"Das war mal nötig" - Antifaschistischer Aktionstag in Langewiesen
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Eintragsdatum: 2008-06-23 — Quelle: AGST
Zum ersten Mal seit den Maifeierlichkeiten zu DDR-Zeiten fand in Langewiesen auf dem Marktplatz wieder eine größere politische Veranstaltung statt. Das Thema erregte schon im Vorfeld die Gemüter in der Kleinstadt. Aber weder die Hetze der Medien, noch die der Nazis, konnte den Erfolg des Antifaschistischen Aktionstages am 21. Juni verhindern.
Medienkampagne der Lokalzeitungen gegen das antifaschistische Bündnis
Im Vorfeld des 21. Juni, genauer gesagt einen Tag nach Bekanntwerden der Anmeldung, titelten die Thüringer Regionalzeitungen eine "Großdemonstration" über 8 Stunden durch fast alle Straßen des Zentrums werde Langewiesen lahmlegen. Die Intention des organisierenden Bündnisses war, wenn überhaupt nur eine Randbemerkung wert. Worauf man bei dieser Panikmache hinaus wollte war eh schon klar und als dann auch noch die Anmeldung von Norman Senglaub für die neonazistische Kameradschaft "Freie Kräfte Südthüringen" eintraf, setzte die Lokalpresse noch eins drauf. "Extremismus - Langewiesen wird Aufmarschgebiet", titelte Wolfgang Rauprich für das Freie Wort.
Der Extremismus-Begriff, ein wissenschaftlich höchst-umstrittenes Konzept, ist in der Thüringer Medienlandschaft unhinterfragt. Langewiesen, das Flaggschiff im Ozean der Extreme, die Metapher ist populistisch, trifft den Nerv der Normalgesellschaft und polarisiert zugleich.
Und so sind freilich auch die organisierenden Antifaschist_innen aus Langewiesen, der "extremen Linken" zugerechnet worden, denen die extreme Rechte entgegengestellt wurde. Die Meinungsmache war perfekt.
Doch das organisierende Bündnis hielt dagegen. Da die Regionalzeitungen nicht wirklich vor hatten uns zu Wort kommen zu lassen, wurden nach den diffamierenden Presseartikeln
ein offener Brief und ein Flugblatt in Langewiesen verteilt, auf denen man sich den Vorwürfen erwehrte und zur Sprache brachte um was es ging, nämlich um faschistische Strukturen und brutale Gewalt.
Die Nazis
Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass Langewiesen und der ganze Ilmkreis ein gravierendes Naziproblem haben, so wäre die Anmeldung einer Neonazi-Demonstration ein beispielhafter Beleg für jenes Problem gewesen. Die Nazis ließen nicht lang auf sich warten. Wenige Tage nach Bekanntwerden der Planungen des antifaschistischen Bündnisses, meldeten sie eine Gegendemonstration an. Als Anmelder fungierte Norman Senglaub aus Manebach. Er organisiert sich bei der oben bereits angesprochenen Neonazi-Kameradschaft "Freie Kräfte Südthüringen". Wesentlich an der Organisation mitbeteiligt waren Stefan Kolb aus Zella-Mehlis und natürlich Sabrina Menzel aus Langewiesen.
Ready to rumble - Der Polizeistaat marschiert auf
Am Morgen des 21. Juni war die Naziroute in Langewiesen mit Hamburger Gittern abgesichert und Langewiesen mit Wolken überhangen. Die Polizei setzte auf Eskalation. Schlägereinheiten vom BFE schikanierten anreisende Antifaschist_innen. Die Stimmung war angespannt. Wer sich bis zum Marktplatz durchschlagen konnte, der_die musste erstmal die Polizeischikane verdauen. Langewiesen erlebte einen Polizeistaatsaufmarsch, der lange nach einem historischen Vergleich in der Stadtgeschichte suchen muss. Dem besonnen Verhalten der Antifaschist_innen ist es zu verdanken, dass schlimmere Angriffe der Polizei unterblieben.
Naziaufmarsch
Gegen 8.30 Uhr trafen sich die Neonazis am Bahnhof und fuhren geschlossen mit PKW's nach Langewiesen an den Punkt ihrer Auftakt-Kundgebung. Mit dabei eine Fahne der Antifaschistischen Aktion. Einige der Querfront-Nazis propagieren "Nationalen Antifaschismus", da sie meinen der reaktionäre, ultranationalistische und rassistische Volksstaat, den sie wollen sei kein Faschismus. Die Splittergruppe findet in der deutschen Neonazis-Szene kaum Rückhalt. Selbst die organisierende Gruppe distanzierte sich inzwischen beschämt von diesen Mitstreiter_innen. Möglichweise waren sie auch ein Grund, warum sich niemand von der Thüringer NPD blicken ließ. Ca. 70-80 Neonazis, vornehmlich schwarz gekleidet, liefen unter massivem Polizeischutz eine Runde durch Langewiesen und verließen die hermetisch abgeriegelte Kleinstadt darauf. Ihr Lautsprecherwagen funktionierte nicht und aus Angst um ihre Fahrzeuge verzögerte sich die Demonstration zudem noch.
Zwischen Ilmenau und Langewiesen ließen es sich die Mitfahrer von zwei Naziautos auch nicht nehmen aus den Autos zu springen und zwei Jugendliche, welche zu den Antifa-Aktionen wollten, zu jagen.
Straßenfest - Scheint die Sonne auch für Nazis?
Nachdem die Nazis abzogen, bahnte sich auch die Sonne wieder den Weg durch die Wolken. Je weniger Cops und Nazis das Klima der Stadt vergifteten, desto entspannter wurde die Situation auf dem alternativen Straßenfest. Dort vergnügten sich ab 12 Uhr durchgehend 200-250 Menschen. Bei leckerem Essen, einem Streetsoccer-Turnier, Infoständen, Liedermacher, Redebeiträgen und vielerlei mehr, ließen sich auch zunehmend mehr Langewiesener_innen blicken. Auch wenn die meisten Bürger_innen der Stadt sich in ihren Wohnungen einschlossen und auf die von der Lokalpresse versprochenen Ausschreitungen warteten, so waren es doch zahlreiche Menschen, die die Scheu vor dem vermeintlichen Linksextremist_innen verloren.
In zwei Redebeiträgen zu den Themen Nationalismus und Extremismus-Begriff ging es um eine
Kritik am vermeintlich neuen deutschen Nationalismus (LINK) und die Waffe der Lokalmedien gegen die antifaschistischen Initiativen,
den Extremismus-Begriff. Mit Hilfe dieses wissenschaftlich höchst umstrittenen Begriffs, setzte die Lokalpresse ungeniert das Handeln und Denken von Nazis mit den Ideen der antifaschistischen Bewegung gleich.
Langewiesen, wir sind da - Autonome Antifa!
Gegen 14 Uhr erreichte die Besucher_innezahl des Festes ihren Höhepunkt. Kurz darauf startete die Demonstration. 250-300 Menschen, vornehmlich Antifas und alternative Jugendliche setzten ein mehr als lautstarkes Signal gegen den faschistischen Terror in der 3600 Einwohner_innen-Stadt und dem Landkreis. Nach der Zwischenkundgebung vor der Garage mit Redebeiträgen der Antifas aus Langewiesen zur Situation in der Stadt und einem Redebeitrag der Antifa Südthüringen zu
aktuellen Entwicklungen in der Thüringer Neonazi-Szene, ging es weiter mit einer extra Runde durch den Kreisverkehr, zum Sportplatz und wieder zurück zum Markt, wo die Demonstration ohne größere Störungen, von fotografierenden Nazis mal abgesehen, im Straßenfest endete.
Dort gab es wieder Verpflegung, Musik und die Fortsetzung des Streetsoccer-Turniers. Gegen 18 Uhr wurde der Aktionstag beendet.
Fazit
Das Konzept die Provokation der Nazis ins Leere laufen zu lassen, ging auf. Ein fanatischer, schwarz gekleideter Mob hat die Sympathien in der Bevölkerung für die nationalistische, rassistische und antisemitische Ideologie der Nazis nicht mobilisieren können. Sie blieben unter sich.
Das alternative Straßenfest mit all seinen Attraktionen erfreute sich steigender Beliebtheit. Das Schreckensbild, welches durch die Regionalpresse lanciert wurde, bestätigte sich nicht ansatzweise. Die von den Lokalmedien versprochenen Randale fanden nicht statt. Es war ein buntes, fröhliches Fest und eine verhältnismäßig große, laute und entschlossene Demonstration.
Wir werten den antifaschistischen Aktionstag als Erfolg und möchten uns -auch im Namen des Bündnisses- bei allen bedanken, die sich mit uns solidarisiert haben und unseren Aktionstag zu einem Erfolg gemacht haben.
Redebeiträge
Redebeitrag zur Kritik am "neuen" deutschen Nationalismus
Es ist wieder soweit. Der nächste Fußballevent, nach der WM 2006 ist da. Die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz, für die die noch oder wieder von Großdeutschland träumen also quasi im eigenen Land. Der Deutschland-Hype geht weiter. An jedem fünften Fahrzeug weht schwarz-rot-gelb. In zahllosen Häusern, an zahllosen Fenstern hängt die Flagge der Bundesrepublik Deutschland. Hier und da auch mal die des deutschen Reiches. Überall wird Public Viewing angeboten, um die Spiele der deutschen Nationalmannschaft im Kreise deutschtümmelnder Patrioten genießen zu können.
Nach dem Spiel Deutschland gegen Polen musste die Polizei 140 randalierende, deutsche Nazi-Hooligans in Klagenfurt festnehmen. Auch in Erfurt so berichteten Zeitungen marodierten einige Deutschlandfreunde durch die Stadt. Es sind zwei Beispiele, die die Spitze des Eisberges bilden. In dutzenden deutschen Städten ziehen diese Tage Neonazis, rechte Hooligans und Deutschlandpatrioten, der ganze deutsche Mob also, durch die Straßen und machen Jagd auf Menschen, die die Farben vermeintlicher Gegner tragen oder auch solche, die nicht ins volksgemeinschaftliche Kollektiv passen oder passen wollen. Während die deutsche Mainstreampresse Ausschreitungen gegen nicht-deutsche Einrichtungen und Menschen meist totschweigt und immernoch von einem fröhlichen, unbeschwerten Patriotismus faselt, ist dem deutschen Mob wieder Tür und Tor geöffnet.
Als die italienische Nationalmannschaft die deutschen Titelträume 2006 platzen ließ, überfielen in vielen Städten Deutschlandfans italienische Restaurants. Soweit Politiker_innen und Medien solche Angriffe nicht leugneten, verharmlosten sie die Aggressionen dieses deutschen Mobs. Es seien eben immer nur Einzelfälle, der Großteil der deutschtümmelnden Horden sei friedlich.
Wie kommt mensch eigentlich dazu sich positiv auf ein Land zu beziehen, in dem immer größere Teile der Gesellschaft in prekären Verhältnissen leben, in dem Menschen ausgegrenzt und isoliert werden, weil sie nicht hier geboren sind. Deutschland ist ein rassistischer und patriarchaler Nationalstaat und somit durch verschiedenste Unterdrückungs- und Herrschaftsverhältnisse durchzogen. Er unterscheidet sich insofern wenig von anderen Staaten und Nationen. Die Liebe zu einem solchen Konstrukt ist nicht objektiv, sie ist nicht durchdacht und nicht hinterfragt.
Die künstliche Schaffung der Nation bietet den Rahmen und macht es möglich, Menschen in Gruppen zu differenzieren: die, die dazu gehören und die, die sich außerhalb des Schemas bewegen, also nicht dazu gehören. Nationalismus und Patriotismus bedeuten stets Ausschluss und sollen Argumentationsgrundlagen für eine persönliche Höherwertigkeit bieten.
Die deutsche Geschichte mahnt uns. Die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte standen im Zeichen wehender Deutschland-Fahnen. Der "Hurra-Patriotismus" Anfang des 20. Jahrhunderts steht für den ersten Weltkrieg, der Deutschlandhype der 30er und 40er Jahre für den Nationalsozialismus, Vernichtungskrieg und die Shoa und der Nationalismus nach der deutschen Wiedervereinigung führte in die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Solingen und Mölln.
Wie gefährlich Nationalismus auch heute noch ist, zeigt sich für systemunkonforme Menschen täglich. Abschiebungen, Isolation, Einreiseverbot, Beuge- und Isolationshaft sind die Mittel des Staates, sich jener zu entledigen, die nicht ins Kollektiv integriert werden sollen oder können. Mord und Totschlag sind die Mittel alter und neuer Nazis. Das Ziel ist ein ähnliches, nur anhand der Wahl der Mittel lassen sich noch Unterschiede festmachen. Die Propagierung von Nationalismus und die Praktizierung von Nationalstaatlichkeit führen so zwangsläufig zu menschenunwürdigen Zuständen.
Wir als Antifaschistische Aktion wollen mit Deutschland abschließen, wir wollen uns vom Nationalismus emanzipieren. Sozialer Fortschritt wird die Nationalstaaten überwinden müssen und so kann es nur eine Losung geben:
Nie, nie, nie wieder Deutschland!
Redebeitrag zur Kritik am Extremismus-Begriff
Die Berichterstattung der Lokalpresse zum antifaschistischen Aktionstag in Langewiesen war geprägt von der Diffamierung unseres Anliegens, unserer politischen Ziele und Positionen. Unter dem Deckmantel einer so genannten "Extremismus-Kritik" wurden die antifaschistischen Initiativen von den lokalen Journalist_innen ungeniert mit Nazis gleichgesetzt. Im folgenden Redebeitrag wollen wir diesen Extremismus-Begriff als das darstellen, was er ist, nämlich als Waffe einer konservativen Politik und Medienlandschaft, Bewegungen mit emanzipatorischen und antifaschistischem Anspruch in der Öffentlichkeit zu diskreditieren.
Das Modell des politischen Extremismus besagt, es gäbe in dieser Gesellschaft eine demokratische Mitte, welche von extremistischen Rändern, vornehmlich rechten und linken, bedroht sei. Um diese Grundannahme bildlich zu untermauern und sie so in das Gedächtnis eines jeden einzubrennen, kursieren in öffentlichen Diskursen durch die Darstellung von Presse und Politik stets Bilder vom Hufeisen, dessen Enden die Mitte zu zersetzen scheinen, sowie dem sinkenden Schiff der "streitbaren Demokratie" im unkontrollierbaren Ozean der Extreme. Dass gesellschaftliche Zustände und individuelle Einstellungsmuster enorm komplexer und differenzierter sind als diese Metaphern, die gerade schon durch ihre Verwendung Freund-Feindbilder schaffen, will der Extremismusansatz natürlich nicht wahr haben. Durch diese verkürzte und verfälschte Darstellung der Vielschichtigkeit der politischen Realität wird nicht nur das Vorhandensein von Rassismus und Antisemitismus in der ganzen Gesellschaft verharmlost, die Extremismustheorie blendet diese Ideologien der Ungleichwertigkeit sogar aus und reduziert ihr Vorhandensein auf die extreme Rechte.
Der alltägliche Rassismus von Behörden, Presse und Politik, sowie latent fremdenfeindliche Einstellungen in der Mainstream-Gesellschaft werden so ausgeklammert und bleiben trotz der sozialpolitischen Relevanz unhinterfragt stehen. Frei von jeglichen möglichen Kritikpunkten kann der Mitte der Gesellschaft so getrost der Heiligenschein aufgesetzt werden und sie so zum Schöpfer von dem werden, was als Normalität zu gelten hat. Obwohl es zahlreiche sozialwissenschaftliche Forschungen darüber gibt, was die deutschen Zustände hergeben, wie stark Rassismus in den Köpfen der "Normalbürgerinnen und -bürger" verankert ist, mit welcher erschreckenden Häufigkeit antisemitische Vorurteile vertreten werden, usw. folgen Politik und Presse trotzdem weiterhin der Extremismustheorie. Kampagnen zur Stärkung der nationalen Identität können vor diesem Hintergrund natürlich getrost gefördert werden.
Antifaschistische Projekte und Initiativen werden dagegen mit dem Denken und Handeln von Neonazis gleichgesetzt. Doch die Realität sieht anders aus. Die Neonazis in Stadt und Land stellen eine Bedrohung für die körperliche Unversehrtheit von allen Menschen dar, die nicht in die deutsche Volksgemeinschaft passen oder passen wollen, also konkret für Migrantinnen und Migranten, Antifaschistinnen und Antifaschisten, Homosexuelle, Obdachlose und andere Gruppen. Dass gerade dort, wo sich antifaschistische und antirassistische Projekte etabliert haben die Gefahr von Neonaziangriffen deutlich geringer ist, diesen Fakt verkennt und negiert der Extremismus-Begriff.
Hervorgegangen aus der Totalitarismustheorie wurde der Extremismusansatz vor allem durch den Chemnitzer Politologen Eckhard Jesse etabliert. Jesse selbst wird vom Verfassungsschutz, der CDU und einer CSU-nahen Stiftung hofiert und finanziert. Auch verfügt er über Kontakte, die bis in neonazistische Strukturen reichen. Die Zusammenarbeit mit diesen scheut Jesse nicht. Außerdem trat er wiederholt durch antisemitische Äußerungen in Erscheinung. Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage, inwieweit die Extremismustheorie überhaupt einen wissenschaftlichen Wert besitzt und nicht gar eher einer normativen politischen Anschauung als einem ernst zunehmenden sozialwissenschaftlichen Beitrag entspricht. Renommierte Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler leisten ihr übriges diese Frage zu beantworten: Sie ignorieren dieses Konzept entweder ganz oder lehnen den Extremismus-Begriff sogar vehement, weil unwissenschaftlich, ab. Dennoch hat er sich weiten Teilen der deutschen Medienlandschaft, insbesondere auch den Thüringer Lokalzeitungen, sowie in der Lokalpolitik, aufgrund der vornehmlichen Deutungshoheit der Extremismustheorie, durchgesetzt.
Kritischer Journalismus hört dort auf, wo unhinterfragt höchst umstrittene politische Ansichten einiger verquerer, konservativer Wissenschaftler aufgenommen und salonfähig gemacht werden. Die örtlichen Lokalzeitungen haben sich dieses wissenschaftlich umstrittene Schema zu eigen gemacht, mit all seinen geschichtsrelativierenden und -verharmlosenden Ansätzen. Und so haben auch diesmal wieder Journalistinnen und Journalisten vom Freien Wort und der Thüringer Allgemeine die Millionen Opfer und Hinterbliebenen des faschistischen Terrors mit Füßen getreten, wenn sie die antifaschistische Bewegung mit ihren Mördern und Peinigern, also den Faschistinnen und Faschisten gleichsetzten.
Nicht nur die Presse hetzt so gegen antifaschistische Initiativen. Oft stellt sie nur das Medium zur Verfügung, wo sich Lokalpolitikerinnen und -politiker gegen die außerparlamentarische Linke auslassen können. So auch in Langewiesen, wo die Anmeldung eines antifaschistischen Aktionstages im Stadtrat nicht weniger Bestürzung hätte ausrufen können, als die eines Marsches zur Glorifizierung des Nationalsozialismus. Dass hier dann etwas schief läuft, müsste nun jeder Mensch mit einem Minimum an Restvernunft erkennen können.
Hier ist der Extremismus-Begriff eine willkommene Waffe gegen die vermeintlichen Nestbeschmutzer, die es sich gewagt haben die unzumutbaren Zustände in Langewiesen zu thematisieren. Wem jetzt die Argumente fehlen, um endlich zu der Serie von Gewaltakten Stellung zu nehmen, der bedient sich freilich des Extremismus-Begriffes und holt einfach zum Gegenschlag aus, um sich und seine Position nicht selbst ins Aus zu spielen. Schnell werden dann die Opfer von Nazigewalt zu Tätern und die, die seit Jahren für das Erstarken der Neonaziszene die Verantwortung hätten tragen müssen, nämlich Stadtrat, Bürgermeister, Jugendpfleger und so weiter, werden zu den Hütern der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung. Damit muss nun Schluss sein. Dass wir uns bei der Abwehr faschistischer Angriffe weder auf diese Stadt oder die Polizei, noch auf die Politik und Presse verlassen können, diese Erfahrungen haben wir schmerzhaft machen müssen.
Gegen die Relativierung von Neonazismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit!
Gegen den Extremismusbegriff!
Für eine emanzipatorische Politik und antifaschistische Kultur!
Redebeitrag zu aktuellen Entwicklungen in der Thüringer Neonazi-Szene
Wir möchten uns zur aktuellen Situation der faschistischen Szene in Thüringen, ihrer Kader, Parteien und Kameradschaften äußern.
Der Diskurs innerhalb der Neonazi-Szene in Thüringen im letzten Jahr war geprägt von Differenzen und Machtkämpfen innerhalb des Thüringer NPD Landesverbandes. So bildeten sich innerhalb der Partei zwei Lager um die Kandidatur zum Landesvorstand auf dem Wahlparteitag. Zum einen die Fraktion um den bis dahin amtierenden Landesvorsitzenden Frank Schwerdt und Landesgeschäftsführer Patrick Wieschke. Zum anderen die Fraktion um die Herausforderer Kai-Uwe Trinkaus, Vorsitzender des NPD Kreisverbandes Erfurt-Sömmerda, sowie Thorsten Heise, ein einschlägig vorbestrafter Nazi-Schläger und Mitglied des Bundesvorstandes der NPD. Überschattet wurden die politischen Auseinandersetzungen von einer Schlammschlacht mit bis dato nicht gekannten Ausmaß. So wurden Vorwürfe aus dem faschistischen Lager gegen Trinkaus laut, welche ihm unterstellten in einer Schwulenbar gearbeitet zu haben, die zum damaligen Zeitpunkt noch dazu im Besitz seiner Ehefrau wa. Ein absolutes No-Go für die homophobe Nazi-Szene. Weiterhin wurde publiziert, dass der kometenhafte Aufstieg Trinkaus' in der Partei, in Anbetracht seiner sehr lebhaften Vergangenheit als SED-Funktionär doch recht merkwürdig erscheint. Außerdem ist Trinkaus Mitgesellschafter in dubiosen Firmen, die ihre Angelegenheiten über Großbritannien abwickelten, was unweigerlich den Verdacht auf Steuerhinterziehung aufkommen lässt. Auf lange Sicht könne diese Entwicklung in Trinkaus' Leben der NPD nur Schaden.
Auch die Hetze über das Lager der Etablierten ließ keinesfalls zu Wünschen übrig. So wurde ein Artikel auf einer Neonazi-Website über Patrick Wieschke veröffentlicht, in dem er von nicht-parteigebundenen Neonazis aus seinem Landkreis der Homosexualität bezichtigt wurde. Zum Beweis dieser Vorwürfe wurden Beweisfotos eines Ost-Europa-Urlaubs von Wieschke, die ihn in einschlägigen Posen mit einigen bekannten Thüringer Neonazis zeigen, beigelegt. Auch sein Drang zu Gewalt gegen Gleichgesinnte wurde im besagten Artikel näher thematisiert. Beendet wurde der Zwist schließlich auf dem Landesparteitag der NPD, bei welchem sich die Fraktion um die etablierte Parteiführung schlussendlich behaupten konnte und nun bereit ist für den Wahlkampf zu den Landtags- und Kommunalwahlen. Der zweite Teil des Landesparteitages fand übrigens im wenige Kilometer von hier entfernten Elgersburg, im Gasthaus "Vier Jahreszeiten" statt.
Der Deutschlandpakt, ein faschistisches Bündnis zwischen NPD und DVU, besagt, dass 2009 eigentlich die DVU zu den Landtagswahlen in Thüringen antreten darf. Da die DVU in Thüringen jedoch über keine wahrnehmbaren Strukturen verfügt wird nun nachverhandelt, um der im Aufwind stehenden NPD einen Wahlantritt in Thüringen zu ermöglichen.
Neben den innerparteilichen Auseinandersetzungen kommt auch die in Thüringen beinahe alltägliche Gewalt von Neonazis gegen Andersdenkende - oder Nicht-Deutsche nicht zu kurz. Beispiele für faschistische Angriffe in den letzten Wochen und Monaten finden sich zu Hauff. So kam es beispielsweise in Februar diesen Jahres zu einem Mordversuch seitens einer Gruppe von Neonazi-Schlägern auf einen Punk in Berga. Dieser wurde so schwer verletzt, dass er nach zweimaliger Reanimation in ein künstliches Koma versetzt werden musste und schließlich nur durch eine große Portion Glück überleben konnte. Auch die Landeshauptstadt Erfurt zeichnete sich, neonazistisch motivierte Gewalt betreffend, besonders heraus. Dort kam es allein an einem Wochenende zu zwei Übergriffen von Nazi-Hooligans auf alternative Jugendliche. Südthüringen blieb ebenfalls nicht vom Naziterror verschont. In Zella-Mehlis kam es kürzlich zu einer Hetzjagd von mit Schlagstöcken, Messern, Steinen und einer Schreckschusspistole bewaffneten Neonazis auf Punks. Diese konnten jedoch Glücklicherweise dem aufgebrachten Mob entkommen.
Die Neonazi-Szene der Freien Kameradschaften und selbst-ernannten Autonomen Nationalisten konnte in letzter Zeit wachsenden Zuspruch innerhalb der außerparteilichen Nazi-Szene verzeichnen und sorgte zunehmend für Ärger. Die sogenannten Autonomen Nationalisten bedienen sich linker Symbolik und Aktionsformen, um dem biederen Image der Faschist_innen einen neuen Anstrich zu geben und sich für Jugendliche attraktiver zu machen. In Weimar wurde im Vorfeld einer von der NPD organisierten Demonstration ein Verbot der Teilnahme für Autonome Nationalisten im szene-typischen Outfit ausgesprochen. Als Reaktion darauf wurde die Website des NPD Kreisverbandes Weimar von eben diesen Autonomen Nationalisten gehackt und zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen. Auf der Demonstration kam es schließlich zu einem gescheiterten Durchbruchversuch der Autonomen Nationalisten. Später rechtfertigten sie diese Aktion damit, dass die Demo ohne dieses Handeln nicht hätte starten können.
Zum Tag der Arbeit und zum Tag der Befreiung vom Faschismus kam es in Südthüringen zu mehreren spontanen Aktionen durch Neonazis. So berichteten die Freien Kräfte Südthüringen und das Freie Netz Altenburg, dass mehrere Spontandemonstrationen stattgefunden haben sollen. Weiterhin wurden Flyer verteilt und Plakate mit der Aufschrift "USA und Israel angreifen!" an verschiedenen Orten in Suhl, Zella-Mehlis und auch Arnstadt angebracht. In Erfurt versuchten ca. 50 Neonazis die Auftaktveranstaltung der Kampagne "Nazis matt setzen!" zu blockieren, in dem sie sich vor einem Hooliganladen der Demonstration wenig entschlossen in den Weg stellten, sich aber schließlich abdrängen ließen. Anhand dieser Beispiele ist erkennbar, dass die Neonazi-Szene in Thüringen zunehmend organisierter und gewaltbereit in Erscheinung tritt und sich auf Veranstaltungen, verstärkt im übernommenen Look der autonomen Antifa, versucht militant zu geben.
2009 wird das Superwahljahr der NPD. Die bedeutendste deutsche, faschistische Partei will zu Kommual- und Landtagswahlen antreten und ihre Chancen stehen gut. Sollte es der NPD gelingen sich in den Thüringer Parlamenten zu verankern, wird die Luft für antifaschistische Initiativen und Kultur in Thüringen noch dünner. Lasst uns den Wahlkampf der Faschistinnen und Faschisten stören, sabotieren und blockieren. Verhindern wir, was noch zu verhindern ist.
Lasst uns hier und heute den Nazis zeigen, dass mit uns zu rechnen ist!
Nazibanden zerschlagen!
Fotos vom Antifaschistischen Aktionstag:
Presse:
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