Landkreise Sonneberg und Hildburghausen: NPD unter 5 Prozent, kein Grund zur Entwarnung
Landtagswahl 2009
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Eintragsdatum: 2009-09-18 — Quelle: AGST
Im Landkreis Sonneberg liegt die NPD bei den Landtagswahlen 2009 knapp über dem Landesergebnis. Nicht so im Landkreis Hildburghausen. Dort erzielte die faschistische Partei ein Ergebnis unter den Landesdurchschnitt. In keinem der Landkreise gelang ihr der Sprung über die 5-Prozentmarke. Trotzdem gibt es keinen Grund zur Entwarnung.
Hildburghausen: Verschenktes Potenzial
Mit 4,3 Prozent der Erststimmen sowie 4,0 Prozent der Zweitstimmen erzielte die NPD eines der schlechtesten Ergebnisse in den Thüringer Landkreisen. Das Ergebnis in dieser sehr ländlich geprägten Region, in der Hildburghausen mit ca. 12.000 Einwohner_innen die größte Stadt darstellt, ist für die NPD sicher enttäuschend. Trotz einer Steigerung von 2,4 Prozent, gegenüber der vorhergehenden Landtagswahlen im Jahr 2004, ist es der Partei nicht gelungen das rassistische Potenzial der Region zu mobilisieren. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2005, bei welcher die NPD in Hildburghausen 3,9 Prozent der Zweistimmen einfuhr, verlor die NPD real sogar mehr als 500 Wähler_innen. Die Nazis dürften also kaum mit dem Ausgang dieser Wahl zufrieden sein, denn ihr klar gestecktes Ziel war ja der Einzug in den Landtag. Auch den Republikanern als rechtskonservativer Konkurrenz gelang kein Zuwachs. Im Gegenteil, sie hatten einen Stimmeneinbruch auf 0,7 Prozent (2004: 2,2%) der Zweitstimmen zu verzeichnen. Was immerhin fast doppelt so hoch ist, wie ihr Landesergebnis von 0,4 Prozent. Besorgniserregend sind die Ergebnisse der Faschisten in einzelnen Kommunen. In den Gemeinden Grub und Bischofrod beispielsweise stimmten jeweils mehr als 10% der Wähler_innen für die NPD.
Hildburghausen: Interne Kämpfe werfen ihre Schatten auf die Wahl
Das Wahlergebnis der Neonazis ist hier besonders interessant, weil der bisherige Wahlkämpfer und bedeutendste Kader der Partei in dieser Region, Tommy Frenck in Folge innerer Streitigkeiten aus der Partei ausgetreten war. Wie wir bereits im März diesen Jahres schrieben, kam es zum Bruch zwischen NPD und Tommy Frenck. Die Partei untersagte Frenck und dem NPD-Kreisverband Hildburghausen, dessen er vorstand, den Antritt zu den Kommunalwahlen (
AGST berichtete). Frenck entschied sich, mit Hilfe prominenter NPD-Dissidenten, der NPD den Rücken zu kehren und mit Hilfe einer fix gegründeten Wählergemeinschaft zu den Kommunalwahlen anzutreten. Es war die Geburtsstunde des "Bündnis Zukunft Hildburghausen" (BZH). Bei der Namensgebung dachte man wohl an das in Österreich erfolgreiche rechtspopulistische "Bündnis Zukunft Österreich" (BZÖ). Nachdem genug Unterschriften gesammelt waren, war der Weg des BZH zu den Kreistagswahl frei. Frenck und co. bemühten sich im Wahlkampf um ein bürgerliches Image. Mit Hilfe von "Schwarz-Rot-Gold"-Plakaten versuchten die Neonazis das nationalistische Potenzial im Landkreis zu mobilisieren. Vergebens. Das BZH erreichte am 7. Juni "nur" 2,1 Prozent der Stimmen. Was zwar immerhin einem Sitz in Kreistag entspricht, aber weit unter den Erwartungen der Neonazis blieb.
Genau dieser Tommy Frenck äußerte sich nun ausführlich über das Wahlergebnis der NPD auf dem Nazi-Internetportal Altermedia, wobei er freilich eine gewisse Schadenfreude nicht verbergen konnte und der Meinung zu sein schien, wäre er dabei gewesen, hätte man die Wahl gewinnen können. Er schrieb: "Wären einige Herren nicht damit beschäftigt gewesen sich immerzu selbst auf die Schulter zu klopfen und über 150 Mitglieder zu vergraueln, hätten wahrscheinlich doch die Sektkorken knallen können." Er informierte die interessierte Öffentlichkeit weiterhin, dass der Bruch des Deutschlandpaktes, der ein Antreten der DVU in Thüringen vorgesehen hätte, von langer Hand geplant gewesen war: "Es gab schon seit über 2 Jahren im LV die Auffassung und den Plan zur Landtagswahl anzutreten! Es gab sogar den Plan gegen die DVU anzutreten falls diese nicht verzichtet". Diese Ansage kann als Nachtreten gegenüber seinem ehemaligen Mentor und NPD-Bundesvize Frank Schwerdt betrachtet werden. Kurz darauf wurde er jedoch wieder versöhnlich: "Sobald sich das Personal innerhalb der NPD ändern würde, wären viele Leute bereit wieder in den Reihen der NPD mit zu machen...einschließlich Ich!" Frencks Selbstüberschätzung reicht dann aber doch weit genug, zu glauben, er allein könne die NPD retten, denn "Solange ein gescheiter "Führer" fehlt (wie Lafontain im Saarland) wird man auch in Zukunft Bundesweit bei 1-2% rum kraucheln...." (Fehler im Original). Dabei hatte doch der "Führer" höchstpersönlich auch dem beschaulichen Hildburghausen einen Wahlkampfbesuch abgestattet: Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt entblödete sich, in einem für bundesweites Aufsehen sorgenden Fall, nicht, CDU-Mitglied Zeca Schall rassistisch zu beschimpfen (
AGST berichtete).
Landkreis Sonneberg: Zugewinne
Im Landkreis Sonneberg erzielte die NPD ein überdurchschnittliches Ergebnis mit 4,8 Prozent der Zweit- und sogar 5,3 Prozent der Erststimmen. Das sind im Vergleich zur Landtagswahl 2004 Zugewinne von über drei Prozent. Damals kam die NPD auf 1,7 Prozent der Zweistimmen. Einen Direktkandidaten stellte sie damals nicht auf. Zur Bundestagswahl 2005 zeigte sich erstmal das ernorme Potenzial der NPD im Landkreis. Damals bekam sie 4,5 Prozent. Die rechtskonservativen Republikaner kamen in Sonneberg in diesem Jahr auf nur 0,5 Prozent.
Einen großen Anteil am Erfolg der NPD im Landkreis trägt Uwe Bäz-Dölle. Bäz-Dölle war lange Zeit der einzige Kommunalpolitiker einer faschistischen Partei in einem Thüringer Parlament. Er sitzt für die DVU in Lauscha im Stadtrat und ist bei Teilen der Bevölkerung beliebt. So ist es zu erklären, dass er in seiner Heimatstadt auf einen Erststimmenanteil von 12,6 Prozent kommt und damit fast gleichauf mit dem Kandidaten der SPD liegt. Bäz-Dölle fuhr in Lauscha außerdem 8,3 Prozent der Zweitstimmen und damit das höchste Ergebnis im Lankreis für die NPD ein, auf deren Liste er kandidiert. Bäz-Dölle stand auf Listenplatz 2 und wäre im Falle eines Einzuges der NPD sicher im Parlament gewesen.
Fazit
Ist die Selbstzerfleischung des NPD-Landesverbandes für uns auch eine zumindest erheiternde Episode, gibt es jedoch im Landkreis Hildburghausen keinen Grund zur Entwarnung oder für ein Nachlassen antifaschistischen Engagements: Gerade in einem Wahlkreis ohne arbeitsfähigen Kreisverband konnte die NPD vier Prozent der Wähler_innen überzeugen. So konnte ein weitgehend unbekannter Direktkandidat namens Danny Schluck, der auch noch in Bad Salzungen und nicht in Hildburghausen wohnt, 1322 Direktstimmen auf sich vereinigen. Auch die prozentualen Zugewinne für die NPD in Sonneberg sind Grund zur Besorgnis, ebenso wie die Tatsache, dass ein Nazi-Kommunalpolitiker dort scheinbar ohne große Gegenwehr zu einem Sympathieträger avancierte. Das zeigt uns, dass die NPD mittlerweile in großen Teilen des Thüringer Raumes als eine normale Partei unter vielen wahrgenommen wird. Sie muss auch nicht - das wird in Hildburghausen ersichtlich - zwingend "Bügernähe" demonstrieren oder jeden potentiellen Wähler per Handschlag begrüßen, um trotzdem ein beachtliches Wahlergebnis einzufahren.