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![]() Für aktuelle News checkt bitte unseren neuen Blog!Erfurt: Redebeitrag der Antifa Arnstadt-Ilmenau über bürgerliche Betroffenheitbr>Eintragsdatum: 2011-11-28 — Quelle: Antifa Arnstadt-Ilmenau Auf der Gedenk-Kundgebung am 28. November 2011 anlässlich des kürzlich bekannt gewordenen Ausmaßes des Naziterrors in Deutschland kamen nicht nur erlesene Repräsentanten der Zivilgesellschaft zu Wort, sondern auch die Antifa Arnstadt-Ilmenau, die den kuscheligen Betroffenheitskonsens »Deutschland gegen Nazis« aufbrach.
Mehr als 180 Menschen starben seit der deutschen Wiedervereinigung durch die Hand von Menschen, die aus faschistischen Motiven das Leben, die Existenz anderer beendeten. Wie viele Morde noch hinzugenommen werden müssen, bei denen das möglicherweise faschistische Motiv im Dunkeln blieb, darüber lässt sich nur spekulieren. Dass Nazis morden ist also nichts neues. Was soll also die Betroffenheitskonjunktur, die man dieser Tage überall vernehmen muss? Ist es das Ausmaß oder die Kaltblütigkeit der Mörder? Seit Jahrzehnten warnen Antifa-Gruppen und andere Initiativen, die sich gegen faschistische Tendenzen wehren, vor nichts mehr, als vor der Brutalität und Rücksichtslosigkeit faschistischer Gewalt. Warum also die Betroffenheit, die sich allerorts in bürgerlichen und zivilgesellschaftlichen Kreisen breit macht? Wir vermuten dahinter ganz andere Motive, als die, die zur Schau gestellt werden. Nicht um die für immer verlorene Existenz so vieler Menschenleben geht es vielen »Betroffenen«, sondern um die Wahrung der eigenen Identität, die pathologische Abwehr der eigenen Schuld am faschistischen Morden und die Außenwirkung der Bundesrepublik Deutschland in der Welt.
Die in den Betroffenheitszeremonien verleugnete Wahrheit ist die, dass die faschistische Gewalt alles andere ist, als etwas unerwartetes oder überraschendes, etwas dieser Gesellschaft äußerliches, das die Ruhe und den Frieden bürgerlicher Verhältnisse in Deutschland gefährdet. Die postfaschistische deutsche Gesellschaft hat ihr Erbe von '45 nämlich nicht hinter sich gelassen, sondern integriert in die deutsche Mehrheitsgesellschaft. Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus, etc. sind keine Ideologiefragmente ewig Gestriger, sie sind konstitutiver Bestandteil jener bürgerlichen Ideologie, die diese Gesellschaft ebenso durchwirkt, wie das Staatswesen. Augenscheinlich wird diese bürgerliche Ideologie im mehrheitsfähigen pathologischen Hass auf Israel, oft nur schäbig verkleidet als vermeintliche Israelkritik oder in der durch die Mehrheit gewollten rassistischen Abschiebepraxis des deutschen Staates. Zum Widerstand gegen Abschiebung und Diskriminierung sind keine Mehrheiten in Deutschland zu gewinnen. Hier hat man sich für das Leben anderer Menschen nie wirklich interessiert und wer dem Wohlstand der Blut- und Bodendeutschen im Weg steht und dem Volkskörper fremd ist, der soll in das Land zurückkehren, das die Deutschen durch kapitalistische Ausbeutung oder noch viel schlimmeres erst zerstörten. Das ist der Common sense der Bürgerlichkeit von SPD bis NPD, vom Arbeitgeberverband bis zu den DGB-Gewerkschaften, vom Kleingarten- bis zum Kegelverein. Ausländer sind höchstens dann willkommen, wenn sie den Wohlstand der Deutschen mehren; Asylsuchende und jene die die Arbeitsplätze der Deutschen »bedrohen« droht die Abschiebung und schlimmeres. Die Ursache für solches Denken geht zurück bis in die rassistische und antisemitische Struktur bürgerlicher Subjektivität selbst. Die krisenhafte Identität des bürgerlichen Subjekts ist maßgeblich konstituiert durch die Abwehr des vermeintlichen Untermenschen, in den man die eigne Niederlage in der kapitalistischen Konkurrenz hineinimaginiert und durch die Abwehr des vermeintlichen Übermenschen, der zur Projektion alles Unverstandenen und Abstrakten dieser Gesellschaftsordnung dient. Wenn dieses krisenhafte Subjekt zum Projekt der »Verteidigung der eigenen Identität«, also zur Tat schreitet sind antisemitisch und rassistisch motivierte Gewalt keine Ausnahme, sondern die Regel und auch dann, wenn ebenso antisemitisch und rassistisch motiviert die Schuld in einem Akt der Betroffenheit abgewehrt wird, indem man vermeintlich den Opfern gedenkt und sie ehrt, sie in Wirklichkeit aber instrumentalisiert und ihr Leben ein zweites Mal beendet. Die Ideologie von Tat und Schuldabwehr ist dieselbe. Wenn jetzt also Nazis mordend durch das Land ziehen, in dem der Mord quasi erfunden wurde, ist die Betroffenheit groß. Warum, fragen wir. Weil die Nazis nicht den bürokratischen Weg einhielten, überflüssige Ausländer erst abzuschieben und im Heimatland sterben zu lassen? Weil sie Arbeitsplätze durch Mord schufen und nicht durch Entlassung/Drangsalierung/etc.? Nein, weil sie eine Ideologie zur letzten Konsequenz trugen, die fester Bestandteil des geläuterten Deutschlands ist - die rassistische und antisemitische Mordideologie. Die Betroffenheit vieler ist Schuldprojektion bzw. bestenfalls noch Naivität. Wie steht es um die Betroffenheit mit den dutzenden Menschen, die täglich ertrinken, weil sie versuchen in völlig überfüllten Holzkonstruktionen über das Mittelmeer die Festung Europa zu erreichen? Warum werden in den Parlamenten und anderswo keine Gedenkminuten für diese Menschen abgehalten? Wo ist die Betroffenheit, wenn der Iran an der Atombombe baut, die letztlich nur zu einem Zweck dienen wird, der Vernichtung Israels. Jetzt Schuldige zu suchen, bedeutet nichts anderes als ein gesellschaftliches Problem zu einem polizeilichen zu machen. Sicher hat der Verfassungsschutz versagt. Eine Institution, wie der Verfassungsschutz, der zu nichts anderem dient als undifferenzierte Feindschaft gegen alles Abweichende zu streuen und der unter dem Deckmantel von vermeintlicher Wissenschaftlichkeit letztlich nichts anderes befördert als Dummheit und falsches Bewusstsein, gehört abgeschafft und mit ihm die Gesellschaft, die solche Institutionen nötig hat. Er ist aber nur Ausdruck eines Problems, das viel tiefer liegt, in den Grundbestimmungen dieser Gesellschaft, in der Konstitution bürgerlicher Subjektivität. Wer hier nicht anfängt zu hinterfragen, wird sich auch in 20 Jahren immer wieder auf solchen Betroffenheitszeremonien wiederfinden, weil sich an den Ursachen für den Naziterror nichts geändert haben wird. Der Schlüssel wirklicher Prävention liegt in der Schaffung kritischen Bewusstseins, das sich der Menschenfeindlichkeit dieser Gesellschaft bewusst wird und zu ihrer Überwindung beiträgt. Anders wird die Gesellschaft der wirklichen Freiheit, in der jeder ohne Angst verschieden sein kann, also die kommunistische Gesellschaft, nicht zu erreichen sein. |
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