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Erfurt: Redebeitrag auf Kundgebung gegen Sarrazin-Besuch

Eintragsdatum: 2012-05-10Quelle: Antifa Arnstadt-Ilmenau

Am vergangenen Mittwoch, den 9. Mai 2012, protestieren ca. 300 Menschen gegen die Lesung von Thilo Sarrazin im DASDIE-Brettl in Erfurt (Bericht des Infoladen Sabotnik). Wir dokumentieren den Redebeitrag der Antifa Arnstadt-Ilmenau.

Redebeitrag der Antifa Arnstadt-Ilmenau zur Kritik an Menschenrecht und Sozialdemokratie

Das Bündnis »Sarrazin absagen«, das diese Kundgebung hier organisiert, weist in seinem Aufruf - völlig zu Recht - darauf hin, dass aus Thilo Sarrarins Thesen und Pamphleten blanker Rassismus und Sozialchauvinismus sprechen. Ebenso richtig verweist man im Aufruf auf die Verbreitung rassistischen Denkens in der deutschen Bevölkerung. Sehr gründlich aber irrt sich das Bündnis darin, dass die von allen Seiten beschworenen Menschen- und Grundrechte zu diesem Denken in einem wirklichen Gegensatz stehen. Wir möchten in diesem Redebeitrag eine ganz grundsätzliche materialistische Kritik der Menschenrechte umreißen und zum Schluss noch einige Worte über Sarrazins Partei, die SPD, verlieren, die vielfach völlig zu Unrecht gegen Sarrazin in Schutz genommen wird.

Kritik der Menschenrechte

Wer glaubt das Menschenrecht schütze vor Rassismus und Antisemitismus, vor Terror und Menschenfeindlichkeit, der irrt. Hinter den Menschenrechten steht das repressive Prinzip der Vergleichung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, das im Äquivalenzverhältnis der Ausbeutung der Ware Arbeitskraft gegen Lohn schon zum Ausdruck kommt. Gleichheit bedeutet hier, dass man sich im Rahmen eines Rechtssubjekts zu bewegen hat, dass man in stetiger sozioökonomischer Ungleichheit frei ist, sich mit seiner Arbeitskraft an den nächsten Betrieb oder den Staat zu verkaufen. Wenn man aus verschiedenen möglichen Gründen diesen Rechtsstatus nicht hat, sei es weil man als Flüchtling vor den Grenzen Europas abgewiesen wird oder weil die Mehrheitsbevölkerung mal wieder zu der Einsicht kam, dass Juden und andere Gruppen keine Menschen mehr sein sollen, dann hat es sich mit Gleichheit und Menschenwürde beendet. Dann bricht sich Bahn, was Horkheimer und Adorno als die »Entfaltung der Gleichheit des Rechts zum Unrecht durch die Gleichen« bezeichnet haben. Vor allem in Zeiten der Krise stehen diese falschen Prinzipien immer wieder zur Disposition. Denn dort, wo Menschen Identität vor allem dadurch generieren, indem sie als Verfügende über ihre Arbeitskraft diese und damit sich selbst verwerten, geht die Angst um, wenn Arbeitslosigkeit droht. Nichts schlimmeres kann passieren, so die Ideologie dieser Gesellschaft, als kein Teil der Maschinerie mehr sein zu können und damit subjektiv und vielleicht bald auch objektiv, den Status des Rechtssubjekt, also die Verfügungsgewalt über sich selbst zu verlieren. Der im Abstieg begriffene Bürger weiß allerdings fast schon vegetativ, wie seine missliche Lage zu ändern und der alte unwürdige Zustand beizubehalten ist. Indem er nämlich seine krisenhafte Identität durch die Abgrenzung nach oben und unten kuriert. In den Untermenschen, also bevorzugt den Ausländer oder Flüchtling, projiziert das bürgerliche Subjekt seine Niederlage in der Konkurrenz und möchte diese damit möglichst weit von sich fern halten. Das Phänomen, hinter dem Abschiebung und Grenzsicherung stehen, nennt sich Rassismus. Im Übermenschen halluziniert der Bürger, der Bürger bleiben möchte, alles an sich und dieser Gesellschaft Unverstandene und Abstrakte in den Juden und möchte es dort eliminieren. Das völkische Projekt, das die Unmittelbarkeit der stark vermittelten Gesellschaft herstellen möchte, ist der eliminatorische Antisemitismus. Rassismus und Antisemitismus sind konstitutive Momente bürgerlicher Subjektivität, die durch das Menschenrecht hindurch in der krisenhaften bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft wirkmächtig sind.
Die Gleichheit dieser Gesellschaft und jene des Menschenrechts ist nicht die Gleichheit aller ihre Verschiedenheit zu entwickeln, sondern die Gleichheit der Wertverkörperungen, zu denen die Menschen in dieser unmenschlichen Gesellschaft erniedrigt werden. Gleich ist nicht der Mensch, sondern die Ware. Die materialistische Analyse entlarvt das Menschenrecht als euphemistische Verschleierung, als ideologisches Blendwerk der menschenfeindlichen Gesellschaft, in der wir leben und in der sich Thilo Sarrazin und Konsorten ganz zu Recht auf das Menschenrecht berufen können. Antifaschistische Kritik muss hinter die Fassaden dieser Gesellschaft schauen und ihre repressive Funktionslogik aufdecken, um für ihre Überwindung eintreten zu können. Dazu muss erkannt werden, dass Rassismus und Antisemitismus konstitutiver Bestandteil dieser Gesellschaft sind; dass sie Teil jener Ideologie sind, die die Gesellschaft ebenso durchwirkt, wie das Staatswesen. Thilo Sarrazin vertritt diese Ideologie in einer Konsequenz, die die Gutmenschen aufschrecken lässt. Gerade deswegen werden wir nicht davon ablassen immer wieder auszusprechen, dass seine Ideologie die dieser Gesellschaft ist.

Die SPD - eine rassistische Partei

Der immer wieder erneuerte Versuch von Teilen der SPD-Basis, Sarrazin aus der Partei zu werfen, ist nicht mehr als eine Scharade. Längst weiß man in der SPD, ob man es sich nun bewusst macht oder nicht, dass niemand konsequenter und populärer das Projekt der deutschen Sozialdemokratie vertritt, als Thilo Sarrazin. Historisch hat sich immer dann, wenn die Überwindung von Nationalstaatsgrenzen und anderen Übeln anstand, etwa vor dem 1. Weltkrieg, die Sozialdemokratie aufgeschwungen, um die Emanzipation von der Herrschaft des Menschen über den Menschen zu verhindern. Damals brachte die SPD ihren Kaiser so in Wallung, dass dieser keine Parteien mehr kannte, sondern nur noch Deutsche. Das Resultat ist bekannt. Das Projekt der Sozialdemokratie ist die Integration und Lenkung von Widerstand hin zur Verewigung des Kapitalverhältnisses. So gehört es zum Verdienst der Sozialdemokratie, dass man heutzutage Menschen nicht mehr internieren und vernichten muss, um ihren widerständigen Geist zu brechen, sie in die SPD zu integrieren reicht vollkommen. Die SPD ist eine Partei der kapitalistischen Barbarei, eine Abschiebe-Partei, eine Partei der Grenzsicherung, der Ausbeutung, des verwalteten Elends, kurz: des Kapitals. Dass sie dabei um den Eindruck bemüht ist, nur das Beste für die sozial Schwachen zu wollen ist das Perfide, womit Thilo Sarrazin endgültig gebrochen hat. Er spricht offen aus, wohin die Reise der Sozialdemokratie geht. Er hat begriffen, dass Mitmachen in diesem Staat bedeutet, das Elend zu verewigen, anstatt es endlich abzuschaffen. Er ist ganz richtig in einer Partei, dessen Vorsitzender kürzlich den Staat der Holocaust-Überlebenden als Apartheidsstaat geschmäht hat; in einer Partei, die in Thüringen die Isolationslager erhält, Abschiebungen beauftragt und Flüchtlinge drangsaliert. Dass dieser Mann von echten Erfurter Sozialdemokraten bzw. solchen die sich den historischen Charakter der Sozialdemokratie nicht verleugnen, wie ein Held gefeiert werden müsste, weil er ausspricht, wo die deutsche Sozialdemokratie einmal hin will, ändert überhaupt nichts an der Notwendigkeit gegen solche Ideologie zu kämpfen und Sarrazin und Konsorten dort in die Beine zu treten, wo sie auftauchen, heute in Erfurt!
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