Gegen den Extremismusdiskurs der politischen "Mitte"

Aufruf - http://inex.blogsport.de/2010/02/09/gemeinsam-gegen-jeden-extremismus-nicht-mit-uns/

Die Welt kann so simpel sein: hier die Linken - da die Rechten, die sich gegenseitig die Köppe einhauen und die Demokratie gefährden (wollen). In der "Mitte" thront das gute Deutschland und schwafelt davon, wie gut es ist sich immer schön an der "Mitte" zu orientieren. Denn der Rest ist ja Extremismus.

Immer schön brav in der Mitte bleiben!
Hinter dem Konstrukt "Extremismus" verschwinden in der vorherrschenden politischen Wahrnehmung sämtliche Unterschiede zwischen linksradikaler und rechter Politik. Zwei Parameter werden dabei herangezogen: der Wille zur Abschaffung der freiheitlich/demokratischen Grundordnung und "Gewalt". Hierbei wird nicht Gewalt an sich als Kriterium genommen sondern speziell politisch motivierte Gewalt, die nicht von Staatsorganen ausgeht. Staatliche Gewalt ist eh der blinde Fleck in der Wahrnehmung der Demokraten, so lange sie nicht allzu offensichtlich und unappetitlich wird. Extremistische Gewalt dagegen kann demnach gleichermaßen links- wie rechtsmotiviert sein. Egal ob Migrant_innen und Obdachlose von Nazis vermöbelt werden oder Häuser von Linken besetzt - the same! Egal, ob Nazis zum "Schutze der Volksgemeinschaft" das "Weltjudentum" ausrotten wollen und dies Antikapitalismus nennen oder Linke für Kommunismus als "Freie Assoziation freier Individuen" einstehen - das selbe! Auschwitz gleich Gulag und fertig. Der einzige Schutz vor derlei gleichgesetzten "Verfehlungen" bietet in Deutschland das Konstrukt der politischen Mitte:

Leviathan und der Extremismus der politischen "Mitte"
Thomas Hobbes, einer der frühbürgerlichen Staatstheoretiker, auf den sich heute noch bezogen wird, erfand die Figur des Leviathans. Der Leviathan ist eine Art staatliches Obermonster, dass die vielen kleinen Monster, die die bürgerlichen Individuen in ihrem "Naturzustand" nun mal seien, durch Staats-Gewalt im Zaum halten soll. Ganz bürgerlich haben also Menschen "von Natur" aus den lieben langen Tag nichts anderes zu tun, als sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Dass die kapitalistische Konstitution der Gesellschaft erst die Individuen in unerbittliche Konkurrenz zueinander stellt, dürfte als Erkenntnis aber schon wieder nicht mittig genug sein.
Zurück zu Leviathan: dieser Obergewalttäter in Form des Staates regiert uns viele potenzielle Gewalttäter nun. Da dies immer wieder in Diktatur ausartete, verfiel Leviathan auf einen Taschenspielertrick. Er dreiteilte sich in Judikative, Exekutive und Legislative und nannte dies GEWALTENTEILUNG. In dieser Dreiteilung soll sich nun Leviathan selbst kontrollieren. Der Haken an der Sache ist, dass im Ernstfall, demAusnahmezustand, doch wieder alles eins ist und der Staat sich selbst freie Hand in der Gewaltausübung gibt. In der affirmativen Bejahung dieses Umstandes liegt der Extremismus der Mitte. Völlig blind für eine Hinterfragung bürgerlicher Staatsgewalt wird diese nun im Kampf gegen die "extremistische" Gefahr mit immer mehr Instrumentarien ausgestattet. Sei es nun, dass das BKA selbst entscheidet, wo überall es Stoppschilder im Web aufstellt. Sei es, dass die Paragrafen 129/129a exzessive Überwachung der Betroffenen ermöglicht, aber kaum zu Verurteilungen führte. Sei es, dass eben mal schnell politisch missliebigen Menschen nichtdeutscher Herkunft die Staatsbürgerschaft verweigert wird. Sei es, dass aus immer fadenscheinigeren Gründen versucht wird, das Versammlungsrecht auszuhebeln, eine flächendeckende Vorratsdatenspeicherung mehr oder weniger die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht stellt usw.... Wer schon einmal von direkten polizeilichen Zwangsmaßnahmen bei politischen Veranstaltungen betroffen ist, wo Polizisten häufig ungeniert Gewaltexzessen nachgehen und dabei immer wieder vom Staat gedeckt werden, weiß, dass Demokratie für Andersdenkende kein Kuschelzoo ist. Die Diktatur lauert eben auch in dem staatsautoritären Extremismus der politischen "Mitte". Um Friedrich Nietzsche zu zitieren: "Wer allzu lange Monster jagt, muss aufpassen, dass er nicht selbst eines wird!"

Fazit: Der Begriff des politischen Extremismus, der durch Totalitarismusthese und Ächtung politische Gewalt definert wird, ist nichts als eine Legitimationsphrase des Konstruktes der "politischen Mitte". Wir halten staatsautoritäre Lösungskonzepte für ablehnenswert, da diese, wenn auch demokratisch legitimiert, breits diktatorische Momente enthalten. Für uns ist es kein verdammenswerter Extremismus, nach Alternativen jenseits der bürgerlich/kapitalistischen Gesellschaftsordnung Ausschau zu halten sondern Notwendigkeit. Wir verwahren uns davor, dass Nationalsozialismus/Faschismus mit linker Emanzipationsbestrebung gleichgesetzt wird.