Antifaschistische Gruppen Südthüringen

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Arnstadt: Eine Stadt fürchtet sich

Eintragsdatum: 2009-12-13Quelle: AGST

Zu den Protesten gegen den Naziaufmarsch in Arnstadt gehörte u.a. die Einhausung eines Kriegsdenkmals an der Alteburg. Neonazis haben nun eine Sammelklage gegen das Vorgehen der Zivilcouragieren organisiert. 68 Personen klagten nun die AG Zivilcourage und den Stadtrat u.a. wegen Volksverhetzung und der Verunglimpfung Verstorbener an. Die Antifaschistische Gruppe Südthüringen (AGST) berichtet und kommentiert den peinlichen Umgang von Presse und Stadtverantwortlichen mit ihren Nazis.

In der konservativen Thüringer Allgemeine (TA) heißt es immer schnell "Eine Stadt wehrt sich", respektive "Arnstadt wehrt sich", wenn wieder mal Nazis aufmarschieren. Nun titelte die TA "Anzeige gegen eine ganze Stadt". Wie das aussieht, wenn die Stadt sich wehrt, sehen wir jedes mal wieder auf den umfassend beworbenen Gegenveranstaltungen der AG Zivilcourage. Dort befinden sich dann immer zwischen 100 und 200 Personen, wovon ein erheblicher Teil nichtmal aus dem Ilmkreis kommt. Zur Erinnerung: Arnstadt hat etwa 25.000 Einwohner. Wenn eine Stadt sich wehren würde, sähe das anders aus. Richtiger wäre die Überschrift: "Arnstadt fürchtet sich" oder "Arnstadt stimmt wieder zu" oder "Arnstadt blamiert sich".

Dieser verlogene Umgang der Presse mit der politischen Wirklichkeit ist symptomatisch für einen abgehobenen Journalismus, der den Bezug zur Realität längst verloren hat. Peinlich dagegen ist der nun erfolgte Umgang jener Provinzposse mit 68 Anzeigen aufrechter Deutscher (kurz: Nazis) gegen jene, die die Einhausung des Denkmals an der Alteburg planten und umsetzten. Jenes Denkmal war am 14. November "eingehaust" worden, damit die Nazis dort nicht ihre "Helden" verehren konnten (AGST berichtete). Die 68 Anzeigenden stellten nun Strafantrag wegen Volksverhetzung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, sowie Unterschlagung und Verschwendung von Steuergelder. Organisiert wurde dieser Strafantrag von Nazis.

Anstatt zu argumentieren, es sei völlig richtig die deutschen Mörder zu verunglimpfen und dafür Steuergelder zu verausgaben, reagieren die Stadtverantwortlichen, kolportiert in der Presse, schamhaft beleidigt. Eine ganze Stadt sei angezeigt worden, meint Eberhardt Pfeiffer von der TA. Wir erinnern uns: jene Stadt, die, zieht man die Nicht-Arnstädter auf den Gegenveranstaltungen ab, aus 50-100 Menschen zu bestehen scheint. Hier zeigt sich, wie sehr die Presse und die bürgerlichen Nazigegner_innen zu schwimmen anfangen, wenn sie an die Grenze ihrer eigenen Dogmen stoßen. Vor nichts fürchten sich diese Leute mehr, also vor der Verletzung der deutschen Gesetze. Sie sind die unhinterfragte Richtschnur für ihr "demokratisches" Engagement. Nun sind diese Gesetze möglicherweise verletzt worden und die bürgerlichen Nazigegner_innen spielen irritiert die Beleidigten anstatt dazu zu stehen und zu sagen: "Wo Gesetze zivilgesellschaftlichem Handeln im Wege stehen, sind diese zu ignorieren oder wenigstens zu hinterfragen."

Anstatt eine Gegenanzeige wegen falscher Verdächtigung zu stellen, wie es der Bürgermeister gerade zu prüfen hat, sollte man sich die richtigen Fragen stellen. Was ist daran verwerflich Gesetze zu missachten, die Nazis das Hetzen leicht machen? Hätte sich TA-Chefschreiberling Eberhardt Pfeiffer diese Frage gestellt, hätte er die antifaschistischen Blockaden gegen den Naziaufmarsch am 14. November 2009 möglichweise nicht als falsch, weil "ungesetzlich", diffamiert (AGST berichtete). Sollte dieses Denken und die Einsicht auch bei der bürgerlichen Nazigegner_innenfraktion in Arnstadt eintreten, besteht noch ein Funke Hoffnung, dass diese Leute irgendwann zu der Frage kommen: "In welcher furchtbaren Gesellschaft leben wir eigentlich?" Irgendwann in diesem Prozess der Entwicklung kritischen Bewusstseins, wird auch die Frage zu beantwortet sein, warum sich an den notwendigen Gegenveranstaltungen gegen die Naziaufmärsche nur so wenige Menschen beteiligen.

Die Antifaschistische Gruppe Südthüringen (AGST) sieht es als ihre Aufgabe an, diesen Prozess der Schaffung eines kritischen Bewusstseins voranzutreiben. Unser dagegen ganz praktischer Vorschlag für kommende Naziaufmärsche ist der, jene Denkmäler, die den Krieg und das deutsche Mordkollektiv verherrlichen oder verharmlosen einfach einzuhauen statt einzuhausen.

P.S. Eine Info am Rande, die aus der TA-Lektüre hervorging: Einem Antrag im Stadtrat, der die Verurteilung der antisemitischen Diffamierungen gegen Linkspartei-Stadtrat Gerhard Pein (AGST berichtete) vorsah, enthielten sich sowohl der rechtspopulistische Bürgermeister Hans-Christian Köllmer, seine Tochter Anette Garcia und der Chef des Stadt-Stürmers Stefan Buchtzik (alle "Pro Arnstadt"). Vielleicht wird sich die eine oder der andere noch erinnern, jene 3 Personen versuchten vor einigen Wochen bereits die AG "Demokratie braucht Zivilcourage" aufzulösen. Vergebens. (AGST berichtete) Auch wenn daran kein Zweifel mehr bestehen kann, muss immer wieder festgestellt werden: Im Arnstädter Stadtrat sitzt zwar kein NPD-Abgeordneter. Ihre ideologischen Bündnispartner ("Pro Arnstadt") stellen allerdings die größte Fraktion.

Presse:

11.12.09 - TA
ARNSTADT: Anzeige gegen eine ganze Stadt

Wie geht man damit um, wenn praktisch eine ganze Stadt wegen ihres Protestes gegen einen Neonazi-Aufmarsch juristisch an den Pranger gestellt werden soll? Mit dieser Frage beschäftigte sich Donnerstag auch der Arnstädter Stadtrat in einer aktuellen Stunde.

Von Thomas BECKER
und Eberhardt PFEIFFER

ARNSTADT. Die Anzeigen richten sich gegen Gerhard Pein, weitere Mitglieder der AG "Demokratie braucht Zivilcourage" sowie den kompletten Stadtrat. Ihnen wird unter anderem Volksverhetzung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Unterschlagung und Verschwendung von Steuergeldern vorgeworfen. Ihr "Vergehen": Die Einhausung des Denkmals für Kriegsgefallene unterhalb der Alteburg, wo Rechtsextreme am 14. November eine Kundgebung abhalten wollten. Die Aktion hatte Erfolg, denn die Neonazis zogen nicht zur Alteburg, sondern marschierten zu einem anderen Denkmal. Mindestens 68 Leute aber muss die Einhausung mächtig geärgert haben. Sie erstatteten aus den oben genannten Gründen Anzeige auf einem Vordruck, der unter anderem im Arnstädter Ostviertel verteilt wurde (TA berichtete). Zu den Anzeige-Erstattern soll auch der Wirt aus Kirchheim gehören, in dessen Räumen nahezu regelmäßig rechtsextreme Veranstaltungen stattfinden. Zu einem Verfahren wird es wegen der 68 Anzeigen gegen den Stadtrat aber wohl nicht kommen. "Wir beabsichtigen, die Aufnahme von Ermittlungen abzulehnen", sagte Hannes Grünseisen, Sprecher der Erfurter Staatsanwaltschaft. Es liege keine grobe Störung in der Absicht vor, die Versammlung zu behindern. "Die hätte ja trotz Einhausung am Denkmal stattfinden können". Mit den anderen Anschuldigungen hat sich die Staatsanwaltschaft offenbar gar nicht erst beschäftigt. Sie sind schon rein juristisch blanker Unsinn. Die Anzeige könnte dennoch Folgen haben. Der Arnstädter Stadtrat beauftragte nämlich Donnerstag Abend einstimmig den Bürgermeister, eine rechtliche Prüfung in Auftrag zu geben. Die soll klären, inwieweit die Strafanzeigen den Tatbestand der falschen Verdächtigung sowie weiterer Straftatbestände erfüllen. Sollte das zutreffen, wird der Bürgermeister Strafanzeige und Strafantrag stellen. Auch wenn man an dieser Stelle wie schon im Vorfeld des Naziaufmarsches vom 14. November Einmütigkeit präsentierte - die gestrige Diskussion in der Stadthalle offenbarte alles andere als Geschlossenheit. So entspann sich um die von der SPD eingereichte Öffentliche Erklärung (TA berichtete) in Bezug auf die Diffamierung des Stadtrates Gerhard Pein (Linke) eine der schon bekannten Wortklaubereien. Bürgermeister Hans-Christian Köllmer (Pro Arnstadt) war zwar nicht allein mit seiner Meinung, dass Extremismus unabhängig jeder politischen Farbgebung abzulehnen sei, warum er sich aber gemeinsam mit Annette Garcia und Stefan Buchtzik (beide Pro A) bei der Verurteilung der eindeutig rechtsextremen Diffamierung gegen Gerhard Pein der Stimme enthielt, ist sachlich nicht nachvollziehbar. "Ich habe das Gefühl, der Bürgermeister ist nicht nur auf dem rechten Auge blind, sondern es wurde ihm heraus operiert", kommentierte Pein das Abstimmungsergebnis. Zuvor hatte Sebastian Köhler (CDU) vehement gegen den Inhalt der Demokratie-Diskussion protestiert. Es widere ihn an, wie einzelne Redner versuchen, die Deutungshoheit über das Geschehen zu erlangen und zu diskutieren, wer nun richtig und wer falsch protestiert habe. Er forderte, sich auf die im Oktober verabschiedete Arnstädter Erklärung zu besinnen und die darin bewiesene Geschlossenheit auch weiter zu demonstrieren.
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