13.06.09 - Recherche Ost
Arnstadt: „Dieses Grundgesetz lehnen wir ab“
Im mittelthüringischen Arnstadt fand am vergangenen Samstag der sogenannte „Tag der nationalen Jugend“ statt. Jährlich wechselt der Ort der Neonazi-Kundgebung in Thüringen. 2002 fand es erstmals in Jena statt. Damals organisierte die NPD das Event. Im Superwahljahr 2009 sah sich die neonazistische Partei scheinbar nicht in der Lage dieses zu organisieren, nachdem sie sich nach Machtkämpfen im Vorstand, stark geschwächt hat. Deshalb übernahmen sogenannte parteiunabhängige „Freie Kräfte“ die Organisation. Bei bestem Wetter fanden sich zirka 300 Neonazis im Stadtpark ein.
Anmelder des Neonazi-Treffens war der Arnstädter Patrick Wiedorn. Wiedorn ist seit Jahren in der Neonazi-Szene aktiv und in der Region ein wichtiger Kader. Im Umfeld von der im September 2000 verbotenen Organisation „Blood & Honour“ wurde seine Wohnung in Arnstadt im Jahr 2006 von Einsatzkräften der Polizei durchsucht. Vorwurf war die Weiterführung einer verbotenen Organisation. In den vergangenen zwei Jahren trat Wiedorn verstärkt als Figur in den Videos von „Media Pro Patria“ auf. Nach der Inhaftierung Kevin Schnippkoweits übernahm Patrick Wiedorn die Homepage des Projekts und trat nun regelmäßig in den Videos auf.
Frühs um 10 Uhr begann die Neonazikundgebung auf dem Theatervorplatz im Stadtpark. Der Platz wurde mit Ständen und Transparenten, sowie Getränke- und Bratwurststand ausgestattet, für den „nationalen Nachwuchs“ gab es eine Hüpfburg und Büchsenwerfen. Neben dem üblichen Merchandise von T-Shirts über CDs bis zu Postern waren auch eine Reihe „Stände“ vertreten. So beispielsweise einer zum sogenannten „Antikriegstag“, welcher jährlich in Dortmund stattfindet oder ein Infostand des „Braunen Hauses“, einem Wohn- und Schulungsprojekt aus Jena. Selbst veganes Essen wurde angeboten, da vorallem unter den „Autonomen Nationalisten“ immer mehr vegan, vegetarisch und/oder „Straight Edge“ leben.
Die RednerInnenliste war lang. Von regionalen NeonaziaktivistInnen wie Patrick Wiedorn über Isabell Pohl (Erfurt) bis hin zu Ralf Wohlleben (Jena) waren aus fast allen Teilen der Republik Neonazis angereist. Der Dortmunder Dennis Giemsch machte in seiner Rede Werbung für den anstehenden „Antikriegstag“ in Dortmund. Neben Giemsch redeten der fränkische Neonazi Tony Gentsch, der Dresdner Maik Müller sowie Dennis Bührig aus Niedersachsen. Angekündigt wurde auch der tschechischer Neonazi Patrik Vondrák. Aufgrund der aktuellen Repressionen in Tschechien gegen „Narodni Odpor“ (Nationaler Widerstand) ließ er sich von dem Leipziger Jungnazi Patrick Fischer vertreten. Nach seiner Rede in der er das sagte:„Das Grundgesetz lehnen wir ab“ und mehrfach von der „nationalen Revolution“ träumte, verlaß er einen Brief von Vondrák, der sich für die Zusammenarbeit deutscher und tschechischer Neonazis bedankte und sein Nichtkommen entschuldigte.
Um die angereisten Neonazis nicht zu langweilen wurden mehrere einschlägige Rechtsrock- und Liedermachergruppen angekündigt. Den Anfang machte das Thüringer Liedermachertrio „Novus ordo mundi“ (dt.: Neue Weltordnung) und anschließend der Jenaer „Max“ (Maximilian Lemke). Anschließend traten die Rechtsrockbands „Painful Awakening“, „Fight Tonight“, „Libertin“ und „Frontalkraft“ auf.
Parallel zu dem Neonazifest fand am Rande des Stadtparks eine kleine Protestkundgebung statt. Einem Aufruf der „Antifaschistischen Gruppe Südthüringen“ (AGSt) folgten ungefähr 400 Menschen, die lautstark gegen das Treiben der Neonazis demonstrierten.
Im Vorfeld gab es einen Eklat im Stadtrat mit dem Bürgermeister Hans-Christian Köllmer (Pro Arnstadt). Er entgegenete allen, in einer Diskussion um das Vorgehen gegen Rechtsextremismus, die ihn für einen „kleinen Nazi“ halten „im Nazi ist mir zuviel Sozialismus drin“. Daraufhin wurde ihm unterstellt, seine Aussagen selbst nicht intellektuell verstehen zu können. In der Vergangenheit richtete sich immer wieder negative Presse auf den amtierenden Bürgermeister. Neben seinen guten Kontakten zu dem mittlerweile verstorbenen Jörg Haider (FPÖ, Rechtspopulist), wurde er wegen einem Aufkleber mit der Aufschrift „Ich bin die Waffenlobby“ kritisiert. Köllmer erhielt bei der Bürgermeisterwahl 2006 50,8% der WählerInnenstimmen.
Bilder: http://www.recherche-ost.com/content/view/69/3/