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Hildburghausen: Jugendarrest und eine Geldstrafe für Naziparolen

Eintragsdatum: 2010-03-08Quelle: FW

Am Amtsgericht Hildburghausen wurden kürzlich zwei Nazis wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt. Die Nazis waren am 8. April 2009 Parolen grölend und marodierend durch die Stadt gezogen und hatten Passant_innen belästigt. Im Gericht erschienen sie stark alkoholisiert. Wir dokumentieren den Prozessbericht aus dem Freien Wort.

03.03.2010 - FW
AUS DEM GERICHTSSAAL
Jugendarrest und eine Geldstrafe für Naziparolen

Hildburghausen - "Er ging sogar eine ältere Dame an, die wahrscheinlich schon den Zweiten Weltkrieg erlebt hat", erinnerte sich eine Zeugin am Amtsgericht Hildburghausen. Dort mussten sich zwei junge Männer wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten.

Die 55-jährige, drei Behördenmitarbeiter, ein Schreiner, Hildburghausens Bürgermeister Steffen Harzer und der Landtagsabgeordnete Tilo Kummer (Linkspartei) - sie alle werden den 8. April 2009 wohl in unangenehmer Erinnerung behalten. Sie hatten lautes Grölen von Nazi-Parolen gehört und das Zeigen des Hitler-Grußes gesehen. Die Angeklagten, 16 und 28 Jahre alt, erwiderten nichts zu ihrer Verteidigung. Nur der Ältere schob am Schluss lässig heraus: "Ich hab Mist gebaut, sehe es ein." Deswegen hatte er sich wohl auch vor der Verhandlung Mut angetrunken und verströmte so den schalen Geruch einer billigen Kneipe. Die Zuhörer mussten die Verhandlung deshalb bei offenem Fenster verfolgen.

Mit der "Fahne" ins Gericht

Während die Zeugen ihre Aussagen machten, wippten die jungen Männer nervös mit den Füßen. Der Schüler sah verlegen in den Zuschauerraum, zu seinen Vertrauten. Der ältere Angeklagte kaute - von der Richterin wohl unbemerkt - auf seinem Kaugummi, legte die Stirn in Falten, stützte seinen Kopf auf eine Hand und beobachtete mit verkniffenem Blick die Zeugen.

Kahl geschorener Kopf, langer schwarzer Mantel und Gegröle ... Die Zeugen sahen vier junge Leute, die schrien lauthals und teilweise im Chor ihre Nazi-Parolen. Zwei von ihnen - ein weiterer Mann und eine junge Frau - wurden offenbar nicht erkannt und konnten deshalb nicht angezeigt wurden. Im Chor hatten die vier "Sieg" getönt und der 29-Jährige grölte das "Heil" einer Passantin richtig ins Gesicht, erinnerte sich ein Arbeitsamt-Mitarbeiter. Selbst Autos hätten die vier angehalten und den Insassen ihre Rufe entgegen geschleudert. "Aber die meisten Passanten wollten damit nichts zu tun haben", sagte der Schreiner im Zeugenstand.

Ihm sei an jenem Mittag zunächst die laute Musik aufgefallen, die aus einem Fenster drang. Weil er mit der Polizei schon schlechte Erfahrung gemacht habe, sei er lieber gleich ins Linke-Büro gegangen. Dort habe er Bürgermeister Harzer und den Abgeordneten Kummer informiert. Gemeinsam mit den beiden sei er anschließend zu dem Haus gegangen, aus dem die Musik tönte.

Der Kleine war der lauteste

Doch noch ehe sie dort ankamen, wurden die Fenster geschlossen. Es war plötzlich Ruhe. Nichts mehr zu hören von den "lauten Rufen, die über den ganzen Markt schallten", wie Tilo Kummer sagte. Nichts mehr zu hören von der Nazi-Musik, wie der Bürgermeister sich erinnerte. Aber die Zeugen sahen die schon erwähnten vier jungen Leute aus dem Haus treten, darunter die beiden Angeklagten. Der Jüngste habe am lautesten gegrölt und an alles getreten, was im Weg war - Masten, Schilder ... Sie schrien im Freien weiter ihre Parolen und zeigten den Hitler-Gruß. Der Kleine, so Harzer, habe nach diesem Vorfall noch öfter versucht, ihn zu provozieren.

Der 16-jährige Schüler eines berufsvorbereitenden Jahres soll 14 Tage in den Jugendarrest zur Läuterung und "zum Nachdenken, wie es so weiter geht und ob das alles wirklich so das Wahre ist", erklärte die Richterin. Der Ältere, ein 28-jähriger arbeitsloser Sozialbetreuer, wurde zu einer Geldstrafe (90 Tagessätze) verurteilt. Damit gilt er als vorbestraft. Weil er aber kaum Geld besitzt, muss er pro Tagessatz nur sieben Euro zahlen. Ihre Strafen haben die beiden Angeklagten sofort angenommen.

Offen blieb indes, warum diese beiden Angeklagten sich so verhielten. Offen blieb, ob es ein Ausnahmeverhalten von Betrunkenen war. Denn der Beruf des 28-Jährigen - Sozialbetreuer - passt so gar nicht zu dem, was er von sich gab. Ina Talar
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