Nazistrukturen in Arnstadt

Die 26000-Einwohner_innenstadt Arnstadt ist einer der Schwerpunkte der organisierten neonazistischen Szene im Ilmkreis und in ganz Südthüringen. Als Überbau der neofaschistischen Arnstädter Szene muss die so genannte „Freie Kameradschaft Ilmkreis“ begriffen werden. Sie setzt sich hauptsächlich aus Arnstädter Rechtsextremist_innen zusammen, hat aber den Anspruch einer Vertretung für den ganzen Ilmkreis.

Die „Freie Kameradschaft Ilmkreis“

Der Führungskreis der Kameradschaft setzt sich aus einschlägig in Erscheinung getretenen Neonazikadern um Sven Geyer und Patrick Wiedorn zusammen. Zum ersten Mal trat sie Ende November 2004 öffentlich in Erscheinung. Beste Kontakte pflegen die Arnstädter Neonazis zur Kameradschaft Eisenach und dem NPD-Landesgeschäftsführer Thüringens Patrick Wieschke. Wieschke meldete seinen Arnstädter „Kameraden“ des öfteren sogar Kundgebungen an.
Der engere Kreis der Kameradschaft zählt 10 bis 15 Neonazis.
Das (spontane Mobilisierungs-)Potenzial der rechtsextremen Szene in Arnstadt dürfte das Dreifache betragen. Die Kameradschaftsabende finden im „Nassen Eck“ in Haarhausen statt, einer Kneipe, welche von Neonazis unterhalten wird.

Regionalzeitungen

Die Kameradschaft publiziert eine vierteljährlich erscheinende Regionalzeitung, die „IK National“. Seit Anfang 2006 gibt es ein weiteres Hetzblatt, die Bürgerstimme, ein Faltblatt, welches mittlerweile in einer Auflage von über 20.000 Stück erscheint und in Arnstadt und Erfurt verteilt wird. Als Herausgeber zeichnet sich u. a. Patrick Wiedorn verantwortlich. Auch ein pseudosozialer Verein namens „Nationalisten für Kinderrechte“ und ein NPD-Kreisverband im Ilmkreis rekrutierten sich bislang aus dem Kameradschaftsspektrum.

Aktivitäten

Seit Bestehen kann die Kameradschaft auf eine große Reihe von Aktivitäten zurückschauen. Zu den regelmäßigen gehören die jährlich zelebrierten Sonnwendfeiern und das ebenfalls jährlich stattfindende so genannte „Heldengedenken“ zum Volkstrauertag, an dem die Neonazis der verstorbenen NS-Täter_innen gedenken. Seit Herbst 2004 veranstalteten die Neonazis drei öffentliche Kundgebungen und eine überregionale Demonstration im Arnstädter Zentrum. Die Teilnahme und Ausrichtung von Saalveranstaltungen und Schulungen steht ebenfalls auf dem Programm der Kameradschaft.
Fast unzählbar sind mittlerweile größere und kleinere Flugblattaktionen, Kameradschaftsabende und anderweitige Aktivitäten der Kameradschaft. Gerade die genannten Flugblattaktionen haben mittlerweile bei den Arnstädter Neonazis an Bedeutung gewonnen.
So verteilt die Kameradschaft Hetzschriften unter dem Label der NPD oder einer pseudosozialen Initiative namens „Gegen das Vergessen“. Auch etliche Flugblätter, welche den antifaschistischen Widerstand in Arnstadt diffamieren oder ihn mit der Arbeit der PDS gleichsetzen, tauchten schon auf, jedoch ist auch in diesen Flyern nicht von der „Freien Kameradschaft Ilmkreis“ die Rede. Nur das im V.i.S.d.P. (Verantwortlicher im Sinne des Presserechtes – eine Art Impressum) angegebene Postfach ist immer dasselbe, nämlich das vom Neonazi Sven Geyer verwaltete Postfach eben jener Kameradschaft.

Nazigewalt und die Anti-Antifa

Trotz der vielen politisch-inhaltlichen Aktionen gilt es die Kameradschaft nicht nur als politische Gruppe zu begreifen. Die Mitglieder der Kameradschaft neigen stark zur Gewaltbereitschaft. Besonders im Frühjahr 2005 und zur Jahreswende 2005/2006 kam es zu Gewaltexzessen, ausgelöst durch Schläger aus der Arnstädter Neonaziszene. Gezählt wurden seit 2005 insgesamt 17 teils unwahrscheinlich brutale Übergriffe in Arnstadt und Umgebung. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.
Seit Ende des Jahres 2005 legen die Neonazis in Arnstadt einen besonderen Schwerpunkt auf die so genannte „Anti-Antifa-Arbeit“. Sie sammeln Informationen über Antifaschist_innen, bedrohen, observieren und bespitzeln Menschen, die sie der Antifa zuordnen. Im Rahmen dieser Bemühungen versuchen sie Linke einzuschüchtern, sie zum Schweigen zu bringen.

Sven Geyer...

...gilt als einer der führenden Köpfe der Arnstädter Neonaziszene. Geyer ist seit Anfang des Jahres 2006 Vorsitzender des neuen NPD-Kreisverbandes Ilmkreis. Er zeichnet verantwortlich für die Nazizeitung „Ilmkreis National“ und musste aufgrund dieser Hetzschrift auch eine Hausdurchsuchung hinnehmen, ausgelöst durch antifaschistische Veröffentlichungen im Herbst des Jahres 2005. Zusammen mit seinem Bruder Jens Geyer und weiteren Rechtsextremist_innen aus Arnstadt gründete Geyer im Frühjahr 2005 den pseudosozialen Verein „Nationalisten für Kinderrechte“. Laut Satzung hat Geyer die Position des Propagandachefs inne.
Momentan ist Geyer nach Österreich verzogen.

Patrick Wiedorn...

... stellt eine der Führungspersönlichkeiten der Kameradschaft dar. Er tritt auch als Autor in der rechtsextremen Szenezeitschrift „Ilm-Kreis National“ auf und ist Herausgeber der „Bürgerstimme“.
Wiedorns Arbeitsschwerpunkt liegt in der Organisierung rechtsextremer Musikveranstaltungen. Er ist u. a. verantwortlich für ein am 5. Juni 2004 in Plaue durch die Polizei aufgelöstes Neonazikonzert, mit etwa 350 TeilnehmerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet und Österreich. Wiedorn nahm an zahlreichen Aufmärschen der rechtsextremen Szene teil. Anfang März 2006 durchsuchten Polizeibeamte im Rahmen einer bundesweiten Durchsuchungsaktion die Wohnung Wiedorns, da er unter dem Verdacht steht, das im September 2000 verbotene militante Neonazinetzwerk „Blood & Honour“ (mit) weitergeführt zu haben.

Illustrationen findet ihr lediglich in der Print- und PDF-Version der Broschüre.