Antifaschistische Gruppen Südthüringen

Antifaschistische Gruppen Südthüringen

News
Ueber uns
Archiv
Dates
Chronik
Texte
Kontakt
Links
Mitmachen
Naziangriffe melden





Facebook

RSS


Because we are friends

Für aktuelle News checkt bitte unseren neuen Blog!


Bayern: Neues Versammlungsgesetz

Eintragsdatum: 2008-04-28Quelle: indy

Der Freistaat Bayern setzt mal wieder neue polizeistaatliche Maßstäbe und verschärft das Versammlungsgesetz. Das neue Gesetz, das die CSU demnächst im Landtag beschließen will, soll die vollständige Überwachung und Steuerung öffentlicher Meinungsäußerung durch Polizei und Behörden ermöglichen. Wir dokumentieren eine Einschätzung von Münchner Antifaschist_innen.

18.04.08

Bayern: Neues Versammlungsrecht - ein Überblick

Die bayerische Staatsregierung plant als erste Landesregierung in Deutschland ein neues Versammlungsgesetz. Neben dem ebenso abstrusen wie strikten "Militanzverbot" sind weitere Verschärfungen der bisher geltenden Regularien geplant. Das der Gesetzesentwurf recht schnell Realität werden wird, scheint Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im bayerischen Landtag klar zu sein. Wer jetzt schon sagt: "Ach, die Bayern wieder...", sollte sich dessen bewusst sein, dass es nicht das erste Mal wäre, wenn in Bayern erfolgreich ausprobierte repressive Maßnahmen zum bundesweiten Maßstab würden. Der folgende Artikel soll einen Überblick über die geplanten Änderungen geben und den Versuch einer Einordnung in einen gesellschaftlichen Kontext wagen.
Die geplanten Änderungen in bayerischen Versammlungsgesetz: (Mensch verzeihe mir eventuelle Ungenauigkeiten, ich bin ja keinE JuristIn... Ich bitte natürlich immer um wohlwollende Ergänzungen!)

Art. 2 (1): Es fängt schon damit an, dass ab Inkrafttreten des Gesetzes eine Versammlung nicht wie bisher mindestens drei TeilnehmerInnen haben muss, sondern bereits eine Zusammenkunft von zwei Menschen "zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung" sein kann. Das heißt, bereits zwei Menschen, die sich entschließen, gemeinsam die öffentliche Meinung zu beeinflussen, sind eine Versammlung und fallen somit unter das bayerische Versammlungsgesetz.

Art. 3 (3): Auf Flyern zur "Bekanntgabe oder Einladung" zu einer Versammlung muss der Name der/des AnmelderIn stehen.

Art. 4: Der/Die AnmelderIn muss sowohl im Vorfeld als während einer Versammlung "geeignete Maßnahmen ergreifen", um einen "gewalttätigen Verlauf der Versammlung" zu verhindern. Laut Absatz (3) ist der/die AnmelderIn außerdem verpflichtet, falls "aus der Versammlung heraus Gewalttätigkeiten begangen werden [...], die Versammlung für beendet zu erklären." Das heißt, dass AnmelderInnen zu Erfüllungsgehilfen der polizeilichen Einsatzleitung gemacht werden. Wer die "Versammlung nicht oder nicht rechtzeitig für beendet erklärt", kann laut diesem Gesetz mit bis zu einem Jahr Gefängnis bzw. Geldstrafe bestraft werden. Absatz (4) desselben Artikels verzichtet zudem auf die Ehrenamtlichkeit von OrdnerInnen, was laut dem offiziellen Kommentar im Gesetzesentwurf den Weg frei machen soll für professionelle Securitydienste auf Versammlungen.

Art. 5 (3): Wer sich bei aufgelöster Versammlung nicht "unverzüglich entfernt", kann mit einer Geldstrafe von bis zu 3000 € bestraft werden. Hier wird schon deutlich, wie krass dieses neue Gesetz ist. Entfernt sich einE TeilnehmerIn nicht stante pede bspw. von einer nach dem neuen "Militanzverbot" von der polizeilichen Einsatzleitung aufgelösten Versammlung, droht eine Ingewahrsamnahme und eine Geldstrafe von bis zu 3000€. Dasselbe kann natürlich passieren, wenn einE AnmelderIn eine Versammlung auflösen muss, weil bspw. Flaschen o.ä. geworfen wurden.

Art. 7: Hier endlich das berühmt-berüchtigte "Militanzverbot". Mir will leider (mit Ausnahme der bairischen Räterepublik, natürlich...) bei besten Willen kein Zeitpunkt in der 1000jährigen Geschichte Bayerns einfallen, zu dem in Bayern Militanz ERLAUBT gewesen wäre. Der Terminus "Militanzverbot" erscheint mir zudem ähnlich absurd wie eine Forderung nach dem Verbot von Kriminalität. Dennoch ist dies der offizielle Sprachgebrauch der bayerischen Staatsregierung, und ihr ist es damit wohl auch ernst. Absatz (1) des Artikels besagt nun, dass es verboten ist "in einer [...] Versammlung [...] gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen, sofern damit eine einschüchternde Wirkung verbunden ist." Was einschüchternd ist und was nicht, liegt selbstverständlich im Ermessen der jeweiligen polizeilichen Einsatzleitung. Und ja, auch PolizistInnen können sich eingeschüchtert fühlen. (Steht so im offiziellen Kommentar zum Gesetzesentwurf!) Absatz (2) besagt weiter, dass es verboten ist "an einer [...] Versammlung in einer Art und Weise teilzunehmen, die dazu beiträgt, dass die Versammlung oder ein Teil hiervon [...] paramilitärisch geprägt wird oder sonst den Eindruck von Gewaltbereitschaft vermittelt und damit eine einschüchternde Wirkung verbunden ist." Wer gegen diese Absätze (1) und (2) dieses Artikels verstößt, kann ebenfalls mit einer Gefängnisstrafe von bist zu einem Jahr oder Geldstrafe belegt werden. Im Endeffekt stellt dieser Artikel wohl den feuchten Traum aller bayerischen StaatsschützerInnen dar. Der polizeistaatlichen Willkür wird endgültig Tür und Tor geöffnet, der "Schwarze Block" wird gesetzlich verboten und allen Ansätzen einer autonomen Linken in Bayern wird es verunmöglicht, Demonstrationen abzuhalten, die noch in irgendeiner Art und Weise einen sinnvollen politischen Ausdruck darstellen. Betroffen von diesem Artikel sind aber potentiell auch alle, die "gleichartige Kleidungsstücke" auf Versammlungen tragen, wie zum Beispiel die Gewerkschaften. Sollte einmal eine Streikversammlung auch nur ansatzweise "aggressiv" wirken, wird diese sofort aufgelöst.

Art 9 (2) / (3): Diese beiden Absätze besagen, dass die Polizei komplette Übersichtsaufnahmen von Demonstrationen anfertigen darf, die zwar eigentlich direkt nach dem Einsatz gelöscht werden müssten, außer (Pustekuchen...!) sie werden für die Verfolgung von Straftaten, zur Gefahrenabwehr, oder aber auch zur nachträglichen Analyse des Polizeieinsatzes gebraucht. Auch die Identifizierung einzelner ist unter den beiden erstgenannten Voraussetzungen zulässig. Hier sehen wir, wie gängige polizeiliche Praxis, die bisher illegal war und deshalb vor Gericht keine Verwendung finden konnte, plötzlich in Gesetzesform gegossen wird.

Art. 13: Eine Versammlung muss laut Absatz (1) von nun an 72 Stunden vor Beginn angemeldet werden, statt wie bisher nur 48 Stunden. Des weiteren muss der/die AnmelderIn nach Absatz (2) eine Telefonnummer bei der zuständigen Versammlungsbehörde hinterlassen. Dieselbe Versammlungsbehörde kann eineN VersammlungsleiterIn laut Absatz (5) auch als "ungeeignet" oder "unzuverlässig" ablehnen, genauso wie nach Absatz (6) auch OrdnerInnen abgelehnt werden können.

Art. 15 (1): "Eine Versammlung kann verboten oder beschränkt werden, wenn [...] Rechte Dritter unzumutbar eingeschränkt werden." Dies besagt unter anderem, dass bei der Abhaltung von Demonstrationen o.ä. beispielsweise auch die Interessen des Einzelhandels berücksichtigt werden müssen, bzw. dass mensch nicht zu oft hintereinander am selben Ort demonstrieren darf.

Art. 16 (3): Hier wird verboten, sich nach oder während einer Veranstaltung zu einem "gemeinsamen, friedensstörenden Handeln zusammenzuschließen" und dabei Waffen, Schutzwaffen und Vermummungsgegenstände(!) mit sich zu führen. Strafe: Bis zu 2 Jahre Gefängnis oder Geldstrafe.

Art. 17: Der befriedete Bezirk, bisher nur das Landtagsgebäude in München selbst, wird auf die gesamte Gegend um den Landtag herum erweitert, d.h. bis zum Max-Weber-Platz, Gasteig, Isarufer bzw. Friedensengel. Strafe im Falle eines Verstoßes: Bis zu 20000 €.

Art. 25: Hier wird schließlich geregelt, dass Klagen gegen "Strafen im Sinne dieses Gesetzes keine aufschiebende Wirkung" haben. Das heißt, egal, ob sich das neue bayerische Versammlungsrecht als verfassungswidrig herausstellen sollte, oder nicht, die Urteile nach diesem Gesetz gelten erst einmal.

Des weiteren werden im Straf- und Bußgeldkatalog des Gesetzes die Strafen für gewisse Tatbestände kräftig nach oben angehoben, bzw. bisherige Ordnungswidrigkeiten zu Straftaten gemacht.

Was ist da schon wieder los in Bayern?

Mit der Föderalismusreform ist die Gesetzgebungskompetenz in Sachen Versammlungsrecht vom Bund auf die Länder übergegangen - Bayern ist das erste Land, dass von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Angesichts der herrschenden politischen Verhältnisse - 2/3-Mehrheit für die CSU, Alleinregierung der CSU seit über 50 Jahren - ist es höchst wahrscheinlich, dass dieses Gesetz (wie von der Regierung angekündigt) noch vor der Sommerpause durch den Landtag geht. Es wird dann wohl zum 1. Oktober 2008 in Kraft treten.
Der Vorwand der bayerischen Staatsregierung, damit zukünftig Naziaufmärsche oder -aktivitäten verhindern zu können, wirkt angesichts des Gesetzesentwurfes geradezu lächerlich. Lediglich ein einziger Absatz, nämlich Art. 15 (2), verbietet Versammlungen an Tagen oder Orten, denen "ein an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft erinnernder Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt". Alle anderen Paragraphen beziehen sich de facto ausschließlich auf die radikale Linke in Bayern. Nach diesem Gesetz wären wohl alle Demonstrationen von und für Autonome in Bayern in den letzten Jahren verboten worden. Dieser Generalangriff auf die bayerische Linke ist umso verwunderlicher, wo doch eben diese im Freistaat relativ klein und marginal ist. Auch wenn es in den letzten 2-3 Jahren einen unübersehbaren Aufwärtstrend einer autonomen Linken in Bayern gibt, erklärt das noch lange nicht dieses massive Vorgehen seitens der bayerischen Regierung. Als ob die bayerische Polizei (mitsamt ihrer Prügeltruppe, dem USK) mit den 600 Autonomen, die es in Bayern laut dem Verfassungsschutzbericht von 2007 gibt, nicht fertig werden würde.
Eine Erklärung dafür ist wohl die Tatsache, dass Bayern bereits seit Jahren/Jahrzehnten eine Funktion als "Versuchsballon" in Sachen Repression in der Bundesrepublik einnimmt. Beispiele hierfür ist die Gründung des USK (Unterstützungskommando) im Jahre 1987, der ersten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit in Deutschland. Heute sind diese Einheiten unter den Namen BFE und SEK in allen Bundesländern Alltag auf Demonstrationen. Dass das USK nach wie vor die brutalste und berüchtigste (und in allen Polizeiwettbewerben beste) Riot-Einheit Deutschlands ist, scheint allerdings nach wie vor Prestigesache zu sein. Auch ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist zu nennen: So wurden im Januar letzten Jahres - bundesweit kaum beachtet - im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm in München unter fadenscheinigen Vorwänden 15 Objekte durchsucht - immerhin die größte Hausdurchsuchungswelle gegen die Münchner Linke seit dem Weltwirtschaftsgipfel anno 1992. Vier Monate später kam es zu den großen Durchsuchungswellen in Norddeutschland. Auch im Falle des neuen Versammlungsrechtes haben die InnenministerInnen anderer Bundesländer bereits angekündigt, die Erfahrungen Bayerns mit seinem Versammlungsgesetz in ihre jeweiligen Versammlungsgesetzgebungen "einfließen" zu lassen.
Des weiteren ist dieses Gesetz Ausdruck (und hierzulande wohl bisheriger Höhepunkt) einer immer weiter voranschreitenden autoritären Formierung dieser (bürgerlichen) Gesellschaft. Polizeistaatliche Methoden, wie die Erfassung sämtlicher Autokennzeichen auf deutschen Autobahnen, die Speicherung von Internet-, Handy- und Telefonverbindungsdaten, die Videoüberwachung des öffentlichen Raumes usw. gehen einher mit einem zunehmenden Sozialabbau, der Schaffung eines riesigen prekären Billiglohnsektors auf dem Arbeitsmarkt, der Prekarisierung weiter Teile der Bevölkerung in der BRD und der zunehmenden repressiven Abgrenzung nach außen gegenüber - von den herrschenden kapitalistischen Verhältnissen verursachten - Migrationsströmen. Diese sich aus einer scheinbar allgemein gültigen, zerstörerischen kapitalistischen Verwertungslogik heraus ergebenden Widersprüche können anscheinend nur noch durch immer repressivere Maßnahmen und Gesetze unter Kontrolle gehalten werden. Weltweit äußert sich dies in Form von Kriegen und gewaltsamer Unterdrückung von sozialen Bewegungen, hier in Deutschland und Bayern eben in immer umfangreicherer Überwachung von immer mehr Menschen und in immer repressiveren Gesetzen. Das neue bayerische Versammlungsgesetz ist also Ausdruck sich weltweit - auch in der BRD - verschärfender gesellschaftlicher Widersprüche. Der Kampf gegen dieses Gesetz muss also auch den entsprechenden Kontext thematisieren.
Viele Leute denken, dass dieses Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht so nicht durchkommen wird. Aber erstens, kann sich mensch darauf nicht verlassen und zweitens werden vielleicht auch nur einige besonders abstruse Paragraphen dieses Gesetzes gekippt, was aber noch lange nicht heißt, dass das komplette Gesetz abgelehnt wird. Außerdem wird mensch in Bayern mindestens so lange mit dem Gesetz leben müssen, bis das BVerfG darüber entschieden hat. Angesichts der in Bayern herrschenden politischen Zustände dürfte der Klageweg aber noch die realistischsten Aussichten auf die Verhinderung dieses Gesetzes bieten.
Des weiteren unternimmt die Gewerkschaft ver.di momentan durchaus beachtliche Anstrengungen gegen das neue Versammlungsgesetz. Dass mensch dies allerdings auch mit einer gesunden Skepsis betrachten sollte, ist klar. Für eine autonome Linke in Bayern - als Hauptadressatin dieses Gesetzes - rücken nun wieder grundsätzliche politische Fragen auf die Tagesordnung: Soll mensch unter diesen Umständen überhaupt noch Demonstrationen anmelden? Wie kann mensch den staatlichen Repressionsapparat unterlaufen und trotzdem effektiv eigene Inhalte vermitteln? Ist es nicht vielleicht besser, WIR bestimmen, wann wir wo, was und wie machen und nicht die Bullen? Nichtsdestotrotz ist es aber auch wichtig, große Zeichen gegen die geplanten Regelungen zu setzen - dafür benötigen die GenossInnen in Bayern allerdings unbedingt Solidarität von außerhalb. Die derzeitige CSU-Regierung unter Günther Beckstein sitzt wohl so schlecht im Sattel wie schon lange keine bayerische Landesregierung mehr - und im September sind Landtagswahlen. Die politischen Bedingungen sind also für bayerische Verhältnisse relativ günstig...

In diesem Sinne:

NEHMEN WIR UNS UNSERE VERSAMMLUNGSFREIHEIT!
WEG MIT DEM CSU-SCHWEINESYSTEM!
HER MIT DEM KOMMUNISMUS/DER ANARCHIE/ETC.!


Quelle: http://de.indymedia.org/2008/04/213892.shtml

Antifaschistische Gruppe Südthüringen