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Gotha: 170 Antifaschist_innen auf Demo gegen Deutschland und seine Nazis

Eintragsdatum: 2014-03-06Quelle: AAGTH, Antifa Suhl/Zella-Mehlis

In Gotha demonstrierten am Wochenende ca. 170 Antifas gegen Nazigewalt und die Verhältnisse, die diese erst möglich machen. Wir dokumentieren den Bericht der Antifaschistischen Aktion Gotha sowie den auf dem Neumarkt verlesenen Redebeitrag der Antifa Suhl/Zella-Mehlis.

01.03.2014: 170 auf Demonstration gegen Naziterror und alltäglichen Rassismus in Gotha

Um 11:30 Uhr sammelten sich die Teilnehmer_innen der Demonstration, des Antifa-Bündnisses am Gothaer Hauptbahnhof. Gegen 12:30 Uhr startete die Demonstration und zog in Richtung Innenstadt. Dort angekommen, wandelte sich der Aufzug in eine lautstarke Demo. Am Zwischenkundgebungsort, dem Gothaer Neumarkt, hielten Katharina König und die Antifa Suhl/Zella-Mehlis ihre Redebeiträge. Diese thematisierten zum einen, den Naziüberfall in Ballstädt vom 09.Februar, sowie die bürgerlich - kapitalistische Grundstimmung, die einen solchen Vorfall erst möglich macht. Zum Anderen wurde eine Kritik am staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstein bzw. zivilgesellschaftlichten Heimatschutz formuliert.

Nach der Zwischenkundgebung zog die Demo weiter durch die Innenstadt bis zur Hersdorfstraße. Dort gab es auf dem Dach des Ju.w.e.l.e.V. Gotha eine nette Transpiaktion (samt Feuerwerksuntermalung) mit der Aufschrift "Den antifaschistischen Selbstschutz organisieren - Freiheit für Josef!". Josef aus Jena sitzt seit der Demo gegen den Akademikerball am 24.01.2014, in Untersuchungshaft im Gefängnis Wien/Josefstadt. Wir wünschen ihm von hier aus alles Gute. Auf das sie uns niemals klein kriegen werden! Auf der Freifläche in der Hersdorfstraße gab es dann eine weitere Kundgebung. Hier machten die Bewohner_innen des Ju.w.e.l. auf ihr Situation, mit Naziangriffen aufmerksam und die Antifaschistische Aktion Gotha hielt einen Redebeitrag zum Thema "Den antifaschistischen Selbstschutz organisieren - Umgang mit Naziübergriffen". Ein weiterer Redebeitrag wurde von der Gruppe Roma in Thüringen gehalten, in diesem baten sie um mehr Vernetzung und thematisierten ihre Situation. Zum Schluss ging es dann gemächlich zum Hauptbahnhof zurück, wo die Demo aufgelöst wurde. Während der Auflösung wurde ein Mensch von Polizisten, wegen eines "All Cats are Beautiful" Beutels, unsanft von der Straße gezerrt, kontrolliert und später angezeigt. Nachdem sich alles aufgelöst hatte, verspürte, die für den Tag stationierte Einsatzhundertschaft, das Bedürfnis ca. 20 Personen im Gothaer Stadtpark in einen Kessel zu nehmen und zu kontrollieren. Ein Mensch wurde wegen fehlender Wohnadresse mit auf die Wache genommen und wieder frei gelassen.

Wir haben während der Vorbereitungen zur Demo sowohl Zuspruch als auch Bedenken und Kritik entgegen gebracht bekommen. Für alles sind wir dankbar, da es hilft uns selbst zu reflektieren. Das Anliegen dieser Demonstration war es, ein Zeichen zu setzen und einen Anstoß zu geben, auf die derzeitigen Verhältnisse im Landkreis Gotha und auch sonst überall zu reagieren und deren Problematik aufzuzeigen (Jetzt erst Recht!). Es liegt an uns allen, emanzipatorische Strukturen aufzubauen, wo es ihrer bedarf und wenn wir es denn wollen. (Wir jedenfalls wollen es!) Unser Ziel ist es, mit der Demo Mut zu machen, zu zeigen, dass wir eine radikale Stimmung aufbauen können, von der eine Region geprägt werden kann. In unserem Selbstverständnisses vom August 2013 erklärten wir: "Wir möchten mit einem Entgegenwirken autonomer Politik Missstände benennen und angreifen, uns dabei immer weiter entwickeln und Konzepte antifaschistischer Praxis entwickeln und nach außen sowie in die Bewegung tragen". Dem wollen wir gerecht werden. Während der Demo riefen wir immer wieder dazu auf, sich selbst sowie den antifaschistischen Selbstschutz zu organisieren. Genau gesagt, anstatt nur zu reagieren, ist es wichtig eigene Akzente zu setzen und die Region zu prägen. Wir sind der Ansicht, dass während wir versuchen die Verhältnisse zu verstehen, eine Praxis entwickelt werden muss, um die Grundstimmung dahingehend zu verändern, dass wir fähig werden Missstände anzugreifen und beseitigen zu können.

Ein großer Dank geht an alle Gruppen und Einzelpersonen, die die Demo unterstützt haben. Wir haben klar gemacht, dass es die kapitalistischen Verhältnisse und die rassistischen Ressentiments sind, welche verstanden und überwunden werden müssen.

Nie wieder Deutschland! Jetzt erst Recht - aktiv und solidarisch gegen Naziterror und alltäglichen Rassismus!

Redebeiträge

AAGTH: Einleitungsrede klick
AAGTH: Den antifaschistischen Selbstschutz organisieren - Umgang mit Naziangriffen klick
Antifa Suhl/Zella-Mehlis: Kritik am staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstein bzw. zivilgesellschaftlichten Heimatschutz klick
Bewohner_innen des Ju.w.e.l.: klick
Verteilter Flyer der Romagruppe: klick

Quelle: http://jetzterstrecht.tk/

Redebeitrag der Antifa Suhl/Zella-Mehlis

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,

die Antifa Suhl/Zella-Mehlis unterstützt das Anliegen der heutigen Demonstration gegen Naziangriffe und Nazistrukturen ein Signal zu setzen, das auf die Notwendigkeit der Organisation antifaschistischen Widerstandes nachdrücklich hinweist – es dabei aber nicht belässt, sondern die Ursachen von Naziideologie ins Zentrum der Betrachtung rückt. Über diese Ursachen von Naziideologie haben wir vielfach gesprochen und geschrieben. Alles ist nachlesbar dokumentiert auf dem Südthüringer Antifa-Infoportal www.agst.afaction.info

Unser heutiger Redebeitrag setzt sich mit diesen Ursachen nur mittelbar auseinander, er gilt der Kritik einer politischen Kraft, die uns linksradikalen Antifa-Gruppen vermeintlich nahe zu stehen scheint und zu der in Abgrenzung versucht werden soll einige Eckpunkte emanzipatorisch-antifaschistischer Praxis zu benennen, die berücksichtigt werden müssen, wenn am Ziel, dem Naziproblem irgendwann ein Ende zu bereiten, festgehalten werden soll.

Am 18. Januar traf sich die NPD zu ihrem Bundesparteitag in Kirchheim, zwei Wochen später hielt die chauvinistische „Alternative für Deutschland“ in der benachbarten Kreisstadt Arnstadt ihren Landesparteitag ab. Nüchtern betrachtet – und ohne es an dieser Stelle groß herleiten zu können – geht von letztgenannter derzeit die größere Gefahr aus, hinsichtlich der Veränderung der politischen Verhältnisse in Deutschland und Europa zum Schlechteren hin. Die AfD hat das Potential das abstiegsgeängstige deutsche Kleinbürgertum zu mobilisieren und gegen Ausländer und Linke auf Kurs zu bringen. Trotzdem blieb der Protest der inzwischen gut organisierten Thüringer Zivilgesellschaft in Arnstadt aus, während sich im abgelegenen Kirchheim zwei Wochen zuvor, organisiert durch die Thüringer Bürgerbündnis-Vernetzung, zahlreiche Nazigegner einfanden. Die Zivilgesellschaft karrt also ganze Landesvorstände der SPD samt Landesminister nach Kirchheim zum Parteitag der vor sich hin verwesenden, möglicherweise vorm Verbot stehenden Bundes-NPD, ist aber nicht willens eine lausige Kundgebung gegen den Landesparteitag der chauvinistischen und immer erfolgreicheren Alternative für Deutschland im benachbarten Arnstadt zu organisieren. Warum ist das so?

Ursachenanalyse in Kurzfassung. Der Zivilgesellschaft geht es nur oberflächlich betrachtet um die Eindämmung der Gefahr die von Naziideologie, von rassistischer und antisemitischer Gewalt ausgeht. Viel wichtiger ist ihr die Demonstration moralischer Überlegenheit durch einen staatstragenden Filz, der Naziideologie überall sehen will, nur nicht bei sich und seiner Klientel. Eben dafür brauchen sie die Nazis von der NPD, bei denen man sich anders als bei der AfD, die inhaltliche und personelle Schnittmengen zu allen großen Parteien aufweist, über jeden Zweifel erhaben meint. Damit gelingt es ihr medienwirksam von den wirklichen Ursachen, die sie nicht begreifen, wie von den derzeit wirkmächtigsten Formen des Rassismus und des Antisemitismus, die sie nicht sehen will, abzulenken. Die Abschiebung und Drangsalierung von Flüchtlingen beispielsweise ist dem Großteil der protestierenden Sozialdemokraten immer dann problematisch, wenn die NPD sie fordert; solange die Polizei aber auf Geheiß der mitunter sozialdemokratischen Politik Abschiebungen und Drangsalierungen etwa gegen Roma durchsetzt oder die europäischen Außengrenzen zusperrt und alles im rechtsstaatlichen Rahmen verläuft, ist es mit der Gutmenschelei zu Ende. Wir müssen uns als Antifa davor in Acht nehmen, dass wir nicht wie die hiesige Zivilgesellschaft daran mitarbeiten, einen postfaschistischen Konsens gegen die bloß offensichtlichsten Nazis herzustellen, der die Restgesellschaft und ihr Herrschaftspersonal tendenziell von jeder Schuld freispricht und der vom Wesen, vom Ursächlichen des Konflikts ablenkt, nämlich den gesellschaftlichen Verhältnissen, die die Nazis mit Notwendigkeit hervorbringen. Es ist die von der Zivilgesellschaft beschworene demokratische Gesellschaft, die die Verwertungslogik der Leistungsgesellschaft und ihre autoritären Charakterdispositionen, die kapitalistischen Verhältnisse und ihre ideologischen Reflexionsformen reproduziert und in diesen Verhältnissen, ihrer potentiellen Krisenhaftigkeit, liegen die Ursachen für Rassismus und Antisemitismus. Die prügelnde Nazibrut ist nachhaltig nicht mit der Zivilgesellschaft zu beseitigen, sondern nur gegen sie, gegen ihr Projekt der moralischen Reinhaltung des Establishments, der Schadloshaltung des jeweiligen Standortes. Sie stellt die Verhältnisse auf Dauer, die nicht bloß deswegen unerträglich sind, weil sie zuverlässig die Nazis hervorbringen.

Das Credo der zivilgesellschaftlichen Deutschlandfreunde hat Eike Geisel einmal so beschrieben: 'man leugnet die Verbrechen nicht, akzeptiert aber ihre Voraussetzungen'. In solcher Weise ist die reproduktive Leistung der sozialdemokratischen Linken für das Naziaufkommen in Deutschland zu verstehen: in der Akzeptanz mörderischer Verhältnisse, während man sich mit der Sorge um die Opfer, die man zu verantworten hat, schadlos hält.

Gegen die Demokratieparolen des politischen Establishments und ihres zivilgesellschaftlichen Vorpostens ist die von Walter Benjamin festgehaltene Erkenntnis zur Konsequenz zu bringen. Dieser schrieb: „Der Begriff des Fortschritts ist in der Idee der Katastrophe zu fundieren. Daß es 'so weiter' geht, ist die Katastrophe. Sie ist nicht das jeweils Bevorstehende, sondern das jeweils Gegebene.“ Dass nach Auschwitz die Gesellschaft keine ganz andere geworden ist, sondern eine solche, die Auschwitz durch dessen fortbestehende Bedingungen in anderer Form wieder denkbar werden lässt, ist die Katastrophe. Die anhaltende und durch Deutschland mit-ermöglichte Bedrohung Israels durch das iranische Atomwaffenprogramm, ist der beste Beweis für das Fortbestehen einer global orientierten, postnazistischen antisemitischen Vernichtungswut, die diese Gesellschaft produziert. Die Katastrophe besteht ferner in der anhaltenden Zerstörung jedes Einzelnen durch die Anforderungen und Zurichtungen einer kapitalistischen Verwertungslogik, die längst über ihr Verfallsdatum hinaus ist, und daher umso verheerender und zerstörerischer gegen das und im Individuum wütet.

All das sollte bedenken, wer dem Naziproblem auf Dauer beikommen will und wer den im Aufruf völlig zurecht formulierten antifaschistischen Anspruch einlösen will, die Nazis nicht bloß aus Ballstädt, Crawinkel und Kirchheim ins nächste Kaff zu verjagen, sondern ihnen die Bedingungen ihrer Existenz zu entziehen – wohlgemerkt, nicht in der Weise, sie zu töten, sondern den Prozess, der Einzelne zu Nazis werden lässt, aufzuhalten. Daher auch von uns und an dieser Stelle an euch liebe Demoteilnehmerinnen und -teilnehmer der Aufruf: Organisiert euch in antifaschistischen Initiativen, vernetzt euch mit anderen, bildet euch und andere. Wer dieser furchtbaren Gesellschaft endlich ihr wohlverdientes Ende bereiten will, die und der muss zunächst verstehen, warum und in welcher Weise die bestehende Ordnung fortwährende Bedingung für den (Post-)Nazismus und seine zerstörerische Praxis ist. Die Antifa muss zur Stärkung kritischen Bewusstseins gegen den menschenfeindlichen Charakter dieser Gesellschaft und das in ihm schlummernde Potential zur faschistischen Barbarei beitragen, will sie diesen elenden, zerstörerischen Zusammenhang zum Besseren hin auflösen.

Für eine aktive und solidarische antifaschistische Bewegung!

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