Nazistrukturen in Meiningen
In Meiningen mit seinen rund 22.000 Einwohner_innen wird viel Wert auf Kunst, Kultur und das eigene Theater gelegt. Hinter den Kulissen gibt es die gleichen Probleme wie in vielen anderen provinziellen Städten auch: Neonazis verbreiten ihre rassistische Ideologie, greifen politische Gegner_innen an oder Menschen, welche nicht in ihr Weltbild passen. Gleichzeitig sind sie bemüht sich immer mehr im öffentlichen Leben und in der so genannten Mitte der Gesellschaft zu integrieren.
Szene
Wie in anderen, eher ländlich geprägten Gebieten, so gibt es auch in und um Meiningen viele Einzelpersonen und in Cliquen organisierte Neonazis, die sich nicht in festen Strukturen bewegen. Sie sind politisch nicht besonders aktiv, haben aber meist gute Kontakte zu neonazistischen Parteien und Organisationen. Ihre rechtsextreme Einstellung findet oft in Gewalttaten gegenüber Menschen Ausdruck, die eine andere Meinung haben, anders aussehen oder auf eine andere Art nicht ihr Schema passen.
Ähnlich gewaltbereit, aber politisch gefährlicher sind die organisierten Neonazis der Gegend. Eine der bekanntesten Neonazi-Aktivist_innen aus Meiningen ist Ivonne Mädel, die heute in Mellrichstadt (Nordbayern) wohnt. Mädel ist bundesweit bei Neonazikundgebungen aktiv, tritt als Rednerin auf und arbeitet mit Szenegrößen wie Christian Worch zusammen.
Ein anderer, besonders aktiver Meininger Rechtsextremist ist Sven Dietsch. War er vor knapp 10 Jahren noch zusammen mit Ivonne Mädel in der Punkerszene unterwegs und später ein typischer glatzköpfiger Neonazischläger, so ist er heute, seinem Selbstverständnis nach, ein cooler Autonomer Nationalist. In dieser Szene bedienen sich Neonazis bewusst linksradikaler Symboliken, um sich nach außen hin vom typischen Bild eines glatzköpfigen Schlägernazis zu distanzieren und cooler, hipper und für Jugendliche interessanter zu werden. „Autonome Nationalisten“ zeichnen sich durch eine direkte Übernahme und Umwandlung des Kleidungsstils und der Aktionsformen der linksradikalen Autonomen aus, ohne jedoch den Begriff inhaltlich füllen zu können.
Um Sven Dietsch gründeten sich die „Autonomen Nationalisten Südthüringen“, welche seit Oktober 2006 mit eigenen Transparenten auf Demonstrationen auftreten. So sind sie nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt am 07.10.2006 in Nordhausen bei fast jeder größeren Nazi-Demonstration in Thüringen dabei. Ein Schwerpunkt der „Autonomen Nationalisten Südthüringen“ ist die Anti-Antifa-Arbeit. Bei einer Soli-Demonstration für das damals räumungsbedrohte und mittlerweile abgerissene Ungdomshuset (Jugendhaus in Kopenhagen) in Meiningen, versuchten Sven Dietsch und seine Kammerad_innen die Demonstration mit Sprechchören und Transparent zu stören. Die Teilnehmer_innen der Demonstration wurden von den Nazis fotografiert und die Bilder später auf der Homepage der „Autonomen Nationalisten Südthüringen“ veröffentlicht.
Naziläden
Ein besonderes Problem Meiningens ist die Existenz von 3 Geschäften, welche die rechtsextreme Szene bedienen und auch von Leuten aus der Szene geführt werden. Von einem rechtsextremen Antiquitätenhändler bis zu einem rechten Streetwearshop ist dabei alles zu finden.
In der Sammlerstube Antik, geführt von F. Krichling, wird das übliche Sortiment eines Antiquariats angeboten. Mittendrin finden sich zahlreiche Artikel für die rechtsextreme Kundschaft, wie Bücher, Postkarten, und Orden aus dem Dritten Reich, und natürlich die obligatorischen Reichskriegs- und Hakenkreuzflaggen. Hinter vorgehaltener Hand werden aber noch weit mehr Sachen angeboten, auch Waffen kann Mensch sich in der Sammlerstube kaufen. Krichling selbst ist bekannt dafür, dass er schon mehrfach Antifaschist_innen verbal oder mit Waffen bedroht hat und eine Liste über seine politischen Gegner_innen führt.
Die anderen beiden Geschäfte, die sich eher an jugendliche Kunden richten, sind die beiden Klamottengeschäfte Bouncer und Checkpoint. Der Bouncer ist dabei nach außen hin ein „normales“ Geschäft, verkauft aber auch eindeutig rechtsextreme Modemarken wie Thor Steinar. Im Gegensatz dazu versuchen die Inhaber_innen des Checkpoint, ein Image als Szeneshop für Streetwear, Rockabilly-Waren und rechtsextreme Marken aufzubauen. Dabei waren die Anfänge des Ladens ganz andere – früher wurden unter dem Namen Witchmaster noch Waren für die Metal-, Gothic- und Punkszene verkauft. Heute dagegen ist der Checkpoint ein Treffpunkt für Anhänger_innen der rechten Szene und rechtsradikale Gewalttäter_innen wie Sven Dietsch und Alexander Wirsing. Auch sind die Inhaber_innen Manuela Wegner und Mike Hock dafür bekannt, Antifaschist_innen zu bedrohen und tätlich anzugreifen.
Übergriffe
Exemplarisch für die alltägliche rechte Gewalt wollen wir 3 Vorfälle aus den letzten 2 Jahren näher erläutern. Sie stellen nur die Spitze des Eisberges dar, zeigen aber die Brutalität, mit der Rechtsextremist_innen vorgehen und welche harmlosen Anlässe zu Gewalttaten führen.
Im Juni 2005 kam es in Friedelshausen, einem Dorf in der Nähe von Meiningen, zu einem Angriff auf alternative Jugendliche. Als diese Jugendlichen auf einem Dorffest ankamen, wurden sie von anwesenden Neonazis erkannt und innerhalb von wenigen Minuten attackiert. Einer der Jugendlichen verlor einen Schneidezahn, ein anderer musste mit einem doppelten Kieferbruch ins Krankenhaus eingeliefert werden. Später wurde Sven Dietsch, einer der Angreifer, für diese Tat zu einer 3jährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
In einer bekannten Meininger Diskothek, der „Kartarena“ (früher „Kartbahn“), kommt es auch immer wieder zu Übergriffen gegen alternative Jugendliche und Hip-Hopper. Einer der besonders extremen Fälle war ein Angriff auf einen Hip-Hopper im Winter 05/06, bei dem dieser vor der Kartarena krankenhausreif geschlagen wurde. Als Antifaschist_innen im Laufe der Auseinandersetzung eingriffen, verließen die Neonazis fluchtartig das Geschehen. Später aber lauerten sie einer beteiligten Antifaschistin vor ihrer Wohnung auf und drohten ihr, sie umzubringen.
Zu einem anderen Übergriff in Meiningen kam es im Laufe des Meininger Stadtfestes 2006. Dabei griffen bekannte Meininger Rechtsextremist_innen – wie Sven Dietsch, Alexander Wirsing, Manuela Wegner und Mike Hock – alternative Jugendliche an, nachdem diese über den Tanzstil eines Neonazis gelacht hatten. Die Opfer erlittene verschiedene Verletzungen, die Täter blieben straffrei.
Ivonne Mädel
Die bundesweit auftretende Rechtsextremistin Ivonne Mädel wurde in Meiningen geboren und wohnt derzeit im etwa 20 km entfernten Mellrichstadt (Bayern). Sie versteht sich als Teil des „freien nationalen Widerstands“ und galt lange Zeit als Zögling von Christian Worch, einem der derzeit bundeweit führenden Neonazis.
So verwundert es nicht, dass Mädels Rednerinnenkarriere 2002 in Leipzig bei einer Nazidemonstration – organisiert von Christian Worch – begann. Seither ist sie eine der bundesweit aktivsten Reisekaderinnen, auch wenn die Zahl ihrer Auftritte in der letzten Zeit etwas abnahm.
Am 16. September 2004 ergriff Ivonne Mädel in Meiningen das Mikrophon auf den, vom Rechtspopulist Heinz Roth organisierten, Sozialprotesten und konnte einen Redebeitrag halten. Der Protest einiger Antifaschist_innen führt eine Woche darauf zu einer Abstimmung, welche sich nur knapp gegen eine weitere Rede Mädels richtete. Ivonne darf nicht reden, bekommt aber das großzügige Angebot ihren Redebeitrag durch einen „Kameraden“ verlesen zu lassen. So erhält Hendrik Heller (heute NPD-Kreisverbandsvorsitzender im Wartburgkreis) aus Leimbach bei Bad Salzungen das Wort.
Illustrationen findet ihr lediglich in der Print- und PDF-Version der Broschüre.