädt gleichen Tags um 19 Uhr in die Johannisstraße. Bei der gestrigen Demo gegen Rechts im Anschluss an das Friedensgebet in der Stadtkirche waren über 100 Teilnehmer zugegen - das Doppelte des Vortages. Wolfgang Behlert, Jura-Professor der FH Jena, sprach gestern vor Demo-Beginn an der Stadtkirche über das "Verfassungsgut Menschenwürde". Er sehe es nicht als seine Aufgabe an, um die Meinungsfreiheit der Nazis zu ringen. Nazis zu dulden, sei kein Zeichen von Toleranz, sondern von Feigheit. Wenn nur noch die Frage bleibe, ob man die Nazi-Schaffe nicht verbieten müsse?, begebe man sich wieder in ein Abhängigkeitsverhältnis. "Nicht wir - im Zweifel der Staat." Das sei eine zweifelhafte Antwort auf die Frage nach Verantwortung.

OTZ,Lokalteil, 7. Juni 2006

Geraer Verwaltungsgericht bestätigt Verbot

"Fest der Völker" geht in höhere Instanzen - Gestern Auftakt der Gegenveranstaltungen Von OTZ-Redakteur Frank Döbert Jena. Mit einem Friedensgebet in der Stadtkirche und anschließender Kundgebung am Kreuz begannen gestern die Veranstaltungen des Aktionsbündnisses gegen das geplante rechtsextremistische "Fest der Völker". Bislang ist allerdings noch offen, ob deren Aufmarsch überhaupt stattfinden wird und welche Gegenveranstaltungen genehmigt werden. In erster Instanz hat das Verwaltungsgericht Gera gestern Nachmittag das von der Stadt verfügte Verbot der rechtsextremen Veranstaltung bestätigt.

Am Donnerstag hatte die Stadt ein Verbot aller fünf angemeldeten Veranstaltungen des Antifa- und Aktionsbündnisses ausgesprochen. Gegen das Verbot der für Freitag geplanten Auftaktkundgebung des Aktionsbündnisses auf dem Seidelparkplatz legten die Veranstalter gestern formalen Widerspruch ein. Die Kundgebung soll unter dem Motto stehen: Bürger und Bürgerinnen von Jena zeigen an, dass der Platz ihnen gehört und nicht den Neonazis. Als Redner sollen u.a. der designierte OB Dr. Albrecht Schröter, MdB Frank Spieth und MdL Roland Hahnemann auftreten. Das Aktionsbündnis geht davon aus, dass diese Kundgebung dann verboten bleibt, wenn auch das "Fest der Völker" durch alle Instanzen nicht genehmigt wird. Eine Ersatzveranstaltung soll dann in der Johannisstraße stattfinden und wurde gestern bereits angemeldet.

Die Rechten hatten zwischenzeitlich angekündigt, bis zum Bundesverwaltungs- bzw. Bundesverfassungsgericht klagen zu wollen. Von Seiten des Aktionsbündnisses wird angenommen, dass im Falle einer Genehmigung mit 1000 Teilnehmern zu rechnen sei - mehr als im Vorjahr, aber aufgrund der unsicheren Verbotslage nicht wie ursprünglich angenommen bis zu 2000.

Die Polizei hat die Anwohner rund um den Seidelparkplatz sowie des Kernbergviertels bereits am Freitag mit 800 verteilten Handzetteln über möglicherweise zu erwartende Behinderungen und Verkehrseinschränkungen im Zusammenhang mit dem polizeilichen Einsatz informiert. Laut Polizei sei davon auszugehen, dass ungeachtet möglicher Verbote mit diversen Aktionen zu rechnen sei. Darauf sei man aber vorbereitet.

TLZ,Lokalteil, 7. Juni 2006

Kein Platz für Neonazis

Jena. (tlz) Die Stadt hat einen kleinen Sieg errungen: Das Verbot des so genannten "Festes der Völker", das für Samstag in Jena angekündigt ist, ist vom Landgericht Gera bestätigt worden. Nun muss jedoch davon ausgegangen werden, dass die NPD mit ihrer Klage gegen das Verbot in die nächste Instanz geht. Deshalb ist es umso wichtiger, dass alle Gegenveranstaltungen weiterhin auch so geplant werden, als würden sie stattfinden.

Dem Aufruf zum ersten Friedensgebet mit anschließender Kundgebung am Dienstagabend waren indes nur wenige gefolgt. Etwa 50 Jenaer fanden sich ein, um zu zeigen, dass sie einen Aufmarsch von Neonazis in ihrer Stadt nicht tolerieren werden: "In Jena ist kein Platz für Neonazis!" Die Organisatoren vom "Runden Tisch für Demokratie" riefen wie im vergangenen Jahr jeden einzelnen dazu auf, zu den nächsten Kundgebungen, die bis Freitagabend täglich nach dem Friedensgebet stattfinden, auch Freunde und Bekannte mitzubringen, "so dass wir von Tag zu Tag mehr werden". Die Gefahr sei noch nicht gebannt.

Thema der Kundgebungen ist Artikel eins des Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Superintendent Diethard Kamm rief dazu auf, all denen zu widerstehen, die die Gültigkeit dieses Satzes in Zweifel ziehen wollen. Und Maria Lusky, die Mutter der Montagsdemos, appellierte: "Wir können nicht zulassen, dass sich wiederholt, was wir Alten durchgemacht haben. Wer ein Fest der Völker feiern will, der sollte auch alle Menschen gleich welcher Hautfarbe und welcher Kultur tolerieren. Ich habe erlebt, dass die Menschen von den Nazis wie Vieh behandelt wurden. Das darf nie wieder geschehen."

TLZ vom 1. Juni 2006, Lokalteil

Ab Dienstag täglich Aktionen gegen Rechts

Friedensgebete, Kundgebungen und Demos

Jena (OTZ/rq). "Momentan gehen wir davon aus, dass das Verbot hält", sagte Rechtsamtsleiter Martin Pfeiffer gestern. "Doch die Wahrscheinlichkeit, das es anders sein könnte, ist nicht gering. Wir sollten also nicht so tun, als fiele die Veranstaltung der Neonazis aus." Deshalb lässt der Runde Tisch für Demokratie in den Bemühungen nicht nach, ein klares Zeichen gegen das braune "Fest der Völker" am 10. Juni zu setzen. Gestern informierte der Zusammenschluss von demokratischen Organisationen über die Aktivitäten gegen Rechts in der nächsten Woche.

So werden von Dienstag bis Freitag jeweils um 17 Uhr in der Stadtkirche St. Michael Friedensgebete stattfinden und am Sonnabend um 6, 12 und 17 Uhr, sagte Superintendent Diethard Kamm. Sie seien ökumenische Veranstaltungen, von evangelischer und katholischer Kirche, Methodisten, Theologischer Fakultät und ihrem Fachschaftsrat so wie dem Jugendpfarramt getragen. Auf den anschließenden Kundgebungen an der Saalstraße soll in kurzen Redebeiträgen auf das Thema "Die Würde des Menschen ist unantastbar", den ersten Grundgesetzartikel, eingegangen werden, sagte Uta Lemke von Kokont. Den danach geplanten kurzen Demonstrationen soll am Freitag eine längere zum Seidelparkplatz folgen, wo weiße Rosen nieder gelegt werden sollen.
(KoKont nimmt gern Sponsorangebote von Gärtnereien und Blumenläden entgegen.)
Die Stadt, gestern vertreten durch Dezernent Frank Jauch und Amtsleiter Pfeiffer, hat diesen Demonstrationszug genehmigt, allerdings alle anderen untersagt. Es habe 18 Anmeldungen für Aufzüge gegeben, die man verboten habe. Das Aktionsbündnis gegen Rechts will dagegen klagen, sagte dessen Vertreter Michael Ebenau, der die juristische Gleichsetzung mit den Neonazi-Aktivitäten kritisiert. "Unter moralischen Gesichtspunkten ist das richtig, aber unter rein rechtlichen ist es eben anders", bedauerte Martin Pfeiffer. Wichtig sei vor allem anderen, dass möglichst viele Jenaer am 10. Juni ihre Ablehnung des braunen Tuns öffentlich zeigten.

Ob sie reagieren müssen, hängt vom Oberverwaltungsgericht ab. Es kann durchaus bis Freitag Nachmittag dauern, bis man erfährt, ob das Verbot von der Stadt bestätigt ist. Oder nicht.

TLZ vom 1. Juni 2006, Lokalteil

Sind nur Fußballgäste Freunde?

Jena. (tlz) Fremdenfeindlichkeit ist dort, wo die wenigsten Ausländer leben, am stärksten ausgeprägt. Wer Fremdes nicht kennt, hat Angst davor. Daraus entwickeln sich häufig Aggressionen und sogar Fremdenhass. "Aufklärung ist deshalb besonders wichtig - in der Gesellschaft, in den Universitäten und Schulen", sagt Professor Dr. Karl-Ulrich Meyn, leitender Kurator des Collegium Europaeum Jenense (CEJ). Um Fremdenfeindlichkeit einserseits vorzubeugen und sie andererseits abzubauen bietet das CEJ am 8. Juni, 19 Uhr in den Rosensälen, Fürstengraben 27, eine Podiumsdiskussion mit dem thema an: "Einander achten - Behandeln wir Deutsche nur Fußballgäste als Freunde?" "Ich hoffe auf rege Beteiligung interessierter und vorgeprägter Menschen, die an vertieften Informationen darüber interessiert sind, woher die rechtsradikalen Erscheinungsformen kommen."

Die Veranstaltung ist ganz bewusst ins Vorfeld des geplanten so genannten "Festes der Völker" der NPD gelegt worden. Im Podium sitzen Professor Dr. Ame?lie Mummendey, Inhaberin des Lehrstuhls für Sozialpsychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Professor Dr. Volkhardt Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora, sowie Professor Dr. Hajo Funke, Rechtsradikalismusforscher an der Freien Universität Berlin.

Aufklärung ist jedoch nicht von heute auf morgen zu leisten. "Es ist ein langwieriger Prozess, der aber auf Dauer etwas bewirken kann", ist Meyn überzeugt. Das habe man in den vergangenen Jahren in Jena sehen können: "Seit der Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit im Jahr 2001 hat sich in Jena gezeigt, dass die Masse der Menschen das nicht will", so Meyn. Damals waren 5000 Menschen auf die Straße gegangen, im vergangenen Jahr waren es am 11. Juni bereits 8000. "Auch diese Entwicklung muss in die Öffentlichkeit getragen werden", so Meyn weiter, "um die Hoffnung nach außen zu tragen, dass jeder etwas tun kann gegen den Rechtsradikalismus."

8. Juni, 19 Uhr, Rosensäle, Fürstengraben 27

TLZ, 31. Mai 2006, Lokalteil

Bürgerprotest ohne Angst

Jena. (tlz) "Wir müssen uns mit der NPD auseinandersetzen auf der Basis demokratischer Regeln. Verletzen wir diesen Grundsatz, gefährden wir unsere Position." Doch auf welche Weise dieser Protest gezeigt werden könne, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen, das sei für viele Bürgerinnen und Bürger nicht klar, sagt Professor Dr. Wolfgang Behlert, Rechtswissenschaftler der FH Jena. Aber das könne jeder lernen.

Wieviel Mut braucht man, um als Bürger gegen etwas zu protestieren? Wie und wo bewege ich mich in einem Protestzug richtig? richtig? Worauf muss ich achten? Und: Wieviel Bürgerprotest verträgt der demokratische Rechtsstaat? Um diese und ähnliche Fragen geht es im Vorfeld des 10. Juni - trotz des Verbotes der Neonazi-Veranstaltung - in einer Veranstaltung im Kassablanca.

Ziel der Diskussionsrunde ist es aufzuklären. "Wir wollen zeigen, was der einzelne Bürger tun kann, wie er seinen Protest gegen den Aufmarsch der Rechtsextremisten in Jena zeigen kann, ohne Gefahr zu laufen, die Grenzen zwischen Recht und Unrecht zu überschreiten", sagt der Jenaer Sozialpsychologe Dr. Kai Jonas. Mit ihm gemeinsam stehen Behlert und der Rechtsanwalt Claus-Peter Langer Rede und Antwort.

Während Jonas aus psychologischer Sicht erklären wird, welche Auswirkungen der Protest in einer Gruppe auf den Einzelnen haben kann, wird Anwalt Langer über den rechtlichen Rahmen des Protests und mögliche Konsequenzen von verschiedenen Aktionsformen informieren.

Behlert geht es in erster Linie darum, in Anlehnung an die Aktionen vom vergangenen Jahr die Dimensionen des zivilen Ungehorsams deutlich zu machen. Es gehe am 10. Juni nicht nur um eine demokratische Meinungsäußerung, sondern zugleich darum, als Jenaer Bürger oder Bürgerin einer bestimmten moralischen Überzeugung Ausdruck zu verleihen. "Es geht um die Frage, wieviel Platz die Neonazis in unserer Stadt beanspruchen können", sagt er. "Die Bürger sollten zeigen, dass sie Rechtsextremisten in ihrer Stadt nicht dulden werden."

6. Juni, 20.30 Uhr im Kassablanca. Einlass ist ab 20 Uhr.

TLZ, 31.05., Lokalteil

Stadt verbietet NPD-Aufmarsch

Jena. (tlz) Die Stadt hat das für den 10. Juni geplante so genannte "Fest der Völker" verboten. "Die Verbotsverfügung ist der NPD am Montagnachmittag zugestellt worden", bestätigte Ordnungsdezernent Frank Jauch der TLZ. Zur Begründung ist "polizeilicher Notstand" angegeben worden. Die öffentliche Sicherheit in der Stadt könne nicht gewährleistet werden, heißt es.

Das bestätigte Rene Treunert, Chef der Polizeiinspektion Jena: "Wir gehen davon aus, dass die Gewaltbereitschaft sehr groß ist. Das Verbot ist die einzige Möglichkeit, Übergriffe zu verhindern", sagte er der TLZ.

Polizisten aus ganz Thüringen sowie aus dem gesamten Bundesgebiet sind für die Sicherheit bei der Fußball- Weltmeisterschaft im Einsatz. Hilfe aus anderen Bundesländern wie im vergangenen Jahr ist daher nicht zu erwarten.

Treunert und Jauch sind davon überzeugt, dass das Verbot vor Gericht standhalten wird. Beide bestätigten, dass der NPD als Ausweichtermin der 9. September vorgeschlagen worden sei. Dieser Termin sei jedoch von ihnen bislang nicht akzeptiert worden.

Gekoppelt an das NPD-Aufmarschverbot ist allerdings auch ein Verbot aller geplanten Gegendemonstrationen. "Noch im Laufe dieser Woche wird den Organisatoren das Verbot zugestellt", so Jauch. Ob allerdings der für den Abend des 9. Juni geplante Marsch zum Seidelplatz - hier will die NPD ihre Veranstaltung abhalten - ebenfalls verboten wird, werde noch geprüft. "Eine erste große Einsatzbesprechung mit dem Bündnis gegen Rechts hat es hierzu bereits gegeben", so Treunert. Wie mit der Übertragung des WM-Eröffnungsspiels am Vorabend des 10. Juni am Faulloch umgegangen wird, muss ebenfalls noch geklärt werden. "Das ist zwar eine reine Vergnügungsveranstaltung. Dennoch werden wir prüfen, was zu tun ist."

Sollte das Verbot der NPD-Veranstaltung vom Gericht aufgehoben werden, dann wird die Stadt von sich aus umgehend auch die Gegenveranstaltungen wieder zulassen. "Dann müssen die Gegendemonstrationen auch stattfinden, keine Frage", so Jauch. Die Organisatoren müssten also nicht gegen das Verbot vorgehen. Das sei ihnen auch so klar mitgeteilt worden.

"Sollte es zu dieser Situation kommen, dann tritt ´Plan B´ in Kraft, der bereits plakatiert ist. Dann gibt es die zentrale Großveranstaltung auf dem Markt, die großräumig abgesperrt werden muss. Das schränkt das Gegenversammlungsrecht zwar ein", bedauert Jauch, "ist aber nicht anders möglich."

jungle world nummer 22 vom 31. Mai 2006von jörg kronauer

Multikulti auf Deutsch

Zum zweiten Mal soll am 10. Juni das »Fest der Völker« in Jena stattfinden. Rechtsextreme aus ganz Europa werden erwartet.

Ein wenig hapert es noch mit dem Kampf für die deutsche Kultur. »Für die Europe von ­Vaterländer!« fordert unbarmherzig die Europäische Nationalistische Front (ENF), ein Zusammenschluss fünf neofaschistischer Parteien aus fünf europäischen Staaten. Wie lange wird sich die NPD einen solchen Umgang mit ihrer ­geliebten deutschen Sprache noch bieten lassen? Die Partei rangiert bei der ENF als zweite unter deren »Gliederschaften« (gemeint sind wohl Mitgliedsorganisationen) und nimmt an dem Versuch der Organisation teil, rechtsextreme Bündnisse auf dem gesamten Kontinent zu schließen. Aber »Europe von Vaterländer« – das lässt akuten Schulungsbedarf erkennen und erfordert dringend Lernaufenthalte des europäischen neofaschistischen Nachwuchses in Deutschland. (weiterlesen)

Das Original: http://jungle-world.com/seiten/2006/22/7845.php

TLZ, 29.05., Lokalteil

Tut gut gegem Angst und Wut

Jena. (tlz/ide) Jugendtheaterclub, JG und IG-Metall-Jugend machen ein Fass auf - genauer: Sie hauen da drauf. Am Sonnabend probten die Jugendlichen ihre Antwort auf das geplante Neonazi-"Fest der Völker" am 10. Juni. Dabei hatten sie guten Unterricht für die "Rhythmen gegen Rechts": Steffen Müller, Percussionist und Theaterpädagoge aus Dresden, zeigte vorm Club "Caleidosphere" am Gleis 2 des Westbahnhofs zum Beispiel, wie man leere Fässer der Marmeladenfabrik Mühlhausen bearbeitet. Rasch hatte sich jene Percussion-Gruppe - durch eine Art Suaheli-Gesang noch angefeuert - in einen Trommelrausch gespielt. Und eine Afro-Weltmusik-Wolke setzte sich am Gleis 2 in Bewegung.

Es werde Text dazu geben, sagte Sarah Jasinszczak, Leiterin des Jugendtheaterclubs. Etwa: "Wir werden keine Straßen, keine Gassen denen überlassen, die das Leben hassen." Oder: "Rhythmus ist gut gegen Angst, Hass und Wut." Den könne man auch mit Handfeger und Kehrblech schlagen; "das sollen alles Alltagsgegenstände sein".

OTZ, 29.05., Landesteil

Hartes Einschreiten gegen Neonazis angekündigt

Althaus: Thüringen bleibt weltoffenes Land

Weimar (dpa). Nach dem rechtsextremen Überfall auf Ausländer in Weimar mit drei Verletzten hat Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) ein hartes Einschreiten gegen Neonazis angekündigt. „Wir gehen auch weiterhin mit aller Konsequenz gegen Ausländerfeindlichkeit und jede Form von Extremismus vor“, sagte er am Wochenende. „Der Freistaat ist und bleibt ein weltoffenes, tolerantes Land. Für diese Form der sinnlosen Auseinandersetzung kann es nur Ablehnung geben“, betonte der Regierungschef. „Ich danke auch für das umfassende, zivilgesellschaftliche Engagement der Thüringerinnen und Thüringer.“

Am Freitagabend hatten rund 200 Weimarer gegen Fremdenfeindlichkeit protestiert. Einen Tag nach dem ausländerfeindlichen Übergriff in der Kulturstadt legten viele Bürger Blumen vor dem Nationaltheater als Zeichen der Solidarität mit den Opfern nieder. Rechtsextreme Täter hatten am Himmelfahrtstag bei einem Überfall auf eine Privatfeier in Weimar drei Ausländer verletzt (OTZ berichtete).
Inzwischen wurde Haftbefehl gegen drei mutmaßliche Täter erlassen.

zuletzt aktualisiert: 26. Mai 2006 | 08:38Quelle: MDR 1 RADIO THÜRINGEN

Rechte Schläger überfallen Feier in Weimar

In Weimar hat es am Abend einen schweren ausländerfeindlichen Zwischenfall gegeben. Die Ausländer hatten eine private Feier in einem Hof in Weimar-Nord abgehalten, als sie von etwa 15 Rechten attackiert wurden. Zunächst gab es noch Wortgefechte und Provokationen, dann schlugen die Täter zu. Ein 46-jähriger Mann aus Mozambik wurde dabei schwer verletzt und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Er schwebt jedoch nicht in Lebensgefahr. Ein weiterer Mozambikaner und ein Kubaner wurden leicht verletzt. Die Weimarer Polizei konnte schnell acht der Täter ausfindig machen und festnehmen. Sie sind - wie es heißt - der rechten Szene zuzuordnen.

Die Kriminalpolizei Jena hat bereits die Ermittlungen übernommen. Möglicherweise werden noch im Laufe des Tages weitere Einzelheiten bekannt. Der Norden von Weimar gilt mit seinen Plattenbauten und Asylbewerberheimen seit jeher als sozialer Brennpunkt der Stadt. Auch der gestrige Feiertag Christi Himmelfahrt ist sei Jahren immer wieder Anlass für Alkohol- und Gewalt-Exzesse. Zum so genannten Männertag gab es in den neuen Ländern immer wieder brutale Schlägereien.

Während es in Thüringen gestern bis auf den Überfall in Weimar ruhig blieb, wurden in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden am abend mehr als 50 Randalierer festgenommen.

26.05.2006 dpa

Rechtsradikale liefern Polizei Straßenschlacht - Elf Festnahmen

Sömmerda (dpa/th) - Rechtsradikale haben sich am Donnerstagabend in Sömmerda eine Straßenschlacht mit der Polizei geliefert. Zu der Auseinandersetzung kam es, als die Beamten ein Fest der Gruppe auflösen wollten, teilte ein Sprecher am Freitag mit.
Die Männer im Alter zwischen 18 und 25 Jahren bauten daraufhin eine Barriere aus Sofas und Holzkisten und steckte sie in Brand. Die Polizei setzte daraufhin Reizgas ein.
Zwei Beamte erlitten leichte Verletzungen. Elf Männer wurden festgenommen.

OTZ vom 26.05.06, Lokalteil

Stadtrat stimmt für Aktionen gegen Rechts

Verbot des "Festes der Völker" möglich

Jena (OTZ/Groß). Die Chancen erscheinen zunehmend besser, dass das für den 10. Juni in Jena geplante neonazistische "Fest der Völker" doch noch verboten werden könnte. Dies deutete gestern Abend vor dem Jenaer Stadtrat Kultur- und Sozialdezernent Dr. Albrecht Schröter an.

Er verwies auf die am 9. Juni beginnende Fußball- Weltmeisterschaft. Auf Grund der damit verbundenen erhöhten Sicherheitsvorkehrungen könnten wahrscheinlich keine zusätzlichen Polizei-Kapazitäten nach Jena abgezogen werden. Die Stadt rechne in den nächsten Tagen mit einem Entscheid hierzu.

Unabhängig davon haben aber die Vorbereitungen auf Protestaktionen gegen die NPD-Aktion begonnen. Sie werden von allen Fraktionen des Stadtrates getragen, wie gestern Abend im Rathaus deutlich wurde. Gemeinsam will der Stadtrat alle Jenaer aufrufen, sich am 10. Juni an Protestaktionen zu beteiligen, um Jena nicht an jenem Tage den Rechtsradikalen zu überlassen.

Allerdings machten OB Dr. Peter Röhlinger und der für Sicherheit zuständige Dezernent Frank Jauch auch klar, dass die Protestaktionen gewaltfrei und unter Achtung ordnungsbehördlicher Auflagen erfolgen müssen. Dagegen schließen Grüne und PDS auch Aktionsformen des gewaltfreien Ungehorsams nicht aus.

Laut Planungen werden die Jenaer am 10. Juni eingeladen, von 12 bis 15 Uhr auf den Markt zu kommen. Dort soll ein attraktives Kulturprogramm laufen. Außerdem bemüht sich Dr. Schröter noch um einen besonders prominenten Abschlussredner, ähnlich wie es der Schriftsteller Erich Loest im Vorjahr war.

Das Aktionsbündnis gegen Rechts ruft darüber hinaus bereits am Vorabend ab 18 Uhr zur Kundgebung auf dem Seidelplatz auf, wo am nächsten Tag die Veranstaltung der NPD stattfinden soll. Bei dieser Kundgebung werden der SPD-Landtagsabgeordnete Heiko Gentzel (SPD) und der neu gewählte Jenaer OB Dr. Albrecht Schröter als Redner erwartet. Im Kulturprogramm tritt u. a. Klaus der Geiger auf.

Am 10. Juni gibt es bereits Früh um 6 Uhr ein Friedensgebet am Märchenbrunnen im Paradies und ab 8 Uhr Aktionen vorm Neonazi- Haus in Lobeda, aber auch vorm Stadion und auf dem Petersenplatz. Über aktuelle Änderungen informiert die OTZ

LZ, 26.05.06, LokalteilVon Barbara Glasser

Bürgerfest gegen Naziaufmarsch

Jena. (tlz) "Wir werden uns auch in diesem Jahr den Neonazis entgegenstellen." So heißt es im Aufruf des Runden Tisches für Demokratie. Und diesem Aufruf wollen sich die Fraktionen des Stadtrats anschließen. Das ist das Ergebnis der Aktuellen Stunde im Stadtrat gestern Abend, bei der es um das von der NPD geplante "Fest der Völker" am 10. Juni ging.

Noch ist keine Entscheidung der Stadt gefallen, ob sie eine Verbotsverfügung für alle Veranstaltungen an diesem 10. Juni erlässt, weil wegen der Fußballweltmeisterschaft nicht genügend Polizeikräfte zur Verfügung stehen. "Aber wir wollen vorbereitet sein", sagte Jugenddezernent Dr. Albrecht Schröter (SPD). Ein großes Bürgerfest mit Musik und Rednern solle am 10. Juni, 12 Uhr auf dem Markt beginnen. "Wir wollen zeigen, dass Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus in Jena keinen Platz haben", so Schröter.

Zu einer weiteren Veranstaltung lädt das Aktionsbündnis gegen Rechts bereits für den Vorabend des 10. Juni ein. "Wir haben für den 9. Juni ab 18 Uhr und für den 10. Juni ab 8 Uhr Treffen auf dem Seidelplatz angemeldet", sagte Katharina König (PDS).

"Wir sind uns über Fraktionsgrenzen hinweg einig, dass wir das so genannte Fest der Völker nicht tatenlos hinnehmen wollen", sagte Marco Schrul von den Bündnisgrünen. Es müsse Aktionen geben gegen die Neonazis auf dem Seidelplatz. "Wir sind für gewaltfreien zivilen Ungehorsam", so Schrul.

"Wir werden alle an der Veranstaltung auf dem Markt teilnehmen", sicherte Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP) zu. Es müsse den Anfängen gewehrt werden. Zustimmung zum Aufruf des Runden Tisches kam auch von Thomas Ullmann (SPD) und Jürgen Häkanson-Hall (BfJ). Frank Schenker (CDU) emp-fahl darüber hinaus das Lesen einer Broschüre über Rechtsextremismus, die im Schulamt zu bekommen sei.

Ein besonderer Aufruf kam von Lothar König (Grüne): "Wenn für den 10. Juni alles verboten wird, sollten wir uns trotzdem am Abend des 9. Juni auf dem Seidelplatz treffen, um kundzutun, dass wir den Neonazis keinen Platz lassen."

TLZ, Landesteil, 23.05.06Von Axel Zacharias

Es ist nun fünf vor zwölf

Das eigentliche Problem kann doch nicht sein, dass Deutschland bei der Fußball-WM einen Imageschaden erleiden könnte, sollten die rechten Schläger aufmarschieren – und dann so handeln, wie sie zumeist auch aussehen. Das Problem ist doch, dass es diese Übergriffe überhaupt gibt und dass deren Zahl Jahr für Jahr wächst, dass sich diese Schlägertypen inmitten unserer Gesellschaft tummeln können, ohne dass ihnen in diesem Land mit seinen schlimmen Nazi-Erfahrungen nicht schon längst Einhalt geboten wurde. Noch vor Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass sich der Staat so weit zurückdrängen lässt, dass es „national befreite Zonen“ oder neudeutsch: „No-Go-Areas“ überhaupt gibt.

Es ist fünf vor zwölf, und zwar nicht wegen der Fußball-WM, sondern weil viele Eltern offenbar nicht mehr wirklich erziehen und viele Bürger wegschauen, weil so mancher rassistische Übergriff am Stammtisch auch noch gut geheißen wird. Offenbar sind uns bei der Jagd nach Rendite als Maß der Dinge Werte verloren gegangen, die prägend für eine Zivilgesellschaft sind: Fairness im Umgang miteinander, Gemeinschaftssinn und Zivilcourage.

TLZ, Landesteil, 23.05.06

Zivilgesellschaft gegen Rechts

Grüne fordern Landesprogramm

Berlin/Erfurt. (dpa/tlz/ger) Die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten in Deutschland ist 2005 sprunghaft gestiegen. Insgesamt zählten die Behörden mehr als 15 000 Delikte, 27 Prozent mehr als 2004. Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten sei um 23 Prozent gestiegen, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts.

Die Thüringer Grünen fordern daher ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus. Überfällig sei finanzielle und politische Unterstützung zivilgesellschaftlicher Projekte wie Mobit, der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, der zum Jahresende das Aus droht, so Grünen-Landessprecherin Astrid Rothe-Beinlich. Sie verweist auf "die steigende Zahl von Nazikonzerten gerade auch in Thüringen, sowie Immobilienkäufe bekennender Neonazis".

Im Freistaat hätten sich Gebiete etabliert, in die Menschen, die nicht ins Deutschen-Bild der Rechtsextremisten passen, besser nicht gehen sollten. Dies sei "eine Herausforderung für die demokratische Gesellschaft. Sie darf Rechtsextremen keinen öffentlichen Raum lassen", erklärte Rothe-Beinlich.

OTZ, Landesteil, 23.05.06Von OTZ-Korrespondent Miguel Sanches, Berlin

Das unausgesprochene Versagen

Mit dem Rechtsextremismus allein ist die Polizei überfordert

Die Frage, ob es auch in Deutschland "No-Go-Areas" gibt, beantwortet Wolfgang Schäuble betont formal. Der Innenminister hat seine zuständigen Kollegen aus den Ländern gefragt. Ihre Antwort fiel einhellig aus: Solche Zonen, in denen gerade Fremde sich ihrer Haut nicht sicher sein können, gebe es nicht. Es darf "sie nicht geben", ergänzt er - was wieder etwas anderes ist.

Das Thema beherrschte gestern die Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes. Es kam einiges zusammen. Erstens der statistische Befund: Die Zahl rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten nahm 2005 zu. Der Minister schreibt ihnen auch ein "erhebliches Gefahrenpotenzial" zu. In der Szene gebe es "in beachtlichem Umfang Waffen, Munition und Sprengstoff". Zweitens stellt sich nach dem jüngsten Überfall auf einen türkischstämmigen Politiker in Berlin aufs Neue die Frage nach "No-Go-Areas" und nach der Präsenz und Sensibilität der Polizei, die Schäuble freilich vor Angriffen in Schutz nimmt. "Das hat die Polizei wirklich nicht verdient." Drittens steht die Fußball-WM vor der Tür. Dass sich die Neonazis sie zu Nutze machen wollen, ist für den Verfassungsschutz-Präsidenten Heinz Fromm klar. "Damit ist zu rechnen." Neonazistische Aufmärsche werde es geben.

Der 21. Juni ist ein Datum, das immer wieder erwähnt wird. An diesem Tag spielt in Leipzig Angola gegen den Iran. Neonazis wollen ihre Sympathie für den iranischen Präsidenten Ahmadinedschad bekunden. Er hatte den Holocaust als "Lüge" bezeichnet. Die Schnittmenge zwischen den Hooligans und den Neonazis ist relativ gering; nur fünf Prozent, wie Fromm erläutert. Aber fünf Prozent von 10 000 sind zu viele. Etwa 40 000 Menschen und 183 Organisationen rechnet Fromm dem Rechtsextremismus zu, 10 400 seien gewaltbereit. Das sind Schätzungen. Nicht mehr.

Zweifelsfrei belegt ist, dass die Zahl der Straftaten um 27,5 Prozent, die der Gewalttaten um 23,5 Prozent gestiegen sind. Eine (statistische) Ursache ist, dass mehr demonstriert wird. Fast jede Kundgebung hat eine Gegendemo von Links und Gewalt zur Folge. Die Zahl der Straf- und Gewalttaten von links nimmt stärker zu, um 57 und 39 Prozent (Straftaten).

Bei Wahlen verbuchten die rechten Parteien zuletzt keine auffälligen Erfolge mehr. Ihre Attraktivität bei Jungwählern im Alter von 18 bis 24 Jahren ist aber ungebrochen. Fünf Prozent von ihnen wählen Parteien wie die NPD oder DVU, im Osten zehn Prozent. Rechtsextremisten gibt es überall. Aber in den neuen Ländern fallen die Zahlen auf. Bei den Gewalttaten führen NRW, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt die Statistik. Aber wenn man die Zahlen im Vergleich zur Einwohnerzahl stellt, wird das Bild krass. Dann stehen auf den ersten vier Plätzen Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Sachsen.

Schäuble wehrt sich dagegen, dass mit dem Finger auf den Osten gezeigt wird. Für den Rechtsextremismus gebe es "ein Bündel von Ursachen". Ein Teil der Kader stammt aus dem Westen, erinnert Heinz Fromm. Die staatlichen Mittel für Aufklärung kürzt die Regierung nicht. Die Statistik zeigt, dass die Erfolge der Aufklärung begrenzt sind. Man kann laut Fromm nicht behaupten, dass es sich bei den typischen Rechtsextremisten um Arbeitslose handele, ohne Job, Ausbildung. Das wären zu einfache Erklärungsversuche. Wann immer Schäuble seine Experten nach den Gründen der ungebrochenen Attraktivität der Rechten bei jungen Männern befragte, bekam er als Antwort zu hören: "Sie machen die besten Angebote". Skinhead-Konzerte nahmen 2005 um 40 Prozent zu. Die besten Angebote? "Das kann nicht sein, das regt mich seit Jahren auf", sagt Schäuble. "Das ist ein Versagen", setzt er an, stockt und beendet den Satz: "Da bleibt viel Raum für zivilgesellschaftliche Aktionen". Es wäre unzureichend, meint er, "nur auf repressive Maßnahmen zu setzen".

TLZ, 22. Mai 2006

Neonazis ohne Chance im Land

Skinhead-Konzert von der Polizei aufgelöst

Altenburg/Gotha. (dpa/tlz) Drei Treffen von Neonazis und Gegendemonstranten sind am Samstag in Thüringen friedlich verlaufen. Rund 250 Rechtsextreme zählte die Polizei in Altenburg beim so genannten Thüringentag der Nationalen Jugend. Weitere 100 Neonazis kamen zum Fest der NPD-Mitgliederversammlung in Hildburghausen zusammen. In Gotha löste die Polizei ein Skinhead-Konzert mit etwa 30 Zuhörern aus der rechten Szene auf. Die Zahl der Gegendemonstranten in Altenburg und Hildburghausen belief sich nach Behördenangaben auf rund 550. In Altenburg organisierten die Landesarbeitsgemeinschaft Antifaschismus/Antirassismus und das Bündnis „ABGemeinsam gegen Rechts“ jeweils eigene Veranstaltungen mit insgesamt rund 400 Teilnehmern. Einige Rechtsradikale, die versuchten, in die Nähe der Gegendemonstration zu gelangen, wurden von der Polizei aufgehalten. Sie sprach 34 Platzverweise aus. Gegen drei Neonazis seien Ermittlungsverfahren aufgenommen worden, unter anderem auch wegen Tragens von NS-Symbolen. Rund 150 Demonstranten protestierten in Hildburghausen gegen ein Konzert der Neonazis.

TLZ, Landesteil, 22. Mai 2006

Hass auf alles Fremde bricht sich Bahn

Die Welt zu Gast bei Freunden? – Überfall auf Politiker facht Debatte über rechte Gewalt weiter an

Berlin. (dpa/tlz) Weit vor der Fußball-WM war es eher ein diffuses terroristisches Bedrohungs-Szenario, das die Deutschen ängstigte. Kurz vor Anpfiff ist nun eine breite Debatte über ausufernde Gewalt gegen Fremde in dem Land entbrannt, das „die Welt zu Gast bei Freunden“ erwartet. Ein vorläufiger negativer Höhepunkt wurde am Wochenende in Berlin erreicht, wo ein türkischstämmiger Politiker krankenhausreif geprügelt wurde. Der brutale Überfall auf den Politiker der Berliner Linkspartei hat die Debatte über gewalttätige Fremdenfeindlichkeit in Deutschland zusätzlich angefacht.

Wie aus dem Verfassungsschutzbericht der Bundesregierung hervorgeht, stieg die Zahl der Neonazis und gewaltbereiten Rechtsextremisten im Vorjahr nochmals an. Der wegen seiner drastischen Reisewarnung für Farbige zunächst heftig gescholtene Ex-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye erhält unterdessen immer mehr Unterstützung. SPD-Innenpolitiker kritisierten die Arbeit der Polizei im Kampf gegen Rechtsextreme.

Gewalttätige Fremdenfeindlichkeit erschütterte die Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen immer häufiger. Die Warnung vor den No-Go-Gebieten (Geh’ da nicht hin- Gebiete) für Farbige, drastisch ausgesprochen vom ehemaligen Regierungssprecher, sorgte für Aufregung. Die Debatte ging zunächst in die Richtung, ob es erlaubt sei, so etwas auszusprechen. Zunehmend erhielt Heye jedoch Zuspruch. An diesem Montag kommen Fakten auf den Tisch.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wird den Verfassungsschutzbericht vorstellen. Nach dem Überfall auf Giyasettin Sayan von der Berliner Linkspartei gibt es von den Tätern noch keine Spur. Die Ermittler gehen von einem fremdenfeindlichen Motiv aus. Sayan war am Freitagabend im Berliner Ost-Stadtteil Lichtenberg von zwei Unbekannten als Ausländer beschimpft und mit einer Flasche niedergeschlagen worden. Der 56-jährige liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) rief zu einem entschiedenen Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auf. „Wir dürfen der braunen Soße nie mehr eine Chance geben“, sagte er am Samstag. Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit verurteilte „diese übelste Form der Gewalt“.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz registrierte einen Anstieg der Zahl der Neonazis von 3800 im Jahr 2004 auf 4100 im vergangenen Jahr. Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten erhöhte sich von 10.000 auf 10.400, wie eine Sprecherin des Innenministeriums bestätigte. Die Zahl der Rechtsextremen insgesamt ging dagegen leicht zurück – von 40.700 auf 39.000. Als Ursache wird der Mitgliederrückgang bei DVU und Republikaner genannt.

Der Zentralrat der Juden warnte davor, Fremdenhass zu verharmlosen. Es sei unverantwortlich, wie führende Politiker versuchten, die Übergriffe auf ausländische Mitbürger klein zu reden, sagte Generalsekretär Stephan Kramer. Es sei „erschreckend“, dass sich die Politik mehr Sorgen um den Ruf Deutschlands vor der Fußball-Weltmeisterschaft mache als um den Schutz von Ausländern. Die Vize-Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Petra Pau, verlangte wie Kramer eine Bundestagsanhörung zu Rechtsextremismus und Rassismus.

Der SPD-Innenminister von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, sagte, die Polizei solle „mehr zur Prävention rechtsextremistischer Straftaten beitragen. Dazu gehört auch die Präsenz auf der Straße, zum Beispiel durch Streifenpolizisten in Problembezirken.“

10.06.06 Jena: Operation Voelkerball

ausführlicher Artikel bei Indymedia mit vielen Bildern http://de.indymedia.org/2006/05/147507.shtml

TLZ, Landesteil, 18. Mai 2005

Betreten Verboten: Gefahr Ost

Heye: „No-Go-Areas“ auch in Thüringen – rassistische Tendenzen offenkundig

Potsdam / Erfurt. (dpa/tlz) Der ehemalige Sprecher der rot-grünen Bundesregierung, Uwe-Karsten Heye, hat mehr Engagement gegen den Rechtsextremismus gefordert. Es gebe auch in Thüringen unsichere Orte für Ausländer in Deutschland, sagte Heye. „Ich sehe No-Go-Areas vornehmlich im Osten Deutschlands. Das hat aber mit der Geschichte der alten DDR zu tun.“ No-Go-Areas meint Orte, die Ausländer meiden sollten, weil sie dort um ihre Sicherheit fürchten müssen. Heye hatte zuvor gesagt: „Es gibt kleine und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo, wo ich keinem, der eine andere Hautfarbe hat, raten würde, hinzugehen. Er würde sie möglicherweise nicht mehr lebend verlassen.“ Das war in Brandenburg auf Empörung gestoßen. Aber auch außerhalb Brandenburgs gebe es „No-Go-Areas“, fügte Heye hinzu. „Wenn man sich mal in Sachsen umschaut, in der Sächsischen Schweiz, in Teilen Dresdens oder Leipzigs, oder in einigen Bereichen Thüringens, wenn man sich ansieht, was in einigen Stadien los ist mit den antisemitischen und rassistischen Äußerungen von Hooligans, dann gibt es ein weites Feld, wo man hin schauen muss.“ Ich gehe es überhaupt nicht darum, Brandenburgs Bemühungen gegen Rechts nicht zur Kenntnis zu nehmen, erklärte Heye.

„Ich wollte Brandenburg überhaupt nicht stigmatisieren. Wir dürfen aber nicht dem Afrika-Rat überlassen, die Auseinandersetzung mit rassistischen und anstisemitischen Tendenzen in Deutschland zu führen.“ Der Afrika-Rat hatte kürzlich zur Fußball-Weltmeisterschaft einen Warnkatalog für Berlin angekündigt. Dunkelhäutige Besucher sollten demnach ganze Stadtteile meiden, um sich vor Übergriffen zu schützen. Sich gegen solche Zustände wehren, sei Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft, sagte Heye. „Diese Mehrheitsgesellschaft besteht aber auch aus Politikern, die nichts lieber tun, als jeden Vorfall klein zu reden und zurückzuweisen, dass es sich überhaupt um einen Vorgang mit rassistischem Hintergrund handelt.“ Das mache ihn zornig, „denn ich arbeite mit dem Verein „Gesicht zeigen!“ in einem Bereich, wo wir sehr real erfahren, was es heißt, in ganzen Regionen rechtsextremistische Homogenität wahrzunehmen“, sagte Heye, der Vereinschef ist. Rechtsextremisten seien Minderheiten, allerdings solche, „die vor dem Hintergrund des Einladungsmottos der Fußball-Weltmeisterschaft (“Die Welt zu Gast bei Freunden“) unser Land in Misskredit bringen können. Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen. Die DDR hat sich, ohne das sie sich in der Sache auch nur irgendwie mit dem Nationalsozialismus und der braunen Zeit auseinander gesetzt hätte, von vornherein als antifaschistischen Staat begriffen“, sagte Heye. Jeder, der sich zu diesem Staat bekannt habe, sei gleich als Antifaschist anerkannt worden. Faschistische Tendenzen in der DDR-Jugend seinen nie bearbeitet worden. „Dass muss jetzt geschehen“, so Heye.

OTZ, Lokalteil, 18. Mai 2006

Keine Chance für Neonazis in Jena

Jenaer Bürger zeigen Flagge gegen Rechts

Jena (OTZ / AS). In Jena ist kein Platz für Neonazis – das hat der “Runde Tisch für Demokratie” der Stadt gestern klargestellt. In einer Resolution ruft er die Bürgerschaft dazu auf, sich gemeinschaftlich den Neonazis und ihrem für den 10. Juni geplanten, so genannten „Fest der Völker“ entgegen zu stellen. Ihrem Widerstand wollen die Jenaer mit friedlichen Aktionen rund um den 10. Juni Ausdruck verleihen. Geplant sind unter anderem Diskussionen im Kassablanca über Bürgerproteste und die Herausforderung Rechtsextremismus für die Demokratie in Winzerla. Das Collegium Europaeum Jenense der Universität lädt zur Diskussion über Fremdenfeindlichkeit und –freundlichkeit ein. Weitere Aktionen sollen vorbereitet werden.

Dabei besteht, wie Rechtsamtsleiter Martin Pfeiffer informierte, noch immer Hoffnung auf ein offizielles Verbot der von der NPD angemeldeten Veranstaltung. Den Grund könnte die Fußball-WM liefern. Auch wenn in Thüringen kein Spiel stattfindet, sei die Kräftesituation der Polizei „sehr angespannt“, betonte Polizeidirektor Rüdiger Schrehardt. „Wir müssen an den Autobahnen eine Menge an Kontrollmaßnahmen und zudem Einsätze bei öffentlichen Video-Aufführungen in der Stadt absichern“. Es sei absehbar, dass „die Polizei deshalb in diesem Jahr nicht hinreichend Kräfte zur Verfügung haben wird, um die Sicherheit während der Veranstaltung zu gewährleisten.“, erklärte Pfeiffer. Wenn dieser „polizeiliche Notstand“ greife, könne die Versammlungsbehörde alle Veranstaltungen verbieten. Entscheide man sich anders, werde es jedoch „garantiert keine Umzüge wie im Vorjahr, sondern strenge Auflagen geben“, vermutet er.

TLZ Lokalteil, 18. Mai 2006Barbara Glasser

Verbot wegen Notstands?

„Fest der Völker“ könnte noch kippen

Jena. (tlz) Es könnte sein, dass am 10. Juni, wenn die NPD ihr „Fest der Völker“ in Jena abhalten will, ein polizeilicher Notstand eintritt. Dann würden für diesen Tag sämtliche Veranstaltungen verboten. Das sagte gestern bei der Sitzung des Runden Tisches Rechtsamtsleiter Martin Pfeiffer. Denn: Weil am 9. Juni die Fußballweltmeisterschaft beginnt, wird die Polizei in der ganzen Bundesrepublik besondere Aufgaben haben. Für Jena könnten somit nicht genügend Sicherheitskräfte zur Verfügung stehen. „Polizei und Versammlungsbehörde haben deshalb mit der NPD gesprochen. Wir haben den Veranstaltern nahe gelegt, ihr ‚Fest’ auf einen anderen Termin zu verlegen, und dafür den 9. September vorgeschlagen“, berichtete Pfeiffer. Die NPD habe daraufhin verlangt, dass die Stadt einen Teil der Vorbereitungskosten für das „Fest der Völker“ übernimmt. Das aber habe die Stadt abgelehnt. Inzwischen seien zwei Schreiben von der NPD eingegangen, eine Versammlungsanmeldung für den 9. September und die Aufforderung, eine Verbotsverfügung für den 10. Juni auszusprechen, „gegen die dann natürlich geklagt wird“. so Pfeiffer. Das Innenministerium bemüht sich nun um polizeiliche Kräfte für den 10. Juni. „Es werden aber keinesfalls so viele Kräfte sein wie im vorigen Jahr“, sagte Pfeiffer. Deshalb müsse es harte Auflagen für den 10. Juni geben, keine Umzüge und eine strikte Trennung der Neonazis und der Gegendemonstranten. Weil eine Entscheidung noch nicht abzusehen sei, bat er die Mitglieder des Runden Tisches, alle Vorbereitungen für den 10. Juni weiterlaufen zu lassen. Denn die Mobilisierung der Neonazis für das „Fest der Völker“ sei wesentlich intensiver als im Vorjahr. Rüdiger Schrehardt, der Leiter der Polizeidirektion, bekräftigte, dass die Polizei in Jena während der Weltmeisterschaft sehr eingespannt sei. „Auch wenn wir in Thüringen keinen Spielort haben, aber die Wege zu den Spielorten über die Autobahnen brauchen eine Masse an polizeilichen Maßnahmen.“

Thüringer Allgemeine 15. Mai 2006Kai MUDRA

Bedrohlich

In Eisenach erlitt dieses Wochenende ein 34-jähriger Tunesier Verletzungen, weil zwei Glatzköpfen seine Hautfarbe nicht passte. In Arnstadt wurden im März und April Ausländer von Schlägern wegen ihres dunklen Aussehens bedroht und verletzt. Die Polizei musste seit Jahresbeginn vier Skinheadkonzerte auflösen. Trotzdem sieht die Landesregierung bisher für die nächste Wahl kaum eine Gefahr von Rechts oder das Image des Landes und die Menschen, die hier leben.

ERFURT. Es war eine frustrierende Erfahrung. Eine junge Frau aus Südthüringen hatte im Vorjahr einem Opfer bei einem fremdenfeindlichen Überfall geholfen. Danach war sie noch bereit, gegen die Angreifer bei der Polizei auszusagen. Was sie dann nicht mehr wollte, sich den Tätern ein weiteres Mal vor Gericht stellen und ihre Angaben aus der Polizeiakte bestätigen. Das Fernbleiben zur Verhandlung brachte ihr eine Geldstrafe von 300 Euro ein.

Dass die so Geschädigte ihren Namen nicht nennen will, ist klar. Die Justiz ging gegen sie mit voller Wucht des Gesetzes vor. Sie fühlte sich plötzlich von einem Richter auf gleiche Stufe mit den Schlägern gestellt. Formal juristisch war alles korrekt.

"Der Richter hat das durchgezogen ohne mit sich reden zu lassen", empört sich Inga Riedel noch immer. Leider hat sich die junge Frau zu spät an uns gewandt, fügt die Sozialpädagogin an. Uns, das ist der Thüringer Hilfsdienst für Opfer rechtsextremer Gewalt (THO). Manchmal können wir in solchen Fällen noch helfen, sagt die 26-Jährige. In diesem konkreten Fall aber blieben die Bemühungen umsonst. Nicht jeder couragierte Bürger ist sich all der Konsequenzen bewusst, die mit einer Aussage bei der Polizei verbunden sein können.

Sollte die Bedrohungssituation eines Zeugen oder einer Zeugin zu groß sein oder sie zu viel Angst haben, gibt es auch Möglichkeiten, das bei den Aussagen vor Gericht zu berücksichtigen, ergänzt Liane Hartung. Sie ist die Juristin im THO-Team, das derzeit von Jena aus den Freistaat betreut.

Insgesamt musste sich der Hilfsdienst im Vorjahr um 45 Fälle kümmern. Das klingt im ersten Moment nicht viel. Aber neben einer juristischen Beratung, der Begleitung der Opfer vor Gericht, wo diese ihre Peiniger wieder treffen, und dem Organisieren auch weiterer Hilfe wie beispielsweise psychischer Beratung, leisten die Mitarbeiter Aufklärungsarbeit.

Mehr als 60 Prozent der Hilfesuchenden im Vorjahr waren Migranten, die selbst bei Thüringer Behörden nur schwer Gehör finden. In diesem Jahr mussten bereits in 17 Fällen Menschen betreut werden, die rechtsextremer oder ausländerfeindlicher Gewalt ausgesetzt waren. Der Anteil der Migranten habe sich auf mehr als 80 Prozent erhöht, so Inga Riedel.

Die Übergriffe von Arnstadt auf einen jungen Südafrikaner oder zwei Männer aus Sierra Leone, erst am Wochenende auf einen Tunesier in Eisenach oder die 620 rechtsextremen und ausländerfeindlichen Straftaten im vorigen Jahr scheinen die Regierung nur wenig zu berühren. Weder zu dem Arnstädter noch zum Eisenacher Geschehen kamen Worte des Bedauerns oder der Anteilnahme für die Opfer.

Im Gegenteil, der Freistaat ist das einzige Bundesland, das Projekte wie den Jenaer Hilfsverein ignoriert. Denn fast alle Civitas genannten Initiativen, die vom Bund mit gefördert werden, erhalten vom Land kein Geld. Vor allem betroffen sind die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus "Mobit" und die THO. Das ist einmalig in der Bundesrepublik.

Regelmäßig wird vom Land auf die Stabsstelle Gewaltprävention im Sozialministerium verwiesen. Die muss sich von häuslicher Gewalt über Schlägereien in der Schule bis hin zu extremistischen Ausschreitungen und Bedrohungen mit allem befassen was vorkommt. Und plötzlich ist in einem Land, in dem bei fast jeder Gelegenheit die Verantwortung der Bürger gefordert wird, beim Kampf gegen rechte Gewalt Zivilcourage nur partiell erwünscht.

Dabei wäre jedes Engagement nötig, vor allem das couragierter Bürger. Denn die Rechten haben ihre Strukturen landesweit festigen können und nicht jede Aktion fällt sofort als Angriff auf die freiheitlich demokratische Grundordnung auf.

In Thüringen droht aber Vereinen wie Mobit oder THO 2007 das Aus. Die von der CDU-SPD-Koalition auf Bundesebene vor kurzem vereinbarten 19 Millionen Euro zur Unterstützung des Kampfes gegen Rechtsextremismus sollen nach den derzeitigen Absichten in Einzelprojekte fließen, nicht aber in die allgemeine Arbeit, wie sie die beiden Vereine leisten.

Die Thüringer CDU-Fraktion begrüßt das Vorgehen. "Thüringen wird weiter wie bisher einzelne Civitas-Projekte mit finanzieren, wenn sie in die insgesamt erfolgreiche Strategie des Landes zur Auseinandersetzung mit Extremismus und Gewalt passen", so der sozialpolitische Sprecher Michael Panse. "Eine pauschale oder institutionelle Förderung einzelner Einrichtungen ist dazu nicht erforderlich."

Die Gefahr, dass "zwei wichtigen Partnern im Land beim Kampf gegen Rechtsextremismus" die Luft ausgeht, sieht hingegen SPD-Innenexperte Heiko Gentzel. Er macht der "Stahlhelm-Fraktion" in der CDU den Hauptvorwurf dafür: "So wenig wie diese Abgeordneten begriffen haben, dass der Rechtsextremismus hier das Problem ist und nicht die Gewalt von links, so sehr behindern sie ein konstruktives Vorgehen." Gentzel selber sieht noch Chancen, auf Bundesebene mit Hilfe der SPD auch künftig Gelder für Civitas-Projekte wie "Mobit" oder THO zu erhalten. "Allerdings müsste sich dann auch das Land beteiligen." Nur so besteht die Chance, Projekte wie das der engagierten Frauen in Jena am Leben zu erhalten.

zuletzt aktualisiert: 14. Mai 2006 | 22:32Quelle: MDR 1 RADIO THÜRINGEN

Tunesier in Eisenach überfallen

In Eisenach ist ein Tunesier von zwei unbekannte Männer geschlagen und verletzt worden. Das Opfer erlitt trotz Gegenwehr eine Platzwunde im Gesicht sowie Kratzwunden am Hals und Oberkörper und musste im Krankenhaus ambulant behandelt werden. Die Polizei geht von einem ausländerfeindlichen Hintergrund aus. Der Mann war auf dem Nachhauseweg von den beiden etwa 30 bis 40 Jahre alten Männer angesprochen und anschließend geschlagen worden.

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56356, 12.05.2006

EXTRA: Parlamentarier wünscht NS-Deportationszüge

DRESDEN (Eigener Bericht) - Kurz nach Bekanntgabe eines erneuten Anstiegs rechtsextremer Gewalttaten wird im sächsischen Landtag der Ruf nach "Sonderzügen" für den Abtransport politischer Gegner laut. Gemeint sind Deportationen nach Art des NS-Regimes, das mehrere Millionen Menschen auf dem Schienenweg in die Vernichtungslager schickte.

"Man wünscht sie sich wieder"
Wie der stellvertretende Vorsitzende der sächsischen NPD- Landtagsfraktion, Uwe Leichsenring, am gestrigen Donnerstag in einer Sitzung des Dresdner Parlaments erklärte, könne er sich Sammeltransporte politischer Gegner mit "Sonderzügen" vorstellen. Auf den Zwischenruf "Es gab schon mal Sonderzüge" antwortete Leichsenring: "Ja, ja, manchmal wünscht man sie sich wieder, wenn ich manche so sehe".

Konsequenzen
Die vom Landtagspräsidenten verhängten Sanktionen gegen den Abgeordneten beschränken sich auf den Ausschluss von drei Parlamentssitzungen; ebenfalls darf er in diesem Zeitraum nicht an Ausschusssitzungen teilnehmen. Weitere Maßnahmen werden nicht in Betracht gezogen. Ganz anderer Art sind die Konsequenzen, die der Dresdner Landtag dem Vorsitzenden der dortigen Linksfraktion, Prof. Peter Porsch, androht. Weil er für die Regierung der DDR gearbeitet haben soll, verlangte die Parlamentsmehrheit nach Ende der gestrigen "Sonderzug"-Debatte, Porsch habe sein Mandat niederzulegen. Für diese Forderung stimmten auch die "Sonderzug"- Parlamentarier der NPD.

"Führend in der Welt"
Am Mittwoch hatte das deutsche Bundesministerium des Innern bekannt gegeben, dass die Zahl politisch motivierter Straftaten mit faschistischem Hintergrund im vergangenen Jahr um 27,5 Prozent auf 15.361 stieg. Gewalttaten dieser Szene nahmen im gleichen Zeitraum um 24,3 Prozent auf 1.034 zu. Damit finden in Deutschland täglich drei gewaltsame Übergriffe durch Angehörige des faschistischen Milieus statt. Einer kürzlich veröffentlichten Studie der Universität Bielefeld zufolge sind zwei Drittel der sächsischen Bevölkerung "latent ausländerfeindlich". Jeweils fast ein Fünftel der Befragten stimmte den Behauptungen zu, Juden hätten in Deutschland zu großen Einfluss und Weiße seien zu Recht "führend in der Welt".

Speerspitze
Die NPD, die vor eineinhalb Jahren mit fast einem Zehntel der abgegebenen Stimmen in den sächsischen Landtag gewählt worden ist [1], versteht sich als parlamentarische Speerspitze ihrer außerparlamentarischen Klientel. Die Abgeordneten ließen von Anfang an keinen Zweifel an ihrer Nähe zu NS-Methoden. Erst im März erklärte ein NPD-Parlamentarier auf die Frage, ob sich seine Fraktion von der Ideologie der NSDAP distanziere: "Warum sollten wir?"

Verhängnisvoll
Die "Sonderzug"-Drohungen des Dresdner Parlamentariers führten noch am Donnerstag Abend zu ersten Protesten. Bei der Eröffnung einer Kölner Ausstellung über die Verantwortlichen der NS- Deportationen, mit denen u.a. 11.000 Kinder von Frankreich in die NS-Vernichtungslager geschleust wurden, sagte die Ausstellungskuratorin, Dr. Anne Klein: "Vor dem Hintergrund der NPD-Äußerungen offenbart die Weigerung der Deutschen Bahn, den Reisenden Dokumente über die NS-Sonderzüge nach Auschwitz zu zeigen, ihre verhängnisvolle politische Dimension."[3]

[1] s. dazu Reformen und Aufforderung zum Tanz
[2] s. dazu "Kriegsverbrecher" und Attacken
[3] "Ich erinnere mich an diesen Deutschen ganz genau..." Der Lischka-Prozess: Drei NS-Täter 1979 vor Gericht in Köln. Ausstellung im Kölner EL-DE-Haus, Kontakt: . S. auch unser EXTRA-Dossier Elftausend Kinder

Junge Welt, 12.05.2006 / Inland / Seite 2

NPD-Eklat im Dresdner Landtag

Dresden. Der Fraktionsvize der NPD im sächsischen Landtag, Uwe Leichsenring, hat mit Anspielungen auf die Judendeportationen der Nazis für Empörung gesorgt. Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) schloß den NPD-Politiker daraufhin am Donnerstag für drei Tage vom Plenum aus. Es ist das erste Mal, daß der sächsische Landtag zu dieser drakonischen Strafe greift.

In einer Debatte zu den Auseinandersetzungen um einen geplanten Neonaziaufmarsch am 1. Mai in Leipzig hatte Leichsenring vorgeschlagen, »Linksextremisten« mit Sonderzügen nach Karlsruhe zur Bundesanwaltschaft zu transportieren. Auf den Zwischenruf von Linksfraktionchef Peter Porsch, »es gab schon mal Sonderzüge, mit Zügen kennt ihr euch ja aus«, antwortete Leichsenring: »Ja, ja, manchmal wünscht man sie sich wieder, wenn ich manche so sehe.«

(AFP/jW)

TLZ, Landesteil, 11.05.2006

Thüringen im oberen Drittel

SPD: Mehr Geld im Kampf gegen Rechts

Erfurt. (tlz/elo) „Die Bekämpfung des Rechtsextremismus muss in Thüringen endlich den gleichen Stellenwert erhalten wie in den anderen ostdeutschen Bundesländern“, fordert Heiko Gentzel. Der Innenexperte der SPD-Landtagsfraktion setzt sich dafür ein, dass die Landesregierung in die Kofinanzierung der vom Bund gestarteten Modellprojekte einsteigt. Wie die übrigen neuen Länder, solle auch Thüringen mindestens ein Drittel des Geldes zu Verfügung stellen. Doch bislang gibt es – bis auf eine Ankündigung von Innenminister Karl Heinz Gasser (CDU) – zu diesem Thema kaum positive Resonanz. Er werde in den kommenden Tagen prüfen, ob und wie das Ministerium die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in Thüringen (MOBIT) unterstützen könne, hatte Gasser im TLZ-Gespräch gesagt. Seitdem sind drei Wochen vergangen. Wie wichtig der Kampf gegen Rechtsextremismus bleibt, macht ein Blick in den Verfassungsschutzbericht deutlich, den der Innenminister heute vorstellt. Die Zahl der Skinhead- Konzerte ist erneut gestiegen, die NPD konnte Mitglieder hinzugewinnen und die Zahl der so genannten „subkulturell geprägten und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten“ hat von 500 auf 530 zugenommen. Vor allem Musik bringt junge Menschen oft zum ersten Mal in Kontakt mit der Szene. „Mit 19 Skinhead-Konzerten rangiert Thüringen im Bundesvergleich wie im Vorjahr im oberen Drittel“, notieren die Verfassungsschützer in ihrem Bericht. Zwischen 50 und 200 Personen, von denen viele von jenseits der Landesgrenzen stammen, nahmen teil. Für den Geheimdienst ist klar: „Thüringen weist aufgrund seiner zentralen geografischen Lage sowie des großen Angebots an preisgünstigen oder leerstehenden Gebäuden eine Infrastruktur aufm die sowohl für die Veranstalter, als auch für die Sympathisanten, die aus Thüringen und anderen Bundesländern anreisen, von Vorteil ist.“ Wie die Landesregierung im Kampf gegen Rechtsextremismus gegensteuern will, bleibt abzuwarten. SPD-Mann Gentzel kündigte für die bevorstehenden Plenarsitzungen Initiativen zur Sicherung der Anti-Rechtsextremismus-Projekte an.

TLZ, Landesteil, 11.05.2006

Mehr Konzerte von Skinheads

Rechte und linke Gewalttaten gestiegen

Erfurt. (tlz) Die Zahl der Skinhead-Konzerte in Thüringen ist im vergangenen Jahr auf 19 (plus sieben) gestiegen, neun davon wurden aufgelöst. Sechs Skinhead-Konzerte wurden verhindert. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2005 hervor, der der TLZ vorliegt und der heute von Innenminister Karl-Heinz Gasser (CDU) vorgestellt wird. NPD-Mitglieder gab es 2005 etwa 240, ein Jahr zuvor wurden 180, im Jahr 2003 150 gezählt. Die Zahl rechtsextremer Straftaten hat entgegen dem bisherigen Trend ebenfalls zugenommen. Es wurden 29 Delikte mehr registriert als 2004. Insgesamt waren es 620 Straftaten. Die Zahl der Gewalttaten mit überwiegend rechtsextremistischem Hintergrund ist mit 47 Prozent deutlich gestiegen. Sie lag im vergangenen Jahr bei 53 Delikten. Die Zahl linksextremer Delikte hat sich von 67 auf 200 fast verdreifacht. Gewalttaten stiegen von 16 auf 48. „Linksextremisten verübten solche Straftaten insbesondere dann“, so die Verfassungsschützer, „wenn sich ihre Aktionen gegen Demonstrationen von Rechtsextremisten richteten.“ Die SPD-Landtagsfraktion hat unterdessen vom Land mehr Unterstützung für Projekte gegen Rechtsextremismus gefordert. Innenpolitiker Heiko Gentzel warf der Regierung Verweigerungshaltung vor.

OTZ, Landesteil, 06.05.06

Mehr Aufklärung rechtsextremistischer Straftaten

Im Landtag Debatte über Entwicklung des Rechtsextremismus in Thüringen

Erfurt (OTZ/Johr). Der Thüringer Landtag hat sich erneut mit der Enbtwicklung des Rechtsextremismus im Freistaat und den Möglichkeiten einer demokratischen Gegenwehr beschäftigt. Nach Einschätzung von Sabine Berninger (PDS-Linkspartei) spielt Thüringen mittlerweile neben Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern eine zentrale Rolle in der Strategie der Neonazis. Die Landes-NPD, die gegenwärtig etwa 200 Mitglieder zählt, sei flächendeckend präsent. In Ostthüringen bestünden Kreisverbände in Altenburg, Gera, Jena, Saale-Orla-Kreis und Saalfeld-Rudolstadt. Die so genannten Kameradschaften, die das Rückgrat rechtsextremistischer Strukturen bilden, seien sogar über die Landesgrenzen hinaus vernetzt. Ihre Propaganda beziehe sich zunehmend auf kommunale Themen. Bei der Forderung Berningers nach stärkerer Prävention und der Fortschreibung von vorbeugenden Programmen verwies Eckehard Kölbel (CDU) auf haushälterischen Grenzen. Der Geraer teilte die Auffassung, dass die Rechten ihre politik mit immer ausgeklügelteren Methoden an den Mann zu bringen versuchen. Es sei nicht einfach, die nationalsozialistischen Hintergründe festzustellen. Das Land nehme das Problem ernst und unternehme alles, um eine dauerhafte Etablierung rechtsextremistischer Kultur zu verhindern, betonte Innenstaatssekretär Stefan Baldus. Nach seinen Angaben ist die Aufklärungsquote extremistischer Straftaten 2005 von 63,8 auf 81,8 Prozent gestiegen. Ende März hatte sich das Parlament auf einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen gegen Extremismus und Gewalt geeinigt. Unter anderem ist der Aufbau der Landesstelle Gewaltprävention zur Beratungsstelle für Extremismusfragen vorgesehen.

TLZ, Lokalteil Jena, 05.05.06Von Barbara Glasser

Knackpunkt ziviler Ungehorsam

Diskussion: Wieviel Courage braucht die Demokratie?

Jena. (tlz) Würden Sie, wenn das Stadtrecht dies zuließe, Martin Luther King zum Ehrenbürger Jenas machen, obwohl er zu Gesetzesübertretung aufgefordert hat? Mit dieser Frage wollte Prof. Dr. Wolfgang Behlert eigentlich die OB-Kandidaten gestern Abend im Hörsaal 5 des Uni-Campus eigentlich etwas provozieren. Aber Luther King ist offenbar weit genug weg, so dass die Kandidaten sich eigentlich einig waren in ihrem Ja. Aber als es dann konkreter wurde, das „Fest der Völker“ vom vergangenen Jahr und die Sitzblockade am Gries ins Gespräch kamen, wurde sehr deutlich, wie unterschiedlich die Positionen beim Thema ziviler Ungehorsam sind. Das Koordinierungsbüro des Runden Tisches für Demokratie hatte gestern Abend die sieben OB-Kandidaten zu einer Diskussionsrunde zum Thema „Wieviel Courage braucht die Demokratie?“ eingeladen – eine Veranstaltung in Vorbereitung des diesjährigen „Festes der Völker“ am 10. Juni. Außer der entschuldigten parteilosen Heike Seise waren alle Kandidaten erschienen, um sich den Fragen von Prof. Dr. Klaus-Michael Kodalle und Prof. Dr. Wolfgang Behlert zu stellen. Denn die beiden Herren hatten vor vollem Saal den Part der Interviewer übernommen – Kodalle als ein Gegner des zivilen Ungehorsams beim „Fest der Völker“, Behlert als ein Befürworter. „Der zivile Ungehorsam ist ein bewusster Akt der Rechtsverletzung“, sagte Kodalle. Im Übrigen müsse jeder auch die Meinungsäußerungen der Andersdenkenden, in dem Fall der Neonazis, dulden. Zudem habe es bislang keine Verfassungsänderung gegeben, die durch zivilen Ungehorsam ausgelöst worden sei. Das wurde ihm von Rechtsamtsleiter Martin Pfeiffer widerlegt: Seit den Urteilen von Brokdorf und Mutlangen sei der Gewaltbegriff neu definiert. Es sei ein Unterschied, ob ein Demonstrant sitzt oder etwas unternimmt. Wolfgang Behlert fragte mehrfach nach, wie sich denn die Kandidaten als Oberbürgermeister verhalten würden. „Hat der OB das Recht zu zivilem Ungehorsam?“ „Ein Gesetz kann gebrochen werden, wenn es um Leben geht“, sagte Dr. Albrecht Schröter. Bei dem „Fest der Völker“ gehe es angesichts der deutschen Vergangenheit um die Würde des Menschen, deshalb würde er auf der Seite der Demonstranten stehen wie beim letzten Mal bei der Blockade. Marco Schrul (Grüne) bezeichnete den zivilen Ungehorsam als ein wichtiges Korrektiv zu demokratischen Entscheidungen. Dr. Gudrun Lukin (PDS) sagte, dass ziviler Ungehorsam etwas mit der Verteidigung menschlicher Werte zu tun habe. „Ich kann nicht ausschließen, dass der OB an der Spitze der Demonstration steht.“ Jürgen Haschke (Bürger für Jena) blieb bei seiner Meinung, dass die Versammlungsfreiheit – auch die der NPD – ein hohes Rechtsgut ist, über das Verfassungsrichter zu befinden haben. Zudem ergänzte er, dass nicht viel Zivilcourage dazu gehöre, sich öffentlich als Antifaschist zu bekennen. Christoph Schwind (CDU) sagte, dass jeder in der Demokratie viele Möglichkeiten habe, sich zu äußern. Er mahnte den legalen Rahmen aller politischen Aktivitäten an und lehnte den zivilen Ungehorsam ab. Denn: „Dann muss der OB dafür sorgen, dass die Entscheidungen aus der Sicht des Staates getroffen werden können.“ Etwas verloren nahm sich in der Runde Dr. Milutin Michael Nickl (Graue) aus. Abgesehen davon, dass viele im Hörsaal seine Ausführungen wegen der vielen Fremdwörter nicht verstanden, gab’s Lächeln bei der Idee, Teilnehmer des Neonazi-Festes in private Schrebergarten-Feiern abziehen zu wollen.

TLZ, 26.04.0625.04.2006 Von Barbara Glasser

Zivilcourage und weiße Rosen

Jena. (tlz) "Wieviel Courage braucht die Demokratie?" - unter diesem Titel steht eine Veranstaltung, zu der das Koordinierungsbüro des Runden Tisches für Demokratie für Donnerstag, 4. Mai, 20 Uhr in den Hörsaal 5 am Ernst-Abbe-Platz einlädt. Die beiden Professoren Dr. Klaus-Michael Kodalle und Dr. Wolfgang Behlert werden die sieben Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl befragen. Auch das Publikum wird die Möglichkeit bekommen, die Kandidaten und den beiden "Interviewern" Fragen zu stellen.

Diese öffentliche Auseinandersetzung zum Thema Zivilcourage ist Teil der Vorbereitung für die Gegenaktionen zum 10. Juni. Für diesen Tag hat die NPD das so genannte Fest der Völker auf dem Seidelplatz angemeldet.

Gestern tagte eine Arbeitsgruppe des Runden Tisches, um weitere Aktionen vorzubereiten. Einig sind sich alle Beteiligten, dass es einen Aufruf an die Jenaer Bürger und ein Plakat für die Aktionen gegen das NPD-Treffen geben soll. Einig sind sich auch die Arbeitsgruppen-Mitglieder, dass, ähnlich wie im vergangenen Jahr auf dem Gries, am Vortag des "Festes der Völker" weiße Rosen auf dem Platz abgelegt werden sollen. Dafür wird allerdings noch ein Sponsor gesucht. Geplant sind weiterhin Friedensgebete in der Woche vor dem 10. Juni.

Im vorigen Jahr waren es viele verschiedene Aktionen, mit denen die Jenaer zeigten, dass in der Stadt kein Platz für Nazis ist. Dieses Mal soll es eine Aktion am 10. Juni sein, an der sich die verschiedenen Gruppen beteiligen. Der Studentenrat plant einen Demonstrationszug. "Wir müssen so viel Bürger wie möglich auf die Straße bekommen an diesem Tag", sagte gestern Rea Mauersberger vom Koordinierungsbüro.

TLZ, 12.04.0611.04.2006 Von Barbara Glasser

Ziel: Mehr Leute als im Vorjahr

Jena. (tlz) Das Ziel ist klar: "Wir müssen am 10. Juni mehr Jenaer gegen das so genannte Fest der Völker der NPD auf die Straße bekommen als im vorigen Jahr", sagte gestern Rea Mauersberger vom Koordinierungsbüro des Runden Tisches für Demokratie (Kokont). Zumal damit gerechnet werden müsse, dass die NPD mehr Anhänger in Jena zusammenzieht als im vergangenen Jahr.

Gestern traf sich die Arbeitsgruppe des Runden Tisches, die sich mit der Vorbereitung von Aktionen zum 10. Juni beschäftigt. Bislang liegen Informationen darüber vor, dass der Studentenrat der Universität und die Junge Gemeinde etwas planen. Noch aber fehlen weitere konkrete Ideen. Einigkeit herrschte in der Arbeitsgruppe darüber, dass, ähnlich wie im Vorjahr, auch in diesem Jahr bereits im Vorfeld des 10. Juni Veranstaltungen stattfinden müssen, vielleicht wieder mit Andachten und Demonstrationen in der Innenstadt. Und Konsens gibt es auch darüber, dass es wieder eine Abschlussveranstaltung geben muss. Aber: "Voriges Jahr haben sich manche Veranstaltungen gegenseitig Konkurrenz gemacht", sagte Rainer Hofmann von der Lobedaer Initiative für Zivilcourage. Rea Mauersberger hingegen ist der Meinung: "So etwas lebt davon, dass viele kleine Gruppen etwas unternehmen." Vielleicht könne man weitere Studenten animieren, an diesem Tag auf die Straße zu gehen.

Der 10. Juni hat eine ganz besondere Brisanz in diesem Jahr. Es werden ausländische Besucher der Fußball-Weltmeisterschaft hier sein. An der Universität findet eine Friedenspsychologie-Konferenz mit Gästen aus Israel und den USA statt. Und es gibt in der Schulstraße ein Fest der Aussiedler.

Sa 08 Apr, 16:19 UhrYahoo

Portugiesische Neonazis drohen mit Krawallen

Lissabon (dpa) - Portugiesische Rechtsradikale haben mit Ausschreitungen während der Fußball-WM in Deutschland gedroht. Der Anführer der Neonazi-Partei Frente Nacional (FN), Mário Machado, kündigte Aktionen für das Spiel zwischen Angola und Portugal am 11. Juni in Köln an.

«Es wird Probleme mit den Fans geben», wurde Machado in der Wochenzeitung «Expresso» zitiert. Am 9. Juni sei in Jena ein Treffen von Skinheads aus mehreren europäischen Ländern geplant, hieß es weiter. Im Visier der Neonazis seien vor allem die afrikanischen Mannschaften, beispielsweise die frühere portugiesische Kolonie Angola. In Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden habe die portugiesische Polizei eine 18-köpfige Sondereinheit gebildet. Diese soll während der WM radikale Gruppierungen wie die Frente Nacional (Nationalfront) unter Kontrolle halten.

TLZ, 30.03.0629.03.2006 Von Barbara Glasser

Gefälschter Brief verunsichert Jenaer

Jena. (tlz) Mit einem gefälschten Brief "Offener Brief an die Jenaer Bevölkerung" wollen Unbekannte derzeit versuchen, den Jenaer Preis für Zivilcourage zu verunglimpfen. "In diesem Jahr wurden Personen ausgezeichnet, die gegen geltendes Recht der Bundesrepublik Deutschland verstießen", heißt es dort. Geehrt wurden im Februar Katharina König und die Junge Gemeinde Stadtmitte für ihr Engagement gegen das so genannte Fest der Völker der NPD am 11. Juni des vergangenen Jahres, zudem zwei Asylbewerber, die sich gegen die Residenzpflicht von Asylbewerbern in der Bundesrepublik wenden. Dazu heißt es in dem "Offenen Brief": Die mit der Einhaltung des Residenzpflichtgesetzes "beauftragten Beamten richten ihr Augenmerk selbstverständlich vor allem auf Menschen mit dunklerer Hautfarbe". Das "Schärfste" an dem Brief: Als Absender ist "Ihre Polizeiinspektion Jena" benannt. Außerdem haben die Verfasser offenbar einen Briefkopf entworfen, in dem neben der Polizeidirektion Jena auch die Abteilung Polizei im Innenministerium auftaucht.

"Der Brief ist weder von der Thüringer Polizei noch vom Innenministerium", sagte gestern Nachmittag Dietmar Antrack, Mitarbeiter der Polizeiabteilung des Innenministeriums. Das Schreiben werde nun untersucht, die Polizei werde gegen die Urheber ermitteln.

"Definitiv stammt dieser Brief nicht von der Jenaer Polizei", sagte auch Willi Baumgarten, der Stellvertreter des Jenaer Polizeidirektors. Die Polizei werde nun zunächst wegen Amtsanmaßung ermitteln. "Wir werden auch den Inhalt prüfen wegen eventueller weiterer Straftaten", so Baumgarten. Dazu werde der Brief der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Die Jenaer Polizeibeamten würden auch informiert, um künftig auftauchende Briefe dieser Art sicherzustellen.

"Der Brief ist gefälscht", so auch Stadtrat Jürgen Haschke (Bürger für Jena), der im Briefkasten der "Bürger für Jena" auch ein solches Schreiben gefunden hatte. Solche Briefköpfe - ohne Ansprechpartner, Bearbeitername und Einwahlnummer - gebe es nicht im Erfurter Innenministerium. Zudem: Wenn ein Polizeibeamter einen solchen Brief geschrieben hätte, wäre er schon entlassen worden.

"Mehrere Leute, alle aus der Innenstadt, haben diesen Brief in die Junge Gemeinde gebracht", erzählt Katharina König. Es sei fatal, dass die meisten dieser Leute, das Schreiben für echt befunden und der Jenaer Polizei zugeordnet hatten.

Jena-TV, 30.03.06Gesendet 14:26 Uhr, 30.3.2006, cd

Polizei ermittelt wegen Amtsanmaßung

Jena: Die Jenaer Polizei hat gegen Unbekannt Ermittlungen wegen Amtsanmaßung aufgenommen. Hintergrund ist ein gestern im Stadtzentrum aufgetauchter Brief, der den Absender Polizeidirektion Jena und Thüringer Innenministerium trägt. Klar ist bisher nur, dass es sich um einen gefälschten Brief handelt. Der bisher unbekannte Absender versucht mit seinem "Offenen Brief an die Jenaer Bevölkerung", den Jenaer Preis für Zivilcourage zu diskreditieren. Der Preis war in diesem Jahr an Katharina König und die Junge Gemeinde Stadtmitte für ihr Engagement gegen das NPD-Fest am 11. Juni sowie an zwei Asylbewerber vergeben worden. Im Nachhinein hatten sich Diskussionen um die Preisträger entsponnen. An der Polizei ist es nun, die Urheber zu ermitteln. Heute gab es auf JenaTV-Nachfrage hin noch keine neuen Erkenntnisse.

TLZ, 25.03.0624.03.2006 Von Lioba Knipping

Zivilcourage geht alle an

Bürgerliche Mitte und Linke gemeinsam gegen Rechtsradikalismus? Es gab viele Zweifel, doch das geht. Das hat Jena im vergangenen Jahr zum so genannten Fest der Völker bewiesen, mit dem die Neonazis auftrumpfen wollten

Und dieser Schulterschluss setzte sich fort mit der Verleihung des Zivilcourage-Preises im vergangenen Monat. Doch nun muss man sich die Frage stellen, ob es nur ein vermeintlicher Schulterschluss war oder ob dieser Zusammenhalt auch in diesem Jahr und in den Folgejahren trägt.

Dass Zeiss-Chef Franz von Falkenhausen als selbst ernannter Vorkämpfer für das bürgerliche Lager und als Geldgeber für den Preis mit der Auswahl der Preisträger jetzt im Nachhinein nicht einverstanden ist, verwundert.

Bislang regte er lediglich an, es sollten auch die "kleinen" Fälle von Zivilcourage anerkannt werden. Er nannte als Beispiele etwa das Aufbegehren von Kindern gegen diktatorische Väter und das Beschützen in die Enge getriebener junger Menschen durch Mitschüler. Wäre ein solches oder ein ähnliches Beispiel unter den Vorschlägen gewesen, hätte es sicherlich Berücksichtigung finden können. Eine konstruktive Anregung des Preisstifters!

Nun waren aber acht von zehn Vorschlägen auf das Großereignis des vergangenen Jahres eingegangen. Und die Jury war demokratisch vom Runden Tisch für Demokratie ausgewählt. Falkenhausen hätte mitwirken können - er kannte die Nominierten, die Vorschläge waren ihm zugeleitet worden.

Nach vier Wochen nun nachzukarten, erscheint billig. Und die von Falkenhausen ausgelöste Debatte ist schädlich. Zumal es für Jena, das "Tor zur Welt", wichtig ist, im Kampf gegen Rechtsradikalismus, gegen Fremdenhass und für Zivilcourage zusammenzustehen.

Gleichwohl: Der Runde Tisch darf nicht in eine politische Richtung eiern. Alle demokratischen Kräfte müssen weiterhin dort sitzen. Vielleicht wäre dies eine Möglichkeit: Man setzt sich gemeinsam hin und überdenkt die Kriterien für die Vergabe des Preises. Falkenhausen könnte hier - nichtsdestotrotz - ein Beispiel geben und mitwirken, statt hinterher einen distanzierenden Brief an den OB zu schreiben. Er ist doch sonst nicht bange!

Es wäre höchst bedauerlich, wenn es nun zur Spaltung käme. Das sollte verhindert werden. Zivilcourage geht uns alle an. Herr Oberbürgermeister, bitte vermitteln! Und nicht einfach Falkenhausen nachbeten!

TLZ, 23.03.06 Von Barbara Glasser

Die rechte Szene ist nicht inaktiv

Jena. (tlz) Es ist sehr ruhig in Jena angesichts dessen, dass die NPD am 10. Juni das zweite "Fest der Völker" in Jena angemeldet hat. Im vergangenen Jahr waren bei der ersten Auflage des Nazi-Aufmarschs viele demokratische Gruppen voller Pläne, als es Mitte März war. Rechtsamtsleiter Martin Pfeiffer verkündete am Dienstag Abend am Runden Tisch, dass die Stadt momentan davon ausgehe, dass es keine Gründe gebe, die NPD-Veranstaltung zu verbieten. Und dass mit mehr Teilnehmern als im vergangenen Jahr gerechnet werde.

Beim Blick ins Internet spricht vieles dafür, dass dies auch so sein könnte. Denn inzwischen sind sieben Redner angemeldet beim "Fest der Völker", zudem vier Musikgruppen und diverse Informationsstände.

Die Jenaer rechte Szene zeigt zwar derzeit keine öffentlichen Aktivitäten in Jena seit dem "Fest der Völker" im vergangenen Jahr. Aber sie ist nicht inaktiv. Darüber informierte René Treunert, der Chef der Polizeiinspektion, am Dienstag beim Runden Tisch. Die Jenaer Aktiven der rechten Szene seien sehr viel unterwegs, erst am vergangenen Wochenende in Lichtenhain bei Oberweißbach. Auch seien die Aktivitäten an Jenaer Schulen und im Bereich der Fußballfans besorgniserregend. "Bei Auswärtsspielen des FC Carl Zeiss erscheinen nicht nur Fans, sondern eben auch Glatzen", so Treunert. Es gebe bereits Gespräche mit dem Fanprojekt darüber. Die Polizei wolle auch bei Heimspielen beobachten, wer sich da unter die Fans mischt. Treunert äußerte die Vermutung, dass die rechte Klientel derzeit prüft, wie gut oder schlecht sie am 10. Juni sein müssen. "Ich habe etwas Sorgen, wie wenig Zeit noch bleibt", so Treunert.

Gegen ein Verbot des "Festes der Völker" ist Prof. Dr. Wolfgang Behlert, Mitglied des Beraterkreises des Runden Tisches für Demokratie. "Verbote bringen nichts. Für meine Begriffe müsste die Stadt den Nazis klar machen: Es macht keinen Spaß in Jena." Aus seiner Sicht wäre ein mieses Fest für die NPD besser und wirksamer als ein Verbot.

Jena-TV, 23.03.06gesendet 14:37 Uhr, 23.3.2006, cd

Keine Zwei-Drittel-Mehrheit für "Aktuelle Stunde"

Jena: Keine Zwei-Drittel-Mehrheit fand gestern im Stadtrat der Geschäftsordnungsantrag zum "Preis für Zivilcourage" von Roman Rösener (Die Linke.PDS). Rösener wollte in einer "Aktuellen Stunde" die Medienberichte der vergangenen Tage über die jüngste Sitzung des Runden Tisches für Demokratie diskutiert haben. Doch nach einer Auszeit der Fraktionsvorsitzenden votierten nur 22 Stadträte für die "Aktuelle Stunde"; 18 waren dagegen. Hauptargument von Jürgen Haschke (Bürger für Jena): Man müsse sich erst genau informieren und könne nicht unvorbereitet ein solches Thema behandeln.

Jury-Mitglied Roman Rösener, der bei der Sitzung des Runden Tisches nicht anwesend war, hatte eine gemeinsame Position des Stadtrates gefordert. Und er verwahrte sich gegen den Vorwurf, der Preis werde instrumentarisiert. Oberbürgermeister Dr. Peter Röhlinger gab namens des Hauptausschusses schließlich eine Erklärung ab: Auch bei der geplanten NPD-Veranstaltung am 10. Juni werde die Stadt mit der gleichen Geschlossenheit wie 2005 auftreten. Man müsse erneut deutlich machen: Die Straße gehört den Demokraten.

TLZ, 23.03.0622.03.2006 Von Barbara Glasser

"Man muss das Ergebnis akzeptieren"

Jena. (tlz) Heiß diskutiert wurde gestern die Kritik des Zeiss-Geschäftsführers Dr. Franz von Falkenhausen an der Vergabe des Preises für Zivilcourage. Er hatte sich als Geldgeber des Preises in einem Brief an den Oberbürgermeister beschwert, dass die Preisträger (Katharina König und die JG Stadtmitte für ihren Einsatz gegen das "Fest der Völker" am 11. Juni des vergangenen Jahres sowie zwei Asylbewerber) nicht neutral ausgewählt worden seien (TLZ berichtete).

"Wenn sich Herr Falkenhausen missbraucht fühlt, ist das seine persönliche Sicht. Ich finde es schwierig, wenn einzelne Personen, die mit bestimmten Ergebnissen nicht einverstanden sind, die Position einer Jury nicht aushalten können", sagte gestern Prof. Dr. Wolfgang Behlert. Er sitzt von Anfang an mit am Runden Tisch für Demokratie, war Laudator bei der Preisverleihung und gehört zum Beraterkreis des Kontaktbüros des Runden Tisches für Demokratie.

Dass Menschen Sachverhalte unterschiedlich beurteilen, sei selbstverständlich und nicht sensationell, so Behlert. Aber bei der Meinungsäußerung Falkenhausens müsse er sich schon fragen, warum der sich nicht an der Entscheidung beteiligt habe. Man müsse vielleicht nun über den Charakter des Preises neu nachdenken: "Wenn die Wirtschaft sagt, wir geben das Geld und wollen den Preis auch vergeben, ist das in Ordnung. Aber wenn der Runde Tisch bzw. die von ihm beauftragte Jury den Preis vergibt, dann muss man das Ergebnis akzeptieren." Franz von Falkenhausen könne nicht im Nachhinein sein persönliches Problem auf die Jury abladen.

Spaltung wäre bedauerlich

Roman Rösener, PDS-Stadtrat und Mitglied der Jury, sagte: "Ich würde es zutiefst bedauern, wenn es jetzt zu einer Spaltung zwischen dem so genannten bürgerlichen Lager und dem Protestlager, also der Linken, kommt." Er möchte, dass auch in Zukunft alle an einem Tisch sitzen, wenn es um Nazis geht. "Natürlich ist es legitim, die Entscheidung einer Jury zu kommentieren, wobei sich das relativiert, wenn der Kritiker die Möglichkeit an der Teilnahme an der Jury-Sitzung nicht nutzt", so Rösener. Im Übrigen hätten sich 80 Prozent aller Vorschläge für den Zivilcourage-Preis um den 11. Juni gedreht. Also sei für die Jury schnell klar gewesen, dass der Preisträger aus dem Umfeld kommen müsse. Ob alle Handlungen im Zusammenhang mit der Blockade des GriesŽ im Rahmen der geltenden Gesetze waren, die Frage sei nicht diskutiert worden. Aber: "Katharina König hat dort moderiert und zur Besonnenheit aufgerufen, also nichts Illegales getan. Und wenn es etwas Illegales war, dann haben alle, die bei der Blockade waren, etwas Illegales getan." Was da jetzt im Nachhinein diskutiert werde, erinnere ihn an das Vorgehen der eifrigen hessischen Polizeibeamten: Sie hatten am 11. Juni 2005 Leute festgenommen, die Barrikaden ab- und nicht aufgebaut haben.

Es sei schade, dass es nun Reibungen zwischen der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft gebe. "Vielleicht sollte man den Preis künftig mit Bürgerspenden finanzieren oder ohne Geld ausrichten", schlägt Rösener vor. "Bei einem Ehrenpreis wäre die Meinung Herrn von Falkenhausens eine Bürgermeinung wie viele andere eben auch", sagte Roman Rösener.

Die Rede von TLZ-Chefredakteur Hans Hoffmeister zur Verleihung des Zivilcourage-Preises am 21. Februar 2006 in Jena ist nachzulesen unter www.tlz.de/aktionen

TLZ, 22.03.0621.03.2006 Von Barbara Glasser

Preis auch für den Ungehorsam?

Jena. (tlz) Darf bei einem Preis für Zivilcourage auch ziviler Ungehorsam mit einer Auszeichnung bedacht werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich gestern Abend der Runde Tisch für Demokratie. Und Prof. Dr. Wolfgang Frindte trat als Mitglied der Jury für die Vergabe des Zivilcourage-Preises zurück.

Anlass war ein Brief von Zeiss-Geschäftsführer Dr. Franz von Falkenhausen an den Oberbürgermeister nach der diesjährigen Preisverleihung im Februar. Den Preis hatten zwei Asylbewerber für ihren Kampf gegen die so genannte Residenzpflicht bekommen sowie Katharina König und die Junge Gemeinde für den Einsatz gegen das "Fest der Völker" der NPD am 11. Juni des vergangenen Jahres.

Oberbürgermeister Dr. Peter Röhlinger informierte gestern darüber, dass der Zeiss-Geschäftsführer, der in diesem Jahr das Preisgeld gesponsert hatte, sich beschwert habe, dass die Preisträger nicht neutral ausgewählt worden seien. Falkenhausen habe sich von der Preisvergabe distanziert, sich missbraucht gefühlt und kritisiert, dass er keinen Einfluss auf die Auswahl der Preisträger gehabt habe. Zudem sollten keine politischen Mandatsträger - Katharina König sitzt in der Stadtratsfraktion der PDS - als Preisträger erwählt werden. "Ich stehe nun vor der Aufgabe, in wenigen Wochen zur zweiten Auflage des ŽFestes der VölkerŽ viele Leute zu mobilisieren", sagte Peter Röhlinger. Die Nachdiskussion um den Preis für Zivilcourage aber habe polarisierend gewirkt. Wie solle man nun eine starke bürgerliche Mitte aktivieren?

Termin war mit Geldgeber abgestimmt

"Der Zeiss-Chef kann nicht gegen einen Jury-Entscheid intervenieren", sagte indes Wolfgang Frindte, der selbst mit dabei war, als am 11. Juni der Gries blockiert worden war. Im Übrigen sei der Termin des Jury-Entscheids mit Dr. Falkenhausen abgestimmt gewesen, dieser aber sei nicht erschienen.

"Keiner der bisherigen Geldgeber für den Preis hat so Einfluss nehmen wollen auf die Wahl des Preisträgers", ergänzte Sozialdezernent Dr. Albrecht Schröter, Jury-Mitglied und ebenfalls Teilnehmer an der Blockade auf dem Gries. Er selbst habe den couragierten Einsatz von Katharina König erlebt. Und ob jemand politischer Mandatsträger sei oder nicht, das könne kein Kriterium für den Preis darstellen. "Ich hoffe, dass uns diese nachträgliche Diskussion nicht auseinanderdividiert", so Schröter. "Wir haben als Demokraten in der Jury versucht, eine Entscheidung zu treffen. Dafür braucht man sich im Nachhinein nicht zu schämen." Er bat Wolfgang Frindte, seinen Rücktritt aus der Jury zu überdenken.

Offen blieb bei der gestrigen Diskussion, ob die Jury künftig Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer bekommen wird. "Wir werden, egal wer ausgezeichnet wird, immer eine politische Diskussion haben. Jetzt wird hier eine Diskussion geführt, die eigentlich hätte nach dem 11. Juni geführt werden müssen. Und im Übrigen: Die Zusammensetzung der Jury ist Sache des Runden Tisches", sagte Superintendent Diethard Kamm, der den Vorsitz des Runden Tisches inne hat.

OTZ, 22.03.06Von OTZ-Redakteur Michael Groß am 21.03.2006

Krach um Zivilcourage-Preis

Runder Tisch für Demokratie will trotz Kritik am 10. Juni Tausende auf die Straße bringen

Jena. Wenn am 10. Juni die NPD erneut zu einem "Fest der Völker" in Jena aufruft, dann wollen alle demokratischen Kräfte dieser Stadt dagegenhalten. Dies bekräftigte gestern Abend der Jenaer Runde Tisch für Demokratie. Sowohl die Stadt, wie Oberbürgermeister Dr. Peter Röhlinger und Kulturdezernent Dr. Albrecht Schröter versicherten, als auch Kirchen, Parteien, Organisationen, Vereine, die Polizei und engagierte Bürger wollen wieder für einen solchen Erfolg sorgen wie im Vorjahr, als die Bürger in Jena ein vielbeachtetes Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus setzten.

Dieses klare Bekenntnis kam gestern einmütig von den Vertretern des Runden Tisches. Und dies, obwohl es zuvor auch Kritik gegeben hatte. Sie bezog sich auf die jüngste Verleihung des Preises für Zivilcourage. Die Kritik sowohl an der Vergabe wie auch an dem, was bei der Preis-Veranstaltung am 21. Februar gesagt wurde, kommt von Zeiss-Geschäftsführer Franz von Falkenhausen, der Polizei und der städtischen Ordnungsbehörde.

So berichtete OB Röhlinger gestern vor dem Runden Tisch im Rathaus von einem Schreiben Falkenhausens an ihn. Darin habe sich Falkenhausen von der Verleihung des Preises für Zivilcourage an die beiden Asylbewerber, den Algerier Karim Kebir und den Palästinenser Ahmed Sameer al- Husseini für ihr Engagement gegen die so genannte Residenzpflicht für Asylbewerber und an Katharina König und die Junge Gemeinde Stadtmitte für deren Einsatz gegen den rechten Aufmarsch am 11. Juni 2005, distanziert. Der Preis sei politisch instrumentalisiert worden. Gleichzeitig habe der Zeiss-Chef aber angekündigt, auch künftig die Preisverleihung als Sponsor zu unterstützen, wenn klare Bedingungen aufgestellt würden, die einen politischen Missbrauch verhindern.

Kritik gab es auch von René Treunert, Chef der Jenaer Polizei. Er und seine Kollegen hätten die Preis-Veranstaltung gleich danach verlassen, weil einer der Preisträger Polizisten pauschal als Rassisten bezeichnet hätte. Martin Pfeiffer, Chef des Jenaer Rechtsamtes, äußerte gleichfalls Bedenken. Die Wahl sei nicht wirklich glücklich gewesen, weil damit ziviler Ungehorsam von Katharina König und der Jungen Gemeinde am 11. Juni auch noch belohnt worden sei.

Jenas OB Röhlinger betonte, die Preisverleihung habe bedauerlicherweise polarisiert in Jena. Damit müsse sich der Runde Tisch kritisch auseinandersetzen, "sonst bekomme ich am 10. Juni nicht genug Menschen auf die Straße". Und es sei doch das Ziel, die Straße nicht den Rechten zu überlassen, sondern eine wirklich breite bürgerliche Mitte zu mobilisieren.

Die in die Kritik geratene Jury wies die Vorwürfe zurück. Man habe sich sehr bemüht, aus den zehn Vorschlägen die besten herauszufiltern. Jurymitglied Prof. Wolfgang Frindte bot seinen Rücktritt an. Jenas Kulturdezernent Dr. Albrecht Schröter (ebenfalls Jurymitglied) bat ihn, davon abzusehen. Er regte an, für die nächste Preisverleihung klare Kriterien aufzustellen und vor allem für wesentlich mehr Vorschläge zu sorgen.

Befremdet äußerten sich Jurymitglieder über Falkenhausens Kritik. Er sei ja selber Mitglied der Jury gewesen und habe die Unterlagen zu den Preisträgern schon eine Woche vorher besessen, wäre aber bei der entscheidenden Sitzung nicht anwesend gewesen. Am Runden Tisch gab es gestern jedoch den Willen, noch einmal gründlich über Vergabe-Kriterien zu diskutieren.

Das wird dann unter einer neuen Chefin von KoKont Jena (Koordinierungsstelle und Kontaktbüro des Runden Tisches) geschehen. Denn Rainer Hartmann verlässt KoKont zum 10. April. Seine Nachfolgerin ist Uta Lemke, Pastorin und Sozialarbeiterin der Evangelischen Kirche.