![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
![]() Für aktuelle News checkt bitte unseren neuen Blog!Li Jun Wen: Lokalzeitung bricht das Schweigenbr>Eintragsdatum: 2008-01-19 — Quelle: FW Am 18. Januar 2008, fast 2 Monate nach dem ersten Versuch der Polizei Li Jun Wen abzuschieben, bricht eine Südthüringer Lokalzeitung das Schweigen und berichtet, nicht unkritisch, über den Fall und die rassistischen Zustände in Deutschland. Wir dokumentieren den Artikel des Freien Wort an dieser Stelle. 18.01.07 - FW
Abschiebung
Fast schon draußen vor der Tür Deutschlands Li Jun Wen aus China wollte lieber arbeiten anstatt nur Stütze zu kassieren - deshalb sitzt er jetzt im Gefängnis von Suhl-Goldlauter Von Redaktionsmitglied Jens Voigt ![]() Im Gefängnis in Goldlauter sitzt Li Jun Wen und hofft, dass er nicht abgeschoben wird, sondern zurück zu seiner Familie darf. Fotograf/Quelle: frankphoto Suhl/Gotha/Glauchau - Das "Wang Fu" am Stadtrand von Glauchau nennt sich "China-Spezialitätenrestaurant", etwas großspurig, im Grunde ist es ein besserer Imbiss, für die Leute aus den Betrieben ringsum. Chefin im "Wang Fu" ist Zhou Yuen Xue, gekocht wird von Li Jun Wen, Frau Zhous Lebensgefährten und Vater ihrer kleinen Söhne Jamy und Jawy. Er arbeitete für 7,80 Euro die Stunde, wohnte mit im Haus, nun wollte er einen Deutschkurs machen. So wären drei wesentliche Bedingungen erfüllt, unter denen Deutschland neuerdings jenen das Bleiben erlaubt, die bislang als "geduldete" Ausländer permanent auf der Kippe standen zur Abschiebung. Arbeit, Wohnung, Deutsch, das war der Plan, aber er hat nicht funktioniert. Das "Wang Fu" hat schließen müssen, Frau Zhou ist erst mal arbeitslos. Denn statt in Glauchau am Herd zu stehen, sitzt Herr Li im Gefängnis von Suhl-Goldlauter. Seit über einem Monat. Wartend, hoffend, die Tür seines "Haftraums" möge sich zum "Wang Fu" und einem Leben als Familienvater in Deutschland öffnen. Bangend, sie könnten ihn wieder in Hand- und Fußfesseln legen und nach Frankfurt/Main bringen, in den Flieger setzen nach China. Ihn abschieben. Die Geschichte von Li Wen Jun ist eine, wie sie sich hundert- und tausendfach abspielt in Deutschland und trotzdem höchst selten an die Öffentlichkeit gerät. Wer nicht gerade Oppositionsführer war in seinem Heimatland oder politisch prominent wie zuletzt der ehemalige Verteidigungsminister Georgiens, geht in aller Regel einen stillen, unbeachteten Weg durch die deutsche Bürokratie, von Antrag zu Antrag, Ablehnung, Widerspruch, Prüfverfahren, Duldung. Im Jahr 2006 lebten rund 200 000 "geduldete" Ausländer in der Bundesrepublik und etwa 2400 in Thüringen. Menschen, die keinen Pass hatten sondern ein Papier mit einem roten Strich, dessen Gültigkeit halbjährlich oder Monat um Monat verlängert wurde oder auch nicht, die de facto nicht arbeiten durften und den festgelegten Landkreis nicht verlassen. Ein Schattenheer von 200 000 Menschen im Wartestand. Angst vor dem Arbeitslager Dies zu ändern versprach eine Verabredung der Innenministerkonferenz (IMK), die Ende 2006 beschlossen und in Länder-Verordnungen umgesetzt wurde. Die so genannte Bleiberechtsregelung beinhaltete, kurz gefasst, dass geduldeten Ausländern eine Aufenthaltserlaubnis gewährt wird, sofern sie sich seit mindestens sechs Jahren in Deutschland aufhalten, keine Straftaten begangen haben, über Wohnung, ausreichende Deutschkenntnisse sowie über einen Job verfügen, der ihnen ein Auskommen ohne Zugriff auf Sozialleistungen sichert. Aber: Bewerber müssen ihren Antrag bis Mai 2007 stellen, und der Aufenthalt wird zunächst auf zwei Jahre befristet. Im August 2007 geht die Bleiberechtsregelung über in den Paragrafen 104 des novellierten Aufenthaltsrechts, sie ist jetzt ein richtiges Bundesgesetz, ohne Befristung für den Antrag. Für die Ausländerbehörden bedeutet das, Bleiberechts-Anträge nach IMK-Regelung zu beenden und, wenn dies die Betroffenen wünschen, Verfahren gemäß dem neuen Aufenthaltsrecht zu eröffnen. Es ist eine Art logische Sekunde im oft jahrelangen Verfahrensablauf, ein Spalt, in dem eine Ausländerbehörde das tun kann, was über Jahrzehnte ihr stillschweigender politischer Auftrag war: die "geduldeten" Ausreisepflichtigen, deren Beherbergung Aufwand und Geld kostet, loszuwerden, bevor sie in den nächsten gesicherten Rechts-Raum eintreten. Herr Li lebt seit zehn Jahren in Deutschland, fast die ganze Zeit in Thüringen. Bei seiner Einreise war er 30 Jahre alt, er war geflohen aus Angst: In der Chemiefabrik im ostchinesischen Zhengzhou, wo er beschäftigt war, hatte es eine Havarie mit nachfolgendem Feuer gegeben. Verursacht vom Sohn des Direktors, aber der habe Li, den einfachen Arbeiter, zum Sündenbock machen wollen, Gefängnis, vielleicht sogar Arbeitslager hätten ihm gedroht. Ob die Geschichte stimmt, bleibt offen. Lis Asylantrag jedenfalls wird abgelehnt, denn dafür hätte nur eine belegbare staatliche Verfolgung ausreichend Gründe geliefert. Li, verheiratet und ohne Pass, kommt ins Asylbewerberheim nach Waltershausen, er führt ein unauffälliges Leben. 2001 lässt Li sich scheiden, es gibt eine neue Liebe in Deutschland: Frau Zhou. Die in Glauchau lebt und dort zu sein hat wie er in Waltershausen. Natürlich holt er sich nicht jedes Mal die vorgeschriebene Genehmigung zum Verlassen des Landkreises, jeder "Geduldete" verstößt mehr oder weniger oft gegen die "Residenzpflicht", das wissen Flüchtlingsorganisationen ebenso wie Ausländerbehörden, unausgesprochen gilt das Abkommen, wenigstens nicht zu oft und zu dreist dagegen zu verstoßen. Doch wie oft ist zu viel, wenn man eine neue Liebe hat und zwei Söhne in Glauchau? Li spricht fast kein Deutsch und auch kein Englisch, nach Einschätzung seiner Rechtsanwälte hat er von all dem, was ihm über die Jahre in der Ausländerbehörde erklärt oder beauflagt wird, nicht wirklich viel verstanden. Oder verstehen wollen. Etwa seine "Mitwirkungspflicht" im Verfahren, zum Beispiel bei der Passbeschaffung. Was bedeutet, nach Berlin zur chinesischen Botschaft zu fahren und die Dokumente zu beantragen. Wer aber einen Pass hat, beseitigt damit auch eine Abschiebe-Bremse. Und unter Asylbewerbern kursiert das Gerücht, dass die Botschaft die deutschen Behörden schneller über neue Passinhaber informiert als die von Berlin in ihre "Residenz"-Orte zurück gefahren sind ... Wie auch immer, für Li nähert sich Anfang Dezember die logische Sekunde seines Verfahrens. Sein Antrag auf Bleiberecht nach IMK-Beschluss wurde bereits abgelehnt, sein Widerspruch dagegen auch. Die Begründung der Ausländerbehörde fasst Michael Stade vom Gothaer Verein "L"amitien", der sich um Lis Schicksal kümmert, so zusammen: verspätete Passbeschaffung, ungenügende Deutschkenntnisse, wiederholter Aufenthalt außerhalb des Wohnheims. Trotzdem aber, so hat es Li laut Stade verstanden, versichert die Leiterin der Ausländerbehörde Li am 3. Dezember, er werde bestimmt nicht abgeschoben und habe gute Chancen in einem neuen Verfahren. Der 40-Jährige glaubt daran. Schließlich hat er inzwischen seinen neuen Pass vorgelegt. Das Landratsamt Gotha hingegen erklärt auf Nachfrage, die Mitarbeiterinnen im Ausländeramt würden "grundsätzlich keine Zusicherungen" geben und die Leiterin habe an diesem Tag gar nicht mit Li gesprochen. Verletzungen an Kopf und Händen Am nächsten Morgen erscheint in Waltershausen die Polizei. Li und Chen He Wen, ein weiterer Chinese, werden nach Frankfurt/Main gebracht - zur Abschiebung. Chen fliegt davon, Li nicht. Warum, darüber gehen die Darstellungen auseinander. Laut Stade soll Li am Flughafen mit derartigen Verletzungen an Kopf und Händen eingetroffen sein, dass er nicht reisefähig war. Nach Auskunft seiner Anwälte hat Li sich derartig gegen das Bugsieren in die Maschine gestemmt, dass der Versuch abgebrochen wurde. Möglicherweise auch auf Betreiben der Airline, weil es für die "Schüblinge" keine Flug-Begleitung gab und ein tobender Li ein Sicherheitsproblem hätte werden können. Sandra Jesse vom Thüringer Flüchtlingsrat jedenfalls geht nach Zeugen-Beobachtungen davon aus, dass Li unverletzt wieder in ein Fahrzeug gesetzt und nach Thüringen gebracht wurde, zunächst nach Erfurt, dann über Gotha nach Goldlauter. Dort kommt er mit Hämatomen und Schürfwunden an, sowohl Lis Rechtsanwalt Keller als auch Adelino Massuvira, ein Betreuer der Suhler Evangelischen Gemeinde, bestätigen diese Angaben Stades. Wer und wann dem "Schübling" die Wunden beigebracht hat, ist strittig und wird wohl kaum noch zu klären sein: Im Untersuchungsbericht des Goldlauterer Anstaltsarztes, so Keller, "steht davon kein Wort". Mitte Dezember soll Li erneut abgeschoben werden. Diesmal schaffen ihn Polizisten sogar bis in den Flieger. Doch kurz vor dem Start der Maschine scheitert auch dieser Versuch: In letzter Minute erreichen die Anwälte beim Oberverwaltungsgericht in Weimar das Aussetzen der Abschiebung. Li kommt wieder nach Goldlauter. Und bleibt dort, bis heute. Noch in Deutschland und doch fast schon draußen vor seiner Tür. Die Anwälte arbeiten jetzt auf zwei Gleisen. Zum einen versuchen sie die Vaterschaftsanerkennung wenigstens für den kleinen Jawy durchzusetzen, zum anderen den Abschiebungsbeschluss des Gothaer Gerichts zu entkräften. Es geht um Fristen und Ausnahmen, um wahrscheinliche Einkommen, Mietkosten und Sprach-Prognosen, um die Interpretation, ob ein Mann am falschen Ort sich nun "aufenthaltsbeendenden Maßnahmen" vorsätzlich habe entziehen wollen oder einfach nur bei Frau und Kindern sein wollte. Es geht um die Ermessens-Spielräume, die - wider alle offiziellen Behauptungen - auch das neue Gesetz hat und wer sie wie zu nutzen weiß. Ein Gesetz, das laut Bekundung aller Bundestagsparteien "großzügig" zugunsten der Antragsteller angewendet werden soll und von dem der Vorsitzende der Thüringer Härtefallkommission vor einigen Tagen mitzuteilen wusste, es ermögliche es "nunmehr den Ausländerbehörden in einer Vielzahl von Fällen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, so dass ein Härtefallersuchen nicht mehr nötig" sei. Klare Regeln, eindeutige Bestimmungen, das neue Aufenthaltsgesetz soll ein sicherer Rechts-Raum sein. Die Frage ist nur, ob Li Jun Wen ihn auch betreten darf. Ein Mann, dessen sieben und vier Jahre alte Söhne ihren Wunsch, wenn auch ein bisschen fehlerhaft, in der Sprache seines Noch-Gastgeberlandes auf ein Pappschild gemalt haben: "Gibt meine Vater zurück!" ![]() Jamy und Jawy haben ihren Wunsch auf ein Schild gemalt: Sie wollen, dass ihr Vater zu ihnen zurück kehrt. Foto: privat |
![]() ![]() |
/// Unterstützt die Antifaschistischen Gruppen in Südthüringen! /// antifa-sth@riseup.net /// agst.afaction.info /// |