03. Dezember 2012
Wieder mal feiern die Nazis den Volkstrauertag mit ihrem unverhohlenem Helden- und Totenkult. Mit diesem faschistischen Heldengedenken glorifizieren sie die gefallenen Soldaten des 3. Reiches, wobei sie allerdings zwischen zwei Todesarten zu unterscheiden wissen: Es gibt den glorreichen „Schlachtfeld-Tod“ der Deutschen und das nicht erwähnenswerte, nichtige Sterben der Anderen. Ersterer gilt in diesem Zusammenhang außerdem als das absolute Opfer, dass ein Held geben kann – nämlich sein Leben. Und unter diesen Umständen können dann auch getrost jegliche Querelen und Kritik verstummen und vereint wird beim Aufzählen der Waffengattungen ein lautes “HIER” gebrüllt.
Doch worin besteht der tiefere Sinn dieser Zeremonie?
Der nationalistisch-proletarische Dichter Heinrich Lersch dichtete 1914 die Zeile “Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen.” Dieser Spruch zierte nach dem 1.Weltkrieg viele Kriegerdenkmäler und weist die Richtung, worum es beim Heldentod geht. Das bürgerliche Individuum hat sich gefälligst dem großen Allgemeinen, wie zum Beispiel seinem Vaterland, der Nation oder auch nur der Prosperität des kapitalistischen Betriebes zu opfern. Die Staatsbürgerschaft verpflichtet zu diesem Opfer und verlangt im Ernstfall die absolute Bereitschaft es zu geben. Das heißt, dass der Bürger sich als seines Staates würdig erweisen muss, indem er das Äußerste wagt und aufs Ganze zu gehen bereit ist. Wir reden hier nicht vom liberalen Alltag, sondern vom Ausnahmezustand, den die Nazis in ihrem Regime zum Dauerzustand erhoben haben. Genau hier tritt auch der Kern des bürgerlichen Subjekts als Gewaltsubjekt deutlich zutage.
Hegel hat dieses bürgerliche Gewaltsubjekt in seiner Abhandlung über die gegenseitige Bedingung von Herr und Knecht zu fassen gesucht: Der Herr konnte sich über den Knecht stellen, weil er im Kampf gegen den Knecht alles wagte und den Tod in Kauf nahm – der Knecht ließ sich nur deshalb knechten, weil er vor dem Wagnis des Todes zurückscheute.
Herrenmensch ist also jener mit Verachtung der eigenen Sterblichkeit und ebenso Verachtung auf alles, was den Tod nicht glorifiziert, am individuellen Leben hängt und in Folge dieser Logik das Leben und den Erfolg nicht verdient. Hegel dachte dabei die Konstellation Herr und Knecht nicht unbedingt als die von 2 Personen und schon gar nicht als die zweier Klassen. Es ging ihm eher um eine innere Auseinandersetzung. Darum, im Angesicht der Gewalt und des Todes sich zu entscheiden, Herr oder Knecht sein zu wollen. Der Ort der Entscheidung war für ihn das Schlachtfeld, auf dem sich das bürgerliche Individuum dem Allgemeinen wie Staat und Nation als würdig erweist, indem es sein Leben wagt. Sich auf dem Schlachtfeld der Allgemeinheit zum Fraß vorzuwerfen ist oberste Bürgerpflicht.
Auf einem viel gezeigten Transparent des Thüringer Heimatschutzes war zu lesen: " Der Gott der Eisen schuf, wollte keine Knechte.". Er wollte wohl todesverachtende und zum töten bereite Herrenmenschen, wie die Nazis sich bis heute selbst verstehen.
Die letzte große Schlacht Deutschlands, der zweite Weltkrieg, ging jedoch für die Deutschen kräftig in die Hose und es blieb ihnen nichts anderes übrig, als den gescheiterten Herrenmenschen in Form von Heldengedenken für gefallene Soldaten zu feiern. Gerade die Schlachten der beiden letzten Weltkriege ließen jedoch wenig Platz für individuelles Heldentum.
Ein besonderes Beispiel dieser Diskrepanz zwischen gefeiertem Heldentum und profanem Verrecken im Kriegsgeschehen ist die Schlacht um Stalingrad: In der letzten Phase dieser Kesselschlacht folgten die Reste der 6. Armee dem Führerbefehl und den Durchhalteparolen, obwohl ihre Lage militärisch völlig hoffnungslos war, in der Hoffnung auf ein ruhmreiches Sterben. Die meisten deutschen Soldaten starben in dieser Zeit jedoch an Typhus, Erfrierungen, Unterernährung und Entkräftung anstatt durch direkte Feindeinwirkung.Während sich also in Stalingrad dieses völlig unheldenhafte und erbärmliche Massenverrecken vollzog, wurden an der sogenannten “Heimatfront“ schon prunkvolle Trauerveranstaltungen für den ruhmreichen Untergang jener 6. Armee abgehalten. Einer nationalistischen Propagandamaschinerie ist das individuelle Schicksal nämlich total schnuppe, solange es nicht medienwirksam ausgeschlachtet werden kann.
Der Kit dieses Zwangskollektivs ist eine Suggestion aus vermeintlichem eigenen Heldentum und äußerer Bedrohung. In Deutschland klappte und klappt dies reibungslos und meist wird die Schmach darüber, bei dem “Spiel zweiter Weltkrieg“ verloren zu haben immer äußeren Kräften zugeschoben. Nach wie vor wird das eigene Heldentum hemmungslos gefeiert. So befindet sich mittlerweile in jedem Thüringer Kaff ein Steinblock mit Eisernem Kreuz und den Namen der in beiden Weltkriegen getöteten Männern des Ortes.
In den letzten Jahren wurde zunehmend öffentlich der eigenen Opferrolle große Beachtung geschenkt. Rund um die Jahrestage der Bombardierungen deutscher Städte im zweiten Weltkrieg entwickelte sich in den letzten Jahren ein regelrechter Gedenkzirkus, mit seinem Epizentrum in der vermeintlich unschuldigen Kunststadt Dresden.
Die Totenzahlen durch alliierte Bombardierungen waren dabei weit geringer als zum Beispiel die des sogenannten Kohlrübenwinters 1916/1917, bei dem durch mangelhafte Ernährung geschwächt über 700 000 Deutsche an Epidemien starben, die sie überlebt hätten, wenn es keinen Krieg gegeben hätte. Derlei Tote sind durch Deutsche Herrenuntertanen jedoch schwer zu betrauern, da sie weder heroische Opfer waren noch ihr Tod anderen in die Schuhe geschoben werden kann. Beweint wurden im kollektiven Gedächtnis daher nur die Bombardierungen durch die Alliierten und die sogenannte “Schmach von Versailles”.
Als Fazit bleibt somit festzuhalten: Heldengedenken, egal von wem und zu welchen Anlässen, der komplette Heldentotenkult und dieses Gehabe um Todesverachtung ist als menschenfeindliches Ritual abzulehnen. Hier geht es um die geistige Domestizierung des Individuums, die eigene mögliche Vernichtung als Opfer für Kapital, Staat und Nation zu bejahen.
Auch die bürgerliche Vernunft war noch nie ein Garant für Schutz vor solcherlei Zumutungen. Sie produziert jene vielmehr immer wieder selbst und ist somit sogar Aufhänger für die Nazis. Jedoch können sie in ihrem Heldengedenken lediglich melancholisch das Versagen ihrer geistigen Großväter betrauern und diesem Versagen auch noch durch die Glorifizierung des vermeintlichen Heldentodes ein Herrenmenschentum abtrotzen, welches sich an den historischen Realitäten blamiert.
Unsere Forderung kann daher nur lauten:
Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Ein Leben ohne Staat, Nation und Kapital kann nur ein Besseres sein!