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Volkstrauertag abschaffen!

Eintragsdatum: 2006-11-25Quelle: AGST

Es war mal wieder soweit. 2 Sonntage vor dem 1. Advent. Volkstrauertag. Deutschland gedenkt seinen "Opfern". Ein Tag der beispielhaft für die mangelnde Vergangenheitsbewältigung der deutschen Gesellschaft nach Auschwitz steht. Auch in Südthüringen nahm ein breites Spektrum von organisierten Neonazis bis hin zu liberalen BürgerInnen an den Feierlichkeiten teil. Wir berichten exemplarisch über zwei verschiedene und doch so gleiche Veranstaltungen.

Volkstrauertag. What the hell?

Es sind dieselben Menschen, die Mitte des Jahres während und nach der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland den "unverkrampften" und "fröhlichen" neuen Nationalismus begrüßten, gut hießen und Deutschland mit Hilfe internationaler Rückendeckung als geläutert darstellten. Die deutsche Gesellschaft soll, laut Aussage dieser Menschen aus ihrer Geschichte gelernt haben und einen verantwortungsvollen Umgang üben. In einer Zeit, in der der deutsche Bundespräsident Horst Köhler dem "Tag der Heimat" des revanchistischen und revisionistischen Bundes des Vertriebenen (BdV) beiwohnt, einer Zeit in der immer noch ZwangsarbeiterInnen auf eine Entschädigung warten, einer Zeit in der asylsuchende Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen in Heime gepfercht und willkürlich wieder abgeschoben werden, in einer solchen Zeit fällt es uns schwer die Mär vom geläuterten Deutschland zu schlucken. Die deutsche Realität ist anders als durch ReprästentantInnen und bürgerliche Medien dargestellt. In Deutschland heißt Geschichte aufzuarbeiten - sie zu verdrängen und zu relativieren. Der jährlich zelebrierte Volkstrauertag ist nur ein fester, aber dafür beispielhafter Teil dieses Prozesses. Am Volkstrauertag ist das Einvernehmen zwischen politischen Parteien, Vereinen, Verbänden, der Bundeswehr und großen Teilen der Bevölkerung so groß, wie selten. Ungeniert gedenken sie zumeist undifferenziert den Toten der Weltkriege, verurteilen die Bombenangriffe der Alliierten und die Umsiedlung von Teilen der deutschen Bevölkerung durch die Rote Armee im selben Atemzug, wie die industrielle Vernichtung von Millionen von JüdInnen, KommunistInnen, Homosexuellen, Behinderten und Andersdenkenden. Dieses Gleichsetzen bedient - möglicherweise unbewusst - ein Begehr, nämlich der Relativierung des Holocaust und der einhergehenden Umdeut(sch)ung der Geschichte, in der die Deutschen zu den wahren Opfern des Nationalsozialismus werden.

Zella-Mehlis: Gedenken am Lerchenberg

Die Worte des CDU Abgeordnete des Thüringer Landtages, Wolfgang Wehner, könnten kaum besser verdeutlichen, was bisher beschrieben wurde: "Er freue sich, dass die Deutschen wie zur Fußball-Weltmeisterschaft ganz unverkrampft mit ihren nationalen Symbolen umgehen. Er forderte aber auch, die eigene Vergangenheit nicht zu vergessen und Menschen, "die mit einfachen Antworten die komplizierten Fragen unserer Zeit lösen wollen", nicht gewähren zu lassen und spielte damit auf die Wahlerfolge >>der rechtsradikalen NPD bei Landtagswahlen<< an. >>Beweisen wir den Opfern, dass wir aus ihrem Leiden die richtigen Schlussfolgerungen gezogen haben und dass nicht immer wieder alles von vorn anfängt!<<" (Freies Wort vom 20.11.2006, Regionalteil Zella-Mehlis)
Deutschland als geläuterte Nation kann es sich also leisten, sich unverhohlen zum eigenen Nationalismus zu bekennen, da man ja die richtigen Lehren aus der eigenen Geschichte gezogen habe, im Gegensatz zu den "Ewiggestrigen".
Im südthüringischen Zella-Mehlis gedachten ca. 30 Menschen, unter ihnen Stadträte aller Fraktionen, Angehörige der Bundeswehr, Angehörige von Verbänden und Vereinen der Stadt "den Toten beider Weltkriege". Eingeladen hatten die CDU-Fraktion der Stadt und der regierende Bürgermeister Karl-Uwe Panse.
Wer jährlich denen gedenkt, die Sorge dafür trugen, dass Auschwitz betrieben werden konnte, der/die braucht sich nicht wundern, wenn auch Neonazis diesem Gedenken beiwohnen. Deren Anliegen ist ja hier dasselbe. Die Tatsache, dass keine Neonazis der militanten Kameradschaft der Veranstaltung beiwohnten war wohl einem - für die Verantwortlichen - glücklichen Umstand geschuldet. Möglicherweise stört die Nazis, dass in das Trauern der BürgerInnen, die Opfer der Shoa mit einbezogen werden oder vielleicht war der Terminkalender der Zella-Mehliser Kameradschaft gerade anderweitig gefüllt. Die Veranstaltung wurde ohne Störungen vom Bürgermeister eröffnet und 30 min. später beendet. Und es kam, wie es kommen musste - weder Bürgermeister noch die anderen Redner befanden es für nötig zwischen Opfern und TäterInnen zu differenzieren. Im selben Atemzug beanstandeten die Redner das Leid der "Vertriebenen" und der industriell vernichteten Menschen. Die Ablehnung und Verurteilung des Nationalsozialismus wirkte in Folge dieser Gleichsetzung, wie ein stumpfes Lippenbekenntnis.
Die Kameradschaft, welche nicht mit den Stadtoberen trauerte, gedachte in den Nachmittagsstunden. Wahrscheinlich fanden die Neonazis auch direktere Worte. Den Gedenkkranz legte die Kameradschaft jedenfalls über alle anderen auf den Gedenkstein des Lerchenbergdenkmals.

Gleichamberg: Fackelmarsch

Den Volkstrauertag 2006 nahmen Südthüringer Neonazis geführt vom NPD-Landesvorsitzenden Frank Schwerdt zum Anlass neben dem traditionellen Fackelmarsch in Friedrichroda einen weiteren in Gleichamberg durchzuführen. Das Dorf am Fuße der Gleichberge wurde so zum Aufmarschort von ca. 30-40 Rechtsextreme, welche mit Fackeln und Musik zum am Waldrand gelegenen Gedenkstein marschierten. Gegen den Naziaufmarsch richtete sich ein Gottesdienst, den nicht nur die Gemeinde zahlreich besuchte. Hinter den Nazis lief auch ein kritischer bürgerlicher Block der mit Pfiffen und "Nazis raus!"- Rufen auf sich aufmerksam machte. Das Gedenken der Nazis durchbrach ein gelegentliches "Stalingrad, Stalingrad - jede Sekunde ein deutscher Soldat". Gegen 19 Uhr beendeten die Nazis ihr Gedenken und liefen zum Startort/Parkplatz zurück.
In Friedrichroda versammelten sich etwa zur selben Zeit ungefähr 80 Neonazis zum Fackelmarsch. Die Veranstaltung verlief ohne Störung.

Für uns AntifaschistInnen stellt der jährliche Volkstrauertag eine Provokation dar und beweist, dass viele aus der deutschen Geschichte nichts gelernt haben.

Gegen den deutschen Opfermythos!
Volkstrauertag abschaffen!




Presseartikel:

18.11.06 - Freies Wort

NPD-AUFMARSCH IN GLEICHAMBERG
Kein Verbot, aber übliche Auflagen


HILDBURGHAUSEN/GLEICHAMBERG - Die von NPD-Bundesgeschäftsführer und Landesvorsitzendem Frank Schwerdt beim Landratsamt Hildburghausen am 8. 11. angemeldete "Öffentliche Veranstaltung unter freiem Himmel mit Aufzug aus Anlass des Volkstrauertages" in Gleichamberg" am kommenden Sonntag kann stattfinden. Erwartet werden nach NPD-Angaben dazu etwa 30 Personen aus der rechten Szene.

In einem so genannten Kooperationsgespräch in der Kreisbehörde am Donnerstag Abend wurden die Modalitäten besprochen. Daran nahmen Vertreter des Ordnungsamtes, der Polizei, der Gemeinde und der NPD teil.

Andrea Engelbert, Leiterin des kreislichen Ordnungsamtes, sagte gegenüber Freies Wort, es gebe keinerlei Handhabe, die Veranstaltung der NPD zu verbieten. Die Versammlungsfreiheit sei im Grundgesetz verankert und ein hohes Gut. Überdies wären bisher sämtliche Veranstaltungen der NPD im Landkreis störungsfrei verlaufen.

"Das Ordnungsamt erteilte einige Auflagen, auch um die Würde des Volkstrauertages als stillen Tag zu schützen", erklärte Engelbert. So dürfe der Aufzug nicht auf dem Dorfplatz, sondern müsse am Kulturhaus beginnen, da zur gleichen Zeit in der Kirche ein Friedensgebet stattfindet. Es bestände Vermummungs- und Uniformverbot. Zudem dürfe nicht im Gleichschritt marschiert werden. Musikdarbietungen hätten in moderater Lautstärke zu erfolgen, beim Mitführen von Fackeln sei den Erfordernissen der Brandsicherheit Rechnung zu tragen.

Während des Kooperationsgesprächs habe es Konsens zu diesen Auflagen gegeben, machte Andrea Engelbert deutlich.

Am Fuße des Großen Gleichberges befindet sich ein großflächiges Denkmal für gefallene deutsche Soldaten beider Weltkriege. Darüber hinaus sind in der Gleichberg-Region während der Nazi-Herrschaft Zwangsarbeiter in einem Steinbruch umgekommen. Vertreter des Hildburghäuser "Bündnisses gegen Rechtsextremismus" bezeichneten die geplante NPD-Veranstaltung vorab als "erneute Provokation der rechtsextremistischen Szene". (gs)


20.11.06 - Freies Wort

GLEICHAMBERG
Kerzen und Gebete gegen Neonazis


GLEICHAMBERG - Die Abendstunden des Volkstrauertages werden in Gleichamberg von nachhaltiger Wirkung bleiben: Mehr als 200 Bürger versammelten sich mit Kerzen zu einem Friedensgebet in der Kirche und setzten so ein deutliches Zeichen gegen den zeitgleichen Aufmarsch der NPD am Kriegerdenkmal, der rund 40 Rechte bei Fackelschein und Regen in Aktion sah.

Pfarrer Michael Buchholz war stolz und erleichtert, dass so viele Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder der Einladung gefolgt waren. "Schade, dass die Neonazis nicht sehen können, wie viele wir hier sind und wie sehr wir sie verachten", meinte er und bezog sich auf die Anweisung des kreislichen Ordnungsamtes, den NPD-Aufzug aus Sicherheitsgründen in einiger Entfernung zur Kirche beginnen zu lassen. "Die Rechten sollen wissen, dass Gleichamberg nicht zu ihrem Aufmarschgebiet werden darf. Wir schauen nicht weg, wir leisten Widerstand." Dem Terror von Rechts werde man sich nicht beugen, mit der Kraft der Kerzen und des Gebetes dagegen kämpfen, sagte Buchholz.

Kurz vor 17 Uhr hatte sich der Platz am Torhaus vor der Kirche immer mehr mit Bürgern aus dem Ort und der Umgebung gefüllt. Nahezu jeder trug eine Kerze in der Hand und wohin man schaute, sah man besorgte Gesichter und ernste Gesprächsrunden. Dem gemeinsamen Einzug ins Gotteshaus, dessen Schiff und die beiden Emporen alsbald gefüllt waren, schloss sich das Friedensgebet an. Pfarrer Buchholz forderte darin unter anderem die Politiker auf, sich endlich vehement für ein Verbot der NPD einzusetzen und sich deutlicher gegen Nazis zu positionieren.

Zur gleichen Zeit zogen etwa 40 NPD-Mitglieder und Angehörige der rechten Szene - zumeist Jugendliche - zum Gleichamberger Kriegerdenkmal. Dem Aufmarsch unter starker Polizeipräsenz folgte eine Kundgebung, bei der NPD-Kreischef Frenck und Thüringens NPD-Vorsitzender Schwerdt sprachen, Musik aus einem Lautsprecher erklang und ein Kranz niedergelegt wurde. Die meisten Rechten führten Fackeln und schwarz-weiß-rote Fahnen mit sich. GEORG SCHMIDT


20.11.06 - Freies Wort

VOLKSTRAUERTAG
Nicht nur Gedenk-, sondern auch Nachdenktag


BENSHAUSEN/ZELLA-MEHLIS - Zum ersten Mal wurde gestern auch in Benshausen, an der kleinen Denkmalanlage inmitten des Ortes, der Opfer der beiden Weltkriege und von Gewaltherrschaft gedacht.

Bürgermeister Thomas Keil und Pastorin Sabine Mägdefrau fanden vor Gemeinderäten, Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr und von Vereinen sowie Bürgern des Ortes Worte des Gedenkens und der Mahnung. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung an der leider sehr lauten Kreuzung von der Blasmusik Benshausen.

"1922 fand die erste Feierstunde anlässlich des Volkstrauertages im Deutschen Reichstag statt. 1950 wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg und nach Gründung der Bundesrepublik wieder als Gedenktag eingeführt. Die Art und Weise, diesen Tag zu begehen, hat sich nicht groß geändert, wohl aber seine Bedeutung", sagte Pfarrerin Mägdefrau und erinnerte daran, dass der Tag zu Zeiten des Nationalsozialismus als Heldengedenktag gefeiert wurde. "Was ist am Sterben eines 18- oder 19-Jährigen in einem sinnlosen Krieg heldenhaft?", fragte sie. Heute sei der Tag auch "Mahnung für alle, die noch nicht begriffen haben, dass Gewalt der falsche Weg ist, um Probleme zu lösen". Insofern sei der Volkstrauertag nicht nur Gedenktag für die im Krieg Gefallenen, in Bombennächten in Städten Gestorbenen, in Lagern Vergasten oder auf der Flucht Erfrorenen, sondern auch Nachdenktag, äußerte Sabine Mägdefrau. Sie bat um die "Kraft, am Werk der Versöhnung und am Werk des Friedens zu bauen".

Persönliches Gedenken

Thomas Keil erinnerte an die 169 Männer aus der Gemeinde, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind, an die acht Opfer politischen Terrors während der Zeit des Nationalsozialismus, an die sieben Menschen, die nach Kriegsende in der Gefangenschaft oder an den Folgen von Kriegswunden gestorben sind. Er gedachte der Opfer des Ersten Weltkrieges und des deutsch-französischen Krieges, denen im Ort ebenfalls Gedenksteine gewidmet wurden. Er fand aber auch persönliche Worte zum Leid in der eigenen Familie. Der Großvater mütterlicherseits sei 1944 als einfacher Soldat an der Ostfront gefallen. "Ich weiß, wenn er am Leben geblieben wäre, wäre in unserer Familie vieles anders verlaufen." Der Bürgermeister hofft, dass das Gedenken am Volkstrauertag zu einer Tradition in Benshausen wird.

Diese gibt es in Zella-Mehlis bereits seit Jahren. Auf Einladung von Stadtverwaltung und CDU-Stadtverband fanden sich gestern Stadt- und Kreisräte der Fraktionen, Vertreter der Kirchen, Vereine, Reservisten, Marinekameraden, aber auch junge Linke am Lerchenbergdenkmal ein. Bürgermeister Karl-Uwe Panse begrüßte die Anwesenden und dankte dem Posaunenchor, dass er auch diese Veranstaltung wieder musikalisch begleite. Die Ansprache hielt Wolfgang Wehner, für die CDU Mitglied im Thüringer Landtag. "Weil die Toten schweigen, beginnt alles immer wieder von vorn", zitierte er den französischen Philosophen Gabriel Marcel. Irgendwo sei immer Krieg und so werde am Volkstrauertag derer gedacht, die vor Jahrezehnten starben, vor einigen Jahren oder gerade gestern. Durch den Tod deutscher Soldaten bei Auslandseinsätzen oder durch die Rückkehr traumatisierter junger Männer rücke der Krieg auch immer näher an Deutschland heran, so Wehner.

Er freue sich, dass die Deutschen wie zur Fußball-Weltmeisterschaft ganz unverkrampft mit ihren nationalen Symbolen umgehen. Er forderte aber auch, die eigene Vergangenheit nicht zu vergessen und Menschen, "die mit einfachen Antworten die komplizierten Fragen unserer Zeit lösen wollen", nicht gewähren zu lassen und spielte damit auf die Wahlerfolge "der rechtsradikalen NPD bei Landtagswahlen" an. "Beweisen wir den Opfern, dass wir aus ihrem Leiden die richtigen Schlussfolgerungen gezogen haben und dass nicht immer wieder alles von vorn anfängt!" HEIKE JENZEWSKI

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