Langewiesen - rechter Alltag einer Kleinstadt
Die Kleinstadt Langewiesen liegt etwa 3km südöstlich von Ilmenau. Sie zählt etwa 3700 Einwohner_innen und ist stolz auf ihr nun seit 150 Jahren bestehendes Stadtrecht. Ein reges Stadtleben, viele gemeinsame Feste, ein intakter Jugendclub – nur einige Dinge mit denen sich die Stadt als ein friedliches und gemütliches Örtchen präsentiert. Eine ganz normale Kleinstadt könnte man meinen. Nicht ganz. Regelmäßig wird Langewiesen zum Sammelbecken feierwilliger Nazischläger und stellt so eine reale Bedrohung für die nicht kleine alternative Szene der Kleinstadt dar.
Wer sich Langewiesen als braunes Drecksnest vorstellt, in denen Rechtsextreme durch Kundgebungen, Demonstrationen, Infostände und Nazipropaganda auf sich aufmerksam machen, den müssen wir enttäuschen. In Langewiesen gibt es keine NPD, keine Kameradschaft, keine Naziorganisation, keine reisefreudigen Demonstrant_innen und auch keine besonderen Kontakte zur organisierten Rechten. Der Naziterror in Langewiesen ist, wie in vielen Kleinstädten rein physischer Art.
Leider sind die Menschen aus der alternativen Szene in Langewiesen die einzigen, die sich an den aggressiven Rechtsextremen stören. Längst sind die Neonazis ins Stadtbild integriert. Hier stört sich keine_r am Thor Steinar-Renee oder am Pitbull Germany-Jungnazi auf dem „Volksfest“. In ganzen Scharen strömen sie von den umliegenden Dörfern in die Stadt, um mit Gleichgesinnten in Ruhe zu feiern.
Der städtische Jugendclub und sein zuständiger Verein „Reizverschluss“ e.V. ist längst von Rechtsextremist_innen durchsetzt. Hier steht der Neonazi hinter der Getränketheke, hinterm Bratwurststand oder kümmert sich um die Technik. Der Leiter des Jugendclubs bezeichnet die jugendlichen Verfechter des Dritten Reiches liebevoll als seine „schwarzen Schafe“, scheint jedoch bestens mit den Rechtsextremen zu harmonieren. Distanzieren möchte er sich nicht, im Gegenteil. Das Problem verorten die Zuständigen vom Vorstand des Clubs lieber bei den „Linken“, die sich die Dreistigkeit herausnehmen und über die Zustände der Kleinstadt berichten. Noch heute prangt die Erklärung des Jugendclubs, dort, wo vor den Veröffentlichungen der Antifa das Gästebuch war. Unter anderem heißt es dort: „Es ist eine Anmaßung, neutrale Bilder von Mitgliedern unseres Jugendclubs von unserer Internetpräsenz zu übernehmen, diese zu bearbeiten und mit eindeutiger politisch motivierter Unterstellung auf einer Seite der Antifa zu veröffentlichen.“ Der Autor der Erklärung scheint neben geschichtspolitischen Wissenslücken auch unter einer Sehschwäche zu leiden. Die von der Antifa übernommenen Bilder sind so wie sie veröffentlicht wurden, unverändert – heute noch – auf der Homepage des Jugendclubs zu finden. Immer wieder beteuern die Verantwortlichen, dass der Jugendclub offen für alle jungen Menschen sei, egal welcher politischen Orientierung. Dass die „integrierende Jugendarbeit“ da scheitert, wo Neonazis Raum vereinnahmen und sich mit Hilfe von Gewalt behaupten, scheint dem Vorstand des Jugendclub „Reizverschluss“ e.V. entgangen zu sein, oder auch nicht, denn wie sich auf der Homepage nachlesen lässt, steht der kurz darauf abgefackelte alternative Jugendclub, die „Garage“ in Langewiesen auf dem Tagesordnungsplan der Clubversammlung. Was der Vorstand hier mit den im Verein ansässigen Neonazis besprochen hat, bleibt weiterhin ein offenes Geheimnis.
In Langewiesen gehören Pöbeleien, Bedrohungen und Angriffe seitens Rechtsextremer auf Jugendliche aus der linken Szene zur Tagesordnung. Für Antifaschist_innen in Langewiesen ist die Angst vor Gewalt zum Alltag geworden. Die ständige Präsenz dutzender Neonazis auf Partys des örtlichen Jugendclubs oder Stadtfesten erzeugt in der südthüringischen Kleinstadt ein Klima der Angst.
Resigniert hat die alternative Szene hier noch nie. Da die Stadt einen Treffpunkt für Menschen, die sich nicht mit den Rechten arrangieren wollen nicht fördert, bauten sich Linke hier ein eigenes Zentrum auf. Eine Garage wurde zum alternativen Treffpunkt umgerüstet. Aus eigener Kraft und mit selbst-finanzierten Mitteln wurde die Garage als eine gemütliche Location für Treffen und kleinere Konzerte hergerichtet.
Leider gefiel der selbstverwaltete Jugendtreff, welcher schon immer als Anlaufstelle für Linke, Migrant_innen und alternative Jugendliche weit über Langewiesen hinaus bekannt war, nicht allen Langewiesener_innen. Neben den Sticheleien der Stadt, welche ganze Akten über die Garage und ihre Besucher_innen führt, sind die Neonazis das Hauptproblem der linken Szene. Schon während eines Übergriffes im Sommer 2005 bedrohte ein Neonazi sein Opfer mit den Worten „die Garage wird noch brennen“. Er sollte Recht behalten. Am 29. April rotteten sich während des Maibaumfestes in Langewiesen wieder etwa 50 Neonazis aus Langewiesen und dem Umland zusammen. Nachdem sie, ausgehend vom Fest mehrere Jugendliche, die sie der linken Szene zurechneten, angriffen - ein Mädchen gar krankenhausreif schlugen - entschlossen sich die Neonazis die Garage anzugreifen. Sie brachen ein, zerschlugen die Einrichtung und brannten die Garage an. Die wenig später eintreffende Feuerwehr löschte den Brand. Was übrig blieb ist eine zerstörte Garage, mehrere tausend Euro Sachschaden und die Ohnmacht, gegen die Überzahl an Neonazis keine Chance gehabt zu haben.
Der Angriff auf die Garage war kein Einzelfall, schon am 10. September 2005 stürmte ein Neonazimob, ausgehend von einer Feier des Jugendclubs die Garage und zerschlug blind alles, was ihm in die Hände fiel. Ein knappes Vierteljahr später versuchten wieder Neonazis in die Garage einzubrechen. Scheiterten aber an der präventiv verbarrikadierten Tür.
Das Ziel der Neonazis ist klar: Es gilt und galt die Antifaschist_innen in Langewiesen zu demoralisieren und zur Resignation zu zwingen. Doch aufgegeben hat man in der ehemaligen Hochburg der alternativen Szene noch nie.
Illustrationen findet ihr lediglich in der Print- und PDF-Version der Broschüre.