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![]() Für aktuelle News checkt bitte unseren neuen Blog!Stellungnahme Südthüringer Antifa-Gruppen zum gescheiterten Dresden-Bündnisbr>Eintragsdatum: 2010-12-23 — Quelle: AGST Zur Mobilisierung im kommenden Februar nach Dresden hat das Aktionsnetzwerk Jena vor einigen Wochen zu einem Thüringenweiten Vorbereitungstreffen eingeladen. Auf dem dritten Treffen eines geplanten Bündnisses ist dieses Vorhaben schließlich gescheitert. Hierzu nun eine Stellungnahme von Südthüringer Antifa-Gruppen aus Arnstadt, Ilmenau und Suhl. Antifaschistische Bündnispolitik zwischen Defensive und AngriffDie Zusammenarbeit von verschiedenen politischen Lagern gegen Neonazistrukturen und -aufmärsche hat in Deutschland eine lange Tradition. Sie resultiert aus der deutschen Geschichte des Nazi-Faschismus. Sie ist aus der Angst geboren einen Rückfall in die Barbarei um jeden Preis zu verhindern. Alles notwendige dafür zu tun, um dafür zu sorgen, "dass Auschwitz nicht noch einmal sei" (Adorno), hat auch der radikalen Linken in Deutschland eingeleuchtet, auch wenn das hieß, notfalls auch die kapitalistische Demokratie vor Schlimmerem zu verteidigen. Es ist nicht der einzige Grund dieses Bündnis mit den Demokrat_innen einzugehen. Als nach dem Zusammenbruch der DDR vor allem im Osten Deutschlands der deutsche Mob gegen Asylbewerberheime durch die Städte zu marodieren begann und die verantwortliche Politik das Problem dadurch zu deckeln versuchte, indem man darüber schwieg oder den Rassisten nachgab und das Recht auf Asyl in Deutschland faktisch abschaffte [1], war Bündnispolitik für die radikale antifaschistische Linke notwendig. Das Schweigen aufzubrechen war das Ziel und es dauerte bis weit in die 90er Jahre hinein, bis sich die verantwortliche Politik dem Naziproblem annahm und es durch die Einrichtung staatlich finanzierter Anti-Nazi-Projeke, durch Politikunterricht oder durch die schlichte Übernahme von Positionen der Nazis eindämmte. Heute gibt es immernoch einige triste Regionen, vor allem in Ostdeutschland, die sich offiziell ihr Naziproblem nicht eingestehen wollen. Auch hier ist antifaschistische Intervention nötig. Heute ist die Problemstellung eine andere. Es geht, von zahlreichen regionalen Ausnahmen abgesehen, nicht mehr darum ein Bewusstsein für das handfeste Problem der Nazigewalt zu schaffen. Wenn heute in Erfurt, Arnstadt oder Ilmenau Nazis auf Nicht-Deutsche Jagd machen, dann ist in der Regel eine ganze Armada von Gutmenschen [2] zur Stelle, um den Vorfall zu skandalisieren. Es wird nicht mehr verschwiegen bzw. nur dann, wenn es die Polizei schafft, den politischen Hintergrund der Tat zu verschleiern. Die meisten Städte sind inzwischen bereit sich des Problems anzunehmen und versuchen genau daraus, aus dem Kampf für ihre Weltoffenheit, (touristisches und gewerbliches) Kapital zu schlagen. Zudem ist glücklicherweise die Gewalt von Nazis seit den 90er Jahren zunehmend zurückgegangen. Das alles ändert nichts an der Verbreitung ihrer Ideologie in der Mehrheitsgesellschaft. [3] Die deutsche Politik und Gesellschaft ist rassistisch, nationalistisch, sozialdarwinistisch und dem antisemitischen Wahn alles andere als abgeneigt. Keine_r von uns kann sagen, ob, wie und wann dieses faschistische Potenzial wieder aktivierbar ist. Klar ist aber eines, auch wenn eine Mehrheit keine Scheu hat, Versatzstücke faschistischer Ideologie offen zu äußern, die verantwortliche Politik der BRD zeigt keine Tendenzen auf, die kapitalistische Demokratie zurück in die faschistische Barbarei zu führen. Wir leben in einer Gesellschaft in der rassistische Abschiebungen und Grenzschutz, kapitalistische Ausbeutung, nationalistischer Taumel und die antisemitische Hetze gegen Israel alltäglich und mehrheitlich gewollt sind, aber ein Auschwitz gibt es nicht mehr in Deutschland. Deutschland verteidigt seine Wirtschaftsinteressen auch nicht mehr durch Vernichtungskriege, sondern durch eine rigide Wirtschaftspolitik und politische Einflussnahme in der Welt. Dem Exportweltmeister ist an stabilen innenpolitischen Verhältnissen sehr gelegen und die Gesellschaft zugerichtet genug, um alles zu fressen und wiederzukäuen, was nötig ist, um so scheiße zu bleiben, wie man ist: "Wir hätten nicht die Scheiße, die wir haben, wären wir nicht die Scheiße, die wir sind." (Herbert Marcuse) Das Naziproblem auf den Straßen, und damit nicht die Ideologie der Mehrheitsgesellschaft, hat das deutsche Establishment unter Kontrolle. Staatlich finanzierte Beratungsnetzwerke arbeiten Tag und Nacht daran dieses Symptom kapitalistischer Vergesellschaftung und bürgerlicher Ideologie einzudämmen. Die Ursachen für dieses Problem und das Potenzial für den Rückfall in die Barbarei bestehen aber nach wie vor und werden von den mobilen Beratungsteams notwendig nicht angegangen. Diesen Ausgangsbedingungen muss sich die radikale Linke bewusst werden, wenn sie die Idee der Alternative, einer Freiheit ohne Herrschaft, am Leben erhalten will. Die kapitalistische Demokratie muss nicht mehr gegen die Nazis verteidigt werden. Nie waren die politischen Verhältnisse in Deutschland so stabil, wie heute. Für diejenigen, die in der heutigen Gesellschaftsordnung - wie wir - eine unerträgliche Zurichtungsanstalt sehen, ist das eine gute und eine schlechte Nachricht: Der Vernichtungsantisemitismus ist in Deutschland offenbar vorbei. Andererseits stellt sich das Anrennen gegen das Bestehende als winzige Minderheit in stabilen politischen Verhältnissen als ein Kampf gegen die Verzweiflung und die Ohnmacht dar. Es gilt der Satz Max Horkheimers: "Je unmöglicher der Kommunismus ist, desto verzweifelter gilt es für ihn einzutreten." Für die antifaschistische Bündnispolitik muss diese Analyse Auswirkungen haben, die sich in Thüringen jüngst zeitigten. Bündnispolitik in Thüringen Die Bündnispolitik Thüringer Antifa-Gruppen war in den letzten Jahren vielfach pragmatisch orientiert. Gerade in den Jahren vor dem "Superwahljahr" 2009, mit Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europaparlamentswahl war die NPD in nie gekannter Weise in Thüringen aktiv. Selbst im letzten Kaff gab es Kundgebungen und Infostände, die oftmals ihre antifaschistische Antwort fanden. Zwar hielten sich die Thüringer Antifa-Gruppen nicht mit Gesellschaftskritik zurück, handelten aber bündnispolitisch durchaus pragmatisch. Ein erstes größeres Zerwürfnis der letzten Jahre war der 1. Mai 2010, als die autonomen Antifa-Gruppen das bürgerliche Bündnis gegen den Naziaufmarsch verließen, weil sich schnell abzeichnete, dass statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung im Aufruf, copy&paste das erste Prinzip darstellte. [4] Mit einem inhaltsleeren Aufruf wurde großmäulig zu Massenblockaden "mit Tausenden von Menschen" aufgerufen, denen letztendlich ein paar hundert Berufsdemokrat_innen und orientierungslose Antifas folgten. Dass der Naziaufmarsch verhindert wurde, ist dabei allein der Polizeiführung anzurechnen, die die Nazis an diesem Tag nicht laufen lassen wollte. [5] Die Antifa wählte für die Mobilisierung einen gehaltvolleren und provokativeren Weg [6], ohne das Ziel der Verhinderung des Aufmarschs aus den Augen zu verlieren. Bei der Mobilierung gegen das bevorstehende Fest der Völker im thüringischen Pößneck kam es dann zum vorerst endgültigen Bruch und der offenen inhaltlichen Kritik seitens der Antifa an der bürgerlichen Anti-Nazi-Politik. [7] Auch nachdem der Naziaufmarsch abgesagt wurde, demonstrierte die Antifa gegen das bürgerliche Nationbuilding und Moralgeheuchel. [8] Während die Zivilgesellschaft in Pößneck (auch ohne Fest der Völker) sich selbst feierte, übte sich die Antifa in Ursachenkritik und bemühte sich um die Ausweitung der Kampfzone auf bürgerlichen Rassismus und Antisemitismus. [9] Soweit zu den Ausgangsbedingungen in Thüringen. Bevor wir auf den Zerfall des Thüringer Dresden-Bündnisses eingehen werden, wollen wir zwei Ansätze linksradikaler Praxis in Sachen Bündnispolitik nachzeichnen, die wir für die Wesentlichen der letzten Jahre halten. Zwei Ansätze linksradikaler Praxis Im Wesentlichen sehen wir zwei bündnispolitische Ansätze von Gruppen und Personen, denen es um die Überwindung des Kapitalismus und nicht um dessen Domestizierung geht (wie der Sozialdemokratie und den angegliederten Einheitsgewerkschaften des DGB). Die einen wollen in breiten Bündnissen gegen Nazis, als regressivste Elemente der kapitalistischen Gesellschaft, vorgehen und durch Geltungsgewinn in diesen Bündnissen die politischen Diskurse verschieben. Der andere Ansatz lehnt Bündnisse ab, bei denen das Vertreten der eigenen Inhalte nicht durchzusetzen wäre, weil u.a. gesellschaftspolitische Kräfte, wie Sozialdemokratie und Einheitsgewerkschaften, dafür sorgen, dass aus dem Widerstand gegen Nazis, die Affirmation der bestehenden Gesellschaft wird. [10] Hier wird bzw. soll eine kompromisslose Kritik an den Verhältnissen formuliert werden, welche die potenziellen Bündnispartner_innen und ihre Rolle für die Stabilisierung des Kapitalismus bzw. ihre Ideologie einschließt. Wir werden im Folgenden den zweiten Ansatz radikaler Kritik gegen den der breiten Bündnispolitik verteidigen, nicht ohne uns selbstkritisch einzugestehen, dass wir auch schon ersteren praktiziert haben und dieses Vorgehen in anderen Situationen rechtfertigen würden. Die Praxis antifaschistischer Bündnispolitik der Vergangenheit ist ein Beleg für ihr Scheitern. Das Beispiel Dresden ist eines von vielen, aber es ist exemplarisch dafür. Bis zum Jahr 2009 hat das antideutsche linksradikale Bündnis "Keine Versöhnung mit Deutschland" die Proteste gegen einen der größten Naziaufmärsche Europas organisiert. Durch die radikale Kritik nicht nur an den Nazis, sondern auch am Gedenken der Stadt Dresden und den Ursachen für das Naziproblem in Dresden, hielt sich die Beteiligung an den Aktionen des Bündnisses in Grenzen. Schließlich geht kein_e überzeugte_r Sozialdemokrat_in gerne auf eine Demonstration, auf der die eigene Ideologie mit der der Nazis in Verbindung gebracht wird. Seit dem Jahr 2009 hat sich die Mobilisierung in Dresden geändert. Neben den linksradikalen antideutschen Gruppen haben sich auch die Antifaschistische Linke Berlin und andere Gruppen der Interventionistischen Linken [11] in die Mobilisierung eingeschalten. Ihre Strategie war es, die inhaltliche Schärfe zurückzufahren und somit eine Massenmobilisierung, wie sie schon andernorts funktioniert hat, zu ermöglichen. Das Kalkül ging auf, ein breites gesellschaftliches Bündnis hat 2010 mit Massenblockaden den Naziaufmarsch verhindert. Der Beigeschmack ist mehr als bitter. Die antifaschistische Mobilisierung hat weder das widerliche Gedenken der Stadt, das Dresden ähnlich wie in der Nazipropaganda als Opfer der Alliierten darstellt, noch die Kritik an der Gesellschaft, die die Nazis erst hervorbringt, vorangebracht. Vielmehr ist Dresden zu einem Sinnbild einer inhaltsleeren "Dagegen-Republik" bzw. des "Wutbürgers" geworden, in der die deutsche Mehrheitsgesellschaft, die sonst am Kapitalismus nicht viel zu meckern hat, zu einem neuen Wir findet. In Dresden haben damit Teile der Antifa mitgemacht beim Nationbuilding und den Blockaden gegen Nazis und für den Standort Deutschland. Das Argument, man müsste eben Schritt für Schritt vorgehen und erst die Massen auf die Straße bringen, um sie dann zu politisieren, ist die Lüge, mit der sich gesellschaftskritisch gebende Gruppen gegenseitig das Gewissen reinhalten, um auch bei der nächsten Gelegenheit mit dem mehrheitsdeutschen Heimatschutz den Standort Deutschland zu verbessern. Mit der Verhinderung eines großen Naziaufmarsches ist noch nichts gewonnen. Deswegen verschwinden nicht die Schläger von der Straße und die Hetze nicht aus der Öffentlichkeit. Wir sind der Meinung, die Antifa, die eine kategoriale Kritik der kapitalistischen Gesellschaftsordnung vertritt, muss solche Politik und Bündnisse meiden und kritisieren. Zerfall des Thüringer Bündnisses Innerhalb des Thüringer Bündnistreffens für eine gemeinsame Mobilisierung nach Dresden [12] zeichnete sich spätestens beim dritten Treffen, als schon ein Aufrufentwurf [13] vorlag, ein tiefer Dissens darüber ab, ob gesellschaftskritische Positionen vertreten werden können. Sowohl der Delegierte der Linkspartei Thüringen, das Redroxx, als auch die zahlreichen Vertreter_innen des Aktionsnetzwerks Jena haben deutlich gemacht, dass mit ihnen ein inhaltlich weitergehender Aufruf als der des bundesweiten Bündnisses "Dresden Nazifrei" nicht zu machen ist. Schließlich steht nicht weniger als die Massenmobilisierung auf dem Spiel, wenn die zu Mobilisierenden in die Kritik hineingenommen werden und schließlich sich und ihre Sitzkissen zu Hause lassen. Lediglich einige Zugeständnisse, was die Kritik am Dresdner Gedenken angeht (einige Sätze linker Common Sense), waren zu machen bzw. bestand darin das Entgegenkommen. Die Antifa-Gruppen standen damit vor dem Dilemma einen Aufruf zu verteidigen, den wir selber für inhaltlich unzureichend hielten, aber der für die Genannten schon zu weit ging. Als letztlich geltungs- und sendungsbewusste Machtpolitiker des Aktionsnetzwerks Jena versuchten, über Inhalte nicht mehr inhaltlich zu diskutieren, um das bessere Argument zur Geltung zu bringen, sondern lediglich zu verhandeln, ob Positionen hineinkommen oder nicht, war das Treffen für uns gescheitert. Wenn sich Zivilgesellschafter_innen auf die Position zurückziehen, eben nur die Position ihrer Partei oder Organisation vertreten zu können und daran nichts ändern zu können, ist nicht mehr viel zu machen. Hier wird das bloße und für ihr Handeln letztbegründende ökonomische Interesse sichtbar: Es galt die Wähler, Gönner, Förderer und Arbeitgeber nicht zu vergrätzen. Ein Aufruf, der zum Nationbuilding der Berliner Republik beiträgt, wird von uns nicht unterstützt. Er ist nicht hilfreich im Kampf für andere politische Verhältnisse und verkehrt den notwendigen Widerstand gegen Naziaufmärsche in die Affirmation des Bestehenden. Zur Stellungnahme des Redroxx In einer am 17. Dezember veröffentlichen Stellungnahme hat das Redroxx [14] den offenen Schlagabtausch eröffnet. Die Diskussion offen zu führen, halten wir für sinnvoll und möchten im Folgenden auf die Stellungnahme des Redroxx eingehen. Außerdem plädieren wir dafür, dass die Diskutierenden und Adressat_innen über unsere deutliche und radikale Kritik ebenso wenig narzistisch gekränkt reagieren, wie wir über ihre. Vielmehr muss es darum gehen, Kritik als Chance zur Selbstreflexion zu begreifen. Der Ansatz des Redroxx steht noch hinter den beiden weiter oben vorgestellten Ansätzen linksradikaler Praxis in Bezug auf die Bündnispolitik zurück. Das zeigt sich schon darin, dass der Streitpunkt der Gesellschaftskritik im Statement völlig außen vor gelassen wurde. Dem Redroxx scheint an Ursachenkritik für Rassismus, Antisemitismus, etc. so wenig gelegen zu sein, dass sie es scheinbar nichtmal diskutiert haben. Außerdem verteidigt das Redroxx eine weltfremde Analyse der gesellschaftlichen Position der Nazis. Sie werden als ein entscheidender Diskursfaktor dargestellt. Es wird beschrieben, dass deren Aufmärsche und Propaganda die Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft merkbar verschieben könnten und so auch den Diskurs um das Dresdner Gedenken mitbestimmten. Wenn das Redroxx sich den gesellschaftlichen Realitäten stellen würde und verstehen würde, dass Nazis eine Randgruppe der Gesellschaft sind und ihre Ideologie viel wirkungsvoller von Salonnazis, wie Thilo Sarrazin und anderen bürgerlichen Ideologen, vertreten wird, würde ihr ganzes argumentatives Gebäude zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Wir versuchen das im Folgenden zu skizzieren. Das Redroxx möchte sich in der Mobilisierung auf Aktionen gegen den Naziaufmarsch beschränken und nicht das bürgerliche Gedenken kritisch begleiten, weil sie "die Neonazis und Deutschnationalen als AkteurInnen ernst" nehmen und in den Nazis eine Gefahr sehen, den Gedenkdiskurs nach rechts zu verschieben. Dass das in Dresden nicht nötig ist, würde sehen, wer sich das bürgerliche Gedenken um die Dresdner Bombardierung genauer anschaut. Dort werden Positionen vertreten, die denen der Nazis in kaum etwas nachstehen. Die bürgerlichen Gedenkenden sind sich mit den Nazis darüber einig, dass Dresden Opfer des Krieges ist. Beide sprechen nicht gern darüber, wer den Krieg begonnen hat. Während sich die in der Öffentlichkeit stehenden bürgerlichen Gedenkenden da noch einigen Realitäten stellen müssen, bringen es die Nazis bis zur Leugnung der deutschen Kriegsverbrechen. Klar ist auch, beide wollen nur das Beste für Deutschland und das deutsche Ansehen. Diskursbestimmend sind aber nicht die Nazis, sondern die bürgerlichen Geschichtsrevisionisten. Wöllte das Redroxx seiner eigenen Argumentation treu bleiben und diejenigen bekämpfen, die am offensivsten den Geschichtsrevisionismus in die Öffentlichkeit tragen, müssten sie ihre Busse zum Widerstand gegen das Gedenken schicken. Auf welcher Seite des Diskurses das Redroxx aber in Wirklichkeit zu stehen scheint, wird in zahlreichen Bemerkungen, wie diesen in Bezug auf die veränderte Gedenkpolitik der Stadt Dresden sichtbar: "Dresden wurde in der Stadt jetzt nicht mehr als das deutsche Opfer des 2. Weltkrieges gesehen, sondern im Zusammenhang mit anderen Städten betrachtet, die in Kriegen durch Bombardierungen betroffen waren." Die Lüge in diesem Satz entlarvt der Gesetzentwurf der sächsischen Landesregierung, den das Bündnis "Keine Versöhnung mit Deutschland" in seinem Aufruf für 2010 auseinandernahm. [15] Dort heißt es, Dresden sei "Sinnbild der Zerstörung und der zivilen Kriegsopfer", weil sich seine Zerstörung "von den Zerstörungen anderer deutscher Städte deutlich unterschied" und "nur kurze Zeit vor Kriegsende, als besonders viele Flüchtlinge in der Stadt waren, was die Zahl und das Gewicht der menschlichen Opfer weiter erhöhte". Auch im weiteren Textverlauf versucht das Redroxx alles daran zu setzen, das städtische Gedenken, das, wie das Redroxx eingesteht, rechts des bundesrepublikanischen Diskurses steht, vor einer Gleichsetzung mit dem Gedenken der Nazis zu retten. Es geht dem Redroxx, laut öffentlichem Bekunden in seinem Statement, darum, geschichtsrevisionistische Großevents zu verhindern. Die Thüringer Antifa-Gruppen werden als Relativist_innen dargestellt, welche die Gefahr, die von Nazis ausgeht dadurch relativieren, dass sie das bürgerliche Gedenken in Dresden mit dem Gedenken der Nazis vermeintlich gleichsetzen und die Nazis als Akteur im Diskurs nicht ernst nehmen. Hier schließt sich der Bogen zur unterlassenen Ursachenanalyse des Redroxx. Die eigentliche Gefahr, so denken wir, geht von der Ideologie der Nazis aus. Aber nicht von ihren aggressivsten Verfechtern, sondern von jenen, die sie mehrheitsfähig machen. Die Gefahr geht von den bürgerlichen Demokrat_innen selber aus, nicht von den, in moralischem Abstand gehaltenen, Nazis. Gerade der sogenannte Rechtspopulismus, der z.B. in Arnstadt prominente Vertreter hat, dient als eine Art Faschismus im demokratischen Gewand und befindet sich bundesweit stark im Aufwind. Adorno brachte es mal zu dem Satz, er fürchte sich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten. Hierin ist die Gefährdung durch das faschistische Potenzial der Gesellschaft in der Berliner Republik beschrieben. Nicht die offen bekennenden Nazis sind derzeit die größte Gefahr für die prekäre und falsche Freiheit im Kapitalismus und für die weitgehende körperliche Unversehrtheit der gesellschaftlich Ausgesonderten, sondern die bürgerliche Ideologie des Kapitalismus. Die Antifa relativiert nicht die Gefahr, die von den Nazis in den ostdeutschen No-Go-Areas ausgeht, sondern sie betont deren Ursachen, um das Problem auch ursächlich, nämlich radikal, anzugehen. Wer meint, das Naziproblem sei in dieser Gesellschaftsordnung zu lösen und das Ergebnis sei ein erstrebenswertes, macht sich zum Sisyphos der herrschenden Ordnung. Die Antifa-Gruppen aus Südthüringen möchten dieses Anrennen gegen Windmühlen auch in Zukunft den staatlich finanzierten, mobilen Beratungsteams und anderen institutionalisierten und nicht-institutionalisierten Gutmenschen überlassen. Wir wollen uns derweil darauf konzentrieren, die kritische Theorie der Gesellschaft voran zu bringen, um zur Bewusstseinsbildung vieler Einzelner beizutragen und irgendwann die Befreiung von einer unfreien, erstickenden und entmenschlichenden Ordnung feiern zu können. In Dresden feiern wir derweil die Bombardierung der Stadt vor mehr als 60 Jahren. Sie hat zur Zerschlagung Nazideutschlands ebenso beigetragen, wie zur Befreiung der letzten noch lebenden Jüdinnen und Juden in Europa. Fußnoten/Anmerkungen: [1] An dieser Stelle sei an die Beteiligung der heutigen Linken-Ikone Oskar Lafontaine erinnert: http://jungle-world.com/artikel/2008/27/22121.html [2] Der polemische Begriff des Gutmenschen steht oftmals, und vor allem seitens der Gutmenschen in der Kritik, da er vermeintlich aus der Agitation der Nazis stamme. In polemischer Hinsicht wurde der Begriff allerdings schon von Karl Marx und Friedrich Nietzsche verwendet, um über Menschen mit einem hohen moralischen Anspruch zu sprechen, die naiverweise meinen ihre Moralität führe in eine bessere Gesellschaft, ohne zu verstehen, dass schon der Begriff der Moral auf die falsche Versprechung eines guten Lebens im Diesseits des Kapitalismus verweist. [3] Was nicht zuletzt unzählige Studien beweisen. Hier eine aktuellere: http://library.fes.de/pdf-files/do/07504.pdf [4] Hier ist der Aufruf des bürgerlichen Bündnisses "Straßendate": http://strassendate.net/?page_id=6 ; In polemischer Absicht mit solch inhaltsleeren Aufrufen ist wohl auch der Aufrufgenerator entwickelt wurden: http://aufrufgenerator.com/ [5] Statement der AG17 zur Verhinderung des Naziaufmarsches: http://agst.afaction.us/index.php?menu=news&aid=408 [6] Aufruf zur Demonstration "Hauptsache es knallt": http://ag17.afaction.us/knaller-hp/aufruf-lang.html [7] Redebeitrag der Antifa Arnstadt zur Zukunft antifaschistischer Bündnispolitik: http://agst.afaction.us/index.php?menu=news&aid=429 [8] Aufruf zur Demonstration "Kein Volk. Kein Fest. Kein Volksfest. Destroy the spirit of Dresden": http://ag17.afaction.us/keinvolksfest/aufruf.html [9] Bericht vom antifaschistischen Stadtrundgang in Arnstadt: http://agst.afaction.us/index.php?menu=news&aid=430 [10] Dabei wollen wir die stattfindende Transformation von Protest in Affirmation nicht allein der Einflussnahme von Sozialdemokratie und co. gutschreiben. Vielmehr ist es der falsche Ansatz der sozialen Bewegungen selber. Sobald an die Stelle einer kompromisslosen Kritik an Staat, Nation und Kapital die realpolitischen Forderungen (z.B. nach Verbot eines Naziaufmarsches, nach mehr Rechten oder Geld) treten und damit die Form kapitalistischer Vergesellschaftung akzeptiert wird, neigt der Protest dazu sich im "Spiegelspiel der Politik" (Joachim Bruhn) zu verlieren und in Affirmation der bestehenden Verhältnisse umzuschlagen. Mit anderen Worten: Alle sozialen Protestbewegungen haben Reproduktionscharakter, solange sie den Staat und die kapitalistische Vergesellschaftung nicht überschreiten. Vgl. hierzu: Joachim Bruhn: Was deutsch ist. Zur kritischen Theorie der Nation. Ca ira-Verlag, Freiburg 1994, S. 77ff. [11] Die Interventionistische Linke (IL) ist ein Bündnis eher tradtionalistisch-marxistischer Antifa-Gruppen, die sich eindeutig von den antideutschen/antinationalistischen Gruppen abgrenzen. Das Bündnis entstand im Vorfeld des G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. [12] Die Genoss_innen vom Haskala zeichnen die Stationen dieses Bündnisses nach und üben Kritik an der Position des Redroxx: http://haskala.de/2010/12/18/stellungnahme-haskala/ [13] Hier der Aufrufentwurf des Bündnisses: http://haskala.de/2010/12/18/aufrufentwurf-des-gescheiterten-thueringer-buendnisses/ [14] Statement des Redroxx: http://www.redroxx.de/nc/presse/detail/zurueck/aktuell-c870415b1a/artikel/stellungnahme-zum-ende-der-gemeinsamen-mobilisierung-nach-dresden/ [15] Zum Aufruf: http://venceremos.sytes.net/kvmd/texte/co/aufruf-zum-12.-und-13.-februar-2010-in-dresden.html Erklärung der Südthüringer Antifa-Gruppen als pdf: [klick] |
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