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Sonneberg: "Verbotene Symbole sind gang und gäbe"

Eintragsdatum: 2010-03-18Quelle: Thüringer Landtag, FW

Dass Naziterror in Sonneberg zum Alltag gehört, musste jetzt sogar das Innenministerium einräumen, auch wenn es sich anders ausdrückt. Eine Kleine Anfrage des Linksfraktion-Landtagsabgeordneten Knut Korschwsky brachte die Spitze des Eisbergs faschistischer Aktivitäten in Sonneberg zum Vorschein. Die, der Extremismus-Ideologie verfallene Abgeordnete der CDU, Beate Meißner, hat ihre Anfrage bezüglich jeglichen "Extremismus" in Sonneberg lieber zurückgezogen, da es mit dem sogenannten Linksextremismus im Landkreis wohl nicht soweit her ist. Wir dokumentieren einen Artikel aus dem Freien Wort und die Antwort des Innenministeriums auf die Kleine Anfrage.

Presse:

17.03.2010 - FW
Statistik-Einblicke
Verbotene Symbole sind gang und gäbe

Vereinzelt auch Volksverhetzung und gefährliche Körperverletzung / MdL Meissner zog ihre Anfrage zurück

Sonneberg - Eine wahre Begebenheit: Samstagabend in der Kreisstadt. Es ist gerade Kneipenfest. Eine Frau (Name der Redaktion bekannt) ist dennoch in der Innenstadt nicht zu Fuß, sondern im Auto unterwegs, denn sie will beim Fest nur kurz vorbeischauen. Als sie den Wagen in der Coburger Straße parkt und sich auf den Weg in eine Gaststätte macht, ziehen an ihr junge Männer - einer davon mit Thor-Steinar-Kappe - vorbei. Sie gröhlen "Lebt denn der alte Stahl-Michel noch?!" und "Sieg heil!" - zeigen laut und deutlich, wessen Geistes Kind sie sind.

Während die Frau nun noch schneller der Gaststätte zueilt, hört sie hinter sich einen starken dumpfen Schlag. Schlimmes ahnend läuft sie wieder zum Auto. Aber es ist schon zu spät: Während die übermütigen Skandierer im Dunkel verschwunden sind, stellt die Frau betroffen fest, dass die Karosse des Wagens eine große Beule aufweist.

Warum sie all das nicht bei der Polizei angezeigt hat? Die Frau hat laut eigenem Bekenntnis kein großes Vertrauen zu den Beamten. Sie fürchtet aber vor allem die Rache der Täter, ist schon mal von so einem verprügelt worden - und unterlässt deshalb die Anzeige.

Und so wird denn dieser Übergriff übermütigen braunen Nachwuches in keiner Statistik auftauchen - auch nicht in einer, die Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund verzeichnet. Wieder ein Dunkelziffer-Fall. Sicher - einer, der durchaus kein Dunkelziffer-Fall zu sein bräuchte, wenn da nicht die große Angst des Opfers wäre, die es vor einer Anzeige zurückschrecken lässt.

Vier Monate vor dieser Begebenheit: Im November 2009 hatten einige, Aufsehen erregenden Vorfälle in der Kreisstadt für ein Wiederaufleben der Diskussionen übers Thema Extremismus gesorgt. Eine rechtspopulistische Transparent-Kampagne an der Stadtumgehung und der brutale Angriff auf die Gebrüder Heinlein hatten Schlagzeilen zur Folge. Freies Wort berichtete. Der Angriff auf die Heinleins ist übrigens auch vom Thüringer Innenministerium unter "rechtsextreme Aktivitäten" gelistet.

Auch diese Vorgänge nahmen Politiker zum Anlass, näher nachzuhaken. Wie sieht es aus mit extremistischen Entwicklungen im Landkreis? Wie stark und wie gefestigt sind hierzulande extremistische Strukturen? Welche Taten wurden begangen?

Sowohl der Landesvorsitzende der Linken in Thüringen und MdL Knut Korschewsky als auch Landtagsabgeordnete Beate Meißner (CDU) starteten noch zum Jahresende 2009 hin im Landtag Anfragen zum Thema Extremismus - Korschewsky mit Schwerpunkt auf die Entwicklungen mit rechtsextremen Hintergrund, Meissner hingegen auch mit anderen politisch extremistischen Tendenzen im Blick.

Korschewsky hat Freies Wort nun die Antworten von Thüringens Innenminister Peter Michael Huber (CDU) auf seine Fragen zugänglich gemacht. Unter anderem wies Huber darauf hin, dass der NPD-Kreisverband Sonneberg bereits 2002 aufgelöst worden und dem Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt angegliedert wurde. Huber: "Dieser entfaltete in der letzten Zeit kaum eigene Aktivitäten und besitzt innerhalb des Landesverbandes nur eine untergeordnete Bedeutung. Seine Mitgliederzahl dürfte zirka 20 Personen betragen. Wie viele Mitglieder auf den Landkreis Sonneberg entfallen, ist nicht bekannt."

Der Innenminister verweist jedoch auch auf das Wahlergebnis der rechtsextremen Partei bei den jüngsten Kreistagswahlen, welches hierzulande nicht nur das gegen Extremismus agierende Netzwerk für Demokratie aufhorchen ließ: Bei den Kreistagswahlen erhielt die NPD 4,1 Prozent der Stimmen und damit zwei Sitze.

Auf die Frage, ob es 2009 im Landkreis Sonneberg rechtsextremistische Aktivitäten gegeben habe, verwies der Minister auf die schon genannten Wahlkampfaktivitäten der NPD - und zudem auf eine Liste, die insgesamt 32 Straftaten aufweist. 27 davon stehen im Zusammenhang mit dem Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, vier mit Volksverhetzung und eine mit gefährlicher Körperverletzung. Der Straftatbestand "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" taucht in dieser Liste quasi im Monatstakt auf.

Dass es in jüngster Zeit verstärkte extremistische Aktivitäten im Sonneberger Land gäbe, verneint Huber hingegen. Als bekannte Szene-Objekte Rechtsextremer werden für den gesamten Landkreis lediglich drei Lokalitäten benannt - eine in Oberlind, eine in Hönbach und die "Lauschensteinbude/Löwenbrunnen" in Lauscha. Es lägen keine Erkenntnisse über eine eventuell versuchte Unterwanderung von Schützen- oder Sportvereinen vor. Lediglich der in Lauscha ansässige Verein "Pflege Deutscher Denkmäler Thüringen" weise - so Huber - "rechtsextremistische Bezüge dergestalt auf, das fünf der sieben Gründungsmitglieder bekannte Rechtsextremisten sind". Bezüglich einer eventuellen ländergrenzenübergreifenden Kooperation thüringischer und bayerischer Rechtsextremer heißt es lediglich: "Erkenntnisse im Sinne dieser Anfrage liegen nicht vor. Gleichwohl existieren persönliche Kontakte auch länderübergreifend, die sich - wie im Falle der Band "Unbeliebte Jungs" (neuformiert aus der Rechtsrock-Band "Sturmangriff", der FolgeBand von "Volksverhetzer" - Anmerkung der Redaktion) - auch in gemeinsamen Wirken äußern können."

Insgesamt beurteilte Korschewsky die Antworten des Ministers als "ziemlich dürftig". Er ist sich sicher: "Man hat darin nur preisgegeben, was man preisgeben musste - mehr aber auch nicht." Aber auch die vorgelegten Zahlen zeigten, dass es im Landkreis Sonneberg bezüglich Rechtsextremismus "eine nicht wegzuleugnende Entwicklung gibt". Auch Korschewsky ist unter denen, die schon lange ein Landesprogramm gegen Rechtsextreme fordern. Ein solches Landesprogramm gegen Extremismus ist mittlerweile auch geplant. Korschewsky ist allerdings skeptisch, ob es auch tatsächlich zustande kommt.

MdL Beate Meißner erklärte gegenüber Freies Wort bezüglich der von ihr getätigten Anfrage: "Zweck meiner Anfrage war es, an einem weiteren Beispiel zu verdeutlichen, das Extremismus unterschiedliche Gesichter hat. Da inzwischen jedoch weitgehend akzeptiert wird, dass das geplante Landesprogramm für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz nicht ein Programm ausschließlich gegen den Rechtsextremismus sein soll, hat sich das Anliegen erledigt und ich habe meine Anfrage zurückgezogen. Ich werde für meine Fraktion als Vertreterin in der Arbeitsgruppe zur Erarbeitung dieses Programms mitwirken." Sie betont zudem: "Überdies ist demnächst mit der Vorlage der Landesstatistik zur politisch motivierten Kriminalität zu rechnen." Ihr Standpunkt: "Vor diesem Hintergrund erweist sich die gewählte kommunale Perspektive ebenfalls als zu wenig aussagekräftig, um damit Verwaltungen zu beschäftigen."

Sie ist sich aber auch sicher, dass hierzulande durchaus schon aktiver und intensiver gegen Extremismus vorgegangen wird: "Im Landkreis Sonneberg existiert eine enge Zusammenarbeit zwischen demokratischen Kräften, kommunalen und polizeilichen Sicherheitsbehörden sowie Veranstaltern sowohl im repressiven als auch im präventiven Bereich. Diese sollte ausgebaut werden, um frühzeitig Erkenntnisse zu gewinnen und damit gegebenenfalls relevante Veranstaltungslagen zu bewältigen. Die Arbeit des Netzwerkes für Demokratie hat sich in diesem Zusammenhang bewährt, um politisch motivierte Gewaltkriminalität unabhängig von ihrer jeweiligen weltanschaulichen Begründung bekämpfen zu können."

Heute wird am Amtsgericht Sonneberg wegen der Täter verhandelt, die in der Nacht zum 14. November 2009 die Gebrüder Heinlein vor einer Kneipe im Stadtzentrum niederprügelten. Freies Wort wird über das Verfahren berichten. sl


Kleine Anfrage: "Rechtsextremistische Aktivitäten im Landkreis Sonneberg"
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