Thüringen: „Jede Abschiebung ist ein Verbrechen“
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Eintragsdatum: 2016-01-19 — Quelle: Roma Thüringen
Am 16. Dezember 2015 verschleppten Thüringer Polizeibeamte mehrere Roma-Familien und andere Flüchtlinge aus ihren Unterkünften und deportierten sie in sogenannte „sichere Herkunftsländer“. Was mit den Menschen dort geschieht, beschreibt die Initiative Roma Thüringen in einer Pressemitteilung, die wir dokumentieren und deren Urteil wir uns nur anschließen können: Abschiebungen sind, egal welche Farben die verantwortlichen Regierungskoalitionen tragen, ein Verbrechen.
Pressemitteilung von Roma Thüringen zu der Sammelabschiebung vom 16.12.2015
Jede Abschiebung ist ein Verbrechen
Seit mehreren Wochen finden in Thüringen Massenabschiebungen von Roma
und anderen Geflüchteten aus sog. Sicheren Herkunftsstaaten statt. Dass
diese Ländern, insbesondere für Roma und andere Minderheiten, nicht
sicher sind, wurde von Roma Organisationen aber auch anderen NGOs mehrfach belegt.
Schon jede Ankündigung einer gewaltsamen Verschleppung in Länder, aus denen Menschen geflohen sind, stellt eine Bedrohung ihrer Existenz dar.
Erst recht gilt das für die tatsächliche Durchführung einer solchen
gewaltsamen Abschiebung durch die deutsche Polizei. Jede Abschiebung ist
ein Verbrechen und ist nicht hinnehmbar.
Im Folgenden berichten wir über die Abschiebungen mehrerer Roma Familien
am 16.12. aus Erfurt nach Belgrad / Serbien. Wir haben diese
Informationen von den Betroffenen selbst erhalten und stehen mit ihnen
in Kontakt.
Aus einer Unterkunft in der Magdeburger Allee wurden 2 AktivistInnen von
Roma Thüringen und ihre drei Kinder abgeschoben. Die Betroffenen
erwachten in der besagten Nacht dadurch, dass PolizistInnen plötzlich in
ihrem Zimmer neben dem Bett standen und das Licht anschalteten. Sie
hatten vorher weder geklingelt noch angeklopft. Den Menschen wurde
außerdem das Telefon abgenommen, als sie Andere von ihrer Abschiebung
benachrichtigen wollten. Damit wurde ihnen auch der Kontakt zu
AnwältInnen verwehrt.
Auch in einer Unterkunft im Juri Gagarin Ring wurde eine
AktivistInnenfamilie von Roma Thüringen abgeschoben. Die Vater der
Verschleppten Familie berichtet, dass jemand von der Ausländerbehörde
bei der Abschiebung mit anwesend war. Die Familie hatte ein Attest für
ihr krankes Kind mit der Empfehlung, dass die Abschiebung gegen die
Familie ausgesetzt werden soll, da diese für das Kind gefährlich ist.
Das Attest wurde der Beamtin gezeigt, die darauf antwortete, dass das
jetzt egal ist und sie abgeschoben werden.
Die Situation jetzt in Serbien ist die, dass sie zu sechst in einem
Zimmer wohnen. Sie sind vorübergehend bei anderen Menschen untergekommen
und werden in 2 Monaten obdachlos sein, da sie keine eigene Wohnung
haben. Die Kinder sind krank. Bei ÄrztInnen wurde sie abgewiesen, weil
sie Rom_nja sind.
In einer Unterkunft in der Stauffenbergallee wurde eine Familie in der
Nacht der Abschiebung nicht in ihrem Zimmer angetroffen. Die Kinder
gingen am nächsten Tag wie immer in die Thomas-Mann Regelschule und in
die Humboldt-Grundschule. Die Polizei hat dann vor der Thomas-Mann
Schule gewartet, um eins der Kinder (14) ohne jegliche Begleitung mit zu
nehmen. Danach ging die Polizei mit diesem Kind in die
Humboldt-Grundschule, um auch das andere, jüngere, Kind mitzunehmen.
Der erwachsene Bruder wollte das Kind aus der Humboldt-Grundschule
abholen. Unter dem Vorwand, dass er das nicht dürfe und der Vater der
Familie kommen solle, um die Kinder abzuholen, wurden die Kinder dort
festgehalten und der Vater musste kommen. In der Zwischenzeit wurde
durch die Schule die Polizei gerufen und als der Vater kam, wurden er
und die Kinder durch die Polizei mitgenommen. Anschließend wurde die
gesamte Familie in die Thüringenhalle gebracht. Dort sollten sie bis zu
ihrer Abschiebung bleiben.
In der Unterkunft Thüringenhalle gibt es eine Registrierung von
BesucherInnen wie im offenen Vollzug. Essen gibt es nur in der Halle zu
bestimmten Zeiten. Die Kinder durften nicht mehr zur Schule. Die Familie
erhielt kein Geld mehr, sondern nur noch Sachleistungen.
In ihrer vorherigen Unterkunft, in der Stauffenbergallee, wurde noch am
gleichen Tag ihr ganzes Hab und Gut, Elektronische Geräte, Kleidung -
eben Alles - auf die Straße gestellt. Menschen die vorbei kamen, nahmen
die Dinge wie auf dem Sperrmüll mit.
Nach der Sammelabschiebung in Belgrad angekommen, wurden die Menschen
noch am Flughafen von serbischen PolizistInnen teilweise mit
vorgehaltener Waffe bedroht und Alles von ihnen durchsucht. Sie wurden
eingeschüchtert und rassistisch beleidigt. Ihnen wurde gesagt, dass sie
in Serbien nichts verloren haben und verschwinden sollen. Es wurden
Anzeigen wegen Rufschädigung gegen sie gestellt, weil sie den serbischen
Staat im Ausland schlecht gemacht hätten. Ihnen werden für 2 Jahre alle
Sozialleistungen und die Krankenkasse vom serbischen Staat verweigert
und sie haben ein Arbeitsverbot. *
Die Kinder dürfen erst mit Beginn des nächsten Schuljahres wieder zur
Schule gehen und müssen dann das Schuljahr komplett wiederholen.
Außerdem müssen die Eltern eine Strafe von 350 Euro pro Kind für jeden
Monat zahlen, in dem das Kind nicht in Serbien in die Schule gegangen ist.
"Jede Abschiebung ist ein Verbrechen. Deshalb fordern wir einen
sofortigen allgemeinen Abschiebestopp. Weiterhin fordern wir die
Rückholung der bereits Abgeschobenen und deren Entschädigung." so der
Sprecher, Chani Cangovic, von Roma Thüringen.
*– der serbische Ministerpräsident informiert bei einem Treffen mit A.
Merkel über die Sanktionen gegen aus der BRD abgeschobene
AsylbewerberInnen in Serbien
Nachfragen unter: 0172 8020398 oder 0152 17921642