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Hildburghausen: Denkmalschutz resolut

Eintragsdatum: 2008-11-12Quelle: Donna San Floriante

Arbeiten zum Erhalt von Baudenkmalen erfordern handwerkliches Geschick. Dabei nimmt man Spachtel, Pinsel, einen Glasschneider oder dergleichen Werkzeuge zur Hand. Der Besitzer eines Renaissance-Schlosses von 1478 im südthüringischen Hildburghausen betrieb an einem Wochenende im Oktober 2008 Denkmalschutz anderer Art mit dem Bôken - einem japanischen Übungsschwert aus Bambusholz.

von Donna San Floriante

Prinz Chaos II. nennt sich Florian Kirner. Er ist Liedermacher und Dichter, Consultant und Ghostwriter, offen schwul und Anfang 30. Seit er das alte Schloss zu Weitersroda im Landkreis Hildburghausen sein eigen nennt, ist die Künstleridentität im realen Leben angekommen. In dem 300-Seelen-Dorf Weitersroda, malerisch gelegen am Südhang des Thüringer Waldes, ist er ganz einfach "der Prinz".
Dem Wiederaufbau seines von deutscher Geschichte wechselvollem Lauf arg in Mitleidenschaft gezogenen Schlosses widmet sich auch Kirner im Normalfall mit handwerklichen Mitteln und in langen Verhandlungen mit Behörden, im Kampf um Fördertöpfe und Baupläne.
In der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober war alles anders. Eine Geburtstagsfeier der Dorfjugend in der Schenke des Schlosses fand ein jähes Ende, als zunächst drei Jugendliche aus dem rechten Spektrum eine Schlägerei provozierten. Als seine Majestät wenig später auf den Vorplatz des Schlosses traten, fanden sich sämtiche Partygäste in heller Aufregung. Es habe "Nazi-Stress" gegeben und: "die holen Verstärkung".
Man löschte das Licht in der Schenke, als bereits drei PKW und ein Großraumtaxi herangerauscht kamen. Was den Fahrzeugen entstieg, beschreiben Augenzeugen als regelrechtes Überfallkommando: "Die sind ausgestiegen und sofort auf den Nächstbesten losgegangen." Einige der Angreifer hätten Eisenketten und Baseballschläger dabei gehabt.
Kirner rannte nach oben, um die Schlossbewohner zu alarmieren - und um sein Bôken zur Hand zu nehmen, ein Übungsschwert des japanischen Schwertweges, aus Bambus. Dass man da "mit bloßen Händen nichts ausrichten" könne, sei ihm nämlich sofort klargewesen, erzählt Prinz Chaos II. Währenddessen randalierten in der Schlossschenke bereits die Nazis. Sie warfen Getränkekisten um, waren aber wohl weniger auf Sachbeschädigung aus denn auf Menschenjagd.
Glück für den Chaosprinzen, denn als dieser nur wenige Augenblicke später erneut in der Schlossschenke ankam, waren die Nazis bereits auf dem Vorplatz des Schlosses zu Gange. Dort bot sich dem Schlossherrn eine gespenstische Szene: ein regungslos am Boden liegender Körper, mit Tritten traktiert von mindestens sechs Angreifern!
Wie mehrere Augenzeugen bestätigen, brüllte Kirner los und trat mit gezogenem Bôken vor sein Schloss. Einige der Nazi-Schläger ließen daraufhin von ihrem Opfer ab - nicht zu früh, denn dieses hatte bereits zeitweise das Bewusstsein verloren. Nun hatte aber der Chaosprinz drei Angreifer am Hals. Mit dem Bôken hielt er sich die Meute so gut es ging vom Leib, und bewegte sich schrittweise vom Schloss weg, über die Straße. Dort hatten sich bereits Nachbarn versammelt, die den Schlossherrn anschließend schützten so gut es ging. Eine gebrochene Nase blieb dem Chaosprinzen dennoch nicht erspart. Vier Jugendliche aus dem Dorf, aber auch einige der Nazi-Angreifer trugen ebenfalls Verletzungen davon.
Das Verhalten der anrückenden Polizei beschreiben die Dörfler als nicht gerade ruhmreich. "Die hatten selber die Hosen voll, aber dann darf ich halt nicht Polizist werden!" heisst es. Und man fragt, warum es trotz des Eintreffens von immerhin sieben Mannschaftswagen nicht zu Festnahmen, ja noch nicht einmal zur Feststellung von Personalien und KFZ-Kennzeichen kam. Wird man beim nächsten Mal alles selber machen müssen? Die Polizei ließ, eigentlich unglaublich, die Nazis seelenruhig in ihre Autos steigen und entkommen.
Jetzt laufen einige Anzeigen, auch der Chaosprinz hat eine gestellt: wegen "Schlossfriedensbruch", wie er das nennt, und wegen Körperverletzung. Der Vorfall kam in der Lokalpresse und im Stadtrat zur Sprache. Denn Hildburghausen hat gerade sein altes Stadttheater frisch renoviert und wird sich entscheiden müssen, ob weltoffene Kulturstadt oder "Glatzenhochburg". Das Dorf Weitersroda kocht derweil vor Wut. Beim nächsten Mal geht es den Nazis schlecht, hört man sagen. Dabei will man nur seine Ruhe haben. Niemand ist darauf erpicht, hier einen Bürgerkrieg auszutragen. Das Vertrauen in die Schutzfunktion der Polizei aber ist erst einmal weg. Und auch der Schlossherr meint, er habe sich Denkmalschutz eigentlich ganz anders vorgestellt.


Presse:
21.10.2008 - Freies Wort
Schlägerei
Nachgehakt in Weitersroda
Florian Kirner: "Es sollen Rechte dabei gewesen sein."

Weitersroda - "Wenn jemand schon am Boden liegt und sechs andere treten und dreschen auf den ein, dann muss ich doch was machen", schildert am Montag nach der Schlägerei in Weitersroda Schloss-Besitzer Florian Kirner die nächtliche Situation am Samstag. Freilich habe er irgendwann auch einen Baseball-Schläger in der Hand gehabt, um sich und seine Gäste zu verteidigen.

Wie berichtet, hatte die Polizei eingreifen müssen, um eine wilde Schlägerei auf dem Schlossgelände und davor zu beenden. "Kann schon sein, dass sich die Situation für die Polizei etwas anders darstellte bei ihrem Eintreffen, als es eigentlich war," räumt Kirner ein. Mit der kleinen Auseinandersetzung während der Geburtstagsfeier habe das Ganze doch schon nicht mehr viel zu tun gehabt zu diesem Zeitpunkt, so Kirner weiter.

Mit drei Pkw und einem Großraumtaxi seien plötzlich 12 bis 15 Jugendliche aus Richtung Kreisstadt vorgefahren und hätten seine Gäste vermöbelt und angeschrien. "Ich kenn' die ja gar nicht, bin erst im Januar hierher gezogen. Aber andere Jugendliche haben unter den Schlägern eindeutig rechtsgerichtete Jugendliche aus Hildburghausen erkannt", so Kirner. Er selbst habe auch gehört, wie Schimpfworte gegen "Juden" und "Schwule" gefallen seien. Er wehre sich darum gegen eine solche Verharmlosung des wahren Geschehens seitens der Polizeibeamten, kritisiert Kirner im Gespräch mit Freies Wort.

"Ich kann selbst überhaupt keinen Ärger gebrauchen - weder mit der Polizei, schon gar nicht mit der rechten Szene", unterstreicht er ausdrücklich. Er wolle das Schloss Weitersroda zum multikulturellen Veranstaltungsort machen, wo Toleranz und Vielfalt Platz haben, keinesfalls aber rechtes Gedankengut. "Ihr habt' da offenbar ein echtes Problem in Hildburghausen", sagt Kirner. Vorkommnisse wie am Samstag dürften "nicht unter den Teppich gekehrt werden." rue


24.10.2008 - Freies Wort
Stadtrat
Polizei-Einsatz in Weitersroda in Kritik
Forderung: Jetzt aktiv werden


Hildburghausen - Die gewalttätigen Ausschreitungen am Rande einer Geburtstagsparty im Schloss Weitersroda beschäftigten auch den Stadtrat in seiner Sitzung am Mittwochabend. Ortsbürgermeister Kurt Seifferth bestätigte die Darstellung des Schlossherrn Florian Kirner alias Prinz Chaos II., der von einem Überfall rechtsgerichteter Kräfte gesprochen hatte. In der Nacht zum Samstag seien wirklich jede Menge "Leute mit Glatzen und Springerstiefeln" eingefallen - mit drei Pkw und einem Großraumtaxi - und hätten sofort auf die Leute losgeprügelt, schildert Seiffert. "Das war richtig bösartig und hat besonders auch Weitersrodaer getroffen, die wirklich keiner Fliege was zu leide tun." Zwei der Angegriffenen seien so zugerichtet worden, dass sie ins Krankenhaus mussten. "Erschreckend war die Untätigkeit der zivilen Polizei", erzählt der Ortsbürgermeister vor dem Stadtrat. Sie hätten nicht mal die Personalien der Angreifer aufgenommen, sondern sich hinterher bei Zeugen kundig gemacht. "Dieser Polizei-Auftritt war sehr merkwürdig."

Freies Wort konfrontierte den amtierenden Leiter der Polizei-Inspektion Hildburghausen, Hubert Paul, mit den Vorwürfen. Der wies den mitschwingenden Vorwurf, die Polizei unternehme nichts gegen Rechtsextreme in Hildburghausen zurück. "Wir sind nicht auf dem rechten Auge blind", betonte er. Aber Glatze und Springerstiefel allein genügten heute nicht mehr, um jemanden zum rechtsextremen Spektrum zu zählen. Da gebe es viele Unterschiede und auch nicht jede Tat, die von einem Angehörigen der rechten Szene begangen werde, müsse zwangsläufig einen rechtsextremen Hintergrund haben. Das alles zu klären, sei seine Ermittlergruppe gerade dabei. Es werde eng der KPI in Suhl und auch mit dem Staatsschutz zusammengearbeitet. Leider habe sich einer der Geschädigten bislang nicht gemeldet. Für die Beamten vor Ort habe sich der Ausgangspunkt der Schlägerei als Beziehungsstreit dargestellt. Nun müsse herausgearbeitet werden, was steckt wirklich dahinter. "Und ich habe keine Bedenken, dass das alles sauber abgeklärt und der Vorgang dann der Staatsanwaltschaft in Meiningen vorgelegt wird", so Paul. Was den konkreten Polizei-Einsatz in der Nacht zum Freitag angehe - er sei nicht vor Ort gewesen und könne dazu nichts sagen.

Kreisstadt-Bürgermeister Steffen Harzer hatte im Stadtrat angekündigt, dass er bezüglich solcher Vorfälle eine Zusammenkunft anberaumen wolle. Sie häuften sich in letzter Zeit. Ob beim Theresienfest, der Kirmes in Häselrieth oder bei Festen in der Nachbarschaft - immer gebe es Schlägereien, die von hinlänglich als Nazis bekannten Personen ausgingen. Und immer werde dieser Fakt heruntergespielt. Ng


30.10.2008 - Freies Wort
Veranstaltung
Ein dichtes Netzwerk gegen Rechts knüpfen
Weitersroda rüttelt auf - demokratische Kräfte der Stadt gemeinsam gegen Neonazis



Hildburghausen - "Am besten schützt die Öffentlichkeit. Wer schweigt, liefert sich schutzlos aus", sagte Bürgermeister Steffen Harzer am Dienstagabend. Die jüngsten Ereignisse in Weitersroda waren Anlass für eine Zusammenkunft mit Hildburghäusern, die etwas tun wollen gegen Neonazis in der Stadt. Vertreten waren unter anderem das Bündnis gegen Rechtsextremismus, Stadträte der Linken und der Freien Wähler, Petra Pawelskus, Beraterin bei Mobit, Jugendarbeiter der Stadt, Oberpfarrer Christoph Victor und viele Weitersrodaer. Auch der amtierende Leiter der Polizei-Inspektion Hildburghausen, Hubert Paul, hatte sich die Zeit genommen.

Überfallartig hatten stadtbekannte Angehörige der rechten Szene in den letzten Wochen am Rande des Theresienfestes, aber auch bei Kirmesfeiern wie in Häselrieth oder eben zu einer Geburtstagsparty in Weitersroda wahllos Gäste massiv bedroht und zusammengeschlagen. Solche Attacken gelte es künftig ebenso zu verhindern wie Aufmärsche der Rechtsextremen etwa zum bevorstehenden Volkstrauertag, waren sich die Anwesenden einig. Kritik gab es besonders anfangs an der Polizei. Sie greife zu wenig durch, wiegle rechtsextreme Hintergründe solcher Schlägereien ab. Das lasse die Szene immer dreister werden, waren die Vorwürfe.

Hubert Paul zeigte zwar Verständnis für solche Äußerungen, versicherte aber, dass die Polizei die Vorfälle sehr sorgfältig untersuche. "Aber: Wir ermitteln nur. Wie es mit den Fällen weitergeht, entscheiden Staatsanwaltschaft und Gericht", versuchte er Verständnis auch für die Situation der Polizei zu wecken, die zudem personell nicht sonderlich gut bestückt sei. Gerade von einer Schulung des Landesamtes für Verfassungsschutz kommend, wartete er mit einigen Zahlen auf und sprach von einem "Stagnieren" in der Szene, der in Hildburghausen etwa 60 Personen angehörten. Es werde langsam ruhiger, ob das die Ruhe vor dem Sturm sei oder ob es unter der Oberfläche brodele, das sei schwer zu sagen.

Andere Teilnehmer der Runde konnten diese Auffassung ganz und gar nicht teilen. Vielmehr hätten die Rechten ihre Taktik geändert. Es würden keine verfassungsfeindlichen Symbole mehr gezeigt, sondern zugeschlagen. "Es wird eine Strategie der Einschüchterung durch Terror gefahren. Ich nehme eine große Angst wahr in Hildburghausen. Und das ist das Gefährliche", sagte ein junger Mann. Ein Vater und eine Mutter bestätigten das. Junge Leute hätten zum Teil Angst, darüber zu sprechen, dass sie verprügelt worden seien. Es dürfe nicht soweit kommen, dass man sich nicht mehr auf die Straße wage.

Auch Oberpfarrer Victor bestätigte, dass es Angst in Hildburghausen gebe. "Die größte Gefahr ist, jetzt zu sagen: Es wird still in der Szene", warnte er. Man müsse versuchen Bündnisse zu entwickeln, gemeinsam etwas gegen die Angst tun.

Während Freie-Wähler-Stadtrat Thomas Laube mehr Polizeipräsenz als Abschreckung forderte und Matthias Blatt vom Kreisjugendring vorschlug, die Landtagsabgeordneten mit an den Tisch zu bringen und ihnen klar zu machen, dass mehr Polizei-Beamte vor Ort nötig seien, sagte eine Mitstreiterin des Bündnisses gegen Rechtsextremismus: "Wir müssen uns selber schützen, selbst mutig sein. Das muss im Vordergrund stehen."

Genau das sei das Anliegen der Runde, griff Harzer die Meinung auf. "Wir müssen uns gegenseitig kennen lernen, vernetzen über Parteien, Kirchen und andere Organisationen vor Ort." Wenn dieses Signal von Weitersroda ausgehe und auch auf die Stadt und andere Ortsteile übergreife, sei man auf dem richtigen Weg.

Oberpfarrer Christoph Victor verwies auf die vielen Aktivitäten des Bündnisses gegen Rechtsextremismus. Kirchgemeinden, politische Gemeinden seien mobilisiert worden, zu den im November bevorstehenden Gedenktagen auf der Hut zu sein vor rechtsextremen Aktionen. Viele Ideen seien da geboren worden. Und er sei froh darüber. "Aber wir müssen auch zeigen, dass wir nicht nur ein kleines Häufchen sind, wenn wir beispielsweise am 9. November mit unseren Kerzen zum einzigen jüdischen Denkmal in unserer Stadt in der Gerbergasse gehen", so Christoph Victor.

Stadtrat Peter Nowak (Linkspartei) verwies auf den vom Stadtrat beschlossenen Gedenkstein für die Gefallenen, Vermissten und Opfer des zweiten Weltkrieges, der zum Volkstrauertag eingeweiht werden solle. Auch das sei ein Zeichen gegen Rechts. "Es geht uns nicht um Heldenverehrung, sondern um die Opfer." Am Ende der zweistündigen Veranstaltung waren sich alle Teilnehmer einig: Diese Treffen werden fortgesetzt, um sich gegenseitig besser kennen zu lernen und undemokratischen Kräften keine Chance in der Stadt zu geben. Das nächste Mal will Bürgermeister Harzer einen Vertreter der Staatsanwaltschaft als Gesprächspartner einladen. ng
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