Antifaschistische Gruppen Südthüringen

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Thüringen: Nazikader ausgestiegen?

Eintragsdatum: 2011-06-07Quelle: AGST

In den letzten Monaten machten in der antifaschistischen Linken in Thüringen immer wieder Gerüchte die Runde einige Nazikader aus Thüringen seien mittlerweile ausgestiegen. Auch Annäherungsversuche dieser Leute an linke Gruppen gab es. Die Antifaschistischen Gruppen aus Südthüringen (AGST) nehmen nachfolgend hierzu Stellung.

Konkret geht es derzeit um Nazikader aus dem Südthüringer Raum, wie Patrick Wiedorn, Steven Hartung und Christian-Ernst Weißgerber. Hartung soll sich sogar immer wieder im alternativen subkulturellen Umfeld in Erfurt aufhalten und dort Kontakte knüpfen. Weißgerber studiert derzeit in Jena Philosophie und ist dort sehr umtriebig. Auch über Wiedorn, lange Zeit führender Nazikader aus Arnstadt, gibt es vermehrt Gerüchte, er habe die Naziszene verlassen.

Die Antifaschistischen Gruppen aus Südthüringen (AGST) erklären hierzu: Keiner der drei genannten Nazikader ist uns als Aussteiger bekannt. Keiner von ihnen hat uns gegenüber seinen Ausstieg erklärt oder glaubhaft gemacht. Wer glaubhaft machen will, dass er/sie der Naziszene den Rücken kehrt, der soll über seine alten Strukturen auspacken. Solange dies nicht geschieht und sich die Nazis nicht den eigenen Rückweg verbauen, kann und darf von einem Ausstieg nicht gesprochen werden. Zudem gehört zu einem Ausstieg der glaubhafte Bruch mit der alten Ideologie.

Wir raten daher zu verstärkter Achtsamkeit im Umgang mit vermeintlichen Aus- oder Umsteigern. Im schlimmsten Fall wird sich dieses Gebahren als mehr oder minder geglückter Versuch herausstellen antifaschistische Strukturen auszuleuchten oder Werbung für diverse Querfrontbestrebungen zu machen. Nichtsdestotrotz würden wir es begrüßen, wenn sich Nazis dazu entscheiden mit ihrer menschenverachtenden Vergangenheit zu brechen. Wird dieser Bruch aber nicht glaubhaft gemacht, kann das für antifaschistische Strukturen böse enden.

Wenn ihr also mit aussteigewilligen Neonazis Kontakt habt, meldet euch bei örtlichen Antifa-Gruppen!


Nachfolgend dokumentieren wir einen hilfreichen Text zum Umgang mit Aussteigern aus dem AIB #74:

Aussteiger, Rückzieher, Aufhörer, Austreter ...

Zum komplizierten Umgang von AntifaschistInnen mit »AussteigerInnen« - Im AussteigerInnen-Business sind vor allem der Verfassungsschutz oder ihm nahe stehende Projekte involviert. Manchmal auch JournalistInnen auf der Jagd nach einer guten Story und hin und wieder antifaschistische Projekte. Der Unterschied zwischen diesen Gruppen liegt darin, ab wann ein »Ausstieg« als glaubwürdig angesehen wird.

Während für den Verfassungschutz und die Presse das primäre Kriterium meist die Loslösung von der Neonazi-Szene ist, bestehen AntifaschistInnen auf eine konsequente ideologische Umorientierung. So nahm das AIB Ende 1997 den »Ausstieg« des ehemaligen FAP-Funktionärs Norbert Weidner aus Bonn zum Anlass, um der Frage nachzugehen, wie AntifaschistInnen mit der wachsenden Zahl von AussteigerInnen umgehen sollten und welche Kriterien hierfür anzusetzen sind. Nach nunmehr zehn Jahren ist Norbert Weidner Pressesprecher der »Deutschen Burschenschaft« und das Thema »AussteigerInnen« immer noch aktuell.

Es gibt viele Gründe für Neonazis ihre Szene zu verlassen: Privater Ärger mit den »Kameraden«, Resignation, eine drohende Verurteilung vor Gericht, ein neuer Lebensabschnitt, andere Interessen, ein(e) neue(r) Lebensgefährte/Lebensgefährtin, Existenzangst, Heirat, eigene Kinder und etliches mehr. Viele verlassen still und unauffällig die politische Bühne und verschwinden ins Privatleben. Andere sprechen öffentlich von einem »Ausstieg«, da sie sich davon Vorteile vor Gericht versprechen oder von AntifaschistInnen ungestört ihren Geschäften und Interessen nachgehen wollen. Von einem »Ausstieg« kann hier kaum gesprochen werden, maximal von einem Austritt, von Rückzug oder einem Aufhören.

Aussteigen ist nicht Aufhören

(Ehemalige) Neonazis haben sich irgendwann als Individuen aufgrund ihrer eigenen, freiwilligen und bewußten Entscheidung dazu entschlossen, eine rassistische, antisemitische und neonazistische Politik zu betreiben. Genau das ist die Legitimationsgrundlage von AntifaschistInnen sie politisch wie auch persönlich dafür »haftbar« zu machen. Selbstverständlich sind Menschen veränderbar - ein »Gütesiegel« durch einen Ausstieg mit dieser Entscheidung konsequent gebrochen zu haben sollte jedoch von AntifaschistInnen nicht leichtfertig vergeben werden. Aus Sicht vieler AntifaschistInnen scheint es eine Art Selbstverständlichkeit zu sein, dass jemand früher oder später mit einer menschenverachtenden Weltsicht brechen will. Doch eben genau dieser nachvollziehbare Bruch muss als das notwendige Kriterium im Vordergrund stehen, um einen Ausstieg zu einem Ausstieg zu machen. Für andere Formen des Rückzuges aus der Neonazi-Szene sind andere Begrifflichkeiten zu verwenden (Abtauchen, Austritt, Rückzug, Aufhören).

Ein Ausstieg muss davon gekennzeichnet sein, dass die betroffene Person von sich aus ihre Ideologie als in allen Punkten falsch, menschenverachtend und nicht mehr länger vertretbar erkennt. Die ideologische Grundeinstellung muss als Hauptproblem angesehen werden, nicht deren Ausdruck, Glaubwürdigkeit oder Aktionsform. Es sollte davon ausgegangen werden, dass AussteigerInnen nicht von heute auf morgen ihre gesamten Überzeugungen über Bord werfen können. Ein Ausstieg bedeutet also, einen langen und schwierigen Prozess einer ideologischen Entwicklung durchzumachen, an dessen Ende nur die Konsequenz bleibt, sich selbstverständlich und konsequent gegen seine ehemaligen »Kameraden« zu stellen. Hierzu zählt auch offen Position gegen die extreme Rechte zu beziehen, eine Auseinandersetzung über begangene Taten zu suchen und Wissen über die Neonazi-Szene antifaschistischen Initiativen zur Verfügung zu stellen.

Erst die kompetente Auswertung solcher Informationen und eine ernsthafte Auseinandersetzung über neonazistische Ideologie bietet für AntifaschistInnen eine Grundlage, auf der eine erste Einschätzung über die Glaubwürdigkeit eines Ausstiegs getroffen werden kann. Je länger die Person in der Neonazi-Szene war und je höher sie in der Hierachie tätig war, um so kritischer sollten die Motive der Person für den Ausstieg geprüft werden. Bei Funktionsträgern sollte noch mehr als bei Mitläufern darauf geachtet werden, daß sie sich im Laufe des Ausstiegs-Prozeßes den Weg zurück zu ihren alten Neoazistrukturen und zurück zu den ehemaligen Weggefährten endgültig und nachweisbar verbauen. Dieses Verbauen muss aus eigenem Interesse und selbst gewollt erfolgen. Nicht immer bedeutet das auch, dass alles was ein Aussteiger berichtet, automatisch der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden muss. Wichtig ist es Mittel und Wege zu finden, mit denen ein Aussteiger seine Ernsthaftigkeit unter Beweis stellen kann. Die Bedingungen wie der Prozess eines Ausstieges in Zusammenarbeit mit AntifaschistInnen zu verlaufen hat kann selbstverständlich nicht der (ehemalige) Neonazi-Kader festlegen.

Nötige Grundsätze

Gerade bei einem »Ausstieg« von Neonazis über die linke Szene müssen bestimmte Grundsätze klar und garantiert sein. Hierzu zählen die Transparenz und Glaubwürdigkeit der Ausstiegsgründe, die Notwendigkeit des Begreifens um der vormals vertretenen Ideologie und die nachvollziehbare Veränderung dieser, sowie das Verbauen des Rückwegs, zum Beispiel durch das Offenlegen neonazistischer Strukturen an antifaschistische Projekte, die in der Lage sind entsprechende Angaben einzuschätzen. Auch für die beteiligten Personen gelten hierbei bestimmte Rahmenbedingungen, welche das Antifaschistische Infoblatt bereits 1997 einforderte: »Die Person(en), die einen Aussteiger direkt betreuen, müssen bereit sein, sich dabei kontrollieren zu lassen; sie sollten sich mit einem größeren Zusammenhang koordinieren und kurzschließen und sich dabei auch zugestehen können, daß über einen persönlichen Kontakt zu dem Aussteiger/der Aussteigerin die notwendige Distanz verloren geht. Das gilt insbesondere, wenn der Kontakt den Charakter einer Freundschaft annimmt. Solange ein Aussteiger/eine Aussteigerin nicht öffentlich und unumkehrbar mit seinen/ihren Nazizusammenhängen und mit der entsprechenden Ideologie gebrochen hat, kann es keine Gründe für persönliche Freundschaften geben (...) Wenn Unsicherheit über den richtigen Umgang mit einem Aussteiger/einer Aussteigerin besteht, ist es in jedem Fall besser, sich an Menschen und Zusammenhänge mit Erfahrungen in diesem Bereich zu wenden, als spontan und unüberlegt draufloszumachen«.1

Keine falsche Eile

Am Ende eines langen Prozesses steht wohlmöglich ein Ausstieg - ein Freifahrtschein, um in antifaschistischen Strukturen mit mischen zu können ist für den Aussteiger damit noch nicht automatisch erreicht. Wenn sich ein Aussteiger von einem Moment zum nächsten als geläuterter Antifaschist präsentiert, ist in jedem Fall Mißtrauen angebracht. Hier sollte in jedem Fall doppellt genau nach der Glaubwürdigkeit des Ausstieges und der offengelegten Legende geschaut werden. Für einen Sinneswandel vom Faschisten zum Antifaschisten ist ein wesentlich längerer Zeitraum und ein erhebliches Maß an Selbstreflektion als Maßstab anzulegen. Bei einer Anfrage nach einer direkten Aufnahme in antifaschistische Zusammenhänge ist allergrößte Sorgfalt geboten. Bedacht werden sollte hierbei auch, daß ein scheinbar einfacherer und problemloser Wechsel in kürzester Zeit von »ganz Rechts« nach »ganz Links« eine fatale Auswirkung auf die politische Glaubwürdigkeit der antifaschistischen Bewegungen haben könnte. Außerdem bieten solche Übertritte natürlich auch den konservativen und rechten Vertretern der Totalitarismustheorie und der sogenannten »Hufeisentheorie«2 neue Argumente.

Quelle: http://www.nadir.org/nadir/periodika/aib/archiv/74/30.php
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