Antifaschistische Gruppen Südthüringen

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What's about Südthüringen?

Eintragsdatum: 2006-01-14Quelle: AGST

Im folgenden Text möchten wir euch einen kurzen kompakten Überblick über die politische Situation in Südthüringen verschaffen. Sie bildet den Ausgangspunkt unserer politischen Arbeit.

Am 11.02.2005 versammelten sich spontan ca. 30 Menschen in Meiningen, um in einer Demonstration drei hier ansässige Geschäfte zu besuchen. Alle drei Läden wurden kurze Zeit zuvor bereits "Opfer" einer nächtlichen Sprayaktion mit dem Hintergrund jene als das zu outen was sie letztendlich in irgendeiner Form sind - als Naziladen. Ein Antiquitätenladen dessen Besitzer Friedman Kriechling gute Kontakte zur rechten Szene pflegt und von Reichsdevotionalien aller Art bis hin zu rassistischen und antisemitischen Schriftgut alles an den/die interessierteN RechtsextremistIn bringt. Der "Bouncer", ein Sportmode-Laden, dessen Besitzer sich mit dem Kontakt zu den Hells-Angels rühmt und dessen Sortiment von Marken wie "Hooligan" und "Lonsdale" bis hin zu einschlägigen Nazimarken wie "Walhalla" und "Thor Steinar" reicht. Und letztendlich der "Witchmaster" ein Szene-Laden der sich augenscheinlich auf Punk und Gothik-Mode spezialisiert hat, bei näherem Hinsehen jedoch Musiklabels wie den Endzeitversand mit der ehemaligen Erfurter Rechtsrockband "Brutale Haie" führt. Im "Witchmaster" wird des Weiteren ein sich in der örtlichen Neonaziszene bewegender Piercer beschäftigt und auch ansonsten ist hier tagsüber Anlaufpunkt für die erwerbslosen der Kameraden-Szene. Ausnahmsweise handelte es sich diesmal bei den Besuchern jedoch nicht um Kunden sondern um in Südthüringen ansässige Jugendliche, welche die derzeitige Entwicklung und Transformierung rechten Gedankengutes und Symbolik in eine gesellschaftlich tolerierte Form nicht hinnehmen wollen. Nach der spontanen und ungestörten Demonstration zog Mensch sich zurück. In den folgenden Tagen wurden Flugblätter an die MeiningerInnen verteilt, um über das Problem aufzuklären. Wie sich später herausstellen sollte, wurde bei einem der Läden in jener Nacht eine Scheibe eingeschlagen und der Kleinwagen eines lokalen Neonazis vollkommen entglast. In den folgenden Wochen konnte man in den Lokalzeitungen viel über die vermeintlichen "Linksterroristen" lesen, die Naziläden-Problematik blieb jedoch vollkommen unbeachtet. Alle drei Läden verkaufen weiterhin ihre Waren und sind Treffpunkt der rechten Szene.


Antifa-Spontandemonstration durch die Meininger Innenstadt am 12.02.05


Naziladen "Bouncer" nach den Graffitiaktionen


Unbekannte zerstörten das Auto eines Meininger Nazikaders

Meiningen ist nur ein Beispiel für die Situation in Deutschland und speziell in Südthüringen. Rechtes Gedankengut verpackt in schicken Sportmarken oder alten Büchern stoßen im so genannten "grünen Herz Deutschlands" auf wenig gesellschaftlichen Widerstand. In einer erschreckenden Regelmäßigkeit stattfindende Rechtsrock- und NSBM-Konzerte, Liederabende, Kameradschaftstreffen in Dorfkneipen sowie das parlamentarpolitische Treiben von DVU, DP und NPD werden politisch toleriert und in großen Teilen der Gesellschaft sogar akzeptiert. Den zahlreich stattfindenden Demonstrationen und Kundgebungen der parlamentarischen Rechten und freien Kameradschaften wird hier fast traditionsgemäß mit Bratwurst essen und Bier trinken beim obligatorischen "Volksfest gegen Rechts", todesmutig entgegengetreten. Parteien, Kommunalpolitiker und regionale Firmen haben so die Möglichkeit publicitywirksam ihrem "Antifaschismus" freien Lauf zulassen und sich öffentlich dem Konjunkturschädling Rechtsextremismus entgegen zu werfen. Im Regelfall ist dann auch bis zum nächsten lokalen Aufmarsch Ruhe mit dem "bürgerlichen Antifaschismus" der aufständigen Anständigen.




Ivonne Mädel auf dem "Tag der nationalen Jugend" 2004 in Saalfeld



Naziaufmarsch in Suhl-Nord am 19.05.05



Kurt Hoppe als Schriftführer bei der Gründung der "Kameradschaft Zella-Mehlis"



Akteure der "Kameradschaft Zella-Mehlis" auf dem WSG-Sportplatz



Garage in Langewiesen nach dem Angriff durch die Neonazis



Sven Geyer: Leithammel der Kameradschaft Ilmkreis



Akteure der Kameradschaft Ilmkreis auf einer Kundgebung am 20.11.04 in Arnstadt

Da kann es schon mal vorkommen, dass Heinz Roth, der 2003 in Erfurt als Redner einer Neonazidemonstration neben dem vorbestraften Rechtsextremisten Ralf Wohlleben, Christian Worch und Gerd Ittner auftrat, bei den eher mäßig erfolgreichen Montagsdemonstrationen 2004 und 2005 in Meiningen als Anmelder und Hauptredner wieder zu finden ist. Oder dass die aus Meiningen stammende, bundesweit agierende "freie Nationalistin" und "Worch-Zögling" Ivonne Mädel ungestört auf eben einer dieser als "Volksprotest" deklarierten Kundgebungen sprechen kann.

Wenige Kilometer von Meiningen entfernt, im kleinen Ort Dillstädt, befindet sich das Gasthaus "zur Henne". Neben "Mittagessen ab 3EUR" kann man hier auch ungestört und regelmäßig Kameradschaftsabende besuchen, Horst Wessel-Gedenken beiwohnen, Liederabende und Reichsgründungsfeiern besuchen oder an politischen Schulungsveranstaltungen teilnehmen. Zahlreiche dieser Veranstaltungen finden hier über das Kalenderjahr verteilt statt und werden gut besucht.

Weiter nördlich befindet sich Suhl, bekannt als historische Waffenstadt und stolz auf die Erfolge seiner WintersportlerInnen. Nicht so stolz jedoch auf den Stadtteil Suhl-Nord. Suhl-Nord ist ein leicht abgelegener Stadtteil konstruiert durch die Städteplaner jener ehemaligen Bezirkshauptstadt der DDR. Plattenbauten bestimmen das Bild. Abgesehen von jenen gehören rechte Skinheads und Neonazis hier zum Alltag. Besucht man das örtliche Jugendzentrum kann man der ansässigen NSBM-Band beim proben lauschen. Übergriffe und offener Rassismus gehören zum Alltag - Punks, MigrantInnen und SpätaussiedlerInnen zu den bevorzugten Opfern. Nur wenige Autominuten von Suhl entfernt, in Schleusingen, tritt die "nationale Opposition" ungleich organisierter auf. Schleusingen wurde im Januar 2005 durch die NPD zur Frontstadt erklärt. Drei Monate sollten hier verschiedenste Aktionen, darunter auch ein Fackelumzug zum 30. Januar, dem Vorabend des Jahrestags der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, stattfinden. Die von der NPD groß betitelte Aktion wurde jedoch nach recht kurzer Laufzeit eingestellt.

Ein erwähnenswertes Beispiel für die akzeptierte Etablierung von rechtem Lifestyle in der "Mitte der Gesellschaft" stellt die "Kameradschaft Zella-Mehlis" dar. Sie hat es geschafft mit nahtlosen Übergängen ein Teil des Zella-Mehliser Fußballvereins WSG zu werden. So präsentieren sie sich auf Bildern der WSG-Seite mit ihren Kameradschafts-T-Shirts mitten im Vereinsleben, zählen zu der ULTRA- Fangemeinde des Vereins und sind teilweise auch aktive Spieler oder gar Trainer im Verein.
Aktivisten der Kameradschaft sind nicht nur Mitglied in Fußballverein WSG sondern auch Mitglieder eines örtlichen Karnevalvereins oder anerkannte Feuerwehrleute aus Zella-Mehlis.
Mit aufgebaut wurde die Kameradschaft Z-M u. a. vom bekannten Rechtsextremisten Kurt Hoppe aus Zella-Mehlis, welcher schon alle extrem rechten Parteien durchlief und derzeit das Amt des Landesvorsitzenden der Deutschen Partei inne hat. Seit Jahren verschreibt er sich dem Ziel eine "Volksfront von rechts" zu schaffen und alle "rechten Kräfte" zu vereinen. Zu diesem Zweck organisierte er in der Vergangenheit schon mehrere Politische (Schulungs-) Veranstaltungen mit anderen Größen der extremen Rechten zusammen. So die "Süd-West-Thüringer Runden freier Nationalisten". Zuletzt organisierte er in dem, für den Wintersport bekannten Ort Oberhof, im Dezember 2005, eine Bundesvorstandssitzung und einen Delegiertenparteitag der "Deutschen Partei".

Zahlreiche weitere Orte skizzieren das rassistische und nationalistische Gesicht des kalten Herzen Deutschlands. Zustände ähnlich derer in der medial präsenteren sächsischen Schweiz sind auch problemlos im verschlafenen Thüringen aufzufinden, nur werden jene seltenst mit mehr als einem meist verschwindend kurzen, oberflächlichen Artikel in einer der Regionalgazetten an die bürgerliche Öffentlichkeit getragen. So stürmten in der Nacht vom 11. zum 12. September 2005 in Langenwiesen bei Ilmenau, eine Gruppe von 40 bis 50 Neonazis einen glücklicherweise zu jenem Zeitpunkt menschenleeren Treffpunkt örtlicher alternativer und antifaschistischer Jugendlicher und zerstörten Einrichtung, Mobiliar und Computer. Die Gruppe Left Resistance Arnstadt schreibt hierzu auf ihrer Homepage: "Die Eskalation der Gewalt war hier kein Zufall, eine Vielzahl von Übergriffen auf linksorientierte Menschen ereignete sich in den vergangenen Monaten. Initiiert wurden die Angriffe von der örtlichen Neonazi-Szene, welche hier die Hegemonie inne hält: Rechte Gewalt ist Alltag und Rahmenbedingungen werden von der Stadt geboten, welche die braune Jugendkultur, anstatt sie zu dämmen, mit Leitung des Jugendclub beauftragt.". Langewiesen befindet sich im südlichen Ilm-Kreis. Weiter nördlich prägt die so genannte Kameradschaft Ilm-Kreis der Bild der Region, eine "freie Kameradschaft" mit eigenem Zeitungsorgan, dem Blatt "Ilm-Kreis-National". Produziert und zusammengestellt wird jenes von mehreren aktiven Neonazis aus Arnstadt, einer der Hauptbrennpunkte der Neonaziproblematik in Südthüringen. Szenekonzerte mit mehr als 300 BesucherInnen und nationalistische "antikapitalistische Kaffeefahrten" gehören genauso zu den Erscheinungsformen in jener Region wie auch beispielsweise der Versuch einer unangemeldeten Demonstration zum Hessgedenken am 20.August 2005 in Arnstadt. Die örtliche Naziszene zeichnet sich durch hohe Gewaltbereitschaft und eine extrem hohe Zahl von Aktivitäten und Übergriffen aus.

In Südthüringen wird das gesamte Spektrum des Neonazismus bedient. Neben den Kreisverbänden der unterschiedlichsten Parteien des rechten Randes, findet sich auch ein ausgeprägtes Netz freier Kameradschaften hier wieder. Neue Aktionsformen wie Spontandemonstrationen und sog. Kaffeefahrten, zeigen eine gefährliche Flexibilität auf und lassen das Kopieren der bis heute augenscheinlich vornehmlich der Linken vorbehaltenen Aktionsformen erkennen. Diese Entwicklung gibt den nationalen Kräften die Möglichkeit ihr Handlungsfeld erheblich zu erweitern und autonom zu agieren. Dieses nach außen hin neue Gesicht der rechten Szene kombiniert mit dem neu entdeckten "Antikapitalismus", dem energisch propagierten "nationalen Sozialismus" und dem öffentlichkeitswirksamen Antiamerikanismus, lässt alte Assoziationen von angeblich "ewig gestrigen" zurecht unlogisch erscheinen. In Zeiten sozialer Unzufriedenheiten und in Regionen eher provinzieller Charakteristik (hierzu kann man Südthüringen zählen), wandelt sich so das plakative, negative Bild des "Sieg Heil" grölenden Naziskins der neunziger Jahre, in das eines engagierten, interessierten Jugendlichen der vorrangig für eine sozialere Welt ohne Krieg und Drogen kämpft. Dieser Wandel wird insbesondere sichtbar durch das neue bewusst unscheinbarere Auftreten der Szene nach außen. 2005 veröffentlichte das Aktionsbüro Thüringen "allgemeine Demoregeln" die vorschreiben wie sich ein Nationalist auf einer Demonstration verhalten solle. Neben einem Rauchverbot während Reden, sowie dem alten "Hände aus den Taschen!" tauchen auch Regeln wie ein absolutes Verbot von Springerstiefeln und Bomberjacken sowie die Aufforderung möglichst keine bedruckten T-Shirts zu tragen, auf. Es kommt nicht mehr auf Provokation, sondern eher auf die Wirksamkeit nach außen hin an, zumindest für die politische Führung. Erst der scheinbare Sternmarsch auf die Mitte der Gesellschaft ermöglicht jenen, rechtes Gedankengut effektiv in die Masse zu tragen. Läden und Geschäfte, Kultur und Musik erleichtern die Identifikation mit dem auf den ersten Blick unpolitischen Teil der Rechten. Neonazi-Sportwear, rechte Musik, Marken wie Thor Steinar, die Geschäfte die sie vertreiben sowie in der Gesellschaft tolerierte "Nationalisten", bauen Hemmschwellen ab und schaffen Identifizierungsmöglichkeiten mit dem Lifestyle der NormalbürgerIn. Dieser nationalistische, teils rassistische und antisemitische Alltagsbetrieb muss angegriffen, der Mensch auf der Straße aufgeklärt und die politische Arbeit von Rechts sabotiert werden!

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