Suhl - Die einst rote Stadt im grünen Wald

Suhl, an der Südseite des Thüringer Waldes gelegen, ist mit seinen etwa 40.000 Einwohner_innen (2006: 43.000, Tendenz sinkend) noch immer die größte Stadt in Südthüringen und stellt gemeinsam mit Zella-Mehlis das Zentrum der Region dar. So lag die Stadt auch vermehrt im Fokus rechtsextremer Bestrebungen, größere Aktionen wie Aufmärsche wurden schwerpunktmäßig hier durchgeführt. Umso weniger erfreulich ist es natürlich für die Neonazis, dass sie gerade hier keine organisierten und arbeitsfähigen Strukturen vorzuweisen haben. Es gibt vielmehr nichts dergleichen: keine reinen Szeneläden oder -kneipen, keine kontinuierlich arbeitende Kameradschaft... Und doch machte Suhl in der Vergangenheit als rechtsextreme Hochburg bereits mehrfach bundesweit Schlagzeilen, weil sich hier Neonazigewalt bisher besonders oft und sehr brutal artikuliert hat.

Die beiden Nazidemonstrationen in den Jahren 2002 und 2004 wurden von dem bundesweit agierenden Neonazikader Christian Worch aus Hamburg maßgeblich mitorganisiert und durch regionale Kader unterstützt. Beide konnten mit über 100 Teilnehmer_innen weitgehend störungsfrei durchgeführt werden. Ebenfalls im Jahr 2004 versuchte eine Gruppe Neonazis, angeführt von Nazikader Patrick Wieschke aus Eisenach, sich an die Spitze der “Montagsdemonstrationen” gegen die Einführung von Hartz IV zu setzen. Die Bürger_innen der Stadt Suhl reihten sich brav hinter einem Transparent des rechtsextremen Netzwerkes „Thüringer Heimatschutz“ ein, und nur durch konsequentes Einschreiten von Antifaschist_innen konnten die Neonazis an das Ende der Demonstration gedrängt werden. Anmelder der Montagsdemos in Suhl war der aus Untermaßfeld bei Meiningen stammende Heinz Roth, welcher im Jahre 2003 in Erfurt als Redner einer Neonazidemonstration neben dem vorbestraften Rechtsextremisten Ralf Wohlleben sowie Christian Worch und Gerd Ittner auftrat.
Als Anfang des Jahres 2005 das Asylbewerber_innenheim in Suhl geschlossen wurde, siedelte man den Großteil der ehemaligen Bewohner_innen zu menschenunwürdigen Bedingungen in einige wenige Blocks in das Stadtviertel Suhl-Nord um. Da die Präsenz von Neonazis und Rassist_innen in Suhl-Nord schon vorher sehr hoch war, kam es hier oft zu Auseinandersetzungen zwischen den Migrant_innen und den Rechtsextremen.
Was folgte, war eine ausgedehnte rassistische Kampagne der NPD gegen die so propagierte „Verausländerung“ des Stadtteils, die von Flugblattaktionen über Kundgebungen bis hin zu einem Nazifest als bisherigem Höhepunkt reichte.
Im Mai 2005 fand in Suhl-Nord eine Kundgebung der Thüringer NPD (allen voran Frank Schwerdt, Geschäftsführer der NPD und ihr Landesvorsitzender in Thüringen) gegen den von Seiten der Stadt vorangetriebenen Zuzug von Asylbewerber_innen in den Stadtteil statt, an welcher sich etwa 110 Rechtsextremist_innen beteiligten. Nur ein knappes Jahr später und in Folge einer Messerstecherei, die später durch die Nazis als “Mordversuch” durch „Ausländer“ an “nationalen Aktivisten” bezeichnet werden sollte, wurden Kundgebungen am 13.05.2006 in der Suhler Innenstadt sowie wiederum in Suhl-Nord mit etwa 100 Teilnehmer_innen durchgeführt, hier traten Wieschke und Patrick Paul aus Erfurt als einzige Redner auf. Selbst NPD- Wahlkampfstände wurden durch keine Suhler NPD-Aktivist_innen, sondern durch den Schleusinger Nazikader Tommy Frenck organisiert, bekannt durch seine Forderung im Freien Wort, Roberto Blanco sei abzuschieben.

Doch auch fehlende Nazistrukturen machen sich in Suhl für potentielle Opfer eines Übergriffes kaum bezahlt: Vielmehr wird ganz Suhl-Nord des Nachts eher gemieden als betreten. Kneipen oder Diskotheken sind natürlich nicht explizit rechtsextrem und doch sollten es sich irgendwie alternativ aussehende Menschen besser zweimal überlegen, die eine oder andere Kneipe zu betreten. Schließlich langt der am Einlass stehende Security auch schon mal mit zu. Das von den Medien so strapazierte Bild vom besoffenen Neonazi mit Springerstiefeln, Bomberjacke und Glatze ist hier durchaus kein falsches Klischee, wie Bewohner_innen der Stadt immer wieder schmerzhaft feststellen mussten. Durch die bundesweite Presse ging vor allem ein Übergriff im Jahr 2001, der hier nur exemplarisch für die häufige rechtsextreme Gewalt in Suhl stehen soll: Ein 25 jähriger Palästinenser wurde von mehren Neonazis im Suhler Zentrum aus einem gut besuchten Bus gezerrt (!) und krankenhausreif geschlagen.

Hinzu kommt eine Öffentlichkeit, die wie in so vielen Kleinstädten überhaupt nicht für das Problem der Neonazis sensibilisiert ist. Die Stadtoberhäupter werden nicht müde zu behaupten, es gäbe überhaupt keine Neonaziszene, die Presse vermeidet es, Neonazigewalt als solche zu benennen und schreibt lieber etwas von „rivalisierenden Jugendbanden“ und verharmlost somit die Gefahr. Die Menschen, die, wie im oben beschriebenen Fall direkt an der Bushaltestelle, Zeugen dieser Übergriffe werden, schreiten in den seltensten Fällen ein oder kümmern sich auch nur um Hilfe.

Illustrationen findet ihr lediglich in der Print- und PDF-Version der Broschüre.