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Arnstadt: "Weiter, wie gehabt?!" oder "Prost, Siegfried!"

Eintragsdatum: 2012-09-19Quelle: Antifa Arnstadt-Ilmenau

Dass sich mit Arnstadts neuem Bürgermeister so Einiges ändern könnte, war wohl die Hoffnung so manches Optimisten. Die Beteiligung des Bürgermeisters an den Protesten gegen den Naziaufmarsch am 25. September bestärkte diesen Glauben. Doch spätestens nach dem Stadtfest wären nun Zweifel anzumelden.

Noch in der Wahlkampfzeit, als Alexander Dill einer von fünf Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters war, tat Dill, was ihm den Respekt von Arnstadts Nazi-Gegner_innen einbringen sollte. Er verweigerte dem protofaschistischen Hetzblatt "Arnstädter Stadtecho" ein Interview, wohlwissend, welchen Einfluss die Arnstadtweit verteile Heimatpostille hat. Zögerlich, aber immerhin deutlich distanzierte sich Dill auch von seinem Vorgänger, Hans-Christian Köllmer, dem Freund alter und neuer Nazis. Allerdings tat er das, indem er seine eigene "Philosophie" bzw. Interpretation des Amtes der widerlichen Ideologie Köllmers entgegensetzte. Dill versteht sich mehr als Mediator als als Politiker. Ob die vor allem von Seiten der Linken leise vorgebrachten Befürchtungen, hierdurch werde er dazu beitragen die Kommunalpolitik zu entpolitisieren, sich bewahrheiten, wird sich zeigen. Als ein solcher Mediator ziemt es sich freilich auch "Extremismus" von beiden Seiten abzulehnen, wie Dill beteuert. In solchen Behauptungen hat die Entpolitisierung schon durchgeschlagen.
Seit Anfang Juli nun ist Dill im Amt. Bereits am 25. August stand der nächste Aufmarsch von Neonazis an (Antifa Arnstadt-Ilmenau berichtete), was Dill wohl als Bewährungsprobe verstand, schließlich war sich in dieser Stadt der etablierte Politklüngel noch nie einig über ein gemeinsames Vorgehen gegen Neonazis. Er sagte einen Besuch beim tschechischen Städtepartner Dubi ab (TA berichtete) und blieb in Arnstadt, um, wie man das in bürgerlichen Kreisen so nennt, "Gesicht zu zeigen". Sein Gesicht zeigte Dill dann auch. Merkwürdigerweise bevorzugt den Nazis und nicht, weil er sich ihnen in den Weg stellte, sondern, weil er die gesamte Marschroute der Nazis neben der Demo mitlief. Inwiefern die Bürger_innen der Stadt, denen gegenüber er ein Zeichen setzen wollte, diese Symbolik verstanden, bleibt ungewiss. Wir haben sie bisweilen nicht verstanden. Die Nazis werden sicher nicht darüber erzürnt gewesen sein, so einen prominenten Wegbegleiter, und wenn er noch so finster dreinblickte, neben sich zu wissen - mehr Aufmerksamkeit war ihnen dadurch gewiss. Ein besonders denkwürdiger, weil irre anmutender, Moment ergab sich, als die Nazidemo an der Gegenkundgebung auf dem Marktplatz vorbeizog. Dill, der die Demo begleitete, wandte sich der Menge zu, riss die Arme hoch und animierte die Menge dazu, den fanatischen Nazis noch fanatischer entgegenzubrüllen. Dazu lief aus der Lautsprecheranlage Schillers "Ode an die Freude", die von Beethoven im 4. Satz seiner 9. Sinfonie vertont wurde. Mehr unfreiwillig wirkte Dill wie ein Dirigent, der der Masse aber nicht wirklich ästhetische Klänge entlockte, sondern das zu solchen Anlässen obligatorische Geschrei (TA berichtete). Auf eine ideologiekritische Analyse dieser Situation soll hier mal verzichtet werden. Es gäbe viel dazu zu sagen, vielleicht nur soweit: wer in dieser Situation Unwohlsein empfand und sich von dieser Massendynamik eher abgestoßen, als angezogen gefühlt hat, dessen Zweifel haben ganz sicher ihre Berechtigung.
Erwies sich Dill hier noch als Nazigegner, der es sicher gut meinte*, zeigte sich beim Arnstädter Stadtfest eine andere Situation. Gast des Stadtfestes war der Bürgermeister des österreichischen Städtepartners Gurk (Kärnten), Siegfried Kampl. Über Kampl wurde an dieser Stelle schon mehrfach berichtet. Der Mann ist Parteigänger des verstorbenen Jörg Haider und tat sich in der Vergangenheit mit Aussagen hervor, wie "Wenn es den Hitler nicht gegeben hätte, wäre Österreich jetzt kommunistisch" oder "Wenn es das achtunddreißiger Jahr nicht gegeben hätte, hätte die Hälfte der Bauernhöfe zusperren müssen" (gemeint ist der "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich am 12. März 1938). Außerdem sperrte er sich gegen die Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren, die er als "zum Teil Kameradenmörder" bezeichnete. (weitere Infos zu Kampl auf Wikipedia)
Alles in allem lässt sich Kampl, aus einer fanatisch faschistischen Familie kommend, wohl recht treffend als Altnazi bezeichnen. So einen Mann überhaupt zu empfangen, lässt sich kaum damit rechtfertigen, dass man in der Politik eben so manchen Frosch küssen muss. Dill stieß trotzdem öffentlichkeitswirksam mit ihm an. Möglicherweise zur großen Freude des leidigen Lokalredakteurs der konservativen "Thüringer Allgemeine", Eberhardt Pfeiffer, der Kampl erst kürzlich als staatsmännischen Redner feierte und den Mann verharmlosend "nicht gerade als Freund linker Ideen" bezeichnete (TA-Beitrag). In Arnstadt bleibt indes viel zu tun. Mit der Aufarbeitung des braunen Filzes den Hans-Christian Köllmer seinem Nachfolger hinterließ, scheint es jedenfalls noch nicht sehr weit zu sein.


* Bekanntlich ist gut ja das Gegenteil von gut gemeint.








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