Do not join Gesichtsbuch!

Kritik an Facebook-Nutzung durch linke Strukturen

19. Dezember 2012

Neulich beim Plenum: Es gab bei uns Überlegungen, wie Leute besser mit linker Kritik erreicht werden könnten. Dies und das wurde überlegt, Flyer wurden besprochen, bis auf einmal jemand mit “facebook” aufwartete. Eine heftige Diskussion entspann sich über Sinn und Unsinn eines Facebook-Accounts. Ein Argument für Facebook war, dass dort bereits Antifa-Gruppen vertreten sind und sowieso fast jede*r Facebook nutzt. Auch gab es in unserem Umfeld schon Bemerkungen, dass man nur noch über Facebook von Veranstaltungen erfährt. Einige, die sich mit dem Thema Datenschutz und Privatsphäre bereits auseinandergesetzt haben, sehen genau hierin ein Problem. Dazu muss näher beleuchtet werden, wem sich hier Teile der linken (Gegen)-Öffentlichkeit anvertrauen.

Facebook (im folgenden Fb) ist ein soziales Netzwerk, dass besonders aggressiv persönliche Daten abkascht und über Suchalgorithmen Leute zusammenführt. Das Gleiche gilt für die Userverkehrsdaten (wer mit wem usw.). Fb tut das sicher nicht aus Gutmenschentum oder um die Basisdemokratie zu stärken, sondern für den personalisierten Datenhandel. Die Dienste von Fb scheinen für User*innen zwar kostenlos zu sein – sie und ihre persönlichen Daten, ihr Account, werden jedoch selbst zur Ware, mit der Fb Handel treibt. Selbst unter falschen Angaben lassen Verknüpfungen und Spuren eine relativ leichte Zuordnung zu. Ein anonymer Account bei Fb hat faktisch keinen Sinn. Fb selbst strebt an, die korrekten User*innendaten zu bekommen und startete hierzu bereits Denunziationsaufrufe.
Noch schlimmer: es werden nicht nur die Daten der Benutzer*innen gesammelt, sondern auch von denen, die keinen Account bei Fb haben (indem die E-Mailadressbücher von bereits angemeldeten Nutzer*innen gescannt werden). Dabei sichert sich Fb sämtliche Rechte an den von User*innen preisgegebenen und veröffentlichten Daten. Alle Kontakte, Vorlieben etc. sind dabei einsehbar und jederzeit auf konkrete Personen zurückzuführen. Fb ist Überwachung pur!
Die verwendeten Algorithmen, die bei der Suche nach “Freunden”, Lieblingsbands oder Ähnlichem helfen, können genauso zu Spionage und für Internetfahndungen genutzt werden. Fb rückt immer mehr ins Interesse von Geheimdiensten und Polizei und macht dabei keinerlei Andeutungen sich um Diskretion zu bemühen. Schon seit längerer Zeit wird Fb durch Sicherheitsorgane für Schnüffeleien genutzt. Sogar Denunziationsaufrufe werden von der Polizei gestartet. Für Europa plant Fb sein Servercentrum in Schweden, das jedoch nicht aus kühltechnischen Gründen, sondern aus dem Grund, dass Schweden sehr lasche Datenschutzrichtlinien hat. Jene ermöglichen wiederum auch Behörden, ohne richterlichen Beschluss, Serverdaten abzugreifen.

Das Konzept “Facebook” geht auf. User*innen können sich mühelos mit geringen Vorkenntnissen und scheinbarer Folgenlosigkeit vernetzen, eigene Inhalte posten und sich im Web artikulieren. Die entstehende Anhäufung privater Daten und die damit einhergehende Öffentlichmachung der eigenen Privatsphäre entwickelt sich zu einem Gefahrenpotenzial für die Nutzer*innen. Dass gerade die linke Szene, die es eigentlich aus ihren Erfahrungen mit Überwachung und Repression besser wissen müsste, sich von dem allgemeinen Facebook-Sog mitreißen lässt, halten wir für sehr bedrohlich. Niemand veranstaltet Treffen vor Überwachungskameras einer Firma oder eines Dienstleisters, der/die das Überwachungskonzept als kommerzielle Grundlage hat, dachten wir! Die Mär, auf Fb Massen zu erreichen und sensibilisieren zu können, ist für uns nicht haltbar. Ein “like”-Button-Klick ist keine politische Großtat und wir sehen dank Fb keine neue breite, soziale Bewegung aufflackern, sondern eher eine Anhäufung beknackter Facebook-Parties. Wir jedenfalls sehen keinen Sinn darin, uns diesem Klamauk auszusetzen – im Gegenteil. Es ist höchst gefährlich, wenn erste Initiativen sich nicht mehr um eine eigenständige Webpräsenz kümmern, sondern sich nur noch über Fb äußern. Hier wird bereits normativ vorausgesetzt, dass eh bereits alle bei Fb rumhängen. “Schwarmintelligenz” ist hier für uns gleichzusetzen mit Verhaltenszwang und Handeln gegen die eigenen (Privatsphären-) Interessen.

Wir sehen hier einfach mal Diskussions- und Handlungsbedarf. Anonymität und informationelle Selbstbestimmung sollten für die linke Szene im Web mindestens ansatzweise zu den Basics gehören. Uns treibt nicht Paranoia zu unserer Kritik sondern unser Alltagsverstand, der uns sagt, dass es besser ist linken Webkollektiven zu vertrauen, die auch unsere politischen Ansprüche teilen. Facebook gehört nicht dazu! Womit wir bei dem Thema “Alternativen” wären. Wir nutzen für unsere politischen Tätigkeiten linke Webkollektive und unterstützen diese selbstverständlich auch finanziell, was anonym manchmal nicht so einfach ist. Wir leben in einer kapitalistischen Gesellschaft, wo bei allem DIY immer auch Unkosten entstehen, auf denen häufig die Betreiber*innen hocken bleiben und häufig auch noch für ihr Engagement gedisst werden (siehe indymedia). Nicht sämtlicher Informationsfluss muss über die großen Datenabfasser*innen der Internetbranche abgewickelt werden und schon gar nicht via Fb. Seit Jahren wird sich um ein dezentral organisiertes, selbstbestimmtes Social Network bemüht, dass sich “diaspora” nennt. Warum es nicht flächendeckend angenommen wird – wer weiß. Evtl. schließen sich Sozial Networking und Datenschutz generell gegenseitig aus.

Daher fordern wir:

  • linke Strukturen sollten sich generell um sicherere Kommunikationswege bemühen.
  • hostet bei linken Anbieter*innen und bloggt bei Hostern, denen ihr vertraut – unterstützt sie durch Spenden
  • sucht euch genauso Mailanbieter*innen eures Vertrauens, verschlüsselt eure E-Mailkommunikation und helft anderen, diese Technologie anzuwenden
  • Instantmessaging geht auch verschlüsselt und anonymisiert, es muss nicht über icq oder gar Fb gechattet werden
  • generell: überlegt euch genau, was ihr von euch im Web preis geben wollt und welches Bildmaterial, über euch und andere, wirklich notwendig ist

Gibt es ein Leben ohne Facebook? Selbstverständlich!

Kritik an Fb von Nadir.org

hier eine kleine Liste linker Webkollektive:
autistici.org
blogsport.de
nadir.org
riseup.net
so36.net
squat.net
systemli.org