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![]() Für aktuelle News checkt bitte unseren neuen Blog!Beitrag zu linksradikaler Strategie-Diskussionbr>Eintragsdatum: 2012-12-23 — Quelle: Eva Felidae Nachfolgend dokumentieren wir ein lesenswertes Diskussionspapier von Eva Felidae, das sich dem „Spagat zwischen kategorialer Kritik und konkreter Politik“ widmet, in dem auch wir als Antifa-Gruppen uns öfter wiederfinden. Der Text ist u.a. zusammen mit einem Redebeitrag der Antifa Arnstadt-Ilmenau erschienen in der Broschüre „Stadt der Vielfalt – Rassismus, soziale Ausgrenzung und Nazigewalt in Erfurt“, die über die Edition Assemblage zu beziehen ist. Gedanken über das Verhältnis kategorialer Kritik und konkreter PolitikAuswertungspapier zur „Frust“-Demo am 13.10.2012 in Erfurt von Eva FelidaeIn dieser Reflexion möchte ich einen Ausschnitt aus den Diskussionen darstellen, der meines Erachtens zentral für die politische Zusammenarbeit im Vorbereitungskreis für die „Der Frust muss raus!“-Demonstration war. „Der Frust muss raus!“ – Die gesellschaftlichen Verhältnisse, aus denen diese Stadt und ihre Akteure heraus agieren, kotzen uns an. Immer noch stehen wir ohnmächtig vor dem neu errichteten Möbelgeschäft und dem Tierwarenhandel, „dort, wo unser Haus stand.“ Zu dieser Ohnmacht der verlorenen Kämpfe um Freiräume kamen im Laufe des Jahres 2012 eine Menge an gewalttätigen Übergriffen seitens der Nazis hinzu. Diese können einfach so auf Menschen losgehen, sie rassistisch beschimpfen und angreifen. Auch die Bullen taten und tun ihren Teil dazu, dass Menschen sich bedroht und ausgegrenzt fühlen. Antifaschistisches Engagement wird nicht nur von den Repressionsorganen kriminalisiert, auch die Stadt und ihre Ordnungsbehörde machen klar, dass dies nicht erwünscht ist und behindern entsprechende Aktionen. Die Verdrängung von alternativen Lebensweisen findet per Stadtplanung indirekt oder ganz deutlich durch Verordnungen statt. Die Situation war auch durch das Fehlen eines artikulierten Widerspruchs aus einer linksradikalen Perspektive geprägt. Von dieser Feststellung ausgehend fanden sich Gruppen und Einzelpersonen rund um den selbstverwalteten Laden 'veto' zusammen, um zu reagieren. In der Analyse und der daraus abzuleitenden Form der Reaktion blieben wir uneinig, auch wenn am Ende die gemeinsame Organisation der Demonstration am 13. Oktober 2012 in Erfurt stand. Grob lassen sich zwei Positionen umreißen, aus denen sich im Demonstrationsaufruf ein Kompromiss herausbildete. Im Folgenden stelle ich diese von grundlegenden Differenzen geprägten Positionen anhand einer exemplarischen Auseinandersetzung dar. Im Aufruf hieß es: „Widerstand dagegen [Situation in Erfurt] gibt es kaum. Weder die Behörden noch die Einwohner*innen gehen gegen die Angriffe und das permanente Mackergehabe der Nazis aktiv und entschlossen vor.“ Position A – Einige zivilgesellschaftliche Akteure, d.h. parteinah oder gewerkschaftlich organisiert, empörten sich im kleinen, nicht offiziellen Rahmen über die fehlende Anerkennung ihrer exerzierten Gegenwehr und den an sie adressierten Vorwurf des passiven und unentschlossen Handelns. Ein Teil des Vorbereitungskreises fand diese Reaktion berechtigt aus einem strategischen Interesse: Die zivilgesellschaftlichen Akteure dürften nicht verschreckt werden, ihr institutionalisierter Antifaschismus, der sich in Blockadeversuchen von Naziveranstaltungen und bunten Festen gegen Rechts zeigt, solle anerkannt werden. Ein „pubertäres Dagegensein“ helfe nicht weiter, um Deutungshoheiten zu beeinflussen und zu gewinnen. Statt ihnen vor den Kopf zu stoßen, wird eine Strategie des „konsensualen Abholens“ vertreten. Die eigene (vermeintlich) linksradikale Position soll durch ein Erklären verständlich gemacht werden. Das Gegenüber wird von seiner „falschen“ Position abgeholt, gemeinsam gelangt man sodann zum „konsensualen“ Standpunkt. So das Ideal, praktisch bleiben die verhandelten Positionen jedoch nebeneinander bestehen und einem falschen Verständnis von Gesellschaft verhaftet. Auf diesem Weg sollen Deutungshoheiten hergestellt werden, durch welche ein Gewinn realpolitischen Einflusses erhofft wird. Die für Erfurter Verhältnisse nicht unerhebliche Zahl an Demonstrationsteilnehmer*innen bestärkte Position A darin, eine gewisse Anerkennung unter den etablierten politischen Akteuren in Erfurt gewonnen zu haben – denn Teilnahme heißt Zustimmung und darin drücke sich die Sprechmächtigkeit einer Position aus. Komisch, dass gerade eine sich als linksradikale, d.h. anti-politisch verstandene Position, auf die Kriterien des quantitativen Zuspruchs und der Sprechmächtigkeit berufen. Diese Argumentation offenbart eine Intention dieser Position: Wer mit Vokabular wie „Sprechmächtigkeit“ umgeht, will sprechen – also im Politikgeschehen, wie breiter Bündnisarbeit, mitmischen. Politik machen heißt, die Verwaltung der sich darstellenden Sachzwänge zu organisieren und auf demokratische Mehrheiten zu zielen – nichts anderes tun auch Gewerkschaften und Parteien. Vom reformistischen Glauben an Politik und demokratische Veränderung scheidet sich der Anspruch und die Analyse der nachfolgend dargestellten Position. Position B – Ein anderer Teil des Vorbereitungskreises stellte sich zur skizzierten Auffassung kritisch und denkt den linksradikalen Anspruch weiter. Eine linksradikale Position muss sich als anti-politisch verstehen, wenn sie sich in die praktische Vermittlung ihrer Theorie, d.h. in Konfrontation mit zivilgesellschaftlichen und bürgerlichen Positionen, begibt. Das kann nur heißen, Politik nicht im vorherrschenden Verständnis zu betreiben, da dies einzig die Verwaltung von Sachzwängen bedeutet und dies wiederum die Verwaltung von Herrschaft und Ausbeutung. Eine anti-politische Haltung zeigt eben diese notwendigen Zwangsverhältnisse auf und bewahrt darin eine gesellschaftsverändernde Perspektive, welche Position A aufgibt, weil sie das gut gemeinte und dennoch falsche Verständnis von Gesellschaft nicht aufdecken kann, da sie diesem selbst verhaftet bleibt. Die empörte Reaktion einiger zivilgesellschaftlicher Akteure und politischer Funktionäre stellt sich als inhaltlich konsequenter Ausdruck ihrer Vorstellung von Gesellschaft dar. Der Vorwurf, dass die Akteure sich nicht konsequent und entschlossen gegen die gesellschaftlichen Zumutungen stellen, greift einen elementaren Kern dieser falschen Vorstellungen an: ihre eigene Identität. Eine linksradikale Kritik muss eben diese Identität, welche das affirmative Verständnis der politischen Praxis beinhaltet, mit ihrer gesellschaftlichen Verflochtenheit konfrontieren. Eben diese Konfrontation, die besagt, dass am kommunalen Verhandlungstisch keine radikale gesellschaftliche Veränderung möglich ist, wird von den Akteuren als Angriff verstanden, als Angriff auf ihre Identität, deren Teil ihr politisches Handeln ist. Identität stellt die Schnittstelle zwischen den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen und dem Subjekt dar. Eine linksradikale Kritik der Verhältnisse muss demnach den Menschen als Subjekt dieser Gesellschaft fokussieren. Erst wenn es dort zu einem Bruch kommt, kann existenziell begriffen werden, dass Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse jedes Handeln und Leben durchdringen. Der Imperativ – Dass Meinungen überhaupt pluralistisch nebeneinander stehen können und dies als eine demokratische Wahrheit gilt, bleibt den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen verhaftet: Denn es wurde nicht erkannt, dass aus einer widersprüchlichen Gesellschaft gegeneinander gerichtete Interessen erwachsen und diese Antagonismen in einer Kritik dieser Gesellschaft entwickelt und überwunden werden müssen. Daran mitzuwirken, Interessen zu einem Miteinander, einem Kompromiss, zu fügen – so wie es die Position A tut –, verlängert die bisherige Geschichte, die immer eine von Herrschaft und Ausbeutung war und immer noch ist. Eine linksradikale Kritik muss daher den Schluss ziehen, was zu erkennen bleibt: der einzig richtige Imperativ, diese Gesellschaft, alle gewaltförmigen Verhältnisse abzuschaffen. In der kollektiven Erkenntnis dieses Imperativs wird er zugleich vollzogen und die Frage nach dem „was tun?“ obsolet. Der Frust bleibt. – Dieser Kritik folgend hat die Demonstration keinen linksradikalen Anspruch eingelöst. Der Aufruf übt vielmehr den Spagat zwischen kategorialer Kritik und konkreter Politik. Die überwiegend positiven Rückmeldungen aus der Ziviligesellschaft bestätigen den Reformismus dieser Übung. Es bleibt zu hoffen, dass die Diskussionen einen Anstoß für das Nachdenken über diesen Imperativ leisten konnten. Was die Demonstration geleistet hat, weiß ich nicht – vielleicht hat sie irgendeinem zivilgesellschaftlichem Akteur zu politischem Einfluss verholfen. |
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