Antifaschistische Gruppen Südthüringen

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Pößneck: Redebeitrag zur Standortbestimmung der Antifa

Eintragsdatum: 2010-06-13Quelle: AGST

Worin besteht eigentlich die originäre Politik der Antifa? Worin unterscheidet sie sich noch von bürgerlichen bzw. zivilgesellschaftlichen Anti-Nazi-Initiativen. Wir dokumentieren einen Redebeitrag zur Standortbestimmung der Antifa, gehalten auf der Antifa-Demo am 12. Juni in Pößneck.

Heute ist es also wieder soweit. Einmal mehr wird der sogenannte "Thüringentag der nationalen Jugend" stattfinden. Dass es in diesem Jahr Pößneck trifft, spielt keine besondere Rolle beim Ablauf dieser Veranstaltung. Nicht anders würde dieser Event in anderen Thüringer Städten ablaufen. In Erfurt mit etwas mehr Widerstand, in Arnstadt mit Schützenhilfe von Bürgermeister und Stadt. Die aktuellen Chancen antifaschistischer Akteure solche Aufmärsche zu verhindern sind, aller Dresden-Euphorie zum Trotz, gering. Und wir finden das auch gar nicht so schlimm. Daran kann sich eine sinnvolle antifaschistische Praxis nicht messen lassen. Denn ob eine solch ekelhafte Veranstaltung nun verhindert wird oder nicht, hat auf den kapitalistischen Normalvollzug keinerlei Einfluss. Der nationalistische Taumel beispielsweise zur Fußball-WM und die rassistische Abschiebe- und Ausgrenzungspraxis laufen von solchen Spektakeln völlig unbeeindruckt weiter. Schon Adorno bemerkte vor 50 Jahren, dass "das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie potentiell bedrohlicher ist als das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie".

Dieses Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie bekommen Asylbewerber_innen in Deutschland jeden Tag zu spüren, ganz unabhängig davon, ob Nazifeste gefeiert werden, durch Gerichte verboten werden oder durch Massen von Nazigegnern verhindert werden. Eine Antifa, die sich an Nazievents abarbeitet, anstatt gegen rassistische Ausgrenzung von Staatswegen, gegen nationalistischen Taumel und kapitalistische Ausbeutung vorzugehen, macht sich verdächtig im Establishment angekommen zu sein. Wenn die Antifa zur Blockade-Gemeinschaft gegen Nazis verkommt, wird sie eines Tages von den staatlich geförderten Aktionsnetzwerken, Bündnissen gegen Rechts und dem ganzen Bunt-statt-braun-Gewäsch nicht mehr zu unterscheiden sein. Anstatt sich als militanter Arm der Blockade-Gemeinschaft für ein besseres Deutschland zu gerieren, muss die Antifa die Waffen schärfen und das sind in erster Linie, die Waffen der Kritik. Die Aneignung von kritischer Gesellschaftstheorie ist die Grundvoraussetzung, um die entscheidenden Fragen stellen und beantworten zu können. Nämlich: In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich? Und: Welche Rolle spielen die Nazis und ihre Ideologie in dieser Gesellschaft? Die Antifa muss zum Ort radikaler Gesellschaftskritik werden, wenn sie es mit dem Kampf gegen faschistische Tendenzen in Staat und Gesellschaft wirklich ernst meint. Denn diese Tendenzen sind kein Privileg der Nazis, sie durchziehen die ganze Gesellschaft.

Die bürgerlichen Naziblockierer stellen das Gefüge von Staat, Nation und Kapital als Ganzes nicht in Frage. Sie verstehen die Nazis als eine gesellschaftliche Exklave und nicht als Teil dieser Gesellschaft. Hier hat der Extremismus-Ansatz, der die Gesellschaft in böse rechte und linke Ränder und eine von allen Übeln freizusprechende Mitte einteilt vollends durchgeschlagen. Wer diesen politischen Unsinn mitmacht, nämlich die etablierte deutsche Politik, sowie die Massenmedien ebenso, wie die von ihnen beeinflussten Massen, wird die Komplexität von kapitalistischer Gesellschaft niemals begreifen können. Wir als Antifa müssen diesen falschen Vereinfachungen widersprechen, nicht nur weil sie unsinnig und nicht zielführend sind, sondern, weil wir als Antifa notwendigerweise diesem Schema zum Opfer fallen. Die zur Totalität neigende kapitalistische Demokratie grenzt ihre nicht vorhandene Mitte nämlich nicht nur von ihren reaktionären und damit rechten Feinden ab, sondern auch von ihren emanzipatorischen, also linken Gegnern. Die Unterschiede zwischen Rechten und Linken in ihrer politischen Zielsetzung werden dabei eingeebnet. Kein Verfassungsschützer interessiert sich dafür, ob sein Feindbild, der Extremist, zurück in die offene Barbarei will oder vorwärts in eine befreite Gesellschaft. Als Apologet des falschen gesellschaftlichen Ganzen ist er geneigt den eigenen Lügen von der humanistischen Demokratie zu glauben, auch wenn sich diese humanistische Demokratie u.a. durch Gewalt gegen Flüchtlinge an den Grenzwällen Europas auszeichnet, um nur ein einleuchtendes Beispiel zu nennen. Ein Mensch ist und bleibt für den Verfassungsschützer dann ein Extremist, wenn er oder sie die herrschende Ordnung von Staat, Nation und Kapital ablehnt und auf die demokratischen Gepflogenheiten verzichtet, sprich: Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung nicht ausschließt. Der Gewalt des Staates Gegengewalt im Sinne emanzipatorischer Umwälzung entgegenzusetzen, gilt in der gesellschaftlichen Totalität als kriminell und wird entsprechend verfolgt.

Sollte die Antifa den Bruch mit Staat, Kapital und Nation ernst meinen, muss sie die radikale Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse vorantreiben anstatt sich in Bündnissen mit verwaschenen Kompromissen aufzureiben. Die Veränderung des Ganzen erfordert immer auch die Emanzipation der Einzelnen von den Anforderungen einer von Konkurrenz und Profitstreben durchdrungenen Gesellschaft. Wer diese Zurichtungsmaschinerie zerstören will, muss sie erstmal verstehen lernen. Dazu gehört es, zu begreifen, dass Nazievents vielleicht geeignete Anlässe sind radikale Gesellschaftskritik zu betreiben, dass aber etwas gewaltig schief läuft, wenn die Verhinderung dieser Aufläufe zum einzigen Ziel, zum Selbstzweck, verkommt.
Antifaschistische Gruppe Südthüringen