Antifaschistische Gruppen Südthüringen

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18.03.06 - Thüringen - Deutschlands braune Mitte

Eintragsdatum: 2006-03-26Quelle: AGAP, LRA, ASJ, AGST, AAW

Nicht nur aufgrund der zentralen Lage entwickelt sich das Bundesland Thüringen zum neuen Neonaziparadies, auch die Politik der seit 1999 allein regierenden CDU und das Verhalten der Polizei tragen kräftig dazu bei. Am Samstag, den 18. März 2006, fanden allein vier Neonazi-Veranstaltungen der bundesweit agierenden braunen Knasthilfe HNG, des Kameradschaftsnetzwerkes "Nationales und Soziales Aktionsbündnis Westthüringen" (NSAW) und der sich immer lauter gebärdenden "Jungen Nationaldemokraten" (JN) statt. An mehreren Orten konnten AntifaschistInnen ihren Protest zum Ausdruck bringen oder den Neonazis die Tour zumindest vermiesen. Letztere versuchten mehrmals, AntifaschistInnen und PressevertreterInnen anzugreifen. Die Polizei ließ die Neonazis mehrheitlich gewähren, verzichtete auf Kontrollen von Personen, Veranstaltungen und PKWs und beschränkte sich darauf, die antifaschistischen Gegenaktionen zu be- bzw. verhindern. Die Vorfälle werden nun von Polizei und Presse verschwiegen und vertuscht.



Thüringen - die braune Mitte Deutschlands. Der treffende Slogan zeigt nicht nur die immer schneller zunehmende und mittlerweile fast flächendeckende "Faschisierung der ostdeutschen Provinz" (Toralf Staud, Moderne Nazis) nach dem Vorbild von Sachsen und Mecklenburg, sondern auch die zentrale Lage des Bundeslandes, das von fast allen Regionen Deutschlands in nicht allzu langer Zeit auf teilweise erst neu errichteten Autobahnen erreicht werden kann. Diesen gern beschworenen Standortvorteil nutzen zunehmend auch extrem rechte Parteien und Organisationen wie die NPD, JN und "Freie Kameradschaften", zumal sie sich auf die Strukturen vor Ort verlassen können. Das Netz zwischen ihnen ist so eng geknüpft wie kaum anderswo, zahlreiche NPD- und JN-Kader sind zugleich Anführer lokaler Kameradschaften und Aktivisten überregionaler Netzwerke wie "Thüringer_Heimatschutz" (THS) und "Nationales und Soziales Aktionsbündnis Westthüringen" (NSAW).

Waren es zunächst fast nur braune Kleinstvereine wie Horst Mahlers "Deutsches Kolleg" und die "Reichsbürgerbewegung" oder die "Deutsche Akademie", die dies erkannten, so erklang mit dem Abschiedskonzert des verurteilten "Landser"-Sängers Michael "Lunikoff" Regener und anderen Bands mit mehr als tausend Neonazis am 2. April 2005 im Schützenhaus von Pößneck der erste große Paukenschlag. Polizei, Innenminister und Staatsschutz waren damals mit der Situation völlig überfordert.

Aber anstatt Konsequenzen zu ziehen, wird seitdem konsequent abgestritten und geleugnet. So behauptete der Thüringer Innenminister Karl Heinz Gasser Ende Februar 2006: "Aus Sicht des Innenministeriums ist es ein Erfolg, dass mit Ausnahme von Pößneck im April 2005 kein weiteres Skinheadkonzert erfolgreich durchgeführt werden konnte. Die Polizei habe die Veranstaltungen im Vorfeld verhindert oder aufgelöst." Tatsächlich fanden jedoch in Thüringen 2005 über 40 Konzerte von Rechtsrock-Bands und "nationalen Liedermachern" wie Michael Müller und Annett Moeck statt. Lediglich ungefähr ein Dutzend von ihnen wurde durch die Polizei aufgelöst, oft aber erst gegen oder sogar nach dem Ende der Veranstaltung (Chronik der RechtsRock-Konzerte und rechtsextremen Liederabende in Thüringen 2005. Eine Zusammenstellung der Mobilen Beratung in Thüringen.) Damit steht Thüringen mit der Zahl der Konzerte noch vor dem benachbarten Bayern an zweiter Stelle hinter Sachsen (Zahlen und Fakten zu Rechtsrock in Deutschland. 27.02.2006)

Und wo man singt, da lass Dich ruhig nieder, auch braune Brüder haben ihre Lieder. In immer schnellerer Folge finden in Thüringen Demonstrationen und Schulungsveranstaltungen der Neonazi-Szene statt, die nicht selten ein Publikum aus der ganzen Republik und den Nachbarländern ziehen. Stellvertretend sei das zweite "Fest der Völker" genannt, das für den 10. Juni 2006 in Jena geplant ist. Innenminister Gassers vollmundige Ankündigung: "Denen wird die Lust vergehen, hier aufzumarschieren", wird einmal mehr durch die Realität konterkariert. Den bisherigen Höhepunkt stellte Sonnabend, der 18. März 2006, mit vier gleichzeitigen Neonazi-Veranstaltungen dar.

Dank eines Lecks in der Neonazi-Kommunikation erhielten AntifaschistInnen bereits im Vorfeld Kenntnis von diesen Veranstaltungen und konnten zumindest bei einigen ihren Protest gegen die zunehmende Neonazi-Präsenz zum Ausdruck bringen. Polizei und Innenministerium waren davon in Kenntnis gesetzt worden und ließen verlauten, ihnen sei die verlockende zentrale Lage des Landes und auch das "hohe Mobilisierungspotenzial" in der eigenen Bevölkerung bewusst. Die angeblich entwickelten "Gegenstrategien", die "langsam fruchten" sollen, haben ihren Namen vermutlich daher, dass sie überwiegend auf die Neonazi-GegnerInnen angewendet werden, deren Protest an zwei Veranstaltungsorten so be- bzw. verhindert wurde.

HNG-Treffen in Dillstädt

Im südthüringischen Dillstädt fand die Jahreshauptversammlung der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) statt, die mit etwa 600 Mitgliedern zu den größten und wichtigsten Neonazi-Organisationen in Deutschland zählt. In den Vorjahren trafen sich bei den Jahreskongressen, die in kleinen Orten in Bayern, Hessen oder Rheinland-Pfalz stattfanden 150 bis 400 Personen, darunter zahlreiche prominente Vertreter des neonazistischen und extrem rechten Spektrums wie Führungskader der "Freien Kameradschaftsszene" und der verbotenen Neonazi-Skinhead-Organisation "Blood and Honour", aber auch Vertreter der NPD, der DVU und ehemalige Republikaner. Die Organisation mit Sitz in Frankfurt am Main betreut und unterstützt bundesweit Rechtsextreme während und nach ihrer Haftzeit in den Gefängnissen. Unter den "Kunden" der HNG waren und sind auch zahlreiche Neonazis aus Thüringen, darunter führende Kräfte wie Thorsten Heise aus Fretterode, Thomas Gerlach aus Altenburg oder Marco Zint aus Gotha. Neben den Rednern Herbert Schweiger aus Österreich, Thomas "Steiner" Wulff und Friedhelm Busse wurde auch ein "musikalisches Rahmenprogramm" mit den neonazistischen Liedermachern Annett Moeck und Michael Müller , "Julmond" und "Celtic Dawn" angeboten. Müller, der Stücke wie den umgedichteten Udo Jürgens-Schlager "Mit sechs Millionen Juden, da fängt der Spass erst an, bis sechs Millionen Juden, da ist der Ofen an..." in seinem Repertoire hat, und seine Frau Annett waren bereits 2005 zwei mal gern gesehene Gäste bei Veranstaltungen der JN Thüringen.

Der Gasthof "Goldene Henne" in Dillstädt entwickelt sich immer mehr zum Neonazi-Veranstaltungszentrum mit überregionaler Bedeutung. Antifaschistischer Protest ist in dem winzigen südthüringischen Dorf mit 880 EinwohnerInnen alles andere als wohlgelitten. Allerdings sollen nach dem Bericht auf einer Neonazi-Website in der Nacht vom 16. zum 17. März die Fassade der "Henne" und ihre unmittelbare Umgebung mit Antinazi-Sprüchen und Farbeiern umgestaltet worden sein.

Am Sonnabend saßen in der Nähe des Gasthofes auffällig zwei Zivilbeamte in ihrem Auto, die sich aber für das geschäftige Treiben der etwa 200, zum Teil mit Reisebussen aus der ganzen Republik angereisten Neonazis nicht weiter interessierten und auf Kontrollen augenscheinlich verzichteten. So entging ihnen mit Sicherheit auch, dass beispielsweise der "Panzersprenger von Karl-Marx-Stadt" Josef Kneifel an der Tagung teilnahm. Er arbeitet seit einigen Jahren in Nürnberg als Betreuer für die HNG, wird aber auch gern noch von der Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen, der Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung und dem Totalitarismustheoretiker Eckhard Jesse von der TU Chemnitz als Referent geladen und von der bundesdeutschen Presse (z.B. Sächsische Zeitung vom 9. März 2006, MDR, Kölner Stadtanzeiger u.a.m.) regelmäßig als Widerstandskämpfer, Idealist und Gerechtigkeitsfanatiker hochgejubelt. Dass im Inneren der "Henne" auch fleißig Musik den/die BesitzerIn wechselte, kann aufgrund der Anwesenheit von Rechtsrock-Größen wie Lutz Willert aus Kuhlhausen (Sachsen-Anhalt) und Enrico Marx aus Sotterhausen bei Sangerhausen (ebenfalls Sachsen-Anhalt) vermutet werden. Ein parkendes Fahrzeug aus Kassel trug die Werbung für den Neonazi-Onlineshop "Der Versand" von Timo Schubert aus Göttingen. Auch Uwe Meenen aus Würzburg brachte seine Schriften an Mann und Frau. Die Zivis wurden erst wach, als drei mit Schals vermummte Neonazis einen Pressefotografen auf der gegenüberliegenden Straßenseite angriffen, stiegen aus dem Auto aus und riefen Verstärkung heran.

JN-Führungstagung in Rudolstadt bzw. Ammelstädt

Für die Freunde des braunen Liedermacher-Paares Müller traf es gut, dass sich die Landesvorstandsmitglieder und Stützpunktleiter der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) drei Tage lang, vom Freitag bis Sonntag, im Rudolstädter Hotel "Zur Pilsner Schenke" zu einer Führungstagung zusammenfinden wollten. Eingeladen hatte der Bundesvorsitzende Stefan Rochow, organisiert wurde die Tagung jedoch von Thomas "Maggi" Wienroth aus Rudolstadt. Thomas Wienroth ist nicht nur Mitglied des Bundesvorstandes der NPD-Jugendorganisation, sondern auch gleichzeitig Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Rudolstadt-Saalfeld und seit 2005 gern gesehener Redner bei NPD und JN-Veranstaltungen nicht nur in Thüringen zu den Themen "Allgemeine Politik und Jugendpolitik". Auf einer Neonazi-Kundgebung am 22.10.2005 in Berlin-Pankow bekannte er sich stolz, "nationaler Sozialist" zu sein.

In trauter Atmosphäre sollten in Rudolstadt Themen wie "Neue Widerstandszellen braucht das Land!" und "Die zukünftige Bildungsarbeit der JN und die nationalrevolutionäre Ausrichtung unseres Verbandes" behandelt werden. Um der HNG keine Konkurrenz zu machen und den Mehrfachmitgliedern die Entscheidung zu erleichtern, war "für den Samstag abend .. der Besuch der Jahreshauptversammlung der HNG in Dillstädt geplant". Doch erstens kommt es anders ... .

Als am Samstag Mittag etwa 20 Antifas vor der "Pilsener Schenke" in Rudolstadt erschienen und Flugblätter mit Informationen zur JN verteilten, bekam der Wirt, der zuvor sehr gut wusste, welche Gäste er sich eingeladen hatte, und der trotzdem von dem guten Geschäft keinen Abstand nehmen wollte, plötzlich Angst um sein Lokal und warf die JN hinaus. Die uniformierte Polizei ließ sich auch nicht blicken, denn das hätte ja vielleicht die Statistik versaut oder die eigenen Worte Lügen gestraft. So meinte der Leiter der Polizeidirektion Saalfeld, Polizeidirektor Jürgen Höhn, noch Anfang März in einem Interview mit der OTZ auf die Frage "Sind Saalfeld und Rudolstadt aus polizeilicher Sicht noch Hochburgen der rechten Szene?": "Überhaupt nicht, aber den Makel von einst bekommt man schwer wieder los. Es gibt im gesamten PD-Bereich keine verfestigten Strukturen einer rechten Szene. Es gibt NPD-Mitglieder, aber auch diese Partei ist laut Grundgesetz geschützt" (OTZ Schleiz vom 09.03.2006). Zur tatsächlichen Situation um Saalfeld und Rudolstadt: Saalfeld - Im braunen Herzen Deutschlands.

Die etwa 30 Personen der "JN-Elite", darunter Bundesvorstandsmitglieder wie Stefan Rochow und Gäste wie sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Jürgen W. Gansel und Klaus-Jürgen Menzel, stürzten sich schwer verärgert in ihre sieben bis acht PKW und brausten davon.

Ihr neues Ziel war nicht schwer zu erraten: Das "Gasthaus Ammelstädt" im gleichnamigen Dorf, 4 km nördlich von Rudolstadt. Hier fanden bereits 2005 zwei Saalveranstaltungen der "Jungen Nationaldemokraten" statt - am 11.03. ein Liederabend mit Michael Müller und Annett Moeck und am 16.05. eine Veranstaltung mit dem Redner Tobias Schulz und den Liedermachern vom "Projekt Aaskereia" (ex-"Notwehr" - Chronik der RechtsRock-Konzerte und rechtsextremen Liederabende in Thüringen 2005. Eine Zusammenstellung der Mobilen Beratung in Thüringen.). Am 14.01.2006 wurde in Ammelstädt der JN-Landesverband wiedergegründet.

Die vor der Kneipe wartenden 20-30 Neonazis, darunter der Jenaer Kameradschaftsführer und JN-Kader André Gruschwitz, versuchten, die gegenüber dem Gasthof haltenden Autos der AntifaschistInnen anzugreifen. Die Antifas brachten sich in Sicherheit und parkten ausserhalb des Dorfes. Kurz darauf erschienen zwei Zivi-Autos mit aufgesteckten Blaulicht und stellten die Wagen zu, wenig später noch fünf bis sechs weitere in den Farben grün und weiß. Obwohl die Polizisten offensichtlich beobachtet hatten, wie die Neonazis versuchten, die Antifas am Weiterfahren zu hindern, "unterbanden sie weitere Straftaten", indem sie kurzerhand die Personalien der Angegriffenen aufnahmen und ihnen Platzverweise für den gesamten Kreis Saalfeld-Rudolstadt erteilten. Unmissverständlich gaben sie ihre Sympathien für das braune Volk zu erkennen, unterstellten den Antifas, sie hätten kurz davor gestanden, Straftaten zu begehen, und meinten, dass sie in ihrem Landkreis keinen Ärger wollen. Die Einsatzkräfte machten also ihr Fehlen in Rudolstadt wieder wett und die Veranstaltung der Neonazis konnte somit ohne weitere Störung stattfinden.

JN-Kundgebung in Apolda

Die JN machte jedoch nicht zum ersten Mal an diesem Tag Bekanntschaft mit der Antifa. Seit einigen Wochen tingeln JN-Kader und Aktivisten der "Kameradschaften" Blankenhain und Apolda durch kleinere Städte im Umland von Weimar, um "härtere Strafen für Kinderschänder" zu fordern, so zuletzt am 24.02.2006 in Bad Berka. Federführend bei den Aktionen ist neben Thomas Wienroth der Vorsitzende des JN-Landesverbandes Thüringen und stellvertretende Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Weimar-Weimarer Land, Michael Hubeny. Konnten die Neonazis bislang ihre Infostände unter dem Motto "Deutschland schütze deine Kinder!" ohne kritische Begleitung durchführen, sahen sie sich am Samstag Morgen auf dem Apoldaer Marktplatz gänzlich unverhofft der Antifa gegenüber.

Als die 10 bis 15 Jungnazis in der Frühe wie gewohnt ihren Lauti-PKW herankarrten und Holzkreuze und Flugblätter entluden, gesellten sich ca. 25 AntifaschistInnen zu ihnen. Die weitere Lärmbelästigung mit deutschen Kinderliedern wie "Hänschenklein" wurde den ihren arbeitsfreien Tag genießenden ApoldaerInnen eine Weile erspart und Flugblätter kamen ihrer eigentlichen Bestimmung nach. Nicht zuletzt angesichts des Themas blieben die Auseinandersetzungen aber friedlich. Die etwas beengt und verstört wirkenden "Kameraden" bekamen genügend Informationen zum Überdenken ihrer menschenverachtetenden Grundhaltung. In ihrer Not bestellten sie per Telefon ihre politisch geschulteren FührerInnen heran, jedoch kamen nur die erst kürzlich von Weimar zurück nach Apolda gezogene Neonazisse Sandra Ziegler mit ihrem Kind, diesmal allerdings ohne Waffe und Vermummung, und einige weitere lokale Nachwuchsnazis, so dass sich deren Zahl auf 27 erhöhte (den kleinen Sohn von Sandra Ziegler nicht mitgezählt). Von Beginn an dabei waren Stefan Rochow, Thomas Wienroth und der Führer der "Braunen Aktionsfront Thüringen - Sektion Apolda" Michael Funk als Anmelder der Kundgebung, der an zahlreichen Stellen im Internet (z.B. Freier Widerstand, aber gelegentlich auch indymedia) als "Swastika_Ap" (Hakenkreuz Apolda) unterwegs ist. Sein Vater ist als Leiter einer weiterführenden Schule in Leipzig ein angesehener Bürger der thüringischen Kleinstadt. Als weiteren auswärtigen Gast konnten die Thüringer Neonazis neben Rochow auch Thomas Rackow aus Sachsen begrüßen. Rackow ist (ehemaliges) Mitglied der "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS), vorbestraft wegen schweren Landfriedensbruch, Nötigung, Körperverletzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung und trat kürzlich im Sächsischen Landtag für die NPD-Fraktion auf. Derzeit wirkt er noch als von der NPD angestellter Kameramann, doch will er im Landtag noch höher hinaus. Sein Besuch im Nachbarland sollte vermutlich Kontakte knüpfen, doch fremdelte Rackow und hielt er sich da ganze Zeit nur an Wienroth und Rochow.

Wie es in Apolda, wo nicht wenige Neonazis Väter oder Brüder bei der Polizei haben, nicht anders zu erwarten war, schlug sich der Einsatzleiter auf die Seite der JN und drohte den Antifas mit Räumung und Platzverweisen. Daraufhin wurde eine Spontankundgebung angemeldet und es entspann sich eine kurze Diskussion zwischen ihm und dem Anmelder. Nachdem das in der Verfassung festgeschriebene Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrgenommen werden sollte, meinte der Einsatzleiter sinngemäß "Wieso? Wissen sie überhaupt, was diese [extrem rechte] Kundgebung hier für ein Motto hat?". Auf die Entgegnung "Ja, das ist aber unerheblich für unsere Veranstaltung" machte er sich Ideologie und Terminologie der Neonazis zu eigen: "Die demonstrieren hier unter dem Motto "Deutschland schütze deine Kinder", was soll denn da verwerflich sein? Sind sie etwa für Kinderschänder?". Nach dem Verweis, dass die Neonazis sein, versuchte er die angekündigte Gegenkundgebung auf einen mehrere hundert Meter entfernten Parkplatz zu verbannen und drohte erneut stark erbost mit Räumung. Währenddessen erklang aus dem Lautsprecherwagen der Neonazis das rassistische Kinderlied "Zehn kleine Negerlein". Die Apoldaer PolizistInnen wurden auf den Text hingewiesen, doch gaben sie vor, ihn nicht zu kennen - "Ja, wir müssen uns das erstmal anhören." - und ließen das Lied weiterhin über den Marktplatz schallen. Mittlerweile war jedoch der Leiter der Polizeiinspektion aus dem Bett geklingelt worden und auf dem Apoldaer Marktplatz angekommen. Nun konnten doch in der Nähe der JN-Veranstaltung eine Gegenkundgebung beginnen und Flugblätter verteilt werden, mit denen die Apoldaer Bürger und Bürgerinnen über die JN und über Neonazi-Aktionen "gegen Kinderschänder" informiert wurden. Dabei ging es insbesondere um die Verbrechen der Nazis an Kindern und Jugendlichen sowie die aktuellen Fälle der Misshandlung eines zwölfjährigen farbigen Jungens in Pömmelte (Sachsen-Anhalt) und von drei unschuldigen Männern in Berlin im Mai 2005, die von Neonazis für "Kinderschänder" gehalten und unter anderem mit einem heißen Bügeleisen gequält wurden. Stefan Rochow wandte sich daraufhin an den Einsatzleiter und erklärte: "Ich möchte bitte von der Versammlungsbehörde bestätigt haben, dass die Veranstaltung da drüben von den Linken überhaupt rechtmäßig ist! Wenn das so ist, dann hat das für uns keinen Sinn mehr, wir packen dann ein und verschwinden von hier, lösen unsere Kundgebung auf.". Diese Bestätigung erhielten sie und setzten ihre "Drohung" tatsächlich auch in die Tat um. Die Neonazis räumten kurz vor 11 Uhr, zwei Stunden vor dem geplanten Veranstaltungsende, enttäuscht zusammen und wurden unter Beifall und entsprechenden Parolen verabschiedet, ohne dass irgendwer von ihnen verletzt oder etwas zerstört worden war. In Apolda kehrte wieder (Friedhofs)-Ruhe ein und die Beteilgten sollten sich etwa eine Stunde später in Rudolstadt bzw. Ammelstädt wiedersehen.

Saalveranstaltung der "Antikapitalismus"-Kampagne in Lichtenhain/Bergbahn bei Oberweißbach/Thür. Wald

Dieses Überangebot an Veranstaltungen hielt jedoch die AG "Zukunft statt Globalisierung" des "Aktionsbüros Thüringen" bzw. des "Nationalen und Sozialen Aktionsbündnisses Westthüringen" (NSAW) nicht davon ab, am 18. März eine weitere Saalveranstaltung in Südthüringen zu planen. Ziel war die Einstimmung auf die neue "Antikapitalismus-Kampagne" der "Freien Kameradschaften" und der NPD, die bundesweit mit einer Demonstration am 1. April im mittelthüringischen Arnstadt eingeläutet werden soll (Antifa-Mobilisierung). Auch hier war das Programm durchaus hochkarätig. So sollte Arne Schimmer, der Wirtschaftsexperte der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag, zum Thema "Globalisierung ? Der Weg in den Abgrund", der Sprecher der "Aktion Freies Deutschland" (AFD), Wolfgang Juchem über "Deutschlands Erneuerung - Wie reagiert die Welt? Partner, Feinde, Aussenpolitik" und der "Wirtschaftsexperte" der NPD Per Lennart Aae über "Die raumorientierte Volkswirtschaft - Alternative zur Globalisierung" referieren. Und da in letzter Zeit kaum noch eine politische Veranstaltung bei NPD und "Freien Kameradschaften" ohne musikalisches Begleitprogramm stattfindet, ließ nazi sich auch hier nicht lumpen und bot mit Frank Rennicke den wohl bekanntesten neonazistischen Liedermacher auf. Daneben sollte noch "ein weiterer Musiker für Unterhaltung sorgen".

In den letzten Tagen vor der Veranstaltung dürfte den Organisatoren um Patrick Wieschke jedoch etwas unwohl geworden sein, als sich von den vorgesehen Veranstaltungs- und Ausweichorten einer nach dem anderen verabschiedete. Mehrfach mussten sie neue Anläufe unternehmen, ein Objekt anzumieten und den geplanten Schleusungspunkt immer wieder verschieben. Die Veranstaltung sollte ursprünglich 14.00 Uhr beginnen, doch erst ungefähr 17.00 bis 18.00 Uhr war dann endgültig klar, dass sich die Neonazis in Lichtenhain bei Oberweißbach/Thür. Wald treffen würden. Das Dorf liegt wie auch Ammelstädt im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, von dem der Polizeidirektor Jürgen Höhn versichert hatte, dass er keine braune Hochburg sei und keine "verfestigten Strukturen" existieren würden. Wahrscheinlich handelt es sich wieder einmal mehr lediglich um eine Verkettung unglücklicher Umstände. Der Lichtenhainer "Gasthof zur Bergbahn" präsentiert sich ausführlich mit einer neuen website im Internet, deren "Konzept, Fotografie und Design" laut Impressum in den Händen des Jenaer Fachinformatikers und Webdesigners Ralf Wohlleben lag. Wohlleben ist stellvertretender Landesvorsitzender der NPD Thüringen und Vorsitzender des Kreisverbandes der NPD Jena sowie (ehemaliger) Aktivist des Kameradschaftsnetzwerkes "Thüringer Heimatschutz" (THS).

Die Polizei wusste spätestens gegen 17.30 Uhr, wo die angekündigte Veranstaltung stattfinden würde, doch ließ sich bis kurz nach 20.00 Uhr kein Streifenwagen blicken. Entsprechend fanden auch hier augenscheinlich keine Kontrollen der etwa 100 angereisten Neonazis statt, die fleißig CDs und Klamotten inÂ?s und aus dem Lokal "Zur Bergbahn" schleppten. Kurz nach 20.00 Uhr stellten dann der ehrenamtliche Bürgermeister und der Leiter der örtlichen Polizeidienststelle gemeinsam fachmännisch fest, dass der Veranstaltung und dem Auftritt von Frank Rennicke vor über 100 Leuten kein "überwiegender Konzertcharakter" und "keine Außenwirkung" zukommen würde und ließen die Neonazis wie auch an den anderen Orten ihre Veranstaltungen in Ruhe zu Ende führen.

Die Reaktionen bei Polizei und Presse

Wie schon in der Vergangenheit häufig zu beobachten, versuchen Polizei, Staatsschutz und Innenministerium, nun die Vorfälle zu verschweigen, wohl um die Bürger und Bürgerinnen nicht unnötig zu verschrecken. Bislang findet sich keine einzige Erwähnung in den Mitteilungen der Polizei. Und die regionale Presse spielt einmal mehr mit, obwohl PressevertreterInnen im Vorfeld informiert und zum Teil auch anwesend waren. Ein Treffen von Hobby-Eisenbahnern in Saalfeld, die Aufstellung von neuen Radargeräten im Weimarer Land und die ersten Frühblüher in Apolda waren die Themen die letzten Woche, die das Land statt dessen wirklich bewegen.

Lediglich der antifaschistische Informationsdienst "blick nach rechts" hatte schon im Vorfeld zwei Kurzmeldungen veröffentlicht: Sammelplatz Thüringen, 15.03.2006 und Knasthilfe-Tagung, 13.03.2006. Auch danach erschien hier ein kurzer Bericht von drei der vier Veranstaltungen: Thüringische "Gegenstrategien", 20.03.2006.

Hartnäckiges Ignorieren wird bei Polizei und Politik offensichtlich immer noch als die beste Waffe im Kampf gegen zunehmende Neonazi-Aktivitäten angesehen. Wie hervorragend diese Taktik aufgeht, sieht mensch seit einigen Jahren in Sachsen und nun immer deutlicher in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt (z.B. jüngst: Gunther Latsch, Wikingerspiele und Grillwürste. DER SPIEGEL 12/2006).

Die Reaktionen der Neonazis

Mittlerweile haben die Thüringer Neonazis auf den websites der NPD Thüringen, der NPD Weimar, der Kameradschaft Blankenhain, der JN Thüringen und des JN-Bundesvorstandes nahezu gleichlautende Pressemitteilungen zu der Kundgebung in Apolda und dem Treffen in Rudolstadt/Ammelstädt veröffentlicht, bei dem getreu dem Vorbild der "Deutschen Wochenschau" auch Niederlagen und Verluste noch als große Erfolge verkauft oder bestenfalls verschwiegen werden. Das ist ja nichts Neues, ebenso wenig der Versuch, die Schlappe wieder wettzumachen. So hatte die JN Thüringen nun vor, am nächsten Sonnabend, den 25. März 2006, auf dem Theaterplatz in Weimar eine weitere Kundgebung zum Thema "Deutschland schütze deine Kinder" durchzuführen. Die von Thomas Wienroth für 14-17 Uhr angemeldete Kundgebung wurde vom Ordnungsamt vom Theaterplatz auf den Goetheplatz verschoben und auf maximal 15 Personen beschränkt. Antifagruppen und das Weimarer Bündnis "Bürgerinnen und Bürger gegen Rechtsextremismus" rufen zur Teilnahme an der Gegenkundgebung unter dem Motto "Schütze deine Kinder vor Rechtsextremismus" auf, die ab 13 Uhr auf dem südlichen Teil des Goetheplatzes stattfinden soll. Scheinheilig bot Michael Hubeny in einem weiteren offenen Brief des NPD-KV Weimarer Land und des JN-Landesverbandes dem Sprecherrat des Bürgerbündnisses an: "Falls sie Interesse haben, können wir unsere gemeinsamen Aktionen koordinieren und inhaltlich abstimmen. ... Wir würden uns freuen, Mitglieder Ihres Bürgerbündnisses auch in der Zukunft auf unseren Mahnwachen begrüßen zu können, welche wir in den nächsten Wochen und Monaten landesweit ausweiten wollen. Lassen Sie uns gemeinsam ein Bündnis gegen die Gewalt an unseren Kindern schließen."

Eine neue Qualität erreichen jedoch die Angriffe von Patrick Wieschke gegen den Bürgermeister von Breitungen/Werra, Peter Heimrich (SPD). Heimrich war es phantasievoll gelungen, der Neonazi-Horde den bereits angemieteten Saal im Breitunger Kulturhaus "Am Kraftwerk" wieder zu versagen. Auch scheute er sich nicht, den Neonazis deutlich zu sagen, was er von ihnen hält. Ein einem offenen Brief an Bürgermeister Heimrich beklagt sich Wieschke über eine "pervertierte Gesellschaft" und "moralische(n) Verfall ... in diesem Land" und vergleicht sich und seine braunen Kameraden mit der politischen Opposition in Weißrussland. Der Brief unter der Überschrift "Breitungens Bürgermeister dreht durch" gipfelt in absurden Forderungen nach Rücktritt des Bürgermeisters und Einräumen einer "offene(n) Diskussion mit mir [Wieschke] ... , in der wir über Ihr Verhalten, die inhaltlichen Differenzen, Freiheit und allgemeine politische Fragen diskutieren können". Dies erinnert stark an die Kampagne der NSAW gegen den CDU-Bürgermeister von Schleusingen, das die Neonazis vor über einem Jahr zur "Frontstadt" ausgerufen hatten. Das Thüringer Innenministerium war den LokalpolitikerInnen schon damals durch Äußerungen und Handlungen in den Rücken gefallen, aufgrund ihrer Untätigkeit am 18.03., zu der sich nun noch das falsche Parteibuch gesellt, steht nun ähnliches zu befürchten. Mittlerweile wurde vom "Aktionsbüro Thüringen" für kommenden Sonnabend eine Kundgebung vor dem Haus des Breitunger Bürgermeisters unter dem Motto "Zurücktreten, Herr Heimrich" angemeldet. Vermutlich dürften sie wie im Vorjahr mit Segen der Landesregierung mit Fackeln etc. auflaufen, denn nach Meinung der CDU und führender Polizeivertreter in Thüringen handelt es sich ja bei der NPD um eine demokratische Partei und bei den "Freien Kräften" um ordentliche und nette Jungs und Mädels, die keinen Ärger machen.

In Deutschlands brauner Mitte ist so einiges möglich!

--> Der in Apolda verteilte Flyer zum Kindesmissbrauch durch (Neo)-Nazis
--> Der in Apolda und Rudolstadt verteilte Flyer zur JN in Thüringen

Bilder:


Die TeilnehmerInnen der JN-Veranstaltung in Apolda.


Die Rednerin Sandra Ziegler und die Anmelder Thomas Wienroth und Michael Funk.


Die "Elite", darunter Michael Funk (mit Mütze) und Stefan Rochow.


Ausrüstung, Michael Funk (mit Mütze) und Fußvolk.


Thomas Rackow, Stefan Rochow und Thomas Wienroth schwer geknickt.


Thomas Wienroth und seine Freunde und Helfer.


Rackow u. örtliche "Kameraden", darunter André Gruschwitz aus Jena (Flecktarnjacke).


Natürlich waren auch wieder einige "Kameradinnen" dabei.


Dumm rumstehen und auf Apoldaer BürgerInnen warten, die nicht kommen wollen...

Antifaschistische Gruppe Südthüringen