Antifaschistische Gruppen Südthüringen

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Meiningen: Polizeistaatsaufmarsch sichert Nazifest

Eintragsdatum: 2012-06-15Quelle: Antifa Meiningen

In Meiningen ist am vergangenen Samstag neben den Nazis auch der Polizeistaat aufmarschiert. Am Ende wurde der Tag zur Beschäftigungstherapie für uniformierte Schläger, die weitgehend an der Leine blieben. Mehr als 1000 Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet hatte man nach Meiningen gekarrt. Was, angesichts von knapp 200 Antifas und 300 Nazis, wie ein Anfall geistiger Umnachtung des Einsatzleiters aussah, hatte Kalkül.

Nicht nur die Ordnungsmacht ging auf Nummer sicher, um einen "friedlichen" Ablauf der Naziveranstaltungen durchzusetzen, auch die organisierenden Neonazis wollten nichts dem Zufall überlassen und begannen vorsorglich schon am Vorabend mit dem Aufbau des Equipments für ihren 11. "Thüringentag der nationalen Jugend". Bis zu 300 Neonazis sollen sich nach Polizeiangaben am Nazifest beteiligt haben. Das sind immerhin mehr als 700 weniger als die Nazis großspurig im Internet angekündigt hatten. Auf der Mobilisierungsseite wurde deshalb schon der Hinweis auf mehr als 1000 erwartete Teilnehmer im Veranstaltungstext gelöscht. Aber das Internet vergisst ja bekanntlich nie. Für einen weitgehend störungsfreien Ablauf sorgte letztlich nicht nur die Polizei, die mit mehr als 1000 Beamten einzuschüchtern wusste. Auch seitens der Nazigegner war nie wirklich eine Verhinderung des Festes geplant worden. Wir als Antifa wussten über das begrenzte Potential für derartige Bestrebungen bescheid und die bürgerlichen Nazigegner schützten lieber ihre Heimat ein paar hundert Meter weiter mit einem "bunten" Programm und ungezählten Glaubensbekenntnissen. An eine Zusammenarbeit war nicht zu denken. Zu unterschiedlich sind die Vorstellungen über die politische Ausrichtung der Proteste.

Die Antifa-Strategie den Tag für radikale Gesellschaftskritik zu nutzen und damit einen Gegenpol gegen das überkommene und abstumpfende "Alle gegen Nazis"-Prinzip zu setzen, erscheint uns auch im Nachhinein als die richtige. Die Antifa-Demo glänzte nicht mit ihrem quantitativen Massencharakter - mehr als 200 Leute waren dem Aufruf nicht gefolgt - wohl aber mit den in die Öffentlichkeit getragenen Inhalten. Dass man sich um deren Verbreitung selber kümmern musste, wurde schnell klar. Das Meininger Tageblatt schien sich dem hierzulande verbreiteten Verhaltensimperativ, was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht, zu beugen und machte sich nicht die Mühe, sich mit den Positionen des antifaschistischen Protestes zu befassen. Mehr noch, die Antifa-Demo wurde im Vorfeld ganz verschwiegen. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Es wird am Ende an einer Mischung aus Desinteresse, Dünkel, Angst und Ressentiment gelegen haben.

Alles in allem, bereitete der 9. Juni keine größeren Überraschungen. Die Nazis durften ihr Fest feiern. Das Bürgerbündnis zeigte Flagge für etwas, was man dort selber nicht durchschaut, bescheinigte sich gegenseitig seine moralische Überlegenheit und darf weiter daran glauben, dass in diesem Land alles prima ist. Die Polizei von sonstwo durfte sich mal Meiningen anschauen, wurde aber weitgehend an der Leine gehalten, von nervigen Vorkontrollen und dem enormen Drohpotential was die Übermacht an uniformierten Schlägern angeht, abgesehen. Die Presse bekam ihre Bilder und kopierte mit den üblichen Textbausteinen das Wurstblatt voll. Und die Antifa organisierte ein marginales, aber immerhin noch wahrnehmbares Störfeuer gegen den faschistischen und bürgerlichen Heimatschutz in Meiningen. Immerhin musste das unsägliche Public Viewing auf dem Volkshausplatz ins Wasser fallen, weil der Veranstalter die Securitys nicht bezahlen wollte, die eh nicht nötig gewesen wären, denn beim Jubeln fürs Vaterland kommt die Volksgemeinschaft wieder zusammen. Auch die Aktionen des Bürgerbündnisses waren bewusst so getimet, dass man - O-Ton - "dem Public Viewing keine Konkurrenz macht".

Die Redebeiträge zum Nachlesen:

Redebeitrag über die Nazis in Meiningen und ihr Motto

Es ist nicht allzu lange her, da gab es in Meiningen eine kleine, aber sehr aktive Naziszene. Allem voran die sogenannten "Autonomen Nationalisten" um Sven Dietsch und Alexander Wirsing, die sich heute aber lieber und zutreffender "Südthüringer Heimatschutz" nennen. Möglicherweise, weil sie endlich zu der Erkenntnis gelangt sind, dass Nationalsozialismus und Autonomie zwei Gegensätze sind, die sich keineswegs anziehen. Immer wieder kam es in Meiningen in den vergangen Jahren auch zu Angriffen und anderen Anti-Antifa-Aktionen. Erst vor wenigen Wochen machten mehrere Nazis Jagd auf einen Menschen, den sie aufgrund eines Buttons der Antifa zurechneten. Mit etwas Glück und guter Kondition kam der Betroffene mit dem Schrecken und zum Glück unverletzt davon. Auch was Naziläden betrifft, hatte Meiningen bis vor kurzem noch eine der dichtesten Strukturen in ganz Thüringen, mit mindestens drei Ladengeschäften an wechselnden Standorten. Übrig geblieben ist nur noch das Antiquariat von Friedmann Krichling in der Innenstadt, in dem es neben dem üblichen Kram auch diverse NS-Devotionalien wie Hakenkreuzfahnen, aber unterm Ladentisch eben auch Waffen für den engagierten Nazi zu kaufen gibt. Ein paar Jahre ist es her, da hat Krichling selbst noch Antifaschist_innen verbal und mit der Waffe bedroht und eine Liste seiner politischen Gegner_innen geführt. Dass die Nazis derzeit in der Öffentlichkeit weniger präsent sind, ist kein Grund sich zurückzulehnen. Sowohl die organisierten Nazis wie auch die berüchtigten Kirmes- und Stadtfestschläger, die es wohl in jeder Kleinstadt gibt und die gerne mal gegen Unangepasste zulangen, sind eine Gefahr, gegen die es zu kämpfen gilt. Dass der diesjährige "Thüringentag" in Meiningen stattfinden soll, ist ein Zugeständnis an die hiesigen Strukturen, die damit neue Kraft schöpfen wollen. Es liegt an uns, ihnen das so schwer zu machen, wie möglich.

In ihrem diesjährigen "Aufruf" problematisiert die NPD den Rückgang der Bevölkerungszahlen in Meiningen und Thüringen überhaupt sowie ein von ihr ausgemachtes sogenanntes "Überfremdungsproblem", was sie dramatisierend als einen "Volkstod" bezeichnet. Dass dieser Rückgang der Bevölkerungszahlen nicht nur auf der Alterung der Gesellschaft beruht, sondern wesentlich auf dem Wegzug junger Menschen nach Westdeutschland oder in größere Städte Ostdeutschlands und die Leute nur weil sie woanders wohnen noch nicht tot sind, ist nur die offensichtlichste Dummheit des NPD-Textes. In Wirklichkeit sind ihr die Menschen sowieso scheißegal, was an der Angst vor sogenannter "Überfremdung" deutlich wird. Wenn Nazis von Volk reden, stehen dahinter rassistische und biologistische Vorstellungen von einem weißen nicht-jüdischen Zwangskollektiv, einer Blut- und Bodengemeinschaft, in der Verschiedenheit durch das repressive Kollektiv verfolgt wird. Das Ziel der Nazis ist die alle Unterschiede zwischen den Menschen nivellierende Volksgemeinschaft, in der sich erfüllt, was bürgerlicher Ideologie als Option schon immer immanent war: Ein Kollektiv, in dem der oder die Einzelne nichts ist, das Kollektiv aber alles; ein Kollektiv, in dem individuelle Freiheit vollständig ausgelöscht ist. Doch schon bevor die Nazis den Volksbegriff für sich entdeckten und zu seiner letzten Konsequenz trieben, was konkret in den Völkermord gegen andere sogenannte "Völker" mündete, war (Staats-)Volk die Kategorie für den Ausschluss aller Nichtzugehörigen aus einem Kollektiv, dessen Zugehörigkeit man sich als Einzelner in der Regel nicht aussuchen kann. Und so ist das hinter Abschiebungen und Grenzsicherung stehende Argument der Bundesrepublik Deutschland, dass, wer nicht zum Volk gehört, hier keinen Schutz zu suchen hat. Es gilt der Satz Wolfgang Pohrts von 1981: "Das Volk ist kein Begriff, den die Nazis erst ruinieren mussten, sondern seit hundert Jahren schon die Lüge von der notwendigen schicksalhaften Verbundenheit der einzelnen im nationalen Zwangskollektiv - die Lüge also, welche die aufklärerische Idee der Menschheit und mit ihr das bis heute uneingelöste Versprechen der sozialistischen Revolution dementiert, den Verein freier Menschen." Der Volksbegriff steht als Rechtfertigung der bestehenden menschenfeindlichen Ordnung für repressiven Ausschluss und Spaltung der menschlichen Gattung in willkürliche Kollektive. Er steht damit dem Begriff der Menschheit, einem solidarischen und die individuellen Freiheiten entfaltenden Miteinander diametral entgegen. Deswegen ist für uns die von NPD, Sarrazin und Konsorten verbreitete Mär vom "Volkstod" keine Katastrophe, sondern wäre ein Segen, wenn sie denn stimmen würde, denn im auf Abstammung beruhenden Zwangskollektiv ist für wirkliche Freiheit und Menschlichkeit kein Platz. Deswegen bedeutet den Volkstod voranzutreiben einer furchtbaren Vorstellung endlich das Grab zu bereiten, nämlich der von der prinzipiellen Ungleichheit und Unfreiheit der Menschen.

In diesem Sinne:
Den Volkstod vorantreiben!
Nie wieder Deutschland!


Redebeitrag in der Kasernenstraße

Wir befinden uns nun hier in der Kasernenstraße. Unweit von hier wird Thüringens berüchtigste und gefährlichste Schlägereinheit ausgebildet, die Polizei. Wer bis auf Weiteres auf eigenen Willen und selbstständiges Denken verzichten kann, der darf sich hier ausbilden lassen, um die Feinde der Demokratie zu bekämpfen, deren Beweggründe man ebenso wenig versteht und verstehen will, wie die Funktionsweise dieses Dings, was man hier Demokratie nennt.
Doch dass hier in einigen hundert Metern Entfernung staatlich bezahlte Schläger ausgebildet werden, ist nicht das einzige Bemerkenswerte. Diese Straße hieß von 1955 bis 1990 Bella-Aul-Straße, benannt nach der Jüdin, Kommunistin und Widerstandskämpferin Bella Aul, deren Familienhaus einst hier stand. Bella Aul beteiligte sich bis zu ihrer Deportation am antifaschistischen Widerstandskampf. 1943 wurde Aul nach Auschwitz deportiert. Sie wurde hier am 31. Dezember 1944 ermordet. Ihr Ehemann Emil Aul starb bereits 1942 in Buchenwald an den Folgen der Zwangsarbeit und Unterernährung.
Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde die Bella-Aul-Straße wieder in Kasernenstraße umbenannt. Diese Umbenennung war Teil der deutschen Schlussstrich-Politik, die die deutschen Verbrechen wie ihre Opfer vergessen machen sollte. Wir werden niemals darin nachlassen, die Namen und den Kampf dieser Menschen dem Vergessen zu entreißen. Emil Aul starb in Buchenwald. Bella Aul starb in Auschwitz. Sie sind nie vergessen. Ihr Vermächtnis lebt in unseren Taten fort!


Redebeitrag zur Kritik der Gesellschaft

Wir demonstrieren hier gegen das heute in Meiningen stattfindende Nazifest, den sogenannten "Thüringentag der nationalen Jugend". Der unmittelbare Anlass unserer Demonstration soll dabei nicht verbergen, dass es uns um mehr geht als Kritik an den Nazis zu üben und dabei in lang gehegte Rituale zu verfallen. Wir wollen kein moralisches Bekenntnis von so vielen Leuten, wie möglich abrufen, dass sie die Nazis aus welchen Gründen auch immer - zumeist sind es die falschen - doof finden. Oder, um es positiv zu wenden: Wir wollen kein Bekenntnis zur vermeintlichen Demokratie einfordern, die, wie Wolfgang Pohrt einmal treffend bemerkte, hierzulande nicht verstanden wird als Ausdruck eines Votums vieler, "die sich alle irren können und gegen die ein Einzelner Recht behalten kann, sondern als Orakel, von welchem man auf Befragen keine Meinungsäußerung erhält, sondern eine metaphysische Offenbarung." Demokratie in der unmündigen Gesellschaft ist Blendwerk der Herrschaft, über die nicht mehr entschieden wird. Anstatt also Bekenntnisse für vermeintliche Demokratie abzurufen und sich gegenseitig schulterklopfend die eigene moralische Überlegenheit zu versichern, wollen wir vielmehr einen Schritt zurück gehen, hinter diese Bekenntnisse und schauen, was es damit auf sich hat, Nazis moralisch von sich fern halten zu wollen, ohne genau zu wissen, was deren Ideologie eigentlich bedeutet und worin diese besteht.

Theoretischer Hintergrund unserer Kritik ist die Einsicht, dass in dieser Gesellschaft noch vielmehr Übelkeit und Erschütterung bereiten muss, als die Nazis und deren Treiben und dass gerade jene Nazis nichts sind, was unabhängig von dieser Gesellschaft gedacht und verstanden werden kann. Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass der wahre Grund für die öffentlich-mediale Abwehr und den Protest gegen Nazievents möglicherweise vielfach gar nicht geäußert wird; mehr noch: dass die Akteure sich diesen gar nicht bewusst machen. Möglicherweise stehen hinter der moralischen Brüskierung über die Nazis ganz abgründige Motive, nämlich die der projektiven Schuldabwehr oder damit zusammenhängend eine forcierte Standortpolitik, die an den Nazis nicht deren Menschenfeindlichkeit stört, sondern ihre vermeintlich hemmende Wirkung auf Wirtschaft und Tourismus, die die Nazis nicht wegen ihrer Mordlust verachtet, sondern weil sie ein Schaden für das Image des sich geläutert gebenden Deutschlands darstellen und damit immerwährend ein stark verdrängtes und so im Unbewussten gut gehütetes Geheimnis verraten: die Menschenfeindlichkeit jener Gesellschaft nämlich, die die Nazibrut erst hervorbringt. Eine Menschenfeindlichkeit, die nicht erst zu spüren bekommt, wer sich Nazis in den Weg stellt und deswegen Polizeiknüppel und Tränengas in Kauf nehmen muss, sondern die sich schon ganz oberflächlich manifestiert in Abschiebung und Grenzsicherung, Drangsalierung von sozial Schwachen und der Verewigung des Kapitalverhältnisses, das uns noch bis in unabsehbare Zeiten mit Ausbeutung, Verdinglichung und Entfremdung straft. Diese Menschenfeindlichkeit zu rechtfertigen bzw. zu verschleiern ist das Projekt aller Demokraten von NPD bis SPD.

Vielfach beschränkt sich die notwendige Kritik der Zivilgesellschaft und von großen Teilen der deutschen Öffentlichkeit an den Nazis darauf, dass die Nazis als Gefahr für Menschen mit migrantischem oder linkem Hintergrund dargestellt werden. Was zweifelsfrei richtig ist, ist aber nur die Spitze des Eisbergs und führt in der praktischen Konsequenz zu nichts anderem als einer Sisyphos-Arbeit gegen rechte Strukturen, deren Entstehungsbedingungen man gar nicht begreift und deswegen auch nicht ursächlich gegen sie vorgehen kann. Der Fehler besteht darin, die Nazis als isolierte gesellschaftliche Exklave zu betrachten und ihre Entstehungsbedingungen, aus dem Schoß der bürgerlichen Gesellschaft heraus, außen vor zu lassen. Dieses politische Verhalten sagt viel aus über den affirmativen Charakter der deutschen Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit und hat sich historisch bereits delegitimiert. Der Faschismus und vor allem der deutsche: der Nationalsozialismus ist nicht zu begreifen als Willkürherrschaft eines Führers und seiner Clique über die Mehrheit der Bevölkerung, sondern, was ihn ausmachte war gerade seine Massenbasis, er beruhte auf dem Einverständnis der großen Mehrheit der Bevölkerung und wie alle bürgerlichen Ideologieformen diente er der Rechtfertigung der bestehenden kapitalistischen Ordnung. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Faschismus, anstatt das Machwerk böser Einzelner zu sein, das "Zusichselbstkommen der Gesellschaft an sich" ist, dem nicht beizukommen ist, indem man die regressivsten Elemente dieser Gesellschaft, die Nazis, gegen ihre Keimform, die bürgerlichen Demokraten, ausspielt. Der Faschismus ist eine Option des bürgerlichen Kapitalismus, seine potentielle Krisenform und der Wunsch immer größerer Teile der Bevölkerung nach einer starken Hand, die endlich wieder Ordnung im vermeintlichen Durcheinander des Finanzkapitalismus herstellt, bezeugt genau das. Vor allem in der Krise steht die Demokratie, die eigentlich keine ist und nie eine war, wenn man Demokratie und Mündigkeit zusammen denkt, wieder zur Disposition. Sie wird gerade von den Herrschenden als lästige Verzögerung für notwendige administrative Entscheidungen betrachtet, wenn Rettungspakete durchgewunken und Überwachungsmaßnahmen verschärft werden sollen. Die Gefahr eines faschistischen Wiedererstarkens geht demnach nicht von einigen marginalisierten Nazis aus, die erst dann im nationalen oder internationalen Maßstab gefährlich werden, wenn sie sich an die Spitze der Massen setzen, sondern die Gefahr geht von der Masse, von der bürgerlichen Gesellschaft selber aus. In ihr schlummern heute wie damals im Stande verdinglichten Bewusstseins die Ursachen für die faschistische Barbarei und sie sorgt, bewusst und unbewusst im Zustand kollektiver Unmündigkeit, dafür, dass alles so bleibt, wie es ist.

Wir möchten die Kritik dieser bürgerlichen Gesellschaft vorantreiben; nicht, weil wir von ihr andere Gesetze oder vermehrte Anstrengungen im Kampf gegen die eigene Brut fordern, sondern weil wir in dieser Gesellschaft die Ursachen und Bedingungen von Naziideologie, als potentielle Krisenform von bürgerlicher Ideologie ausmachen. Die Ideologie der Nazis dient wie die Ideologie dieser Gesellschaft, von der sie ein Teil ist, der Rechtfertigung der bestehenden Verhältnisse. Sie bietet Lösungsstrategien auf die Probleme kapitalistischer Vergesellschaftung. Faschistische Ideologie soll in Zeiten der Krise der Profitökonomie das bürgerliche Subjekt vor der Bewusstmachung der Einsicht schützen, dass es an sich nichtig ist, dass es seine eigene Subjektivität in einem gesellschaftlichen Widerspruch konstituiert hat. Dieses Subjekt bezieht Subjektivität aus seinem Status als Rechtssubjekt, als wandelnde Arbeitskraft und v.a. in Krisenzeiten aus der Abgrenzung gegen minder- und überwertiges Leben. Das heißt, wenn in Zeiten der Krise der Sachzwang, die die zwanghafte, rastlose und krisenhafte Wertverwertung mit sich bringt, all die hehren Ideale von Freiheit und Gleichheit, zum Bröckeln bringt und das bürgerliche Subjekt zum finalen Projekt antritt, der Verteidigung des an sich nichtigen Selbst, dann findet es potentiell im Faschismus oder anderen autoritären Regimes ihren Hoffnungsträger für die Aufrechterhaltung der Gesellschaftsordnung, aus der das bürgerliche Subjekt seine Identität schöpft. Und wenn es eines empirischen Beleges bedürfte, um die Anschlussfähigkeit der sogenannten "Mitte" der Gesellschaft an die faschistische Ideologie zu demonstrieren, dann wäre dieser mehr oder minder in den aktuellen Studien der Friedrich Ebert Stiftung, im Thüringen Monitor oder in den Studien von Wilhelm Heitmeyer zu finden.

Umso krasser nun die gesellschaftlichen Widersprüche in der kritischen Bestandsaufnahme erscheinen, desto geschlossener scheint der ideologische Vorhang, der die Einzelnen vor der Erkenntnis schützt, dass sie Sklaven in einem System sind, das am Ende niemandem nützt und alle zerstört. Aufgabe antifaschistischer Gesellschaftskritik ist es diesen ideologischen Vorhang zu lüften und die Gesellschaft in ihrer Unmenschlichkeit und Unfreiheit bloßzustellen. Anders ist die Hoffnung nicht zu bewahren, dass eines Tages doch noch alles ganz anders wird. Das geht nur ohne Volk, Staat und Kapitalismus. In diesem Sinne demonstrieren wir heute in Meiningen gegen Deutschland und seine Nazis.


Redebeitrag zu Biopolitik

Eines der beliebten Themen der deutschen Naziszene ist der sogenannte Volkstod. Dieser drohe dem deutschen Volke und werde durch die Demokraten herbeigeführt.
Was ist jedoch mit dem Volkstod gemeint? Was auf den ersten Blick wie Massenmord und Gaskammern für Deutsche anmutet, entpuppt sich bei näherem Hinschauen als ein Beklagen von Geburtenrückgang und Überalterung bei den Deutschen, die zusätzlich durch die Zuwanderung sogenannter "raumfremder Personen" bedroht werden.
Was Nazis hier auf die Barrikaden treibt, ist ihrem Rassenwahn geschuldet, der ihre kulturelle Identität biologisch dem deutschen Volkskörper zuschreibt. Träger dieser kulturellen Identität ist in ihren Augen die deutsche Rasse. Zwei Argumentationsstränge sind hierbei erkennbar: der wirtschaftliche und der biopolitische. Zum einen wird moniert, dass die arbeitsfähige Generation wirtschaftlich die Überalterung nicht mehr finanzieren kann. Wäre dies allein ihr Problem, müssten sie demzufolge Zuwanderung begrüßen. Dem steht jedoch die propagierte kulturelle deutsche Identität im Wege, die sich gegenüber allem sogenannten Raumfremden biologisch durch Abgrenzung und Aufzucht eigener Nachkommen behaupten muss. Was hier, trotz vorgeblicher antikapitalistischer Attitüde, eingefordert wird, ist eine wirtschaftlich kapitalistisch verwertbare deutsche Bevölkerungsstruktur mit möglichst wenig unnützen Essern. Es ist die Durchsetzung kapitalistischer Verwertung auf der Basis des Rassenkampfes des nationalen WIR gegen alles Fremde. Die biopolitische Komponente besteht darin, die Bevölkerungsstruktur der Deutschen wirtschaftlich lukrativ und verwertbar zu gestalten. Mit dem Volkstod ist somit nicht die physische Vernichtung der Deutschen gemeint, sondern eine unlukrative Bevölkerungsstruktur der Deutschen, die durch Zuwanderung und Überfremdung zusätzlich bedroht ist.
Die Volkstod-Kampagne zielt mit diesen Argumentationsmustern auf die Ängste der abgehängten Unterschichten in der Provinz. Ihre Wortwahl erhebt keinen hohen intellektuellen Anspruch und verfehlt den diskursiven Anschluss an den politischen Mainstream, genauso wie sich ihre Klientel großteils auf dem gesellschaftlichen Abstellgleis dieser Gesellschaft wiederfindet. An sich müsste bei so viel politischer und rhetorischer Plumpheit Entwarnung gegeben werden, würden nicht parallel in den Reihen der durch die Nazis geschmähten Demokraten ähnliche Töne angeschlagen werden: Teile der demokratischen und politischen Eliten werden nämlich immer anfälliger gegenüber biologischen Erklärungen der zunehmenden sozialen Schieflage der bürgerlichen Gesellschaft. Die populistischen Machwerke und Äußerungen eines Thilo Sarrazin machen es sichtbar. Denn auch was Sarrazin fordert, ist die biopolitische Korrektur der Bevölkerung und auch er führt kulturelle und soziale Merkmale auf das Erbgut zurück. Zwar ist seine Klientel auch deutsch, jedoch eher die vom sozialen Abstieg sich bedroht fühlenden Bildungsbürger und politischen Eliten. Auch Sarrazin neigt dazu, soziale Verwerfungen biologisch zu fassen und fordert selektive Geburtenkontrolle durch Sanktionen. Er möchte demografisch die Mittelschichten und Eliten stärken und eine Vermehrung der Unterschichten, egal ob deutsche oder migrantische, einschränken. Nur die gesellschaftlichen "Leistungsträger" und Träger deutscher Kultur sollen sich also vermehren. Argumentativ befinden sich somit Teile des Bildungsbürgertums und der Mittelschichten, die Thilo Sarrazin mit seinen Thesen vertritt, sehr nahe an faschistischen Argumentationsmustern. Sie wollen aber trotzdem nicht mit den braunen Schmuddelkindern spielen. Wozu auch!?
Den Finanzpolitiker und SPD-Mann Thilo Sarrazin als Nazi zu beschimpfen verkennt eben, dass er tatsächlich Demokrat ist. Er vertritt autoritäre Lösungsansätze innerhalb demokratischer Spielregeln. Allerdings verkörpert Sarrazin den Teil der Demokraten, der zunehmend unter dem Druck der Krise die humanistische Ballast über Bord wirft und autoritäre Lösungsansätze propagiert. Das bringt ihn und seine geistige Gefolgschaft gefährlich nahe an die derzeit gesellschaftlich geächteten Nazis. Daher ist es wichtig, die Volkstod-Kampagne der Nazis, so schlecht sie auch sein möge, im gesamtgesellschaftlichen Kontext zu betrachten. Es ist politisch unzulänglich, eine demokratische Gesellschaft vor den Nazis bewahren zu wollen, in der weite Teile der demokratischen Öffentlichkeit begrifflich und gedanklich gar nicht so weit von jenen entfernt ist!
Noch ein paar Erklärungen zu dem Schlagwort Biopolitik: Gemeint ist hiermit die gezielte Einflussnahme auf die Reproduktion der Bevölkerung nach den Kriterien ihrer Verwertbarkeit. Bevölkerung, also Menschengruppen werden Ziel politischer Maßnahmen bzw. richten ihre eigene Subjektivität danach aus, kapitalistischer Verwertungslogik zu folgen. Der leistungsfähige Körper und die auf gesunden Nachwuchs ausgelegte Heterosexualität werden hierbei zur Norm erhoben, die der Sicherung der Ressource Mensch dient. Biopolitik und Biomacht fanden ihre höchste Reinform im biologischen Rassenwahn des 3.Reiches und führten dort zu Massenmorden an Behinderten, Juden, Roma und allem, was die Nazis unter "lebensunwertem Leben" subsumierten. Biopolitik kann jedoch nicht auf den Nationalsozialismus begrenzt werden. Biopolitische Erwägungen sind fester Bestandteil bürgerlichen Denkens und sind an die kapitalistische Verwertungslogik geknüpft, nach der nur Jene eine Daseinsberechtigung haben, die Träger_innen von Wert und Leistungsfähigkeit sind. Je weniger Menschen diese Attribute erfüllen und je mehr das kapitalistische System durch seine eigenen Krisenhaftigkeit unter Druck gerät, je mehr werden solche Überflüssigen von den Ressourcen dieser Gesellschaft abgeschnitten und der Verelendung, Krankheit und Hunger und frühzeitigem Tod preisgegeben.
Teil einer emanzipatorischen linken Politik kann es daher nur sein, biopolitischen, sozialdarwinistischen und rassistischen Konzeptheckereien eine klare Absage zu erteilen. Die soziale Frage ist eine gesellschaftliche und keine des Erbguts oder der Herkunft. Kein Mensch soll sein Leben nach Kategorien Volk, Verwertung und gesellschaftliche Normativität ausrichten müssen. Niemand darf von den gesellschaftlichen Ressourcen abgeschnitten werden! Begriffe wie Volk, Rasse oder gar Hautfarbe sind als kulturelle Bezugspunkte und Zuordnungen für Menschen stigmatisierend und abzulehnen.
In diesem Sinne:
DEN VOLKSTOD VORANTREIBEN!

Redebeitrag der Gruppe "Kloß im Hals"

Keine Klöße für Nazis?
Geeeeenau.
Wir nehmen den Nazis die Klöße weg, und dann verschwinden die von ganz alleine.
Und wir können uns wieder auf die bunten, demokratischen Schultern klopfen und uns in den Arm nehmen und sagen: wieder mal haben wir die Stadt vor dem abscheulichen Niedergang durch die faschistische Bedrohung, dem braunen Schandfleck, gerettet... Was sind wir für guuuuuuuuute Menschen! Klöße und Bratwurst essen hilft gegen Faschismus?
Hätten das damals die Alliierten gewusst! Damit hätten die definitiv weniger Stress gehabt. Vor allem den Soldaten wäre so mancher Hungertod erspart geblieben.
Und vor allem hätten die Bomber nicht so viel Kerosin in die Luft geblasen. Da hätten wir heute auch nicht solche Probleme mit dem Klimawandel und der Debatte, ob die Sonne nun auch für oder eben nicht für Nazis scheint!
Und hätten die Dresdner damals Stollen gegen Nazis gegessen, dann würden nicht jedes Jahr im Februar viele Menschen den Bombenopfern gedenken, sondern eher denen, die sich im antifaschistischen Widerstandskampf totgefressen haben.
Dann wäre die Sache mit dem Faschismus endgültig gegessen gewesen.
Aber mal Hand aufs deutsche Herz.
Wir sind ja alle bunt und tolerant. Farbe bekennen im Einheitsbrei. Denn wir haben ja nichts gegen Randgruppen, solange uns diese nicht an die Thüringer Rostbratwürste und die Kartoffelklöße wollen. Doch solang Toleranz keine Grenzen steckt, wird aus dem ach so bunten Gewimmel eine braune, völkische Suppe ohne Substanz. Und dann hören wir es rufen: Nazis raus! Nazis raus!
Doch da stellt sich uns die frage: Wo raus? Und wohin? Wenn etwas aus etwas heraus genommen wird, muss es auch irgendwo hingetan werden! Raus aus unserer schönen Stadt? Fragen wir in anderen Städten nach, ob die nicht noch etwas Platz haben? Und dann stellen wir uns doch mal vor, wir hätten einen Zauberstab, mit dem wir alle Nazis mit einem *pling* wegzaubern könnten... Würde dann mit einem Schlag sämtliche Diskriminierung aufhören? Gäbe es keine Abschiebungen mehr? Und keine Flüchtlingslager, wie in Zella-Mehlis, in denen Leute unter menschenunwürdigen Bedingungen eingesperrt sind? Würde die Angst vor allem Unbekannten und all der Hass mit den Nazis verschwinden? Und weiter hören wir es rufen: Wir sind das Volk!
Was sind wir denn noch alles? Papst... Kanzlerin...Waldmeister...Schland? Da haben wir uns aber einiges aufgeladen. Aber sind wir nicht alle ein bisschen volker?

So... nun mal im ernst:
Was ist denn bitte ein Volk? Müssen wir uns tatsächlich durch irgendeine konstruierte Pseudo-idendität von irgendwem oder irgendwas abgrenzen? Seit Beginn der Neuzeit wird generell auch eine Gemeinschaft oder Großgruppe von Menschen derselben Ethnie mit gleicher Sprache, Kultur ein Volk genannt.
Ein Volk im Sinne von Staatsvolk besteht hingegen aus der Gesamtmenge der Staatsbürger und ihnen staatsrechtlich gleichgestellten Personen. Die ethnische Herkunft von Bürgern eines Staates ist rechtlich unerheblich. Ist denn aber eine "ethnische Herkunft" nicht auch ein Konstrukt? Und faktische Unfreiheit- da mensch diese nicht selbst wählen zu können scheint?
Ethnie wird hauptsächlich über Sprache und Kultur definiert. Es gab tatsächlich nie eine einheitliche Kultur in Deutschland. Mal angenommen eine Person friesischer Herkunft setzt sich an einen schwäbischen Stammtisch... da erkennt mensch die kulturelle Einigkeit... abgesehen davon kann mensch Kultur nicht mit roten Linien auf Landkarten definieren.
Des Weiteren gründet ein Staat bzw. Staatssystem immer auf einer Hierarchie, welche diverse Gewaltmaßnahmen benötigen, um ihre Macht zu sichern. Folglich ist klar, dass diese abzulehnen sind.
Die Nazis, die sich auf eine "völkische Ideologie" berufen, von Volksgemeinschaft schwafeln, und Ethnie mit "deutschem Blut" definieren, schwingen seit einiger Zeit große Reden vom "Volkstod". Es gibt Kampagnen mit dem Titel: "Die Demokraten bringen uns den Volkstod", in denen es heißt, dass durch die, von den Nazis so genannte "Überfremdung", die von den "bösen Demokraten" befürwortet wird, unsere "deutsche Kultur" und damit unser "deutsches Volk" aussterben wird, weil es dann scheinbar für sie keine nationalen Identifizierungsmöglichkeiten mehr gibt.
Dieser Schwachsinn wurde nun auch von antifaschistischer Seite aufgegriffen, um in satirischer Art und Weise daran Anstoß zu nehmen. Natürlich ist es streitbar den Slogan: "Den Volkstod vorantreiben" für eine offizielle politische Kampagne zu wählen, jedoch musste dieser Unsinn einfach auch als Unsinn enttarnt werden... Es geht dabei nicht um einen Aufruf zum Völkermord! Und wenn wir die Definition der Nazis aufgreifen und in den Kontext "Volkstod vorantreiben" setzen, dann hieße das doch, eine kulturelle Weiterentwicklung zu fordern, anstatt auf alten, verstaubten, konservativen Gewohnheiten und Traditionen sitzen zu bleiben, ohne weiter zu denken.

Wir brauchen keine Nazis, damit es z.B. an Bahnhöfen offenkundig rassistische Kontrollen gibt, wir brauchen keine Nazis, damit Menschen abgeschoben werden, oder unter extremsten Bedingungen in sogenannten Flüchtlingslagern eingepfercht und eingesperrt werden... Wir brauchen keine Nazis dafür, dass Menschen gedemütigt, geschlagen und diskriminiert werden aufgrund ihrer Herkunft, ihres Aussehens, ihrer Religion oder anderen Dingen. Das Problem sind nicht nur die Nazis! Das Hauptproblem ist der in der so genannten "Mitte der Gesellschaft" verankerte Alltagsrassismus!
Und außerdem: die Mitte der Gesellschaft wird von der Masse bestimmt. Wie kann es dann sein, wenn die Masse Nazis ablehnt, dass diese noch immer tief in ihrer Mitte verwurzelt sind?

Wir sagen nein zu: gesellschaftlichem Stillstand, rassistischen und faschistischen Alltagssituationen, jede Form von Diskriminierung und Diskreditierung, Herrschaftsstrukturen und völkischem Zwangsverhalten!



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