13.06.09 - Thüringer Allgemeine
Zivilcourage zeigen
Im Vorfeld der rechtsextremen Kundgebung heute vor dem Theater erreichten die Redaktion folgende Briefe, die wir gekürzt wiedergeben.
Es ist schlimm – deprimierend, dass der Platz, auf dem wir die ersten Schritte in die Freiheit wagten, gegen Angst und Bespitzelung, nun genutzt wird, um nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten. Wir wollen aber auch jetzt Mut beweisen, Demokratie braucht Zivilcourage. Die Möglichkeit dazu gibt es heute um 10 Uhr am Straßburgkreisel. Wir wollen beweisen, dass Amstadt eine liebenswerte Stadt ist, in der man sich frei bewegen kann. Aber alle Bürger guten Willens müssen zusammenstehen.
Dr. Johanna Voigt, Arnstadt
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, heute bekam ich eine Nachricht, die mich zutiefst bestürzte. Man teilte mir mit – und ich fand es bestätigt im Internet - dass im Schlossgarten auch eine Neo-Nazi-Gruppe auftreten wird. Ich möchte wissen, wie Sie als Amtsperson so etwas erlauben können. Warum haben Sie dieses Treffen nicht gestoppt?
Im vergangenen Dezember während meines Besuches in Arnstadt verinittelten Sie den Eindruck, über meine Hilfe bei der Aufklärung der Menschen über die Schrecken der Nazizeit in Arnstadt froh zu sein.
Sie schrieben in das Buch, das Sie mir überreichten: "Wir sind überaus dankbar dafür, dass mit Ihrer Unterstützung und Ihren Erinnerungen an das jüdische Leben in Arnstadt eine Reflektion in die Gegenwart für die heutige Generation erlebbar gemacht werden konnte. In Verantwortung für unsere Geschichte und Zukunft müssen wir alles tun - neue Wege gehen - wie mit diesem Hörspielprojekt - um gegen das Vergessen zu handeln." Wie ist es möglich, dass Sie im Dezember 2008 mir und allen, die an diesem Buch teilhaben, "den jüdischen Bürgern von Arnstadt", Ihr Engagement für das zukünftige Wohlergehen der Bürger Ihrer Stadt ausdrückten, dass Sie dankbar für mein Kommen waren. Und jetzt, im Juni 2009, können Nazis eine Versammlung vorbereiten und die musikalische Version ihrer Philosophie verbreiten.
Sie können nicht zwei Ideale haben. Entweder sind Sie für einen demokratischen Lebensstil, oder Sie sind dagegen und gegen alle die Menschen, die in gegenseitiger Achtung leben. Wenn Sie nichts tun, um das Treffen dieser Neo-Nazis zu stoppen, bekunde ich nicht nur meine Enttäuschung, sondern starke Abscheu. Mein erster Gedanke war, Ihnen das Geschenk (Buch) zurückzuschicken, ich bin aber zu dem Entschluss gekommen, Ihre Widmung an jüdische und nichtjüdische Persönlichkeiten zu schicken, um ihnen zu zeigen, wie schnell der Nazismus nach Deutschland zurückkehren kann. Ich werde Exemplare Ihres Buches und des Programms im Schlossgarten an Führungspersönlichkeiten in Deutschland sowie zum Yad Vashem in Israel schicken, ebenso an die jüdische Föderation in New York, an die Vereinten Nationen. Ich werde alle wissen lassen, dass in Arnstadt Neo-Nazis wieder ihren Hass verbreiten. Ich hoffe, Sie werden diesen Menschen nicht erlauben, ihr erbärmliches Programm aufzuführen. Ich hoffe zu erfahren, dass der höfliche und freundliche Bürgermeister mir im Dezember die Wahrheit gesagt hat. Falls nicht, so werde ich alles tun, um in sehr negativer Hinsicht Aufmerksamkeit auf Arnstadt zu lenken. Kein Jude wird sich mit erneutem Nazihorror abfinden.
Ich vertraue darauf, dass Sie das moralisch Rechtmäßige tun und dass Sie diesen Schlägern, die voller Hass sind, das Betreten des Schlossgartens untersagen, damit es zu keiner Störung des Sommerfestes kommt. Eine Radiostation in den USA hat bereits Interesse an einem Bericht über das Ereignis gezeigt, und dabei wird es gewiss nicht bleiben.
Margot Webb, USA