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Redebeitrag der Gruppe AGST zu Nazistrukturen und „Zivilgesellschaft“ in Südthüringen Südthüringen scheint nazifrei. Nur wenige Male im Jahr kommen so genannte „Unverbesserliche“ oder „ewig Gestrige“ von sonst wo her, um die Idylle zwischen Meiningen und Arnstadt zu stören. Vor jenen Tagen graut es fast jedem Stadtvater. Stiefeltragende, Glatzköpfige Schlägertypen kommen, legen den Einzelhandel für einen Tag lahm, verursachen Kosten, verkraulen Touristen. Wenn nicht durch ihre Anwesenheit dann wenigstens durch das Polizeiaufgebot. Was folgt ist Routine, ein zeitlich begrenzter Aufschrei von Presse, Einzelhandel und Kommunalpolitik, um auch dem letzten Touristen klar zu machen, dass Nazis hier nun mal nicht erwünscht sind. Ist der Spuk vorbei, ist ja auch erst mal wieder Ruhe für geraume Zeit. Diese Einstellung ist scheinheilig, gefährlich und letztendlich eine der Ursachen für die wachsenden nationalistischen Tendenzen in diesem Raum. Springerstiefel sind seit geraumer Zeit auf solchen Demonstrationen verboten und auf die leicht identifizierbare Glatze verzichtet der extrovertierte Nationalsozialist heutzutage gerne. Die Landespolitik jedoch bleibt unflexibel und schafft es glorios, sich heute auf die Naziproblematik der 90er Jahre einzustellen, deren damalige Erscheinung und Handlungsweisen inklusive. Der staatliche Antifaschismus, sofern spürbar, ist mehr als ein Jahrzehnt hinter seinem öffentlichkeitswirksamen Gegner. In Südthüringen gibt es leider mehr als genug Beispiele für organisierte Nazistrukturen, Kader, Läden, Konzerte, Schulungen und Übergriffe. Ebenso wie es hier genug Nazis, Rassisten und braune Dörfer gibt. Südthüringen ist braun. In der Henne, einer Dorfkneipe im kleinen Dillstädt zwischen Suhl und Meiningen finden über das Jahr verteilt zahlreiche Veranstaltungen von NPD, freien Kameradschaften und bundesweit agierenden Naziorganisationen, wie der HNG statt. Liederabende, Kameradschaftstreffen, Schulungen und Horst Wessel-Gedenken sind nur ein Teil des Repertoires. Politik, Staatsapparat und die einzige örtliche Zeitung, das „Freie Wort“ übertreffen sich gegenseitig an Schweigen zum besagten Thema. Der Aufstand der Anständigen bleibt aus. Vielleicht weil die Standartantwort, das „Volksfest gegen rechts“ selbst jenen hier unangebracht scheint. Antifaschistische Intervention bleibt hier unabkömmlich. So kam es im Laufe der letzten Wochen, vor einem bevorstehenden Treffen der HNG zu einem Farbangriff auf die Henne. Die Henne ist nur ein Beispiel für Neonazistrukturen und Vernetzung über die Grenzen Südthüringens hinaus, und leider bei weitem nicht der einzige Treffpunkt jener Art. Nochmehr jedoch ist sie ein Exempel für die Haltung von Regionalmedien und Parlamentariern. Öffentlich gemacht wird hier nur jenes was eh nicht vor der interessierten Öffentlichkeit verborgen gehalten werden kann. Vereinzelte erfreuliche Beispiele journalistischer Arbeit beweisen, dass das Gegenteil möglich ist. Antifa und Presse in gegenseitigem Interesse zusammenarbeiten können und auch Regionalpresse Aufklärungsarbeit leisten kann. Während Politiker und Parteien die Schuld noch in Zuwanderung und schlechter wirtschaftlicher Lage suchen, sind die wahrhaftigen Gründe eben bei jener Politik der Verharmlosung zu finden. Revisionisten, Neofaschisten und Naziskins sind nur die Auswüchse dessen was seine Wurzeln in der deutschen Gesellschaft findet. Diese Tatsache macht radikales Handeln im wahren Sinne des Wortes, nämlich eben an der Wurzel-anpackend, unumgänglich. Thüringer Regionalzeitungen, allem voran die Südthüringer Zeitung titeln in Tagen, an denen Aufmärsche unmittelbar bevorstehen „Nazis raus aus Thüringen“, die Frage wohin bleibt unbeantwortet, die Frage nach dem warum, nicht. Das Gewerbe beklagt sich über zu erwartende Gewinneinbußen, Stadträte sind um das Ansehen der Stadt besorgt und alle Bürger stimmen einen antifaschistischen Einklang an, über den man sich freuen könnte wäre er auch ohne Nazidemo Alltag. Nicht Volksfeste gegen Rechts, Friedensgebete oder das schon fast traditionelle Kehren nach Aufmärschen dämmen die latente Bedrohung durch rassistisches, antisemitisches und nationalistisches Gedankengut ein. Sondern nur aktive und kontinuierliche antifaschistische Arbeit. Neonazistische und neofaschistische Strukturen müssen erkannt, veröffentlicht und zerschlagen werden. Ein Umdenken muss stattfinden. Nicht um nationales oder regionales Ansehen muss getrauert werden, nicht um lokale wirtschaftliche Einbuße und nicht um deutsche Tugenden die durch Nazis gefährdet scheinen. Sondern um Hunderte von Todesopfern nach der deutschen Wiedervereinigung, zehntausende Opfer deutscher Abschiebung und mehr als sechs Millionen ermordeter Juden zur Zeit des deutschen Faschismus. Das sind und waren die wahren Opfer, nicht Postkartenverkäufer, Markthändler oder der Deutsche der sich nun im Ausland schief angeschaut fühlt. Neonazis sind salonfähig. Leider. Um das zu ändern muss dieser Fakt erkannt werden. Thüringen ist ein Bundesland, in dem man, warnt man vor Rechtsextremismus, sich stets über die Gefahren durch so genannten Linksextremismus belehren lassen muss. Thüringen ist ein Bundesland, welches vorgibt im Juni und im Juli 2005 keine einzige Rechtsextreme Straftat vorweisen zu können. Ein Fakt der den Opfern mehrer Übergriffe zu eben jener Zeit wie blanker Hohn vorkommen muss. Thüringen ist ein Bundesland, dessen Ministerpräsident es als Lappalie sieht, Patenonkel eines Kindes Silvia Berishas, einer aktiven Nazikaderin, zu sein. Deshalb: Antifaschistische Haltung muss nicht geheuchelt werden, sondern verteidigt! Nazis müssen nicht „raus“, sondern ihre Ideologie muss widerlegt und ihre Struktur zerschlagen werden! Und Alltäglicher Rassismus und Nationalgefühl müssen als Grundlagen nationalistischer Tendenzen erkannt und bekämpft werden! --> zum Artikel |
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