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Thüringen: Nichts neues vom Verfassungsschutz

Eintragsdatum: 2010-05-29Quelle: AGST

Thüringens sinnloseste und wohl teuerste Arbeitsbeschaffungsmaßnahme hat in den vergangen Tagen ihren Jahresbericht bzw. ihre Existenzlegitimation vorgelegt: Der Thüringer Verfassungschutzbericht 2009 ist da. Das wissenschaftlich daher kommende Pamphlet ist wie jedes Jahr eine Demonstration spätkapitalistischer Ideologie.

Der Geheimdienst in Thüringen heißt seit 1990 nicht mehr Ministerium für Staatssicherheit, sondern Landesamt für Verfassungsschutz. Dort sitzen einige dutzend mehr oder weniger gut bezahlte Beamte, die sich mit verfassungsfeindlichen Elementen beschäftigen. Also beispielsweise mit der Antifa, der FAU oder mit Nazis. Dabei differenzieren die Verfassungsschützer nicht, ob die Gruppen und Personen, die sie beobachten über die bürgerliche Gesellschaft hinauswollen, also einen emanzipatorischen Anspruch vertreten oder ob sie an einer reaktionären Umwälzung der Gesellschaft des Marktes hinein in die völkische Barbarei arbeiten. Das liegt daran, dass die kapitalistische Demokratie selber zur Totalität neigt. Alles ihr widerstrebende lehnt sie ab. Über die diesem Unsinn zugrundeliegende Ideologie ist hier schon oft berichtet worden: Der Extremismus-Ansatz würfelt die vermeintlichen und wirklichen Feinde von Staat und Kapital zusammen und erzeugt sein Feindbild: Die Extremisten.

Auf der einen Seite die (Neo-)Nazis, sogenannte Rechtsextremisten, und auf der anderen Seite Kommunist_innen und Anarchist_innen, sogenannte Linksextremisten. Was hinter diesen Extremismus-Labeln steht, interessiert beim Verfassungsschutz eigentlich niemanden. Und man fährt gut damit. Die Argumentation stützt sich auf allgemeine Begriffe, die denjenigen, die in der kapitalistischen Totalität zugerichtet wurden, sinnvoll erscheinen. Das kann an einfachsten Sätzen gezeigt werden. Der Mehrheitsdeutsche/-thüringer würde kognitiv folgenden Sätzen zustimmen, ohne ihren Gehalt kritisch zu überprüfen: Gewalt ist schlecht, Extrem ist schlecht, Mitte ist gut, Veränderung birgt Gefahr, etc. "Diese Begriffswelt macht das allgemeine Bewusstsein aus, sie hat eine Grundlage, auf die sich ihre Vertreter berufen können." (Max Horkheimer) Das Landesamt für Verfassungsschutz stützt sich dabei auf eine homogenisierte Gesellschaft, die vor Veränderung Angst hat. Diese Gesellschaft und ihre Apologeten sind von den Erfordernissen kapitalistischer Vergesellschaftung, von Ausbeutung und Profit, durchdrungen. Das vollends an den Wettbewerb angepasste Leben löscht in den Menschen die Anlage der Alternative aus: eine Freiheit ohne Ausbeutung. Herbert Marcuse schreibt 1969 dazu: "Triumph und Ende der Introjektion bildete die Stufe, auf der die Menschen das Herrschaftssystem nicht ablehnen können, ohne sich selbst, ihre eigenen repressiven Triebbedürfnisse und Werte, abzulehnen. [...] In dieser falschen Identifikation gesellschaftlicher und individueller Bedürfnisse, in dieser tiefverwurzelten "organischen" Anpassung der Menschen an eine schreckliche, aber einträglich funktionierende Gesellschaft liegen die Grenzen demokratischer Überzeugungskraft und Entwicklung."

Die Angst vor tiefgreifender emanzipatorischer Veränderung, die den Bruch mit dem Immergleichen bedeuten müsste, erzeugt eine allgemeine Feindschaft gegen kritisches Denken, das nach Auswegen aus dem Elend kapitalistischer Vergesellschaftung sucht: "Die Feindschaft gegen das Theoretische überhaupt, die heute im öffentlichen Leben grassiert, richtet sich in Wahrheit gegen die verändernde Aktivität, die mit dem kritischen Denken verbunden ist. Wo es nicht beim Feststellen und Ordnen in möglichst neutralen, das heißt für die Lebenspraxis in den gegebenen Formen unerlässlichen Kategorien bleibt, regt sich sogleich ein Widerstand. Bei der überwiegenden Mehrheit der Beherrschten steht die unbewusste Furcht im Weg, theoretisches Denken könnte die mühsam vollzogene Anpassung an die Realität als verkehrt und überflüssig erscheinen lassen; bei den Nutznießern erhebt sich der allgemeine Verdacht gegen jede intellektuelle Selbstständigkeit." (Max Horkheimer) Die Mitarbeiter des Verfassungsschutz sind keine hinterlistigen Verschwörer gegen die Emanzipation, sie sind geistig verarmte und gleichgeschaltete Produkte dieser Gesellschaft, denen man höchstens ihren Unwillen zur kritischen Reflexion zur Last legen kann.

In der aktuellen Diskussionsreihe in der linken Wochenzeitung Jungle World regte Manfred Dahlmann jüngst an, sich doch geschmeichelt zu fühlen, wenn der Staat die radikale Linke als "Linksextremisten" und "totalitär" bezeichnet (Jungle-Artikel). Denn wer es mit einer Kritik an Kapital und Staat ernst meine, müsste notwendig vom Staat in diese Ecke gestellt werden. Dass es unproblematisch sein sollte als Staatsfeind vom Staat auch als solcher bezeichnet zu werden, steht außer Frage. Trotzdem sind wir der Auffassung die Zusammenfassung von Nazis und Organisationen mit emanzipatorischen Anspruch als "Extremisten" darf nicht unwidersprochen bleiben. Es kann nur im Sinne gesellschaftlicher Emanzipation sein den falschen Vereinfachungen zu widersprechen. Nazis und emanzipatorische Kommunist_innen und Anarchist_innen haben nichts gemeinsam. Der Thüringer Verfassungsschutz ist sich über die abschreckende Wirkung bewusst, die eintritt, wenn "Extremismus-Experten" vor autoritätshörigen Schulklassen nach den gewaltbereiten Neonazis, die gewaltbereiten Autonomen in den Staub treten. Die Befreiung des Einzelnen aus diesem Wechselspiel von Manipulation und Introjektion erfordert eine Anstrengung der Theorie, um vom Gegebenen, Erlernten und Vorgelebten zu abstrahieren.

Der Thüringer Verfassungsschutz ist Vollstrecker einer Ideologie, die nicht nur dem Geheimdienst zugrundeliegt, sondern der ganzen Gesellschaft. Den Kampf um die Befreiung von dieser Zurichtungsideologie zu führen, ist Aufgabe emanzipatorischer Bewegungen gegen Staat und Kapital.
Antifaschistische Gruppe Südthüringen