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Zella-Mehlis: Gegen den Extremismus-Begriff

Eintragsdatum: 2008-08-11Quelle: AGST

In Zella-Mehlis fand am vergangenen Samstag (09.08.08) ein Konzert unter dem Motto "Gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit", organisiert vom Jugendclub, Präventionsrat und dem Musikverein Da Capo. Kulturelle Angebote an Jugendliche in Kleinstädten wie Zella-Mehlis sind rar und überaus begrüßenswert. Doch wer ein politisches Motto wählt, sollte sich der Tragweite seiner Formulierungen bewusst sein.

Antifaschist_innen nahmen das Konzert samt schrägen Motto zum Anlass, um die erste Ausgabe eines von nun an unregelmäßig erscheinenden Flyers zu verteilen und eine Kritik am Extremismus-Begriff zu formulieren. Verbunden wurde das ganze mit der Forderung an die Organisator_innen sich mit dem höchst umstritten Begriff "Extremismus" auseinanderzusetzen und sich die Tragweite dieser Formulierung bewusst zu machen.

Es scheint als wäre es dem Zella-Mehliser national-konservativen Bürgermeister Karl-Uwe Panse, der lange Zeit die Bildung eines Bündnis gegen Rechts verhinderte, neonazistische Tendenzen in der Stadt leugnete und den Präventionsrat nun unter seine Fuchtel nahm, recht, dass sich nicht viele Menschen auf dieser politischen Veranstaltungen blicken lassen. Die Werbung hierfür wurde von ihm jedenfalls nicht merklich gefördert. Es stand nichts auf der Stadt-Homepage und auch nichts im neuen Stadtanzeiger. Wäre dies doch aber für den Bürgermeister ein recht geringer finanzieller und organisatorischer Aufwand gewesen. Und wichtig, zumal es doch die erste öffentlichkeitswirksame Aktion seines "Geheimbündnisses" war.

Trotz Heimlichtuerei fanden sich immer mehr Menschen im Hof des Bürgerhauses ein und lauschten den Bands. Auch zwei Träger der neonazi-Marke Thor Steinar fühlten sich von dem Titel der Versanstaltung oder den Veranstaltern nicht ausgeladen, warum auch? Die Eröffnungsrede hielt Panse höchstpersönlich und ließ darin keinen Zweifel offen. Der Hauptfeind steht links. Rechts von Panse, früher DSU-Mitglied, kommt in Zella-Mehlis nach der neonazistischen Kameradschaft und politischem Anhang eh nur noch die Wand.

Nachfolgend, der von Antifaschist_innen verteilte Flyer mit dem Schwerpunkt zum Thema "Der Extremismus-Begriff" oder auch als PDF-Version










Der Extremismus-Begriff
Kritischer Beitrag zu einem Konzert am 9. August in Zella-Mehlis

Ein Konzert u.a. gegen Fremdenfeindlichkeit am 9. August 2008 im Hof des Zella-Mehliser Bürgerhauses ist überaus zu begrüßen. Überhaupt sind Konzerte und anderweitige Kultur, die sich an Jugendliche richten in Kleinstädten, wie Zella-Mehlis sonst eher selten. Wenn man aber Konzerte unter ein politisches Motto stellt, sollte man sich der Tragweite seiner Formulierungen bewusst sein.
"Gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit" so lautet das Motto des stattfindenden Konzertes. Mit der Floskel "Extremismus" haben sich die Organisator_innen einen höchst umstrittenen Begriff zu eigen gemacht.

Der Extremismus-Begriff entspringt den Theorien zur totalitären Herrschaft und besagt es gäbe in Deutschland eine demokratische politische Mitte, die von extremen (rechten und linken) Rändern dauerhaft bedroht werde. Diese Theorie bedient sich damit einer einfachen Freund-Feind-Alternative, die sie ja eigentlich den vermeintlichen Rändern unterstellt: "Die Demokraten", auf der einen Seite als Sinnbild der grundlegend positiv dargestellten bestehenden Ordnung und "die Extremisten", auf der Anderen, als Gefahr für eben jene. Die Darstellung ist einfach und verfänglich, sie ist verkürzt und polarisiert zugleich. Rechts und links verschwimmen zu einer difusen "Feindmasse".

Wer sich nicht dem gegebenen Raster unterordnet, wer die Frage nach der Überwindung des Kapitalismus und seinen Begleiterscheinungen Armut, Ausbeutung, Unfreiheit und Ungleichheit stellt, der oder die wird schnell als Extremist_in gebrandmarkt, denn er oder sie stellt das Bestehende, nämlich die geheiligte "freiheitlich-demokratische Grundordnung" in Frage.

Doch nicht nur das Verdrängen der politischen Vielschichtigkeit der Gruppen und Interessen ist ein Effekt des sich etablierenden Begriffs und seiner zugrunde liegenden Ideologie. Der Extremismusansatz liefert eine verkürzte und verfälschte Darstellung der Vielschichtigkeit der politischen Wirklichkeit. Er verharmlost das Vorhandensein von Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft. Er blendet diese Ideologien der Ungleichwertigkeit der Menschen aus und reduziert ihr Vorhandensein auf die extreme Rechte.

Von jeglicher Kritik freigesprochen kann der politischen Mitte der Gesellschaft nun der Heiligenschein aufgesetzt werden. Sie wird zum Schöpfer dessen, was als Normalität zu gelten hat. Sozialwissenschaftliche Studien sprechen eine andere Sprache und bestätigen immer wieder wie stark Rassismus und Antisemitismus in den Köpfen der vermeintlichen politischen Mitte verankert ist.

Unter dem Deckmantel des Extremismus-Kritik werden zudem Antifaschist_innen und Kommunist_innen ungeniert mit Neonazis gleichgesetzt. Auch hier wird die politische Realität verfälscht. Die Neonazis stehen in der Tradition der Mörder des Dritten Reiches. Sie streben nach der Errichtung eines autoritären Führerstaates. Sie wollen die industrielle Vernichtung an den Jüdinnen und Juden sowie anderer nicht in die deutsche Volksgemeinschaft passender Bevölkerungsgruppen fortsetzen. Kommunist_innen, Antifaschist_innen und andere Menschen, die sich der radikalen Linken zuordnen, kämpfen für eine befreite Gesellschaft, frei vom Terror der Ökonomie, eine Gesellschaft in der "die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist." (Karl Marx)

Der Extremismus-Begriff, seine Verwendung und die einhergehende Gleichsetzung mordender Nationalsozialist_innen mit der antifaschistischen Bewegung, ist ein Schlag ins Gesicht für die Millionen Opfer, Überlebenden und Hinterbliebenen des faschistischen Terrors. Dessen sollten sich die Menschen bewusst werden, die ihn verwenden.

Hervorgegangen aus der Totalitarismustheorie wurde der Extremismusansatz vor allem durch den Chemnitzer Politologen Eckhard Jesse etabliert. Jesse selbst wird vom Verfassungsschutz, der CDU und einer CSU-nahen Stiftung hofiert und finanziert. Auch verfügt er über Kontakte, die bis in neonazistische Strukturen reichen. Die Zusammenarbeit mit diesen scheut Jesse nicht. Außerdem trat er wiederholt durch antisemitische Äußerungen in Erscheinung. Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage, inwieweit die Extremismustheorie überhaupt einen wissenschaftlichen Wert besitzt und ob sie überhaupt einem ernst zunehmenden sozialwissenschaftlichen Beitrag entspricht. Renommierte Sozialwissenschaftler_innen leisten ihr Übriges diese Frage zu beantworten: Sie ignorieren dieses Konzept entweder ganz oder lehnen den Extremismus-Begriff sogar vehement, weil unwissenschaftlich, ab. Dennoch hat er sich weiten Teilen der deutschen Medienlandschaft, insbesondere auch den Thüringer Lokalzeitungen, sowie in der Lokalpolitik, aufgrund der vornehmlichen Deutungshoheit der Extremismustheorie, durchgesetzt.

Der Extremismus-Begriff verharmlost Rassismus, Antisemitismus und andere Ungleichwertigkeits-Ideologien. Er verhöhnt die Opfer und Widerstandskämpfer gegen den nationalsozialistischen Terror. Er verkürzt die politische Realität und ist in der Wissenschaft höchst umstritten. Wozu dient denn nun dieser Begriff eigentlich? Der Extremismus-Begriff ist eine politische Waffe der konservativen Politik und Medienlandschaft, um Bewegungen mit emanzipatorischen und antifaschistischem Anspruch in der Öffentlichkeit zu diskreditieren.
Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass sich der national-konservative Zella-Mehliser Bürgermeister Karl-Uwe Panse natürlich als einen Verfechter des Extremismus-Begriffes gibt. Mehrfach verharmloste Panse die organisierten Strukturen und politisch-motivierten Angriffe von Neonazis in Zella-Mehlis. Er wird dagegen nicht müde zu betonen, dass man gegen die politische Linke vorgehen müsse. Panse kann so niemals Teil einer Lösung zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und organisierten Neonazismus sein.

Wir, als Antifaschistische Aktion, fordern die Organisator_innen des am 9. August 2008 stattfindenden Konzertes auf, sich über die Tragweite und Bedeutung dieses Begriffes klar zu werden und sich der Verharmlosung von Rassismus und Antisemitismus sowie der Verhöhnung des Opfer des Nationalsozialismus zukünftig entgegenzustellen!
Für emanzipatorische Politik und antifaschistische Kultur!
Gegen die Verharmlosung von Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus!
Gegen den Extremismus-Begriff und für mehr Nachdenken!


Pressemitteilung:

10.08.2008
PRESSEMITTEILUNG

Betreff: Aktion gegen den Extremismus-Begriff

Am 9. August fand in Zella-Mehlis (Südthüringen) ein Konzert unter dem Motto "Gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit" statt. Kulturelle Angebote, die sich vornehmlich an Jugendliche richten sind in Kleinstädten, wie Zella-Mehlis eher selten und überaus zu begrüßen.
"Wer aber eine Veranstaltung unter ein politisches Motto stellt, der sollte sich der Tragweite seiner Formulierungen bewusst sein. Die Organisatoren haben sich mit der Floskel Extremismus einen höchst umstrittenen Begriff zu eigen gemacht.", sagte Stefan Müller, Pressesprecher der Antifaschistischen Gruppe Südthüringen (AGST) am Abend des 9. August in Zella-Mehlis.
In den Sozialwissenschaften ist der Extremismus-Begriff umstritten, auch wenn sich weite Teile der Politik und Medienlandschaft in Deutschland längst unhinterfragt des stark vereinfachten und verkürzten Bildes der politischen Wirklichkeit bedienen, die der Begriff mit sich bringt.

Der Extremismus-Begriff verharmlost Rassismus, Antisemitismus und andere Ungleichwertigkeits-Ideologien, indem er sie der extremen Rechten zuschreibt und ihr Vorhandensein in der gesellschaftlichen Mitte relativiert bzw. gar verleugnet. Er verhöhnt die Opfer und Widerstandskämpfer gegen den nationalsozialistischen Terror, weil er die antifaschistische Bewegung mit dem Denken und Handeln von Nazis gleichsetzt. Rechts und links verschwimmen im einfachen Freund-Feind-Schema zu einer diffusen Feindmasse. Er verkürzt so die politische Realität, ist verfänglich und polarisiert zugleich.

"Der Extremismus-Begriff ist eine politische Waffe der konservativen Politik und Medienlandschaft, um Bewegungen mit emanzipatorischen und antifaschistischem Anspruch in der Öffentlichkeit zu diskreditieren.", so Müller.

Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass sich der national-konservative Zella-Mehliser Bürgermeister Karl-Uwe Panse natürlich als einen Verfechter des Extremismus-Begriffes gibt. Mehrfach verharmloste Panse die organisierten Strukturen und politisch-motivierten Angriffe von Neonazis in Zella-Mehlis. Er wird dagegen nicht müde zu betonen, dass man gegen die politische Linke vorgehen müsse. Panse kann so niemals Teil einer Lösung zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und organisierten Neonazismus sein.

Auf dem Konzert am 9. August in Zella-Mehlis verteilten Antifaschistinnen und Antifaschisten Flugblätter, die über den Extremismus-Begriff aufklärten. Im Flugblatt werden die Organisatorinnen und Organisatoren aufgefordert sich mit dem Begriff auseinanderzusetzen, um sich seiner Tragweite bewusst zu werden.

PRESSEMITTEILUNG ENDE

Weitere Informationen über diesen zurecht höchst strittigen Begriff haben wir in einem kritischen Beitrag über das Konzert in Zella-Mehlis gesammelt. Einsehbar hier: LINK Außerdem formierte sich unlängst eine Initiative gegen diesen und jeden anderen Extremismus-Begriff. Hier zu finden: http://inex.blogsport.de/


Presse:

08.08.2008 - Freies Wort
ANGEMERKT
Heimlich gegen Extremismus?

Von Heike Jenzewski

Stell dir vor es ist ein Rockkonzert und keiner geht hin. Nun, gar keiner wird nicht passieren. Denn die vier Bands, die morgen Abend ab 17 Uhr im Bürgerhaushof von Zella-Mehlis auftreten, werden ihre Fans schon mitbringen. Aber darüber hinaus" Dabei ist es kein x-beliebiges Rockkonzert, mit dem junge Leute in einer lauschigen Sommernacht bespaßt werden sollen. Das Ereignis nennt sich "Rockkonzert gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit". Veranstalter sind der Kinder- und Jugendfreizeittreff, der Musikverein Da Capo und der ohnehin schon unter Schmerzen geborene Präventionsrat. Mit monatelanger Verspätung wurde er unter Vorsitz von Bürgermeister Karl-Uwe Panse gegründet und hat den etwas sperrigen Titel "Netzwerk zur Unterstützung des bürgerlichen Engagements gegen Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus" abgelegt. Inhaltlich sollte das Gremium aber noch zu diesen hehren Ziel stehen. Warum in aller Welt wird die Veranstaltung dann totgeschwiegen? Nur Freies Wort hat immer mal wieder den Termin vermeldet. Nirgends in der Stadt verweist ein Plakat auf die Veranstaltung, zu der sich inhaltlich sicher viele Zella-Mehliser und Bürger der Region bekennen würden. Die Homepage der Stadt preist im Internet Sommertermine in der Bibliothek und die Kandidatur für Mission Olympic. Der Terminkalender der Tourist-Information kündet von geführten Wanderungen und dem Abc-Schützenfest. Der brandaktuelle Stadtanzeiger enthält nicht den kleinsten Verweis! Es kann nur spekuliert werden, warum Panse den Termin verschweigt. "Wenn da nur ein paar Hanseln sind, dann halte ich keine Rede zur Eröffnung", hatte er Freies Wort jüngst noch gesagt. Will er beweisen, dass das Thema in den Köpfen der Einwohner keine Rolle spielt und nur die Zeitung immer wieder rumstänkert, wenn sie über rechtsextreme Konzerte oder Schlägereien mit politischem Hintergrund schreibt? Will Panse verhindern, dass Neonazis auch diese Veranstaltung stören? Dann würde er aber eingestehen, dass es braune Tendenzen in seiner Stadt gibt. Davon ist er weit entfernt. Die Gründe kennt wohl nur das Stadtoberhaupt allein. Bleibt zu hoffen, dass Bürger aller Altersklassen mit Zivilcourage wie zuletzt in Meinigen dem Konzert gegen Rechts mit bunter Vielfalt ihren Stempel aufdrücken und so das erhoffte Zeichen setzen gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit. In Meiningen waren zuvor vom Aktionsbündnis gegen Rechts alle Hebel in Bewegung gesetzt worden, um das Ereignis publik zu machen ...
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