Rechtsextreme Strukturen in Zella-Mehlis

Als 1920 die Zella-Mehliser Arbeiter_innenschaft maßgeblich an der Niederschlagung des faschistischen Kapp-Putsches in der Region beteiligt war, machte sich die Stadt damit einen besonderen Namen, die „Rote Stadt“. Auch zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland zählte Zella-Mehlis zu den Hochburgen des kommunistischen Widerstandes im tiefbraunen „Schutz und Trutz“-Gau Thüringen. Doch die einst rote Stadt gibt es nur noch im Geschichtsbuch.

Um die Jahrtausendwende gab es auch in Zella-Mehlis keine wahrnehmbar organisierten Neonazistrukturen. Vielmehr waren eine Vielzahl von rassistischen Übergriffen auf Andersdenkende /-aussehende der damalige Ausdruck der neonazistischen Gefahr.
Ein Übergriff 2002 sowie ein weiterer 2003, bei denen die Opfer nach ärztlicher Aussage nur knapp dem Tod entgangen sind, sorgten teilweise auch für überregionale Schlagzeilen.
Rechte Schläger gehören spätestens seit der Wende mehr oder weniger offensichtlich zum Stadtbild. Nicht zuletzt auch wegen dem Gasthaus „Einsiedel“, welches sich in der Vergangenheit nicht nur hier sondern auch überregional zu einem beliebten Treffpunkt für Naziglatzen und NS-Blackmetaler_innen entwickelt hat. Hier ist rassistische Gewalt fester Bestandteil des wöchentlichen Zusammentreffens.
Doch auch die organisierten Rechtsextremist_innen in Zella-Mehlis bekommen immer mehr Aufwind. Mit dem Deutsche Partei (DP) -Landesvorsitzenden Kurt Hoppe gibt es in Zella-Mehlis eine aktive Führungspersönlichkeit aus dem nationalistischen Spektrum. Sein Einfluss in Zella-Mehlis und die Folgen davon sind deutlich spürbar. So war er maßgeblich an der Gründung der Kameradschaft Zella-Mehlis beteiligt, unterstützte diese seither mit politischen Texten für ihre Website und bot ihnen gelegentlich Raum für deren Kameradschaftsabende.
Und auch die seit März 2007 bestehende südthüringenweite Organisation „Freie Kräfte Südthüringen“ wurde maßgeblich unter der Beteiligung von Zella-Mehliser Neonazis sowie Szenegrößen wie Kurt Hoppe auf die Beine gestellt.
Von rechten Jugendlichen in Zella-Mehlis werden seit mehreren Jahren nicht nur öffentliche Plätze und ganze Stadtteile dominiert, sondern auch bei allen jährlichen städtischen Festen ist die Präsenz von Neonazis und rechten Schlägern zur Normalität geworden. Und so auch die damit verbundenen Diskriminierungen und deren Folgen für alle, die nicht in ihr krankes Weltbild passen.
Abgesehen von dem gesellschaftlichen Rechtsruck in Deutschland, lässt sich anhand der jüngsten Zella-Mehliser Wahlergebnisse eindeutig ein Anstieg des Einflusses der Neonazis auf die Bevölkerung von Zella-Mehlis erkennen. Denn im Vergleich zur Bundestagswahl im Jahr 2002 konnte die NPD bei der Bundestagswahl 2005 ihre Stimmen vervielfachen.
Im August 2006 veranstalteten Antifaschist_innen in Zella-Mehlis eine Demonstration, um auf die unhaltbaren Zustände hinzuweisen. Die Reaktionen der für die Erstarkung des Neofaschismus Mitverantwortlichen waren vielsagend. Der regionale Fußballverein WSG Zella-Mehlis, der von Neonazis geradezu durchsetzt ist, mehr noch: in dem einige Neonazis als Trainer und Jugendbetreuer auftreten und Einfluss auf die jungen Menschen nehmen, bestreitet fortwährend ein rechter Verein zu sein. Natürlich wurde das zu keinem Zeitpunkt von den Antifaschist_innen behauptet, lediglich die Einflussnahme der Neonazis auf den Verein [und deren Duldung darin] wurde thematisiert. In späteren Äußerungen stellte die WSG klar, dass hier Neonazis solange erwünscht sind, solange sie ihre menschenverachtende Gesinnung vorm Eingangstor stehen lassen und „nur“ außerhalb des Sportplatzes prügeln. Der Zella-Mehliser Bürgermeister Karl-Uwe Panse wird nicht müde zu behaupten die Stadt habe gar kein Problem mit den Neonazis. Harsche Kritik gab es jedoch an den unbequem gewordenen Antifaschist_innen. Die Nestbeschmutzer_innen hätten das Bild des „staatlich anerkannten Erholungsortes“ nachhaltig geschädigt.
Solange nur wenige Menschen klare Position gegen diese Entwicklungen beziehen und sich hinter die Opfer stellen, solange die Stadtobersten neonazistische Tendenzen und Führungskader wie Kurt Hoppe lieber dulden und „totschweigen“ wollen, der Bürgermeister glaubt es gäbe nennenswerteren Linksextremismus als Rechtsextremismus in der Stadt (in Form von Graffitis), und solange die Betreiberin der Gaststätte „Einsiedel“ vermutlich aus wirtschaftlicher Sicht lieber die Opfer anstatt die Täter des Lokals verweist, solange wird diese Entwicklung in Zella-Mehlis genauso wie anderswo stetig den gleichen Lauf nehmen.

Kameradschaft Zella-Mehlis

Seit November 2003 bestand die Kameradschaft Zella-Mehlis. Die extrem rechte Gruppierung beteiligte sich an bundesweiten Neonazievents (Halbe, Wunsiedel, Dresden). Auch das jährliche „Heldengedenken“ an der Schmücke bei Oberhof unterstützen sie aktiv. Kontinuierliche Nachwuchsarbeit, gemeinsame Konzertbesuche oder „Kulturausflüge“, welche vom politisch gefestigten Gruppenkern von ca. 10 Personen organisiert wurden, sowie enge Verbindungen mit dem örtlichen Fußballverein „WSG Zella-Mehlis“ machte die Kameradschaft zum Teil äußerst beliebt unter der Jugend von Zella-Mehlis, so dass ihre Anhängerschaft, je nach Anlass, schon mal auf 30-40 Personen geschätzt werden konnte. Ein Großteil der „Kamerad_innen“ ist äußerst gewaltbereit, so dass schon mehrfach andersdenkende oder andersaussehende Menschen zu Schaden gekommen sind.
Schon seit der Gründung bestehen enge Kontakte zur DP (Kurt Hoppe) sowie zur NPD (Tommy Frenck). Seit März 2007 organisiert sich die Kam. in den „Freien Kräften Südthüringen“, ein von der Kameradschaft Zella-Mehlis maßgeblich mit aufgebautem Sammelbecken für Neonazis aller Lager und aus allen größeren Städten Süd-thüringens, wie sie selbst angeben.

Kurt Hoppe

Der 1936 geborene Kurt Hoppe gilt als der führende rechtsextreme Kader in Zella-Mehlis. Durch seine guten Verbindungen zu fast allen Bewegung-en der Neonazis (NSAW - Nationales und Soziales Aktionsbündnis Westthüringen und Freien Kameradschaften), sowie seine Kontakte zu allen rechten Parteien von DSU über REP, DVU, DP bis hin zur NPD und sein Engagement in der überregionalen Naziszene hat er einen hohen Stellenwert bei vielen „Kamerad_innen“. Er hatte schon mehrfach Vorstandsposten der genannten Parteien inne oder trat für diese zur Wahl an. Die Einigung von rechten Parteien und so genannten Freien Kameradschaften, auch überregional, ist sein selbsternanntes Ziel. Hierfür besucht oder veranstaltet er seit Anfang der 90er Jahre zahlreiche Nazi-Events und Arbeitet mit Rechtsextremen aller Facetten insbesondere der Kameradschaft Zella-Mehlis zusammen.

Manfred Reich

Der 1940 geborene Manfred Reich besuchte jahrelang bundesweite Demonstrationen, Kundgebungen und geheime Saalveranstaltungen des gesamten braunen Spektrums. Anfang 2004 outete er sich selbst als Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz. Für den VS habe er 12 Jahre lang als V-Mann gearbeitet und soll hauptsächlich Kurt Hoppe überwacht haben. Er folgte Hoppe zur DSU, zu den REP, dann zur DVU. Und als die Deutsche Partei (DP) in Thüringen gegründet wurde übernahm er dort den Posten des Landesschatzmeisters. Daneben mischte er in der „Freien Kameradschaft Südthüringen“ mit, einem Sammelbecken von parteilosen und meist jugendlichen Rechtsradikalen. Seine Motivation lag, seinen eigenen Angaben zufolge, nicht in der Bezahlung, sondern darin die Rechte Szene vom „Gesocks“, Säufern und Schlägern zu säubern, damit diese die nationale Sache nicht kaputt machen.
Gerade mal 1 ½ Jahre später (am 22. August 2005) zeigte er sich wieder offen mit eindeutig pol. Engagement in Suhl bei einer Veranstaltung mit sämtlichen Wahlkreiskandidaten gemeinsam mit Hoppe und Frenck (beide NPD).

Illustrationen findet ihr lediglich in der Print- und PDF-Version der Broschüre.