Episode 14: Gemeinsames Treffen von Vertretern der Thüringer AfD-Landtagsfraktion und Neonazis in Meiningen
In Thüringen verkleiden sich extrem rechte Gruppen gerne als vermeintliche Bürgerinitiativen und heißen zum Beispiel „Wir lieben Gera“ oder „Bürgerinitiative Wir lieben den Saale-Holzland-Kreis“, in allen Fällen sind die Verantwortlichen Neonazis. Mitarbeiter der Thüringer AfD-Fraktion trafen sich nun mit der Gruppe „Wir lieben Meiningen“, die auf Rechtsrock-Konzerten Verkaufsstände betreibt und selber Neonazi-Musikveranstaltungen organisiert.
Im Juli hatten wir mit 13 Beispielen deutlich gemacht, welche intensiven Verbindungen es zwischen extremer Rechte und der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) in Thüringen gibt. Auch der Burschenschafter Torben Braga spielte dort bereits eine Rolle. Er ist Mitglied der Marburger Burschenschaft Germania, bei der es Überschneidungen mit der neonazistischen Kameradschafts-Szene gibt, auch wurden dort gemeinsam Vorträge mit Neonazis durchgeführt. Braga wurde Ende 2014 zum Sprecher der „Deutschen Burschenschaft“ gewählt, die mit der Diskussion um den „Arierparagrafen“ und einem internen Rechtsruck für Aufmerksamkeit sorgte. Im November 2015 war er zunächst Praktikant in der AfD-Fraktion und flog wegen seiner Gesinnung aus mehreren Landtagsausschüssen. Inzwischen ist er „Assistent des Fraktionsvorsitzenden“, arbeitet damit direkt für Björn Höcke und ist dessen regelmäßiger Begleiter bei AfD-Veranstaltungen auch in anderen Bundesländern wie bei der Schweriner AfD-Wahlparty nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September 2016. Als Vertreter der Thüringer AfD-Landtagsfraktion reiste Braga Ende September 2016 mit einer weiteren Fraktionsmitarbeiterin nach Meiningen, um sich dort mit der Gruppe „Wir lieben Meiningen“ zu treffen. Dabei handelt es sich um keine rechtspopulistische oder rechtskonservative Gruppe, sondern um einen Zusammenschluss überzeugter Neonazis, der innerhalb der extrem rechten Szene Aktionen organisiert.
„Wir lieben Meiningen“ – Rechtsrock, Hakenkreuz-Codes und Neonazi-Aktivitäten
Seit Juni 2015 existiert die junge Gruppe mit dem Namen „Wir lieben Meiningen“, die aktionistisch mit Flugblättern, nächtlichen Transparentaktionen, mit Videobotschaften auf Youtube, mehreren Internetangeboten sowie Info- und Verkaufsständen auftritt. Die AGST hatte bereits über die Gruppe um Marko Wietzke, Robert Krause und Chris Müller informiert. Im Sommer 2016 trat „Wir lieben Meiningen“ auch schwerpunktmäßig mit Neonazi-Musikveranstaltungen in Erscheinung, drei Beispiele:
Am 11. Juni 2016 fand in Sömmerda der „Thüringentag der nationalen Jugend“ statt, ein regelmäßiges Neonazi-Open Air Konzert, das vor 14 Jahren vom mutmaßlichen NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben mitgegründet worden war. Es traten mehrere Neonazi-Bands wie „Nordglanz“, „Sturmwehr“ oder „Sachsenblut“ auf. Auch Thüringer NPD-Funktionäre wie Thorsten Heise und Tobias Kammler hielten Reden vor ca. 120 Besuchern.
Die Gruppe „Wir lieben Meiningen“ war mit einem Verkaufsstand vor Ort, um T-Shirts, Anti-Moschee-Buttons, Sticker und „Aktivistenpakete“ mit Aufklebern und Neonazi-CDs zu verkaufen. Von der Gruppe selbst veröffentlichte Fotos zeigen, dass auch die CD „Klage gegen das Vergessen“ zum Verkauf angeboten wurde.
Es ist die zweite Scheibe des Neonazi-Balladensängers „Odur“ aus Sachsen-Anhalt, nach dem seine erste CD durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wurde. Wie der MDR dokumentierte, rief beim Konzert ein Redner von der Bühne: „Wir werden mit hunderten sportlichen Kerlen durch die roten Viertel laufen und notfalls Kommunisten auf die Fresse hauen“. Die Polizei nahm unter anderem zwei Anzeigen wegen des Zeigen des Hitlergrußes auf.
Am 16. Juli 2016 fand in Sondershausen das Neonazi-Openair Konzert „In.Bewegung – Das politische Fest der Nationalen“ statt, bei dem „Wir lieben Meiningen“ erneut vertreten war und Material an die Szene verkaufte. Unter den aufgetrenen Bands war auch „Die Lunikoff Verschwörung“, das Nachfolgeprojekt der als kriminellen Vereinigung verbotenen Band Landser.
Auf dem Verkaufstisch der Gruppe lagen ebenfalls schwarze T-Shirts mit der rot-weißen Aufschrift „HKN KRZ“ aus, die für „Hakenkreuz“ und vom bayrischen NPD-Funktionär Patrick Schröder vertrieben werden, der im gleichen T-Shirt mit hinter dem Stand neben der WLM-Mannschaft stand. Als Redner beim Konzert war auch Dieter Riefling angekündigt, ein ehemaliger Funktionär der verbotenen Gruppen FAP und Blood & Honour. „Wir lieben Meiningen“ traf sich auf dem Fest mit dem neonazistischen Liedermacher Frank Rennicke, der für die NPD schon zweimal als Bundespräsidentschaftskandidat auftrat. Rennicke sprach für die Meininger Neonazi eine Video-Grußbotschaft ein, die über Facebook verbreitet wurde. Am Tag nach dem Konzert veröffentlichte WLM ein Gruppenfoto vom Konzert, auf dem 6 Personen mit T-Shirts samt Logo „Wir lieben Meiningen“ mit Rennicke gemeinsam posierten. Im November des Vorjahres hatte die Gruppe sich schon einmal bei eienm Neonazi-Konzert in Kloster Veßra mit Frenck ablichten lassen.
Am 10.09.2016 organisierte „Wir lieben Meiningen“ einen „1. Patriotischer Liederabend“, zu dem u.a. der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende Patrick Weber als Redner sowie ein Verkaufsstand seines Neonazi-Musikhandels „Germania Versand“ angekündigt war. Einen Live-Auftritt absolvierte Karin Mundt, Sängerin des Projektes „Wut aus Liebe“ und ehemalige NPD-Funktionärin. Während des Auftritts in Meiningen trug sie ein Shirt der Neonazi-Band „Überzeugungstäter“ aus dem Vogtland. Sie war vor einigen Jahren bereits auf dem Sampler „Balladen des nationalen Widerstandes“ mit anderen Neonazi-Musikern beteiligt. Als am 26. Oktober 2014 in Köln die Hooligan-Demonstration von „HoGeSa“ eskalierte, lieferte Mundt von der Bühne aus den Soundtrack dazu. Ebenfalls von „Wir lieben Meiningen“ zum Liederabend im September 2016 eingeladen war der Neonazi-Liedermacher „Freilich Frei“ aus Zwickau, der den NSU als „Vorbilder“ und „die Größten unserer Zunft“ bezeichnete. 2015 fand eine Hausdurchsuchung bei ihm statt.
Am 24.09.2016 führte die extrem rechte Partei „Die Rechte“ in Meiningen eine Kundgebung durch, bei der die gewalttätige Spitze der Partei, Landesvorsitzender Enrico Biczysko und sein Stellvertreter Michel Fischer beteiligt waren. Beide waren in der Vergangenheit mehrfach an Überfällen beteiligt. Letzterer wurde wegen einem gewalttätigen Übergriff auf ein 13-jähriges Kind verurteilt, ein Zeuge berichtete auch, dass Fischer mehrere Kinder als „Judensäcke“ beschimpft hatte. „Wir lieben Meiningen“ war ebenfalls an der Kundgebung beteiligt, für die offizielle Homepage der Partei „Die Rechte“ haben sich Mitglieder der Gruppe in ihren WLM-Shirts ablichten lassen.
AfD-Mitarbeiter im Handschlag mit Neonazis
Auf der Facebook-Seite der Gruppe finden sich weitere eindeutige NS-Bezüge, zum Beispiel Werbung für ein Konzert des Neonazis Tommy Frenck in Kloster Veßra oder ein Foto der Jahresabschlussversammlung von WLM im Januar 2016, auf dem ebenfalls eine Person Kleidung mit dem Aufdruck „HKN KRZ“ (Hakenkreuz) trägt. Mitglieder der Gruppen nahmen an neonazistischen Demos in Thüringen wie „Thügida“ teil.
Es ist also offensichtlich, dass „Wir lieben Meiningen“ keine harmlose Bürgerinitiative, sondern ein Projekt von Neonazis ist. Das hielt, die AfD Fraktion im Thüringer Landtag nicht davon ab, ein gemeinsames Treffen durchzuführen. Auf der Facebook-Seite von „Wir lieben Meiningen“ erschien am 30. September 2016 ein Bericht unter der Überschrift „Kein Bock auf Spalter! Wir reden mit jedem! Besuch von der Presserstelle der AFD (Alternative für Deutschland) bei Wir lieben Meiningen und weitere Ausführungen“. Ort war das Vereinsheim, in dem bereits der Neonazi-Liederabend vier Wochen zuvor stattfand. Man habe sich „im Sinne der Vernetzung und des ungefilterten Meinungsaustausches“ getroffen. Weiter heißt es: „aber vor allem kam dieses Treffen durch den im Vorfeld sehr gradlinigen Einsatz von Ann-Katrin Magnitz zustande – welche sich gemeinsam mit Torben Braga sehr für einen Austausch rund um die kritischen Themen die unsere Stadt bewegen interessierte. Wohl auch weil die Zustände in Meiningen immer stärker im Thüringer Landtag zum Thema werden“.
Das Treffen soll am 28. September 2016 stattgefunden haben, am selben Nachmittag hielt Björn Höcke im Thüringer Landtag in einer von der AfD beantragten Aussprache unter dem Titel „Pulverfass‘ Flüchtlingsunterbringung in Meiningen – ein neuer Konfliktherd wie in Bautzen?“ eine Rede und sprach von Ausländern, die den öffentlichen Raum „erobern“ würden. Höcke stellte auch Behauptungen auf, ohne Belege oder seriöse Quellen nennen zu können, verwies dabei nebulös auf „Augenzeugenberichte“. Der zuständige Justizminister konnte seine Behauptungen auch nicht nachvollziehen oder bestätigen. Dass Höcke sich auch auf Informationen der Meininger Neonazis bezogen haben könnte, liegt zumindest nahe, wenn sich sein persönlicher Assistent kurz zuvor mit jenen zum gemeinsamen Gespräch traf. Über den Youtube-Account „Wir lieben Meiningen“ wurde am 6. Oktober 2016 auch der Redebeitrag von Höcke ins Netz geladen. In der Beschreibung heißt es: „Nachdem die Pressestelle der AFD (Alternative für Deutschland) in Meiningen bei unserer Bürgerinitiative „Wir lieben Meiningen“ zum Termin vor Ort war, wo mit uns ein überaus interessantes Interview geführt wurde, hier nun die Rede von Björn Höcke im Plenum des Thüringer Landtags am 28.09.2016.“ Offiziell ist die Pressestelle der AfD-Fraktion derzeit durch den WELT-Journalisten Günther Lachmann besetzt, der bei seiner Redaktion rausflog, als er sich während der Journalistentätigkeit als „Teilzeit-Pressestrategie-Berater für die AfD“ für 4.000 € pro Monat gegenüber dem heutigen Lebensgefährten von Frauk Petry, Marcus Pretzell, anbot. Unterstützt wird Lachmann durch Tobias Zeiler, die ursprüngliche Pressesprecherin Laura Schuppert wurde vom Promi-Lachmann verdrängt und arbeitet seit einigen Wochen unter André Poppenburg für die AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt.
Ann-Katrin Magnitz, die auch bei dem Meininger Gespräch beteiligt war, ist Vorstandsmitglied der AfD-Hochschulgruppe (JA) an der Universität Kassel und Vorstandsmitglied bei der Jungen Alterantive Hessen. Sie ist ebenfalls in der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag tätig. Die 23-Jährige ist die Tochter vom Sprecher des Bremer AfD-Landesvorstandes, Frank Magnitz, der von Björn Höcke bereits zur Erfurter AfD-Kundgebung am 18. Mai 2016 als Redner eingeladen wurde. Bei einem Sonderparteitag im Mai 2016 kam es zu Machtkämpfen in der Bremer AfD, ein ehemaliges Vorstandsmitglied war dem Vorstand vor: „Der Führungsstil in diesem Landesverband ist diktatorisch und indiskutabel“.
Als Frank Magnitz bereits im Jahr zuvor eine Bilanz zog und sich über den ehemaligen Vorsitzenden Bernd Lucke wunderte, „wie sich dieser Mann zur tragischen Figur macht und mit aller Kraft versucht sein Werk zu zerstören“ teilte auch Tochter Magnitz den Beitrag in einer internen Facebook-Gruppe der „Jungen Alterantive“ mit dem Zusatz „Mein Pappa „like“-Emoticon“. Vater Magnitz ist auf Facebook auch mit den AfD-Politikern Lars Steinke und Reimond Hoffmann befreundet, über deren mangelnde Berührungsänste mit Neonazis wir bereits berichtet hatten. Nach dem Treffen von Neonazis und AfD Ende September 2016 in Meiningen veröffentlichte die Seite „Wir lieben Meiningen“ auf Facebook auch Fotos, auf denen Mitglieder von „Wir lieben Meiningen“ im Handschlag mit Braga und Magnitz zu sehen sind. Die Neonazis haben ihre eigenen Gesichter anders als die der AfD-Mitarbeiter dabei verpixelt.
Das Treffen verdeutlicht erneut, dass zwischen der AfD Thüringen bzw. ihrer Landtagsfraktion und Neonazis aus Thüringen eine Zusammenarbeit stattfindet. In Meiningen kam es in den letzten Monaten auch zu Übergriffen auf Geflüchtete. Im Juni 2016 wurden Bewohner einer Gemeinschaftsunterkunft rassistisch beschimpft und bedroht, im August fuhren mehrere Täter mit ihren Autos vor eine Gemeinschaftsunterkunft und warfen Brandsätze, nach dem sie rassistische Parolen grölten. Da die Brandsätze nicht zündeten, wurde zum Glück niemand verletzt.
, 10. Oktober 2016.