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Meiningen: Verfahren gegen AN's wegen Vermummung eingestellt

Eintragsdatum: 2008-05-04Quelle: AGST

Am Freitag, dem 25. April wurde das Verfahren gegen sechs - sich selbst als "autonom" verstehende - Neonazis wegen Vermummung eingestellt. Wer, warum beteiligt war und wieso diese Einstellung eines Verfahrens gegen Neofaschist_innen kein Grund zur Annahme ist, das Gericht begünstige Faschist_innen, erfahrt ihr bei uns.

Möchtegern-Autonome Faschist_innen stören Ungdomshuset-Solidemo

Am 1. März 2007 räumte die dänische Polizei das selbstverwaltete Kopenhagener Jugendhaus "Ungdomshuset" und provozierte tagelang schwere Straßenschlachten. Aus Solidarität zu den Aktivist_innen in Kopenhagen organisierten Antifaschist_innen in Meiningen kurzfristig eine Soli-Demo (AGST berichtete).
Diese Demonstration wurde durch sechs sich selbst bezeichnende "Autonome Nationalisten" aus Meiningen, Ilmenau und Weißenfels gestört. Diese traten aggressiv und vermummt auf. Den Antifaschist_innen und Mitarbeiter_innen des Ordnungsamtes gelang es die Neonazis abzudrängen. Die Polizei nahm die Personalien auf und Erstattete Anzeige wegen Vermummung. Das eingeleitete Verfahren wurde in zwei Prozesstagen verhandelt.

1. Prozesstag

Unter den Angeklagten befanden sich einschlägig bekannte Meininger Neonazis, wie Sven Dietsch, Alexander Wirsing und Mary Blaufuß. Außerdem saßen auf der Anklagebank Mandy Ehlert, Roman-Bastian Dännert und Diana Strohbach. Nur Dietsch und Dännert hatten eine_n Verteidiger_in zur Seite. Einen Bericht vom ersten Prozesstag lieferte das Meininger Tageblatt:

17.04.08 - Freies Wort

Sonnenbrillen im März?

Verhandlung am Gericht wird fortgesetzt

MEININGEN. Sie scherzen und geben sich fröhlich. Eine Frau und ein Mann auf der Anklagebank umarmen und küssen sich. Insgesamt müssen sich sechs Männer und Frauen wegen Vermummungs-Verbotes am Jugendschöffengericht Meiningen verantworten.

Vorgeworfen wird den 21 bis 29 Jahre alten Angeklagten aus Meiningen, Ilmenau und Lichtenfels, sich am 7. März 2007 einer Demo in der Innenstadt vermummt entgegengestellt zu haben. Sie seien, so sagte ein Polizeihauptkommissar der Polizeiinspaktion Schmalkalden-Meiningen aus, "in schnellem Schritt auf die Demonstration zugelaufen". Die sechs Angeklagten hätten die genehmigte Demo, die von Linken organisiert worden war, offenbar stören wollen. Bis 17 Uhr, so der Zeuge, sei die Demo mit etwa 50 Teilnehmern sehr friedlich verlaufen. Nachdem die Polizei die Personalien der Angeklagten aufgenommen hatte, sei gegen diese ein Platzverweis ausgesprochen worden. Danach verlief die Demo unter dem Motto "mehr kulturelle Freiräume" wieder ruhig weiter.
Der Vorsitzende Richter des Jugendschöffengerichtes, Torsten Steiner, fragte den Zeugen, ob auch andere Demonstranten vermummt gewesen seien. "Das kann ich nicht sagen, das habe ich nicht gesehen." Daraufhin lachten die Angeklagten. Denn sie hatten zuvor gerade behauptet, andere Demonstranten seien vermummt gewesen, nicht sie. Sie selbst hätten die Kapuzen angeblich nur wegen der Kälte getragen. Torsten Steiner wollte weiter wissen, woher der Vermerk in den Akten komme, dass die Störer "dem rechten Spektrum zugeordnet werden." Dazu konnte der Zeuge selbst nichts sagen. Aber er wisse das von seinen Kollegen. Auf die Frage von Rechtsanwältin Yvonne Andres, wie denn die Angeklagten vermummt gewesen seien, antwortete der Zeuge: "Sie hatten Kapuzen auf und Tücher bis zu den Augen."
Staatsanwalt Harry Engmann bohrte bei den Angeklagten intensiv nach, warum sie an diesem Tag überhaupt zur Demo gingen. "Mit den Leuten haben sie doch gar nichts zu tun, was bewog sie zur Teilnahme?" Vor allem interessierte es ihm, weil der Angeklagte aus Lichtenfels behauptet hatte, er sei bei Freunden gewesen und man habe sich "spontan entschlossen". Wie denn, wenn sie angeblich kurzfristig den Entschluss fassten, das Transparent mit der Aufschrift "Wir sind gekommen, um zu bleiben", entstand, fragte der Staatsanwalt weiter. Das würden Außenstehende doch irgendwie gar nicht kapieren, was damit gemeint ist. Warum denn, "wenn's nieselt", Sonnenbrillen getragen wurden? Da stimme doch wohl was nicht, merkte er an.
Einer der Angeklagten antwortete: "Soll ich auf ein Stück Stoff, was ich genau meine?" Eine Angeklagte entgegnete gereizt: "Eine Sonnenbrille ist doch wohl erlaubt." "Die anderen waren vermummt und wir sitzen hier als Angeklagte", rief eine mitangeklagte Meiningerin in die Runde ... Der Vorsitzende Richter hat offenbar noch Aufklärungsbedarf. Während er mit dem Staatsanwalt und den beiden Verteidigern einen neuen Termin abklärte, stöhnte eine Angeklagte entnervt, weil sie nochmal kommen muss: "Ooch, was ist denn das für ein Kunde." Fortgesetzt wird die Verhandlung am 25. April um 8.30 mit Zeugen von der Polizei. (it)


2. Prozesstag und Urteil

Zu Beginn der Verhandlung wurde zugespieltes Videomaterial in Augenschein genommen. Die Befragung von drei Beamt_innen verlief schnell und erwies sich als wenig ergiebig. Die Beamten berichteten zwar, dass die Neonazis vermummt waren, aber auch von ihrer sofortigen Bereitschaft sich auszuweisen und die Vermummung abzunehmen.
Nach einer kurzen Pause und Unterredung zwischen Staatsanwaltschaft, Richter und Verteidigung, erließ das Gericht den Beschluss, das Verfahren werde gemäß Â§ 153 (2) StPO - Geringfügigkeit - eingestellt. Die Kosten trägt die Staatskasse. Lediglich die Auslagen für Verteidigung, Verdienstausfälle, etc. haben die Angeklagten zu tragen.

Vermummungsverbot? Weg damit!

Das Vermummungsverbot dient dazu, dass in Deutschland Demonstrierende für die Staatsgewalt immer erkenntlich sind. Wer hat nicht schon mit unfreundlichen Polizist_innen auf Demonstrationen Bekanntschaft gemacht, die meinten sie hätten das Recht die Gesichter der Menschen zu filmen. Wir denken, dass die Polizei unsere Gesichter und unsere Personalien nichts angehen. Wen wir Bilder von uns machen lassen, das wollen wir selbst entscheiden. Das Vermummungsverbot ist ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung. Das Vermummen vor der Polizei wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet.
Wenn Neonazis unsere Demonstrationen abfilmen und wir nicht in der Lage sind, sie zu hindern so ist es selbstverständlich, dass wir unsere Gesichter bedecken, um nicht auf Anti-Antifa-Listen zu landen. Ob auch hier die Vermummung unter Strafe steht ist umstritten. Eine Übersicht über wichtige Urteile zu dieser Frage gibt es bei der Roten Hilfe.

Mit Recht gegen Rechts?!

Klar freuen wir uns als Antifaschist_innen heimlich oder ganz offen, wenn Neonazis in den Knast müssen oder Geld bezahlen müssen für ihre menschenverachtenden Aktivitäten. Auch geht es uns hier nicht darum, die Rechte von Neonazis zu verteidigen.
Es gilt sich darüber klar zu werden, dass ein deutsches Gericht keine antifaschistische Instanz ist. Es unterscheidet nicht zwischen den Verfechter_innen einer Ideologie, die nach Auschwitz führte und uns als Antifaschist_innen. Wenn nun das Meininger Gericht Vermummung, als Schutz vor dem politischen Gegner, unter Strafe stellen würde, so bräuchten wir uns keine Illusionen zu machen, dass es diese Strafe nicht auch gegen uns einsetzen würde. Das Gericht handelt dann nicht nach antifaschistischem Recht (was auch immer das sein kann), sondern es stellt die Inanspruchnahme eines Freiheitsrechts, nämlich das, über die Verwendung des eigenen Bildes selbst zu entscheiden, unter Strafe. So war das Urteil kein Bekenntnis für oder gegen die Neonazis, sondern die Auffassung des Gerichtes, dass Vermummung vor dem politischen Gegner ein zu geringfügiges Vergehen ist, um es zu bestrafen. Dass die Neonazis sich den Polizist_innen nach Aufforderung sofort zu erkennen gaben, weckte den Eindruck, man habe sich nur vor den Kameras der Antifaschist_innen versteckt.

Wer meint den Kampf gegen Neonazis und faschistische Tendenzen muss/kann der Staat führen, der irrt. Der deutsche Rechtsstaat ist Teil eines gesamtgesellschaftlichen Problems. Er wird nie Teil der Lösung sein. Der Weg zu einem Ende von Rassismus, Nationalismus, etc. führt über seine Abschaffung. Das Verteidigen von Freiheitsrechten macht weiterhin Sinn. Freiheitliche Standards in der kapitalistischen Gesellschaft kampflos aufzugeben, führt uns in einen Überwachungsstaat.

Kampf den faschistischen Tendenzen!
Weg mit dem Vermummungsverbot!



Bilder, die uns zugespielt worden:












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