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Junge Welt: "In den Tod getrieben"

Eintragsdatum: 2011-03-08Quelle: AGST

In Zella-Mehlis starb vor etwa drei Jahren ein Mann. Die letzten Tage seines Lebens verbrachte er allein im Wald. Er starb vermutlich an Kälte und Unterernährung. Der damals 32-jährige Asylbewerber starb, weil er von den Behören des Landkreises systematisch in den Tod getrieben wurde. Die Lokalmedien verschwiegen den Vorfall weitgehend. Erst Recherchen der linken Tageszeitung Junge Welt brachten nun etwas Licht ins Dunkel deutscher Nächstenliebe.

08.03.2011 - Junge Welt
In den Tod getrieben

Die Polizei hat jahrelang Auskünfte verweigert, warum ein schwerkranker Flüchtling 2008 aus dem Lager Zella-Mehlis geflohen und wie er gestorben ist

Von Gitta Düperthal

Nachdem er über einen langen Zeitraum regelmäßig Abschiebeandrohungen erhalten hatte, flüchtete er aus dem Flüchtlingslager Zella-Mehlis in den Wald. Dort sei er auf grausame Weise ums Leben gekommen, berichteten Mitbewohner aus der Gemeinschaftsunterkunft bereits im vergangenen Jahr gegenüber junge Welt über Ruslan Yatskevich, geborener Polubiatka, aus Belarus. Letztmalig war der damals 32jährige Asylbewerber am 22. Februar 2008 in Zella-Mehlis gesehen worden. Zwei Monate später, am 22. April, fanden Spaziergänger im Wald bei der Sprungschanze in der Nähe von Suhl-Goldlauter einen Toten. Einzig eine Meldung in der lokalen Zeitung Freies Wort gab Aufschluß, daß eine nicht identifizierte Leiche im Wald in der Nähe des Flüchtlingslagers gefunden wurde. »Er war einer von uns, ist einfach so verschwunden, keinen scheint zu interessieren, was ihn in den Tod getrieben hat«, sagt einer der Flüchtlinge, die ihn gekannt haben. Aktivisten von »The Voice« fragten immer dringlicher bei der Polizei nach, was mit ihm geschah - erhielten aber keine Auskunft. »Er ist aus Angst geflüchtet, erfroren, verhungert«, sagt Ruslan Yatskevichs Bekannter. »Selbst der Umgang mit migrantischen Toten zeugt von Respektlosigkeit der Behörden uns gegenüber.«

Als eine Sprecherin der Dokumentationsstelle Antirassistische Initiative e.V. in Berlin kürzlich in diesem Fall recherchierte, konstatierte sie ebenso »hartnäckige Auskunftsverweigerung« und bat junge Welt nachzuhaken. Die Polizei verwies an den Sprecher der Staatsanwaltschaft Meiningen, Thomas Waßmuth, der immerhin die Identität des Toten bestätigte. Epileptiker sei er gewesen; denkbar sei nach rechtsmedizinischen Untersuchungen, daß er an einem schweren Anfall gestorben sei. »Einzelheiten zur ausländerrechtlichen Situation des Verstorbenen« will Waßmuth nicht mitteilen: Zuständig sei die örtliche Behörde selbst.

Sprecher der Flüchtlingscommunity aus Zella-Mehlis erheben schwere Vorwürfe gegen die Ausländerbehörde in Meiningen, für die psychische Zerstörung und den Tod des Flüchtlings verantwortlich zu sein. Seitens der Behörde gibt man sich hingegen überzeugt, Ruslan Yatskevich sei nicht wegen der angedrohten Abschiebung geflohen. Uwe Kirchner, Sprecher vom Landrats­amt Schmalkalden-Meiningen, will mit allen Auskünften zum Tod des Flüchtlings, der am 15. Juni 2000 nach Deutschland gekommen war, nur mit dem Hinweis »in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Fachdienst« zitiert werden. Und so hört sich das stressige und traurige Leben des Flüchtlings aus Perspektive des Amtes an: Seit acht Jahren hatte er eine Duldung. Er habe sich in ständiger ärztlicher Behandlung befunden, wegen Alkoholabhängigkeit auch mehrfach im Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Hildburghausen. Seit der Ablehnung seines Asylantrags 2004 und des Folgeantrags 2007 habe die Behörde ihm mit Abschiebung gedroht. Auf deren Rechtmäßigkeit habe sich auch die letzte Androhung im Schreiben vom 5.Februar 2008, etwa zwei Wochen vor seiner Flucht und seinem Tod, bezogen, teilen Kirchner und »der zuständige Fachdienst« mit.

Weiterhin ist Erstaunliches zu vernehmen: Die Abschiebung des Flüchtlings habe »wegen der nur bedingten Flug- und Reisefähigkeit« jedoch gar nicht unmittelbar bevorgestanden. Und: »Dies müßte auch Herrn Yatskevich bekannt gewesen sein«. Was Fragen nach sich zieht: Hatten Behördenmitarbeiter ihm etwa gesagt, er solle das Amtsschreiben nicht so ernst nehmen? Vor allem aber: Weshalb hat die Behörde ihm dann überhaupt die Abschiebung angedroht, da er doch nicht reisefähig war? Dazu heißt es aus dem Landratsamt lapidar: Dies sei »der übliche Verfahrensablauf«.


Quelle: http://www.jungewelt.de/2011/03-08/048.php
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